Der Bergdoktor 2228 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2228 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Ein Weibsbild kommt ihm nicht mehr auf den Hof, das steht für den jungen Bauern Bartl Seiler fest. Seit ihn seine Ex-Verlobte sitzen gelassen hat, ist er entschlossen, sein Herz nicht noch einmal in Gefahr zu bringen.
Per Annonce sucht er daher ausdrücklich nach einem männlichen Helfer, der mit anpacken und ihm zur Hand gehen soll. Unter allen Bewerbern entscheidet er sich für den jungen Südtiroler Pauli.
Eigentlich ist Bartl mit dem jungen Mann sehr zufrieden; der Neue arbeitet fleißig und ist sich für nichts zu schade. Und doch bringt er den Bauern um den Schlaf, denn Pauli rührt Gefühle in ihm, die Bartl sich nicht erklären kann und die ihn zutiefst verwirren.
Was er nicht ahnt: Pauli heißt in Wirklichkeit Pauline und ist alles andere als ein kerniger Bursche ...

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ende der Männerwirtschaft

Vorschau

Impressum

Ende der Männerwirtschaft

Frauen waren unerwünscht – doch dann kam Pauli

Von Andreas Kufsteiner

Ein Weibsbild kommt ihm nicht mehr auf den Hof, das steht für den jungen Bauern Bartl Seiler fest. Seit ihn seine Ex-Verlobte sitzen gelassen hat, ist er entschlossen, sein Herz nicht noch einmal in Gefahr zu bringen.

Per Annonce sucht er daher ausdrücklich nach einem männlichen Helfer, der mit anpacken und ihm zur Hand gehen soll. Unter allen Bewerbern entscheidet er sich für den jungen Südtiroler Pauli.

Eigentlich ist Bartl mit dem jungen Mann sehr zufrieden; der Neue arbeitet fleißig und ist sich für nichts zu schade. Und doch bringt er den Bauern um den Schlaf, denn Pauli rührt Gefühle in ihm, die Bartl sich nicht erklären kann und die ihn zutiefst verwirren.

Was er nicht ahnt: Pauli heißt in Wirklichkeit Pauline und ist alles andere als ein kerniger Bursche ...

»Wir sollten Mama mal wieder besuchen«, regte Bartl Seiler an, der Bauer vom Seilerhof am Feldkopf, einige Höhenmeter über St. Christoph, dem idyllischen Zillertaler Bergdorf. »Was haltet ihr vom kommenden Sonntag?«

Gespannt blickte der Achtundzwanzigjährige zu seinen beiden Brüdern, die mit ihm am derben Holztisch vorm Haus saßen und ihre Suppe löffelten. Nach der Arbeit im stickigen Stall genossen sie die frische Luft des herrlichen Frühlingstages. Dieses Jahr zeigte sich der April von seiner freundlichen Seite.

»Da passt es mir net.« Jakob schüttelte den Kopf. »Meine Schwiegermutter in spe feiert da ihren fünfzigsten Geburtstag.«

Er war zehn Minuten jünger als sein Zwilling Bartholomäus, wie Bartl eigentlich hieß. Die streng gläubige Mutter hatte die Namen ihrer Söhne der Bibel entliehen, aus Dankbarkeit, weil sie erst sehr spät schwanger geworden und dann gleich mit zwei Buben gesegnet war.

Jakob hieß eigentlich Jakobus, und dann gab es noch Thaddäus, mit vierundzwanzig Jahren der Nachzügler und allgemein Ted genannt. Keinem ihrer Freunde wäre es in den Sinn gekommen, sie mit ihren Taufnamen anzusprechen.

Als Kinder waren sie durch den Spleen der Mutter oftmals der Belustigung ihrer Spezln ausgesetzt gewesen. Trotzdem waren sie der Mutter deswegen nicht gram und trugen ihre Namen voll Stolz. Auch der Vater, der viel zu früh von ihnen gegangen war, hatte stets nur nachsichtig gelächelt, wenn seine Frau ihre Söhne stoisch beim vollen Namen rief.

Leider hatten sie die Mutter vor knapp einem halben Jahr in ein Pflegeheim geben müssen. Trotz ihrer erst siebenundsechzig Jahre verfiel sie immer mehr der Demenz, sodass es ihnen nicht mehr möglich war, sie auf dem Hof zu behalten.

Oft war sie in einem unbewachten Moment davongelaufen und hatte sich im unwegsamen Gelände verirrt, sodass nur ihr Schutzengel einen Absturz in eine der zahlreichen Schluchten verhindert hatte. Das Gehöft lag zwar geborgen in einer Senke des Feldkopfs mit einer Granitwand im Rücken, aber die Almwiesen fielen schroff ab und waren meist nur durch einen schmalen Pfad vom Abgrund getrennt.

Bartl hob verwundert eine Augenbraue.

»Schwiegermutter in spe ...?«, echote er. »Ich dachte, du und Alina wollt nun doch net heiraten, nachdem ihr festgestellt habt, dass ihr euch zwar gernhabt, aber nur wie gute Freunde, die ihr schon von Kindesbeinen an seid, und net wie ein innig verbundenes Liebepaar.«

Jakob seufzte und schob den halb leeren Teller von sich. Er arbeitete als Dachdecker im Betrieb von Ludwig Angerer in Mayrhofen.

»Was sollen wir tun? Der Wiggerl hat sich nun mal in den Kopf gesetzt, mich zu seinem Nachfolger aufzubauen, und Alina vergöttert ihren Vater. Sie stellt sich net gegen ihn, und ich hab sie ja auch gern. Sie ist ein hübsches Weiberl, sanftmütig und klug.«

»Aber du liebst sie net, und sie hat ihr Herz auch längst an einen anderen verloren, den ihr Vater nur net akzeptiert«, gab Ted zu bedenken. »Eure Verbindung steht auf wackligen Beinen. Ich würd's mir noch mal überlegen. Nur, weil dir der Wiggerl in Ermangelung eines Sohnes in ferner Zukunft seinen Betrieb in Aussicht stellt, solltest du dich net in eine Ehe verstricken, die euch beide vielleicht unglücklich macht. Materielle Dinge sind kein Ersatz für wahre Liebe.«

»Eine Vernunftehe ist wie die Suppe ohne Salz«, pflichtete Bartl bei und ließ ebenfalls von seiner Speise ab. Irgendwie hatte er keinen rechten Appetit, dabei schmeckte es sehr gut.

Ted arbeitete als gelernter Koch im Restaurantbetrieb eines Hotels in Mayrhofen und hatte klaglos die Küche in ihrem Dreimännerhaushalt übernommen, nachdem nun die Mutter ausfiel und Bartl sich weigerte, eine Wirtschafterin einzustellen.

Nach der Enttäuschung mit seiner Verlobten, die sich lieber für einen Bürohengst als Ehemann entschieden hatte, statt sich auf einem Bauernhof zu schinden, kam ihm kein Weib mehr auf den Hof.

Seine Brüder verstanden nicht, warum er der kapriziösen Städterin, die so gar nicht in ihre derbe Welt gepasst hatte, überhaupt eine Träne nachweinte. Aber er musste die Schmach des sitzengelassenen Bräutigams erst mal verdauen, bevor er die holde Weiblichkeit wieder in seine Nähe ließ.

Bisher kamen sie auch gut ohne ein Frauenzimmer aus, wenn man es mit der Ordnung im Haus nicht so genau nahm. Doch wer sollte sich daran stören, sie hatten so gut wie keinen Damenbesuch. Ted war neben seinem Beruf ein leidenschaftlicher Musiker und in jeder freien Minute mit seinem Trio unterwegs. Da blieb keine Zeit für eine feste Bindung, und Jakobs Verlobte kam nur noch selten auf den Hof, seit Bartl mal seine Launen an ihr ausgelassen hatte.

»Mhm«, druckste Jakob herum und rieb nervös sein Kinn. »Zuneigung kann sich in Liebe wandeln. Alina hat sich zwar in den Maxl verguckt, den Sohn vom Baustoffhändler Kramer am Ort, aber das ist wohl nur eine Gefühlsverirrung. Sie macht sich keine Hoffnung, dass ihr Vater dieser Verbindung jemals zustimmen wird, so spinnefeind wie er und der alte Kramer sich wegen geschäftlicher Differenzen sind. Mit ihren siebenundzwanzig Jahren ist sie aber net mehr die Jüngste, und sie sehnt sich nach einer eigenen Familie. Deshalb ...«

»... nimmt sie nun doch mit dir vorlieb«, stichelte Ted und schüttelte missbilligend den Kopf. »Als zweite Wahl solltest du dir zu schade sein, Bruder. Und wie gesagt, Zuneigung und Freundschaft wiegen keine Liebe auf. Irgendwann wirst du bereuen, die Vernunft über deine Gefühle gestellt zu haben, dann, wenn dir die Richtige über den Weg läuft.«

»Du bist doch net gern Dachdecker und wolltest sowieso auf was anderes umsatteln«, bohrte Bartl nach, der den Wankelmut seines Zwillings ebenfalls nicht guthieß. »Warum bist du nun so scharf drauf, der Nachfolger vom Angerer zu werden?«

»So übel ist der Beruf net«, wiegelte Jakob mit einer unwirschen Handbewegung ab. »Wenn ich erst mein eigener Boss bin, muss ich net mehr nach der Pfeife vom Wiggerl tanzen. Er ist gesundheitlich angeschlagen und will mich gleich nach der Hochzeit mit seiner Tochter als Geschäftsführer einsetzen. Und wie gesagt, ich mag Alina, und sie mag mich. Der Maxl, dieser Hänfling, ist mir net wirklich eine Konkurrenz.«

Er reckte seine kernige Gestalt und strich mit der Hand geziert über sein lockiges, dunkles Haar, das ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht umrahmte.

»Eitel bist du wohl net«, frotzelte Bartl gutmütig, blickte er doch auf sein Spiegelbild. Sie waren eineiige Zwillinge und bis auf wenige Unterschiede im Äußeren sehr ähnlich. Im Charakter waren sie allerdings grundverschieden. Jakob war eine Frohnatur und nahm manches nicht so genau, während Bartl eher ernst und überkorrekt war.

Er stand auf.

»Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, Burschen. Ein Bauernhof ist kein Vergnügungspark. Ted, du hilfst mir mit dem Vieh, und du, Jakob, kümmerst dich endlich mal um unser Dach« Er schüttelte genervt den Kopf. »Da haben wir einen Fachmann im Haus, und es regnet trotzdem rein.«

»Keine Zeit«, machte Jakob die Hoffnung des Bruders zunichte und stand hastig auf. »Hab mich mit Alina verabredet. Wir wollen nach Schwaz fahren, ihr Hochzeitsdirndl bei der Schneiderin in Auftrag geben.« An dem herrlichen Frühlingstag hatte er wenig Lust, auf dem Dach herumzuklettern. Außerdem hatte er den Schaden bereits notdürftig repariert, der Bruder übertrieb, es regnete nirgends rein.

Bartl rollte die Augen, sagte aber nichts weiter. Er wollte schon gehen, als ihm noch etwas einfiel. Abermals wandte er sich seinem Zwilling zu.

»Hast du das Inserat im Internet aufgegeben? Wir brauchen dringend eine Aushilfe für die Sommersaison. Auf den Lorenz mit seinem kaputten Rücken kann ich net mehr zählen.« Er musterte den Bruder. »Und du drückst dich ja regelmäßig vorm Mähen.«

Jakob zuckte gleichmütig die Schultern.

»Ich bin Dachdecker und kein Bauer. Vater wusste schon, warum er dir den Hof vermacht hat.« Als Bartls Miene noch verdrossener wurde, fügte er hastig hinzu: »Ich kümmere mich gleich morgen um die Annonce.«

Er war der Computerspezialist in ihrer Familie. Bartl konnte zwar damit umgehen, kannte sich aber im Internet nicht gut aus, und Ted erging es ähnlich. Er entlockte lieber seinem Akkordeon liebliche Töne, statt sich mit der nüchternen Thematik eines seelenlosen Rechners auseinanderzusetzen.

»Net morgen, heute noch«, beharrte Bartl verärgert über die Nachlässigkeit seines Zwillings. Das Inserat hätte längst im Umlauf sein sollen, sonst hatten sie kaum noch eine Chance, einen guten Saisonarbeiter zu bekommen.

»Gut, ich erledige es sofort.« Ergeben hob Jakob beide Hände und schlurfte zur Kammer der Küche gegenüber, die eigentlich ein Abstellraum war, aber Bartl als Büro diente. Der Raum war eng, hatte aber ein Fenster, weshalb der Bauer ihn für seine Zwecke ausreichend fand.

Jakob fühlte sich in dem Loch unwohl und bediente lieber seinen Laptop, mit dem er auch am Küchentisch arbeiten konnte. Doch diesen hatte er Alina geliehen. Sie hatte auf ihrem Gerät einen Virus, was er ebenfalls längst hätte bereinigen sollen. Doch zurzeit überwog wieder mal sein Schlendrian.

Wenn er könnte, würde er sich auch vor der Fahrt nach Schwaz drücken. Das würde ihm Alina jedoch verübeln. Nach monatelangem Zaudern, ob sie trotz ihrer eher freundschaftlichen Gefühle den Schritt in die Ehe wagen sollten, war die Anfertigung ihres Hochzeitsdirndls ein endgültiger Akt.

Sie hatte genug von den endlosen Diskussionen über ihre gemeinsame Zukunft und war vom Drängen ihres Vaters zermürbt. Außerdem wähnte sie Maxl für sich verloren, nachdem sie ihn mit einer hübschen jungen Frau in sehr vertrauter Pose gesehen hatte.

Jakob seufzte. Auch er kämpfte noch mit seinen Zweifeln. So lieb er Alina hatte, so sah er sie doch mehr wie eine kleine Schwester, und wenn es ihn auch reizte, die Dachdeckerei zu übernehmen, so spürte er doch tief in seinem Innern, dass er im Begriff war, einen schweren Fehler zu begehen.

Seine Brüder hatten recht: Zuneigung, und mochte sie noch so innig sein, ersetzte keine leidenschaftliche Liebe, und materielle Dinge wärmten nicht das Herz. Aber er hatte sich nun mal entschieden und durfte Alina nicht im Stich lassen.

***

Im fernen Südtirol wälzte eine junge Frau ähnliche Probleme. Die vierundzwanzigjährige Pauline Kofler saß auf einer grob gezimmerten Bank am Rand einer Weide, die zum elterlichen Berghof gehörte, und starrte gedankenversunken ins Tal hinunter, ohne jedoch die Idylle des sonnenbeschienen Städtchens Meran wahrzunehmen.

»Warum machst du ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter?«, schimpfte ihre Schwester Paula, die nun ebenfalls herangekommen war. Sie stemmte die Hände in die schmalen Hüften und funkelte die andere vorwurfsvoll an. »Wenn mir der attraktivste Bursche der ganzen Meraner Gegend und Juniorchef eines renommierten Sportgeschäftes einen Heiratsantrag gemacht hätte, würde ich mit der Sonne um die Wette strahlen. Aber du schaust aus, als wolle man dich zum Schafott führen.«

Sie ließ sich neben die Schwester auf die Bank fallen und legte den Arm um sie.

»Gott, Pauli, du machst eine gute Partie«, beschwor sie die wenige Minuten Jüngere, die nur Pauli gerufen wurde.

Sie waren Drillinge, Pauline war die Jüngste, Paula die goldene Mitte und Pauletta mit knapp einer Stunde Vorsprung die Älteste. Das Kofler-Trio, wie sie allgemein wegen ihrer verschworenen Gemeinschaft genannt wurden. Jeder, der es wagte, sich gegen sie zu stellen, bekam die geballte Ladung schwesterlichen Zusammenhalts zu spüren, selbst wenn sie zuvor noch einen Streit ausgetragen hatten.

Das kam übrigens nicht selten vor. So lieb sie sich hatten und so nah sie sich standen, so hatten sie doch jede ihren eigenen Kopf, und das sorgte gelegentlich für einigen Zündstoff. Ihre geplagten Eltern konnten ein Lied davon singen.

Deshalb waren diese auch froh, dass nun wenigstens die Jüngste unter die Haube kam, vorausgesetzt sie vergällte ihren künftigen Ehemann nicht noch mit ihrem Verhalten. Manchmal war sie störrischer als ein Esel.

»Du hast das große Los gezogen, Pauli«, beschwor Paula die Schwester weiter. »Rudi ist ein toller Bursche. Dazu ist er warmherzig, liebenswert und total in dich verknallt.« Sie runzelte die Stirn und musterte die Jüngere von der Seite her. »Liebst du ihn denn net?«

Pauline zuckte die Schultern.

»Ich weiß es net, bisher stellte sich die Frage net.«

Sie rollte die Augen.

»Ich fühle mich schon mit Rudi verbunden. Wir sind Kumpel, Bergkameraden und auf gewisse Weise einander zugetan. Wir haben die gleichen Interessen und Neigungen, lieben fetzige Musik, die Natur, sind sportlich und klettern leidenschaftlich gern in den Bergen. Dazu ergänzen wir uns hervorragend im Geschäft. Ich kümmere mich um den Einkauf der Ware, und Rudi hält den Verkauf in Schwung, während seine Eltern nur noch die Verwaltung des Betriebs regeln.«

»Und wo ist nun der Haken?«, wunderte sich Paula. »Für mich klingt das nach einer idealen Partnerschaft. Ihr seid ein eingespieltes Team.«

»Eben«, entgegnete Pauli trocken. »Ich habe das Gefühl, in diesem Trott zu ersticken. Als Braut müsste ich Schmetterlinge im Bauch haben, aber ich spüre nichts, nur dieselbe friedliche Zugehörigkeit wie zuvor.«

Sie warf genervt die Hände in die Luft.

»Schön, wir heiraten, legalisieren unsere Beziehung. Aber das ist auch schon alles. Es ändert sich nichts, wir sind weiterhin die besten Kumpels, gehen gemeinsam durch Dick und Dünn und verstehen uns ohne viel Worte. Doch wo ist da die Leidenschaft einer jungen Liebe, das Kribbeln im Bauch, wo das Herzklopfen, dieses süße Sehnen, wenn du den Liebsten nur ansiehst?«

»Das gibt's doch nur in kitschigen Romanen«, wiegelte Paula kopfschüttelnd ab. Sie stand auf, ging ein Stück und pflückte ein Kraut vom Wegrand, das ihr ins Auge gefallen war. Ihre Familie stellte aus Wildkräutern allerlei Erzeugnisse her, von der köstlichen Kräuterbutter bis zur Heilsalbe. Behutsam legte sie das Pflänzchen in ihren Korb und widmete wieder Pauli ihre Aufmerksamkeit.

»Bei uns ist alles so eingefahren, als wären wir bereits ein altes Ehepaar«, klagte diese. »Das macht mir Angst.«

Sie hob den Kopf und blickte Paula gequält an.

»Wo stehen wir in zehn Jahren? Sind wir dann nur noch Geschäftspartner wie seine Eltern heute? Sie streiten nie und gehen sehr liebevoll miteinander um. Aber Zärtlichkeiten sind Vergangenheit, sie leben wie Bruder und Schwester zusammen. Da zeigen unsere Eltern noch mehr Gefühl. So spröde und verschlossen sie als Bergbauern auch sind, ihre Liebe haben sie sich erhalten und zeigen es einander mit kleinen Gesten.«

Sie stieß frustriert die Luft aus.

»Zwischen mir und Rudi gibt es net einmal diese Zeichen der Zuneigung, alles ist so selbstverständlich.«

»Du bist undankbar«, ergriff nun auch Pauletta Partei, die Dritte im Bunde. Sie war von der hitzigen Debatte der Schwestern herbeigelockt worden. »Ich würde sonst was dafür geben, wenn mir ein Bursche wie der Rudi den Hof machen würde.«

»Dann übernimm ihn doch«, fauchte Pauline, verärgert, dass nun auch die Älteste ihren Senf zu dem Konflikt beisteuerte. Dabei hatte sie allein sein und mit sich selbst ins Reine kommen wollen.

Seit Rudi sie am gestrigen Sonntag mit seinem Heiratsantrag überrumpelt hatte, fühlte sie sich völlig zerrissen. Sie hatte den Burschen gern, aber reichte das für eine Ehe? Bisher hatten sie nur eine lockere Beziehung unterhalten, waren mehr Freunde als ein Liebespaar. Eigentlich waren es ihre beiden Eltern, die sie mit sanftem Druck zueinander hin lotsten.

Nach der Matura hatte Pauline auf Anraten der Eltern eine Ausbildung im Sporthaus Meinhard angefangen. Sie liebte Sport aller Art, und so erschien ihr der Umgang mit den Sportgeräten immer noch besser, als in einem stupiden Büro zu sitzen.

Eigentlich hätte sie lieber den Berghof der Eltern übernommen, sie wäre gern Bäuerin gewesen. Aber dieser stand Pauletta als der Ältesten zu. Die Eltern hatten ihr den Hof auch bereits überschrieben, weil sie ihn selbst nicht mehr bewirtschaften konnten. Den Vater beugte das Rheuma, und die Mutter kämpfte mit Arthrose in den Händen.

Paula hatte das Südtiroler Stüberl erhalten, ein uriges Wirtshaus, das zum Hof gehörte. Sie hatte eine wundervolle Stimme und schon als Kind die Gäste mit ihrem Jodeln beeindruckt. Jetzt sorgte sie als singende Wirtin für guten Zulauf der Almwirtschaft, die auch wegen der Südtiroler Küche begehrt war. Pauline gönnte der Schwester den Erfolg. Zur Wirtin hatte sie sich nie berufen gefühlt.