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Karl Aichstetter fuhr mit seiner Frau und seiner Tochter nach Mayrhofen, um einen Notartermin wahrzunehmen. Ganz überraschend wollte er eine Veränderung seines Testaments vornehmen. Zeugen berichten später, dass der Bauer mit hoher Geschwindigkeit gefahren sei und sich gleichzeitig heftig mit seiner Frau gestritten habe. Infolgedessen habe er die Kontrolle über seinen Wagen verloren, der sich mehrmals überschlug und schließlich gegen einen Baum prallte.
Der Wagen drohte in Flammen aufzugehen, doch Helfer waren vor Ort und zogen die Verunglückten in letzter Minute heraus. Sowohl Karl Aichstetter als auch seine Frau waren schwerstverletzt, der Großbauer verstarb wenig später im Unfallklinikum Mayrhofen. Bei Sanna wurde ein schweres Schädel-Hirntrauma diagnostiziert, und man wusste nicht, ob sie jemals wieder aus dem Koma erwachen würde.
Angelika Aichstetter aber war spurlos verschwunden ...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Angelika, wo bist du nur?
Vorschau
Impressum
Angelika, wo bist du nur?
Packender Roman um eine aufregende Suche
Von Andreas Kufsteiner
Es geschah auf dem Weg nach Mayrhofen. Karl Aichstetter wollte überraschend beim Notar sein Testament ändern, seine Frau saß neben ihm im Wagen. Zeugen berichteten später, dass der Bauer mit hoher Geschwindigkeit gefahren sei und sich gleichzeitig heftig mit seiner Frau gestritten habe. Infolgedessen habe er die Kontrolle über seinen Wagen verloren, der sich mehrmals überschlug und schließlich gegen einen Baum prallte.
Der Wagen drohte in Flammen aufzugehen, doch Helfer waren vor Ort und zogen die Verunglückten in letzter Minute heraus. Dennoch erlag Karl Aichstetter nur wenig später im Unfallkrankenhaus seinen Verletzungen. Bei Maria wurde ein schweres Schädel-Hirntrauma diagnostiziert, und niemand konnte sagen, ob sie jemals wieder aus dem Koma erwachen würde.
Doch das war nicht das einzige Drama, das sich an diesem Tag ereignete. Auch daheim auf dem Aichstetterhof musste es zu einem Vorfall gekommen sein, denn Angelika, die Hoftochter, verschwand spurlos ...
»Was für Beschwerden hast du, Angelika?«, fragte Dr. Burger freundlich, als die junge Frau ihm gegenüber im Sprechzimmer Platz genommen hatte.
Angelika Aichstetters schönes Gesicht war von Schmerzen und durchwachten Nächten gezeichnet, ohne Zweifel litt sie sehr.
»Mein Rücken ...«, murmelte sie undeutlich.
»Dann lass mich den einmal ansehen«, bat der Arzt und erhob sich.
Als er Angelikas Rücken in Augenschein nahm, hatte er Mühe, sein Erschrecken zu verbergen. Große Hämatome verunzierten ihn, die sehr schmerzhaft sein mussten. Als er vorsichtig ihre Wirbelsäule betastete, unterdrückte sie nur mühsam einen Schmerzenslaut.
»Wie ist es dazu gekommen?«, fragte er.
»Ich ... ich bin die Treppe hinuntergestürzt«, antwortete sie.
»So«, meinte Dr. Burger nur.
»Die Stiege ist halt sehr steil«, glaubte sie noch erklären zu müssen.
»Ich gebe dir eine Überweisung für die Unfallklinik in Mayrhofen, dort lässt du dich gründlich untersuchen«, sagte der Bergdoktor.
»Ich will aber net in eine Klinik«, erwiderte Angelika. Tränen waren in ihre großen dunkelblauen Augen gestiegen.
»Das ist aber notwendig. Es kann ja sein, dass du eine Wirbelverletzung hast, das muss abgeklärt werden. Denn unter Umständen können dann noch Lähmungen auftreten. Ich rufe jetzt gleich Dr. Hinrichs an, der wird sich um dich kümmern.«
Angelika erhob sich zitternd.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Dr. Hinrichs wird sehr fürsorglich mit dir umgehen«, fügte er noch hinzu, um ihr die Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen.
Angelika nahm die Überweisung entgegen, dann verließ sie benommen die Arztpraxis. Langsam machte sie sich auf den Nachhauseweg. Da die Schmerzen sie daran hinderten, Rad zu fahren, musste sie zu Fuß die Landstraße in Richtung Mayrhofen gehen.
Es war ein kühler, windiger Frühlingstag, und sie fror in ihrer dünnen Jacke. Unendlich lang kam ihr der Weg vor, und hin und wieder blieb sie, von Schmerzen übermannt, stehen. Dann plötzlich hielt ein Wagen hinter ihr.
»Soll ich dich nach Hause bringen, Angelika? Bis zu eurem Hof ist es ja noch weit.«
Eine freundliche Männerstimme sprach sie an, und Angelika, die zuerst erschrocken war, wandte sich ihm zu.
»Da wär' ich froh, ich war grad beim Bergdoktor«, gab Angelika zurück.
Der junge Mann fuhr den Geländewagen näher heran und stieg aus. Dann half er ihr auf den Sitz und gurtete sie an, denn sie hatte Mühe, sich zu bewegen.
»Bist du von deinem Radl gefallen?«, vermutete Daniel Ullmer.
»Na. Ein häuslicher Unfall halt«, sagte Angelika leichthin.
»Die sind oft die schlimmsten. Dann hoff' ich aber, dass es dir bald wieder besser geht«, erwiderte er.
Sein Mitgefühl trieb ihr wieder die Tränen in die Augen.
»Morgen geh' ich in die Unfallklinik. Der Bergdoktor besteht darauf«, sagte Angelika dann.
»Da hat er völlig recht, man darf das net vernachlässigen. Und du scheinst ja große Schmerzen zu haben.«
Daniel blickte kurz zu ihr hinüber. Und obwohl sie so elend und mitgenommen aussah, fand er wieder einmal, dass sie das schönste Madel war, das er kannte. Sie brachte sein Herz zum Klopfen, an sie dachte er in seinen einsamen Stunden.
Dennoch hätte er es niemals gewagt, um sie zu werben. Er war zwar gut aussehend und beliebt, hatte aber kein Erbe zu erwarten. Einheiraten wollte er auch nicht, und so begnügte er sich damit, als Forstaufseher zu arbeiten.
Schweigend legten sie den Rest der Fahrt zurück, und Daniel hielt ein Stück entfernt vor der Toreinfahrt des Aichstetterhofs an.
»Ich dank' dir, Daniel«, sagte Angelika, als sie ausstieg.
Das Lächeln, das sie ihm dabei schenkte, ließ sein Herz wieder höher schlagen, und er brachte nur ein Stammeln zuwege.
»Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes ...«
Gerne hätte er auch den Wagen verlassen und sie dabei beobachtet, wie sie den Hofplatz überquerte. Doch das wagte Daniel nicht, denn Karl Aichstetters Zornausbrüche waren gefürchtet.
Und so wendete er den Wagen und fuhr nach Hause.
***
Daniel Ullmer wohnte auf einem heruntergekommenen kleinen Gehöft, das er von einem Onkel geerbt hatte. Die Wiesen und Felder, die dazugehört hatten, waren längst verkauft worden, sodass kein Geld zur Verfügung stand, um das baufällige Haus zu sanieren.
In den Wintermonaten lebte Daniel im Erdgeschoss, wo sich in der Stube ein altmodischer Holzofen befand, der Wärme spendete. Sein Nachtlager hatte er auf einem Sofa aufgeschlagen, neben dem sein Wolfshund Wotan wachte, ein riesiger schwarzer Rüde, vor dem alle Angst hatten.
Es gab noch einen runden Tisch, an dem er seine bescheidenen Mahlzeiten einnahm und eine Kredenz, auf der in Silberrahmen Bilder aufgereiht waren. Doch es handelte sich nicht um Familienbilder, alle Aufnahmen zeigten nur ein Motiv – Angelika Aichstetter.
Bei jeder nur möglichen Gelegenheit hatte er sie heimlich aufgenommen – bei dem sonntäglichen Kirchgang, beim Einkaufen in St. Christoph, sogar auf dem Friedhof, wo Angelika das Familiengrab neu bepflanzt hatte.
Wenn er sich einsam und verlassen fühlte, nahm er die Aufnahmen in die Hand und erfreute sich an dem Anblick des jungen Mädchens. Manchmal hielt er auch Zwiesprache mit ihr, was Wotan in Unruhe versetzte.
Daniel schloss die Haustür auf, und Wotan, den er ausnahmsweise zu Hause gelassen hatte, kam ihm schweifwedelnd entgegen. Zuerst stieß er ein vorwurfsvolles Knurren aus, dann aber stellte er sich auf die Hinterfüße und leckte Daniels Wangen ab.
»Nein, Wotan, hör auf!«, stieß Daniel hervor, der sich der Zärtlichkeiten des riesigen Tieres kaum erwehren konnte.
Schließlich ließ der Hund von ihm ab und rieb nur noch kurz seinen Kopf an Daniels Schenkel.
Dann sah Wotan erwartungsvoll zu ihm hoch.
»Ich hab dir was mitgebracht, du brauchst gar net so zu schauen«, sagte Daniel, ging zu Wotans Futterschüssel und legte einen großen Knochen hinein.
Wotan machte sich sofort darüber her, und Daniel konnte ungestört die übrigen Einkäufe verstauen. Dann wärmte er sich in der altmodischen Küche eine Suppe auf, zu der er eine Semmel aß.
Wotan war offensichtlich satt, aber noch nicht zufrieden, denn er brachte Daniel seine Leine und sah ihn bittend an. Zeit für den abendlichen Rundgang, stellte Daniel fest, dann zog er sich eine Jacke über.
Mit weitausgreifenden Schritten ging er über die Felder zu einem Ausläufer des Krähenwalds, der bei Spaziergängern besonders beliebt war. Zuerst warf Daniel für Wotan Stöckchen, dann verschwand der Hund unversehens im Gebüsch. Da Wotan jedoch immer wieder zu Daniel zurückfand, machte er sich keine Sorgen um ihn.
Bald nahm die Begegnung mit Angelika ganz seine Gedanken gefangen. Er ahnte, dass sie unglücklich war. Es gab Gerüchte darüber, dass Karl Aichstetter Frau und Tochter schlecht behandelte, während der Sohn jeden Wunsch erfüllt bekam. Wenn er ihr nur helfen könnte ...
Das Bellen Wotans und aufgeregte Stimmen rissen ihn aus seinen Gedanken. E waren also doch noch Spaziergänger unterwegs.
»Der böse Wolf, der böse Wolf!«, rief ein Kind und brach in angstvolles Weinen aus.
Daniel rannte den Weg entlang und stieß bald auf eine kleine Familie, die von Wotan in Furcht und Schrecken versetzt worden war. Das kleine Mädchen schrie vor Angst und hatte sich in die Arme der Mutter geflüchtet, während der Vater mit einem großen Ast auf Wotan, der wütend knurrte, eindrang.
»Bei Fuß, Wotan«, rief Daniel, und der Hund gehorchte sofort.
»Wie können Sie so einen furchtbaren Hund frei herumlaufen lassen?«, schrie der Vater, offensichtlich ein Städter, völlig außer sich.
»Wotan tut niemandem etwas. Sie haben ja gesehen, dass er sofort gehorcht hat«, verteidigte sich Daniel.
»Aber er hat meiner kleinen Tochter Samantha-Luise einen furchtbaren Schrecken eingejagt«, erwiderte der besorgte Vater, der immer noch den Ast in der Hand hielt.
»Willst du den Wotan net mal streicheln? Das freut ihn«, forderte Daniel das kleine Mädchen auf, das sich immer noch an seine Mutter drückte.
Samantha-Luise schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Mausezöpfchen nur so um ihr verweintes Gesicht flogen.
»Wir gehen jetzt zum Waldparkplatz und fahren dann nach Mayrhofen«, sagte die Mutter entschieden.
Als sie sich entfernten, hörte Daniel, wie Samantha-Luises Mutter laut nörgelte.
»Habe ich dir nicht gesagt, wir sollen nicht in diese Einöde in Urlaub fahren, sondern lieber an die französische Küste? Du hast ja jetzt gesehen, auf was man hier alles trifft.«
Ihr Mann gab keine Antwort, sondern entfernte sich von seiner Familie. Auch Daniel beeilte sich, wegzukommen. Er klatschte in die Hände, was für Wotan das Signal für einen Wettlauf zurück zu ihrem Zuhause war. Natürlich gewann er – wie immer – und Daniel hatte den Eindruck, dass Wotan, der schon am Eingang wartete, grinste, als er sich außer Atem näherte.
»Ich bin halt ein gutes Stückerl älter als du, Wotan«, meinte Daniel.
Die Stube war inzwischen ausgekühlt, und Daniel legte neues Holz auf. Dann machte er sich noch ein Brot, auch für Wotan gab es ein Leckerchen, bevor sich Daniel auf seinem Sofa zur Ruhe niederließ. Er sah noch hinüber zu den Aufnahmen, die Angelika zeigten, ehe er das Licht löschte. Wenig später schlief er ein, und als seine Hand herabfiel, legte Wotan seine Schnauze hinein.
***
Zu Angelikas Verwunderung fand sie das Haus leer vor. Weder ihr Vater war daheim noch ihr Bruder, auch ihre Mutter war nicht in der Küche, wo sie um diese Zeit gewöhnlich das Abendbrot zubereitete. Dann hörte sie ein Geräusch an der Hintertür, offensichtlich hatte ihre Mutter im Garten gearbeitet.
Maria Aichstetter war eine schöne Frau Anfang vierzig, und man hätte sie für noch viel jünger gehalten, wenn es nicht diese Linien in ihrem Gesicht gegeben hätten, die ahnen ließen, dass sie zutiefst unglücklich war. Als sie ihre Tochter erblickte, leuchteten ihre Augen auf und sie umarmte Angelika.
»Was hat denn der Bergdoktor gesagt?«, wollte sie wissen.
»Ich muss morgen in die Klinik nach Mayrhofen, damit man genau weiß, woher die Rückenschmerzen kommen. Wo ist denn der Vater?«
»Der ist mit dem Lorenz zu einer Bauerntagung gefahren und kommt erst morgen Abend zurück«, gab ihre Mutter Auskunft.
»Dann können wir uns ja heut' einen ruhigen Abend gönnen«, meinte Angelika und bemühte sich erst gar nicht, ihre Erleichterung zu verbergen.
»Ich mache uns gleich einen Kaiserschmarrn mit Pflaumenkompott, das magst doch so gern«, schlug Maria vor.
»Ja, wenn's dir net zu viel ist«, gab Angelika zurück.
»Ach, das geht schnell.«
Doch Angelika war es nicht entgangen, dass ihre Mutter sehr müde aussah. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern wieder die halbe Nacht gestritten, und ihre Mutter hatte sich danach in den Schlaf geweint.
Aber es war nicht nur ihr Mann, der Maria Kummer bereitete, sondern auch ihr Sohn. Denn Lorenz hasste seine Schwester von Kind an und ließ keine Gelegenheit aus, sie zu kränken oder mit Schlägen zu traktieren. Dass ihr Sohn zu einem bösartigen Frauenfeind herangewachsen war, setzte ihr schwer zu. Selbst seine Mutter schien er zu verachten, ihre Versuche, ihn zu erziehen, waren kläglich gescheitert.
Nun aber verbrachten Maria und ihre Tochter eine gemütliche Stunde in der Stube. Der Esstisch war schön eingedeckt, ein Narzissenstrauß aus dem Garten schmückte ihn, und es herrschte friedliche Stille.
Alles in dem Raum kündete vom Reichtum der Aichstetters. Die altertümlichen Möbel mit der kunstvollen Malerei waren sorgfältig restauriert worden. Ein Kamin mit kostbaren Fliesen und einer Rundbank spendete im Winter angenehme Wärme, die Holzdielen glänzten in einem warmen Goldton.
Auf der Kredenz waren in kostbaren Rahmen die Familienbilder aufgereiht. Die Frauen trugen aufwändige Kleider und reichen Goldschmuck bei der Hochzeit, und die meisten hatten einen hochmütigen Ausdruck im Gesicht.
Denn die Aichstetters heirateten immer nur Frauen, die eine reiche Mitgift mitbrachten, eine »Betteldirn« wäre niemals über die Schwelle gekommen. Und die Töchter durften ebenfalls keinen armen Bräutigam ins Haus bringen, sonst hätten sie höchstens den Pflichtteil zu erwarten gehabt, wenn überhaupt.
Auch Maria stammte von einem großen Hof. Sie hatte Karl Aichstetter, der einst ein sehr stattlicher und gut aussehender Mann gewesen war, aus Liebe geheiratet. Doch dann hatte er sich verändert, war streitsüchtig und gewalttätig geworden. Er trank zu viel, was sich auch äußerlich niederschlug, ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg und machte sich überall unbeliebt.
Und so verlor er nach und nach die Zuneigung seiner Frau. Damit erklärte sich so manches, was sich später zutragen sollte.
Doch davon ahnte Angelika nichts. Nach dem wohlschmeckenden Essen unterhielt sich Angelika ungestört mit ihrer Mutter, was selten genug vorkam. Nie jedoch kam ein Wort der Klage über ihren Mann von Marias Lippen, und auch über Lorenz sprach sie nicht, was Angelika zu respektieren hatte.
Schließlich – es war spät geworden – trennten sie sich und gingen zu Bett. Maria genoss es, das Ehebett einmal ganz allein für sich zu haben, ungestört von ihrem Mann, der immer sehr unruhig schlief.
Angelika hatte das kleine Fenster ihrer Dachkammer geöffnet und sah hinaus in die dunkle Nacht. Der Wolken waren aufgerissen und gaben hin und wieder den Mond frei, der ein gespenstisches Licht über das Bergtal warf. Nur auf dem Land war es so still, höchstens ein Hund auf einem der Gehöfte bellte, und ein anderer gab eine Antwort. Manchmal rief ein Käuzchen vom Krähenwald her, dann kehrte wieder Ruhe ein.
Das Mädchen schloss nach einer Weile das Fenster wieder, damit die Kammer nicht völlig auskühlte. Und als es dann schließlich im Bett lag, dachte es an Daniel, der sich als so hilfsbereit erwiesen hatte. Und gut sah er auch aus, ging es Angelika noch durch den Sinn, dann schlief sie mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
***
»So, was haben wir denn da«, sagte Dr. Ole Hinrichs, den es von der Nordseeküste ins Zillertal verschlagen hatte.
Angelika presste befangen ihr Unterhemd an sich, während der Unfallchirurg eingehend ihren Rücken betrachtete. Auch ihn machten die blutunterlaufenen Male betroffen, obwohl er Schlimmeres gewohnt war.
»Wie haben Sie sich das zugezogen?«, wollte er dann wissen.
Genau wie bei dem Bergdoktor berichtete Angelika von einem Treppensturz, wobei ihr der durchdringende Blick des Arztes Unbehagen bereitete.
»Ein Treppensturz, soso«, murmelte Dr. Hinrichs dann vor sich hin. »Solche Treppenstürze kenne ich.«
Angelika senkte den Blick und schwieg.
»Dann will ich Sie einmal in die Röhre legen, damit wir sehen, ob Sie eine Wirbelverletzung davongetragen haben«, kündigte er an.
Als Angelika ihm danach gegenüber saß, fiel ihm auf, wie ungewöhnlich schön das junge Mädchen war. Diese tiefblaue Augen, die regelmäßigen Züge und das üppige braungoldene Lockenhaar ...
Dr. Hinrichs rief sich schnell zur Ordnung und räusperte sich.
»Zuerst die gute Nachricht – Sie haben keine Wirbelverletzungen, da können Sie von Glück sagen. Und nun die schlechte. Das alles deutet auf einen gewalttätigen Angriff hin, und eigentlich sollten Sie das anzeigen ...«
»Das stimmt net! Ich bin die steile Treppe hinuntergefallen und habe mich am Geländer angestoßen«, fiel sie ihm heftig ins Wort.
Ihm war klar, dass Angelika unbeirrt an ihrer Aussage festhalten würde. Denn die Gebirgler waren, seiner Meinung nach, ungeheuer störrisch, diese bedauerliche Erfahrung hatte er nicht zum ersten Mal gemacht.
So seufzte er nur leise auf und meinte: »Sie sollten sich aber in der nächsten Zeit schonen. Ich verschreibe Ihnen noch ein Mittel gegen die Schmerzen.«