Der Bergdoktor 2235 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2235 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Mit Anfang dreißig ist Elise bereits Witwe. Sie vermisst ihren geliebten Mann schmerzlich und denkt voller Wehmut an die glücklichen Zeiten mit ihm zurück. Der einzige Grund für sie, nicht aufzugeben, ist ihr kleiner Sohn Hansi. Er soll ihre Tränen nicht sehen, sondern eine unbeschwerte Kindheit haben!
Doch das Leben auf dem Huberhof wird für Elise immer schwerer, denn ihre Schwiegereltern, die sie nie gemocht haben, verbreiten böse Gerüchte ...

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Genug geweint

Vorschau

Impressum

Genug geweint

Verliert sie nach dem Tod ihres Mannes auch die geliebte Heimat?

Von Andreas Kufsteiner

Mit Anfang dreißig ist Elise Huber bereits Witwe. Sie vermisst ihren geliebten Mann schmerzlich und denkt voller Wehmut an die glücklichen Zeiten mit ihm zurück. Der einzige Grund für sie, nicht aufzugeben, ist ihr kleiner Sohn Hansi. Er soll ihre Tränen nicht sehen, sondern eine unbeschwerte Kindheit haben!

Doch das Leben auf dem Huberhof wird für Elise immer schwerer, denn ihre Schwiegereltern, die sie nie gemocht haben, verbreiten böse Gerüchte ...

Niemand hätte behauptet, dass Dr. med. Sabine Burger zu den Frühaufstehern dieser Welt gehörte. Ausschlafen, sich im Bett rekeln, bis am späten Vormittag dösen – dies alles war für sie ein oft ersehnter, wenn auch seltener Luxus. Als Frau des Bergdoktors, als Ärztin, die ihn manches Mal in seiner Praxis vertrat, und nicht zuletzt als Mutter von drei Kindern stand sie mit beiden Beinen im Leben.

Heute verließ sie das Doktorhaus in der Kirchgasse von St. Christoph allerdings schon im Morgengrauen und nahm sich nicht einmal die Zeit für einen Kaffee.

Sie war auf dem Weg zum Friedhof. Zu dieser frühen Stunde lagen die Kieswege verwaist da – oder fast. Denn wie Sabine beim Aufwachen die leere Betthälfte neben ihrer verraten hatte, stand ihr Mann, Dr. med. Martin Burger, bereits vor einem Grab.

Jetzt trat sie zu ihm. Er musste das Knirschen von Kies hören, blieb jedoch in stiller Andacht versunken. Seine erste Liebe Christl lag hier begraben. Sie war nach nur einem Ehejahr bei der Geburt des gemeinsamen Kindes verstorben, auch das Baby hatte nicht überlebt. Was für das junge Paar der Beginn eines glücklichen neuen Lebensabschnitts sein hätte sollen, hatte den Bergdoktor als trauernden, zutiefst verzweifelten Witwer zurückgelassen.

Erst als Sabine ihre Finger mit seinen verschränkte, wandte er sich ihr zu und lächelte.

»Guten Morgen, Liebes. Ich hab net damit gerechnet, dass du so früh auf wärst. Sonst hätt' ich dir Bescheid gesagt. Du weißt ja, heute ...« Seine Stimme verklang.

»Ich weiß.« Sie drückte seine Hand.

Heute jährte sich der Tag des Unglücks. Und auch wenn Martin nach Christls Tod erneut das Glück der Liebe gefunden hatte, auch wenn ihm seine drei Kinder mit Sabine unzählige frohe Stunden bescherten: Manche Wunden verheilten nicht, ohne dass eine Narbe zurückblieb. Sabine als Ärztin, Ehefrau und Mutter wusste das.

Hand in Hand gingen sie zurück zum Friedhofstor. Aus einem der nächsten Häuser drang das Schmettern einer Trompete. Sabine blieb stehen.

»Wer probt denn so früh am Morgen?«, wunderte sie sich laut, bevor ihr einfiel: »Ach, das muss für den Feuerwehr-Frühschoppen am Sonntag sein.«

Ihr Mann lauschte und nickte. »Klingt nach einer Polka.« Mit einem wehmütigen Lächeln erinnerte er sich: »Die Christl hat alleweil gern Polka getanzt.«

»Dann tanzen wir für sie eine mit«, beschloss Sabine. Sie reckte sich und gab ihrem Martin, ihrem Einzigen und ihrem Herzensmann, ein Busserl auf die Wange.

Gemeinsam gingen sie nach Hause, um dort mit ihren Kindern, mit Martins Vater und der Hausperle, der Bachhuber-Zenzi, den Tag zu beginnen.

***

Gar nicht viel weiter oben, auf einem sonnigen Hang am Fuße der Berge, saß eine junge Frau auf einem Bankerl. Einsam sah sie zu, wie die Sonne über den Wald gegenüber stieg. Das gedämpfte Schmettern der Trompete entlockte auch ihr ein wehmütiges Lächeln.

Letztes Jahr waren sie zu dritt beim Feuerwehr-Frühschoppen gewesen: Elise, ihr Mann Jakob und ihr gemeinsamer Sohn Hansi. Der war damals gerade vier und von der Feuerwehr begeistert gewesen. Schon Wochen vor dem Ereignis hatte ihm Elise jeden Abend die Geschichte vom tapferen, kleinen Feuerwehrauto vorlesen müssen.

Das Löschfahrzeug beim Frühschoppen, bemannt von uniformierten Kameraden, war für ihn der Höhepunkt gewesen! Nachdem sie sich überzeugt hatten, dass ihr Sohn beim Kommandant in guten Händen war, hatte Jakob Elise auf die Tanzfläche geführt. Er hatte sie herumgewirbelt und gelacht, als sie sich atemlos, zerzaust und schwindelig an ihn geklammert hatte. Und kaum war sie auf eine Bank gesunken, um zu verschnaufen, hatte er sie mit einem Kaffee und einem Stück Mohntorte vom Büffet der Altbäuerinnen überrascht.

Die Leidenschaft in seinen dunklen Augen hatte sie trotz ihrer neun Ehejahre ganz verlegen gemacht.

»Du brauchst mir doch net beim Essen zuzuschauen«, hatte sie gemurmelt.

»Ich schau' dir bei allem gern zu«, hatte er unbeirrt erwidert. »Solange mich der Herrgott lässt. Du bist das schönste Madel auf der Welt, Elise.« Er hatte sich über den Tisch gelehnt und ihr ein Busserl gegeben.

Drei Tage später war er tot gewesen.

Dieses Jahr würde der Frühschoppen für sie ausfallen. Hansi interessierte sich nicht mehr für die Feuerwehr. Und Elise war gewiss nicht in Feierlaune. Jakobs Tod hatte in ihrem Herzen eine klaffende Wunde hinterlassen.

Und nicht nur in ihrem! Ihr Sohn war seitdem so anhänglich wie nie zuvor. Die Schwiegereltern vermissten den Hoferben schmerzlich. Auch die Knechte und Mägde vermissten ihren Bauern. Ja, sogar die Kühe hatten eine Woche lang aus Trauer um ihn fast nichts gefressen. Und der alte Hofhund verbellte jeden, der ihm ein Stöckchen werfen wollte, wie um zu sagen: »Mit dir spiel' ich net, du bist net mein Herrchen!«

Niemand wusste, wie der Hof ohne Jakob zurechtkommen sollte.

Seufzend wandte sich Elise von dem Sonnenaufgang ab und stand auf. Es wurde Zeit. Zwar drang aus dem Kippfenster ihrer Wohnung oben noch kein Mucks, doch sie wollte bei Hansi sein, wenn er aufwachte.

In der Garage klapperte jemand mit dem Werkzeug. Gewiss der Schwiegervater, der mit fast fünfundsechzig noch immer rüstig war.

»Der frühe Vogel fängt den Wurm«, pflegte er zu sagen.

Jakob hatte ihr erzählt, dass er die Buben – Jakob und seinen um zwei Jahre jüngeren Bruder Gregor – schon als Kinder gerne vor Anbruch der Dämmerung aus den Betten geholt hatte, damit sie mit ihm auf die Pirsch gingen. Mit Hansi hatte er dasselbe versucht, doch Elise hatte sich bei Jakob beklagt, und der hatte ein Machtwort gesprochen.

Tief in Gedanken versunken, machte sich Elise auf den Rückweg. Ihre Wohnung besaß einen eigenen Eingang über eine Außentreppe. Auch das stellte einen Kompromiss dar, den sich Elise vor der Hochzeit erbeten und den Jakob bei seinen Eltern durchgesetzt hatte.

Ich hätte gar nicht herziehen sollen, dachte sie seit seinem Tod manches Mal. Aber wie hätte sie von Jakob verlangen können, dass er ihretwegen den elterlichen Hof verließ?

Als sie am Fuß der Treppe anlangte, kam der Schwiegervater ums Hauseck. Am liebsten hätte sich Elise unter die Wendeltreppe geduckt.

Du bist die Bäuerin, ermahnte sie sich in Gedanken. Handle wie eine!

Sie straffte die Schultern und trat dem Schwiegervater entgegen.

»Na, auch schon auf?«, knurrte dieser. Natürlich verzichtete er darauf, ihr einen guten Morgen zu wünschen. Stattdessen fuhr er fort: »Der Motor vom Traktor stottert wieder.«

»Ich sag' dem Lois nachher, er soll ihn sich anschauen«, bot Elise an.

»Was gibt's da zum Anschauen?«, entgegnete der alte Bauer barsch. »Der Motor ist hinüber. Net einmal der Elmentaler-Jörg mit seiner Fachwerkstatt oder der Gschieder könnten da noch was richten.«

»Dann bleibt uns wohl nix übrig, als einen neuen Traktor zu kaufen«, erwiderte Elise.

Der Schwiegervater grunzte. Er stapfte grußlos davon und murmelte dabei verächtlich über unvernünftige Weiber, die das Geld zum Fenster hinauswarfen.

Seine Zurückweisung schmerzte Elise, obwohl sie doch weiß Gott nach zehn Jahren daran gewöhnt sein sollte. Die Alten hatten nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihnen Elise als Schwiegertochter nicht passte.

»Wir haben unserem Buben den Hof zu früh überschrieben«, hatte der Schwiegervater oft gegrummelt. »Kaum war er der Bauer, hat er sich nix mehr von uns sagen lassen.«

Auch die Schwiegermutter hatte jedes Mal geseufzt, wenn irgendein fesches Madel aus St. Christoph einem Burschen das Jawort gegeben hatte.

»Die war dir doch alleweil gut«, hatte sie ihren älteren Sohn erinnert. »Warum hat es für dich unbedingt eine Auswärtige sein müssen?«

Jakob hatte seiner Mutter unbeeindruckt ein Busserl aufs Haar gedrückt und gemeint: »Nur damit du's weißt: Wenn du oder der Vater mich seinerzeit vor die Wahl zwischen dem Hof und der Elise gestellt hätten, hätt' ich mich für sie entschieden.«

Jakob war der Huberbauer gewesen. Der Hof hatte ihm gehört, und er hatte zu Elise gestanden. Ohne Wenn und Aber.

Seit seinem Tod aber lief alles aus dem Ruder. Ein Testament hatte Jakob keines hinterlassen – natürlich nicht! Er war erst Anfang dreißig gewesen und der Tod für ihn ein fernes Schreckgespenst. So hatten Hansi und Elise den Hof von ihm geerbt.

Die Alten wurmte das. Unentwegt ließen sie Elise seitdem spüren, dass sie nicht hierher gehörte und dass niemand sie am Hof haben wollte.

Half sie den Mägden im Stall, kam gleich die Schwiegermutter gelaufen und ereiferte sich, weil der arme Hansi ganz allein am Heuboden spielte. Blieb Elise bei ihrem Sohn, dann lästerte der Schwiegervater über Weiber, die Bäuerin sein und doch nix arbeiten wollten. Ständig betonte er, wie wenig Elise von der Landwirtschaft verstand.

Und woher sollte sie es besser wissen? Sie war keine Bäuerin! Freilich hatte sie in den letzten zehn Jahren einiges aufgeschnappt. Aber wenn es um die Reparatur des Traktors oder um Saatgut-Preise ging, musste sie sich auf den Schwiegervater und den Großknecht Lois verlassen. So wie zuvor auf ihren Jakob.

Elise stieg die Treppe hinauf. Leise betrat sie ihre Wohnung. Das Kinderzimmer lag gleich links neben der Tür, und noch immer schlief Hansi tief und fest.

Elise zog ihre Schuhe aus und schlich auf bestrumpften Beinen in die Küche. Dort wärmte sie die Milch für den Kakao. Auf ihren Kaffee konnte sie verzichten. Die Maschine war zu laut und würde Hansi wecken.

Sie schnitt gerade die Semmeln fürs Frühstück auf, als ihr Sohn in der Küchentür erschien. Er war barfuß und trug seinen Lieblingspyjama mit den Dinosauriern. Seine brünetten Haare standen nach allen Richtungen vom Kopf ab.

»Guten Morgen, Mama.« Seine Augen leuchteten auf. »Es gibt Semmerl?«

»Mit Butter und Honig«, bestätigte Elise.

Ihr fünfjähriger Sohn starrte sie mit offenem Mund an.

»Aber waren wir doch erst gestern in der Kirche! Ist heut' schon wieder Sonntag?«

Sie verneinte lächelnd. »Wir können trotzdem gemütlich miteinander frühstücken. Was meinst du?«

Eifrig lief Hansi zum Tisch. Er kletterte auf die Bank und setzte seine beiden »Freunde« neben sich: den Plüschteddy auf eine und den Plastik-Traktor auf die andere Seite. Elise stellte das Haferl mit Kakao vor ihn. Rasch wandte sie sich ab und bestrich die Semmeln, damit Hansi das verräterische Schimmern in ihren Augen nicht sehen würde.

Der Teddy hieß »Papa-Bär«. Ludwig Sirch, der beleibte Gendarm, hatte ihn Hansi am Tag des Begräbnisses geschenkt. Und ihn auf seine ruppige Art ermahnt, er solle dem Papa zuliebe so stark sein wie ein Bär. Seitdem ging Hansi ohne den Teddy nirgendwo mehr hin.

Auch nicht ohne den Traktor, den ihm Jakob am Tag vor seinem Tod gekauft hatte. Sie waren nach Mayrhofen tanken gefahren – für den damals Vierjährigen stets ein Abenteuer. Oft hatte ihn Elise seither dabei ertappt, wie er mit dem Plastikspielzeug sprach.

Auch jetzt vernahm sie Hansis Kinderstimme: »Papa-Traktor, magst du ein Semmerl mit Butter und Honig?« Er gab sich als Traktor selbst die Antwort: »Nein, ich mag lieber Benzin.« Elise hörte ihn mit der Zunge schnalzen. »Ich hab vollgetankt. Und du? – Ich tank' mich mit Kakao voll, Papa-Traktor.«

Elise schniefte und fuhr sich mit dem Handrücken über die nasse Wange, damit keine Träne auf den Honigsemmeln landen würde. Rasch zauberte sie ein Lächeln auf ihre Züge und drehte sich mit dem Teller zu Hansi um.

»Mag der Papa-Bär auch eine Semmel?«, fragte sie mit erzwungener Fröhlichkeit. »Bären essen gern Honig, hab ich recht?«

Hansi erkundigte sich: »Warum weinst du, Mama?«

Elise sank auf ihren Stuhl. Sie stellte den Teller ab, langte nach einer Semmel und knabberte daran.

»Ich bin nur ein bisserl traurig«, flüsterte sie. »Wegen Papa.«

Hansi nickte verständnisvoll. »Bitte doch den Lois, dass er dir ein Lied vorsingt«, schlug er vor.

Fast hätte sich Elise an dem Semmelbissen verschluckt.

»Warum sagst du das?«

Ihr Sohn erwiderte arglos: »Ich war gestern traurig. Als du grad im Stall warst.« Kein Vorwurf lag in seiner Stimme, trotzdem kam sich Elise wie die allergrößte Rabenmutter vor. »Der Lois hat mich gefragt, ob ich ein Lied hören möcht'.« Hansi rümpfte das Näschen. »Es war kein gescheites Lied«, verkündete er gewichtig.

In Elise entstand ein Verdacht. »Wovon hat das Lied denn gehandelt?«

»Von einem Madel«, berichtete Hansi. »Das hat einen Buben gefragt, ob er ihr mit den Strümpfen hilft. Weil sie ihr alleweil heruntergerutscht sind.« Er legte seine Kinderstirn in Falten. »Die Madeln aus der Kindergruppe tragen Strumpfhosen, keine Strümpfe. Und wenn sie Hilfe brauchen, fragen sie die Lissy oder die Eva. Net uns Buben!«

Elise konnte sich in etwa vorstellen, wovon das Lied in Wahrheit handelte. Es musste eins von denen sein, die zu ihnen heraufdrangen, wenn die Knechte abends beschwipst vom Ochsenwirt zurückkehrten.

Sie musste unbedingt mit Lois reden. Zwar zweifelte sie nicht an seinen guten Absichten, und Hansi war zum Glück zu jung, um die derbe Geschichte in dem Lied zu verstehen, doch er würde nicht ewig so unschuldig bleiben.

»Iss deine Semmeln«, bat sie ihn. »Nachher können wir die jungen Katzerln besuchen.«

Hansis Augen strahlten. Bedrückt sah Elise zu, wie er zu essen anfing.

Jakob war die Seele des Hofes gewesen. Mit seinem Charme und Humor, seiner Standhaftigkeit und Treue hatte er ihnen die Alten vom Leib gehalten und für sie ein Zuhause geschaffen. Doch wie lange würde es ohne ihn ihr Zuhause bleiben?

***

Das Beste am Heuboden, fand Hansi, waren die Katzerln. Sie hatten noch ganz weiches Fell und trotzdem schon spitze Krallen, die herausfuhren, wenn man ihre Pfoten sanft drückte. Sie rauften gerne! Hansi stellte sich beim Zuschauen vor, er wäre auch ein Katzerl und hätte Geschwister, mit denen er raufen konnte. In der Kindergruppe gab es zwar andere Buben, aber raufen durfte man dort nicht.

Das Zweitbeste am Heuboden war, dass man fast alles sah und selbst nicht gesehen wurde. Man musste bloß leise sein.

»Lois!«, rief seine Mama. »Hast du kurz Zeit?«

Hansi warf einen letzten Blick auf die Katzenbabys. Dann kroch er auf dem Bauch näher zur Kante und spähte hinunter in den Stall. Da stand der Großknecht Lois mit einer Mistgabel. Und vor ihm die Mama.

Sie redeten. Hansi hörte nicht jedes Wort, weil draußen einer mit dem Mähdrescher fuhr, und der war laut. Es ging um das nicht sehr gescheite Lied von dem Madel mit den rutschenden Strümpfen. Das Madel sollte sich wahrscheinlich Sockenhalter kaufen, solche, wie der Opa welche hatte.

Draußen blieb der Mähdrescher stehen. Drinnen ließ Lois den Kopf hängen.

»Ich wollt' net respektlos sein, Bäuerin.« Sein bärtiges Gesicht verzog sich zu einem verlegenen Grinsen.

»Ich weiß, Lois. Ich bin dir auch net bös'«, versicherte ihm die Mama rasch. Sie seufzte und fuhr fort: »Ich versuch' mich um den Hansi zu kümmern. Aber mei, es gibt so viel zu tun. Ich kann net überall sein. Und ich kann ihm schon gar net den Papa ersetzen.«

Lois trat näher und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Erstaunt sah die Mama zu ihm hoch. Lois war ungefähr so groß und breit wie ein Bär, dachte Hansi. Er hatte auch genauso viel zotteliges Fell auf der Brust und im Gesicht.

»Du machst das großartig, Bäuerin. Lass dir von keinem was anderes einreden! Hansi, der zukünftige Bauer, kann froh sein, dass er dich als Mama hat.«