Der Bergdoktor 2233 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2233 E-Book

Andreas Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Schmidbauer leidet an Krebs im Endstadium und weiß, dass ihm nur mehr wenig Zeit auf Erden verbleibt. Doch er hadert nicht, denn er hat sein Leben gelebt und alles geregelt. Sein Testament hat er ebenfalls gemacht: Marie, seine ältere Tochter, wird den Hof erben und mit ihrem Mann hoffentlich erfolgreich weiterführen. Lotti, die jüngere, erbt sein Barvermögen. Eigentlich sind damit beide Madeln gut versorgt, dennoch macht der Schmidbauer sich Sorgen um Lottis Zukunft. Auch wenn die Burschen bislang nicht bei ihr Schlange stehen, spätestens, wenn sie eine reiche Erbin ist, wird sich das ändern. Geld lockt bekanntlich immer!
Noch während der Schmidbauer nach einer Lösung für sein Problem sucht, taucht ein äußerst gut aussehender Fremder auf dem Hof auf. Er nennt sich Thomas Kummer und erzählt eine haarsträubende Geschichte ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Im Maienregen geküsst

Vorschau

Impressum

Im Maienregen geküsst

Lotti, ein geheimnisvoller Kavalier und eine wundervolle Romanze

Von Andreas Kufsteiner

Der Schmidbauer leidet an Krebs im Endstadium und weiß, dass ihm nur mehr wenig Zeit auf Erden verbleibt. Doch er hadert nicht, denn er hat sein Leben gelebt und alles geregelt. Sein Testament hat er ebenfalls gemacht: Marie, seine ältere Tochter, wird den Hof erben und mit ihrem Mann hoffentlich erfolgreich weiterführen. Lotti, die jüngere, erbt sein Barvermögen. Eigentlich sind damit beide Madeln gut versorgt, dennoch macht der Schmidbauer sich Sorgen um Lottis Zukunft. Auch wenn die Burschen bislang nicht bei ihr Schlange stehen, spätestens, wenn sie eine reiche Erbin ist, wird sich das ändern. Geld lockt bekanntlich immer!

Noch während der Schmidbauer nach einer Lösung für sein Problem sucht, taucht ein äußerst gut aussehender Fremder auf dem Hof auf. Er nennt sich Thomas Kummer und erzählt eine haarsträubende Geschichte ...

In diesem Mai ließ sich der Frühling in St. Christoph gar nicht blicken! Bis in den April hinein hatte es geschneit. Seitdem prasselte der Regen fast ununterbrochen auf den kleinen Ort im Zillertal nieder. Die Jeggl-Alma in ihrem Gemischtwarenladen an der Ecke zur Kirchgasse schüttelte bedauernd den Kopf, wenn eine Kundschaft sie nach Gummistiefeln fragte.

»Das sind die letzten«, sagte sie und hielt sie hoch: ein knallrotes Paar in Kindergröße mit Marienkäfern darauf und ein gelbes Paar für einen Bauern oder Knecht, der auf wahrhaft großem Fuße lebte. Allen anderen blieb nichts übrig, als ins Warenhaus Premminger nach Mayrhofen zu pilgern.

Auch beim Schmidbauern auf einem Hang etwas oberhalb von St. Christoph schlug der Regen an die Fenster der Stube. Diese war groß und geräumig: gedacht für einen Bauern, seine Frau, für Kinder und Schwiegerkinder, Geschwister, Enkel, Nichten und Neffen – und natürlich sollte auch das Gesinde darin Platz finden, das zu einem so großen Hof gehörte.

Die Frau des Schmidbauern Wenzel jedoch war jung gestorben. Auch seinen einzigen Bruder, den Sepp, und dessen Gattin Elise hatte der Herrgott viel zu früh zu sich geholt. Und so hockten sie nun zu viert in der großen Stube: der alte Schmidbauer Wenzel, seine leibliche Tochter Marie und ihr Mann Peter. Und Lotti, Wenzels Nichte, die er nach Sepps Tod zu sich genommen hatte und die seiner Marie so lieb war wie eine Schwester.

Einst hatte der Schmidbauer am Kopfende des Tisches in der Stube gethront. Nun verbrachte er den Großteil seiner Zeit auf dem Sofa. Krebs im Endstadium lautete die niederschmetternde Diagnose; und trotz allem, was der Bergdoktor für ihn tat, mehrten sich die Tage, an denen der Patient das Bett hüten musste. In seiner Schlafkammer oben kam er sich jedoch abgeschoben vor, aus dem Weg geräumt, einsam – viel zu weit weg von dem, was auf dem Hof vor sich ging.

Daher hatte er eines Morgens kurzerhand sein Federbett und sein Kissen gepackt und war die Treppe hinuntergeschlurft. Die Knechte und Mägde hatten in der Stube gerade beim Frühstück gesessen. Verdutzt hatten sie ihre Gespräche unterbrochen.

»Seid meinetwegen net stad!«, hatte der alte Bauer auf dem Weg zum Sofa geknurrt. »Redet, wie euch der Schnabel gewachsen ist. Ich hör' eh net hin. Außer es geht um etwas, das ich wissen müsst'.« Mit diesen Worten hatte er sein Bettzeug und zu guter Letzt sich selbst auf das Sofa gehievt.

Am nächsten Morgen war es das Gleiche gewesen. Und bald hatten sich alle an den neuen Brauch gewöhnt. Freilich: Die Knechte und Mägde frühstückten nun in Schweigen. Gelacht und gescherzt wurde am Feld, im Stall und in der Milchkammer – überall dort, wo der alte Bauer nicht mehr hinkam. Wenn sich doch einmal einer vergaß und bei Tisch eine launige Bemerkung machte, hieß es gleich »Pst!« und alle wandten unweigerlich die Köpfe zum Sofa, wo der Schmidbauer grimmig seine Haferschleimsuppe löffelte und sich taub stellte.

An diesem Nachmittag aber versorgten die Mägde das Vieh im Stall oder liefen in Regenmänteln und Gummistiefeln geduckt durch den Garten. Die Knechte warfen ballenweise das Futter vom Heuboden – denn ans Mähen war bei solchem Wetter nicht zu denken. Und der Schmidbauer thronte, von mehreren Polstern gestützt, auf dem Sofa. Seine kleine Familie scharte sich um ihn.

»Ihr wisst eh«, begann er unverblümt, »dass mir der Herrgott nimmer viel Zeit lässt. Da gilt es, ein paar Sachen zu regeln.«

»Papa«, schluchzte Marie. Sie war mit neunundzwanzig das ältere Madel am Hof und kam ganz nach dem Vater, zumindest, was das Äußere anging. Die Feinfühligkeit hatte sie gewiss von ihrer seligen Mutter.

Der Schmidbauer galt als stoisch. Seine Krankheit ertrug er mit Würde und mit jener Fassung, die man von ihm gewohnt war. Kaum einer in St. Christoph hatte ihn je weinen gesehen. Nur am Todestag seines Bruders Sepp – da verzog er sich jedes Mal im Morgengrauen zu dessen Grab am Friedhof und verdrückte dort ein paar heimliche Tränen.

»Es ist, was es ist«, übertönte er Marie nun unwirsch. »Da hilft kein Jammern.« Er unterbrach sich und schöpfte Atem. »Ich hab mit meinem Anwalt geredet. Der hat mir geholfen, alles so ins Testament zu schreiben, wie ich es gerne hätt'.«

Zärtlich musterte er die beiden, die vor ihm saßen: Marie mit »seinen« blauen Augen und »seinem« aschblonden Haar. Neben ihr Lotti – zwar dunkler, aber doch seinem Bruder Sepp ebenso aus dem Gesicht geschnitten wie Marie ihm selbst.

»Ich hab zwei Töchter«, sagte er leise. Auch in Lottis Augen schimmerten nun Tränen. Ohne ein Wort langte die Fünfundzwanzigjährige hinüber und ergriff Maries Hand.

Dem Schmidbauern entging die kleine Geste nicht, und das Weitersprechen fiel ihm schwer.

»Ich hab zwei Töchter«, wiederholte er. »Ich glaub', ich tu dem Sepp net unrecht, wenn ich das so sag'.« Er stockte. »Und es erleichtert mir das Herz, dass wir uns einig sind, was das angeht. Denn wenn ich einmal nimmer bin, wünsch' ich mir, dass ihr euch mein Erbe schwesterlich teilt.«

Maries Mann Peter lehnte sich auf seinem Stuhl vorwärts. Ein verkniffener Zug lag um seine Lippen.

»Die Marie kriegt den Hof.« Der Schmidbauer verstummte und rang erneut nach Atem. Er war in Decken eingehüllt wie eine Mumie, doch man sah, wie sich sein Brustkorb darunter angestrengt hob und senkte. »Das steht ihr zu. Allein schon, weil sie älter ist.« Eindringlich schaute er seiner Tochter in die Augen. »Und dazu die drei Sparbücher aus der Schublade im Kabinettl. Du weißt, welche ich mein', gell?«

Marie nickte. Sie wandte den Blick nicht vom Gesicht ihres kranken Vaters, als könnte ihn der Herrgott bereits in diesem Herzschlag zu sich rufen. Lotti griff auch mit der anderen Hand hinüber und drückte tröstend ihr Knie.

Peter mischte sich ein: »Von wie viel Geld reden wir?«

Marie schien seinen Einwurf nicht zu hören. Lotti schon. Ihre Augen wurden groß.

»Ich war eine Zeit lang nimmer bei der Bank, um die Zinsen nachtragen zu lassen. So um die fünfzigtausend Euro werden's wohl sein.« Die letzten Worte des Schmidbauern gingen in einen Hustenanfall über.

Kaum hatte sich der alte Bauer gefasst, hakte Peter erneut ein: »Und was ist mit dem Rest?« Eine düstere Ahnung lag in seiner Stimme.

»Den kriegt die Lotti.« Ermattet sank der Schmidbauer zurück in seine Kissen.

»Alles?«, vergewisserte sich Peter. »Die Wertpapiere? Den Schmuck – und die Lebensversicherung etwa auch?« Jeden der angeführten Posten bestätigte ihm sein Schwiegervater mit einem Nicken.

Der junge Bauer erbleichte. »Das ist net dein Ernst.« Erregt sprang er von seinem Stuhl auf.

»Peter! Das reicht.« Marie entzog Lotti ihre Hand. Sie griff nach Peters Schulter und versuchte ihn auf seinen Stuhl niederzudrücken. »Ich bitt' dich, setz dich hin!«, flehte sie ihn an. »Mach jetzt bloß keinen Wirbel. Der Papa liegt im Sterben. Wer von uns Madeln das Geld kriegt, ist doch egal.«

»Eben net!«, widersprach Peter hitzig. »Die Wertpapiere, der Schmuck und die Lebensversicherung – das alles ist zusammen ungefähr so viel wert wie der Hof. Und wer führt denn unsere Bücher? Wer weiß denn auf den Cent genau, wie hoch unsere monatlichen Rechnungen sind?«

Marie starrte ihn erschrocken an – doch der alte Bauer kam seinem Schwiegersohn zu Hilfe.

»Lass ihn«, befahl er seiner Älteren. »Er hat schon recht. Er ist halt ein Bauernsohn, gell? Die denken praktisch. Und lernen früh, dass man auf sein Geld schauen muss, sonst zerrinnt es einem zwischen den Fingern.« Anerkennend nickte er Peter zu. Gleich darauf gestand er: »Ja, ich hätt's euch beiden einfacher machen können, wenn ich euch den Hof und dazu das Geld hinterlassen hätt'. So werdet ihr für die laufenden Kosten wahrscheinlich einen Kredit aufnehmen müssen.« Jetzt wandte er sich an Lotti. »Ich hab keinen zweiten Hof, sonst würd' ich ihn dir geben. Ich verteil' mein Erbe eben so gerecht, wie ich kann.«

Ein weiterer Hustenanfall übermannte ihn. Beide Madeln wollten zu ihm hinstürzen, auch Peter sprang wieder auf. Doch der alte Bauer wehrte ihre Hilfsangebote mit einer knappen Geste ab.

»Und so passt's am besten«, redete er weiter, als er aufgehört hatte, zu husten. Er ruckte mit dem Kinn in die Richtung seiner Älteren. »Die Marie ist fast dreißig. Sie hat einen tüchtigen Mann an ihrer Seite, der rechnen kann. Und so Gott will, kommen in den nächsten Jahren ein paar Kinderl dazu, damit in dieser Stube endlich wieder ein bisserl Leben herrscht.« Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Was dich dagegen angeht, Lotti ...« Er verstummte und musterte sie mit einem Blick voller Zuneigung und Ratlosigkeit. »Sei mir net bös', wenn ich's so offen sag' – aber ich weiß net, was aus dir werden soll.«

Peter räusperte sich. »Wär's da net besser«, begann er, »wenn du ihr ...?«

»Und deswegen«, übertönte ihn der alte Bauer, »hab ich für dich eine Bedingung.« Er richtete sich ein wenig auf. »Du kriegst dein Erbe. Die Hälfte von allem, was mir gehört. Genau wie deine Schwester.« Er rang nach Luft. »Wenn du bis Weihnachten verheiratet bist.«

Ein ungläubiges Lachen entfuhr Peter. Der Blick des Schmidbauern aber ruhte unverwandt auf Lottis blassem, erschrockenem Gesicht. Sie hatte das schwarze Haar ihrer Mutter geerbt – doch ihre blauen Augen waren die gleichen wie die seines armen, glücklosen Bruders Sepp.

Marie brach das Schweigen: »Bis Weihnachten? Papa, das ist nur mehr ein halbes Jahr!«

»Und wen soll sie, bitt'schön, heiraten?«, kam ihr Peter zu Hilfe. »Die Lotti hat noch nie auch nur einen festen Freund gehabt.«

»Eben.« Der Schmidbauer hustete wieder. »Du hast dich lange genug vor den Burschen versteckt.« Lotti wollte etwas einwerfen. »Ich würd' dir gern mehr Zeit geben«, versicherte er ihr, und sie klappte den Mund zu. »Aber ich kann froh sein, wenn mich der Herrgott den Weihnachtsabend noch mit euch erleben lässt.«

Bei diesen Worten schlug Marie eine Hand vor den Mund.

Der alte Bauer fuhr fort: »Du bist ein fesches Madel, Lotti. Und wenn du erst einmal Geld hast, glaub mir: Dann rennen dir die Burschen die Bude ein. Ich will mir net Sorgen machen, dass du auf einen Mitgiftjäger reinfällst und dein Erbe verschleuderst. Ein halbes Jahr muss reichen. Such dir einen verständigen Bräutigam aus. Einen, der rechnen kann! Und der selbst Geld hat, damit er net auf deines angewiesen ist.« Er schöpfte Atem. »Am besten einen Hoferben. Oder einen Arzt, Anwalt, Apotheker – meinetwegen auch so einen wie den Gschieder-Benno mit seiner Werkstatt«, zählte er auf. »Sogar ein jüngerer Bauernsohn, der sich auszahlen lässt, wär' mir recht.« Wieder hustete er. »Hauptsache, kein Fabrikarbeiter, Tagelöhner oder Knecht!«, schloss er mit fester Stimme.

»Und wenn net?«, flüsterte Lotti. Sie klang vollkommen überwältigt. »Wenn ich so schnell keinen finde? Oder ... oder wenn ich einen finde, der dir aber net recht ist?«

Der Schmidbauer antwortete: »Dann spend' ich deinen Anteil am Erbe der Kirch'.«

Die drei Jungen starrten ihn entgeistert an.

Er lächelte nachsichtig. »Das klingt hart, gell? Aber ich weiß: Die Marie wird alleweil für dich sorgen, Lotti.« Beifällig nickte er in die Richtung seiner Älteren. »Und das Geld, das ich dir hinterlassen möcht', ist eine große Verantwortung.« Er beugte sich vor und streckte seine dünne, zittrige Hand aus. Ohne zu überlegen, griff Lotti danach. »Ich schenk' dir ... deine Zukunft«, murmelte er. »Zeig mir, dass du ... damit ... umgehen kannst.«

Das viele Reden hatte den alten Bauern erschöpft. Schon fielen ihm die Augen zu.

***

Während der Papa auf dem Sofa schnarchte und der Maienregen noch immer an die Fenster prasselte, stieg Marie langsam die Treppe zu den Schlafkammern hinauf.

Lottis Kammer war die kleinste: ein dunkler Schlurf mit nur einem schmalen Fenster. Das hatte sich seinerzeit so ergeben. Oft genug hatte ihr Marie schuldbewusst angeboten, zu tauschen. Lotti jedoch hatte stets abgelehnt. Das Kammerl sei gerade richtig für sie, so kuschelig und gemütlich; und sie brauche nicht viel Platz.

Nun klopfte Marie. Lotti öffnete ihr. Die Madeln schauten einander ins Gesicht. Lottis Augen waren rot und geschwollen, und Marie bezweifelte, dass sie selbst viel besser aussah. Wortlos schlang sie die Arme um die Jüngere. Für ein paar Herzschläge ließ es Lotti zu. Dann entwand sie sich aus Maries Griff und schloss hinter ihnen die Tür.

Marie blickte sich um. Wieder einmal musste sie anerkennen: Lotti besaß eine Gabe dafür, aus dem kleinsten Kammerl ein Zuhause zu machen. Die bunten, selbstgenähten Vorhänge, die Tagesdecke auf dem Bett, der verspielte Schirm der Schreibtischlampe, die gerahmten Bilder an den Wänden und das Regal voller Bücher – all das verwandelte ihr Kammerl in eine lauschige Höhle, einen Ort zum Wohlfühlen.

Zugleich hallten die Worte des Vaters in Marie wider. Hatte er recht – hatte sich Lotti lange genug vor der Welt und den Burschen versteckt? Sie war immerhin schon fünfundzwanzig. Wurde es da nicht Zeit, dass sie ihr Kammerl verließ und ihre Gabe nutzte, um für sich und ihren Mann ein Zuhause einzurichten?

»Ich wollt' dir nur sagen«, begann sie, »was den Papa und seine Bedingung angeht ...« Ihre Stimme verebbte, als Lotti erwartungsvoll ihren Blick erwiderte.

Ein schüchternes Madel war die Jüngere vom Schmidbauern, alle pflegten das zu sagen. Es stimmte auch: Lotti hatte sich nie in den Vordergrund gedrängt. Sie sprach wenig, schon gar nicht mit Fremden. Aber was die meisten außerhalb der Familie nicht wussten: Lotti konnte unglaublich stur sein! Obwohl oder gerade weil sie ihre Gedanken und Gefühle so oft für sich behielt.

»Die Lotti geht ihren Weg«, hatte der Papa früher hin und wieder anerkennend angemerkt. Heute aber hatte er zugegeben, dass er nicht wusste, wohin dieser Weg sie führen sollte. Und Marie wusste es ebenso wenig.

Sie fasste sich ein Herz. »Ich wünscht', der Papa würd' dir dein Erbe einfach so geben«, gestand sie offen. »Aber ich versteh', warum er glaubt, dass er's net kann. Er macht sich halt Sorgen.«

»Dass ich mich in den Erstbesten verschau' und dem sein hart verdientes Geld in den Rachen werf'?«, entgegnete Lotti voller Bitterkeit. Unten in der Stube hatte sie sich nichts anmerken lassen, gewiss aus Rücksicht gegenüber dem Papa. Doch Marie sah, dass seine Unterstellung sie kränkte.

Sie sank auf Lottis Bett nieder. Nach kurzem Zögern nahm das andere Madel neben ihr Platz.

»So ist es net«, entgegnete Marie leise.

»Doch, genauso ist es«, widersprach Lotti. »Hat er ja gesagt! Wenn er mich net schnell genug unter die Haube bringt, fall' ich auf einen Mitgiftjäger herein.« Bockig schob sie das Kinn vor. »Oder noch schlimmer – auf einen Tagelöhner oder Knecht!«

Natürlich wusste Marie, auf wen sie anspielte. Denn dass sich Lotti alleweil vor den Burschen versteckt hatte, stimmte nicht ganz. Einen hatte sie mit offenen Armen empfangen: den Knecht Johannes, genannt Joe.

Vor drei Jahren war er zum Schmidbauern gekommen. Der Papa hatte ihm gleich an seinem ersten Tag dasselbe eingeschärft wie allen anderen jungen Knechten: Seine beiden Madeln waren für das Gesinde tabu!

Joe jedoch hatte die Warnung nicht ernst genommen. Keine drei Monate hatte es gedauert, bis ihn der Papa mit Lotti in der Milchkammer erwischt hatte. Er hatte den Burschen vom Hof gejagt und ihm eine Tracht Prügel für den Fall angedroht, dass er sich je wieder blicken ließe.