Der Bergdoktor 2237 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2237 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Die junge Elli befindet sich mit ihrer kranken Tante und deren Cocker Spaniel Charlie auf Sommerfrische in St. Christoph. Nachdem ihr langjähriger Freund auf schmähliche Art und Weise mit ihr Schluss gemacht hat, fühlt sie sich erst einmal nicht bereit für eine neue Beziehung.
Auch Laurenz, der Hüttenwirt, wurde von seiner Verlobten bitter enttäuscht. Doch der vierbeinige Glücksbote Charlie hat für die beiden Pläne. Können zwei enttäuschte Herzen einander helfen, wieder zu erblühen?

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Charlie, der vierbeinige Glücksbote

Vorschau

Impressum

Charlie, der vierbeinige Glücksbote

Der Bergdoktor, ein allzu neugieriger Hund und ein Herz in Not

Von Andreas Kufsteiner

Die junge Elli befindet sich mit ihrer kranken Tante und deren Cocker Spaniel Charlie auf Sommerfrische in St. Christoph. Nachdem ihr langjähriger Freund auf schmähliche Art und Weise mit ihr Schluss gemacht hat, fühlt sie sich erst einmal nicht bereit für eine neue Beziehung.

Auch Laurenz, der Hüttenwirt, wurde von seiner Verlobten bitter enttäuscht. Doch der vierbeinige Glücksbote Charlie hat für die beiden Pläne. Können zwei enttäuschte Herzen einander helfen, wieder zu erblühen?

»Charlie!«, tönte es zweistimmig durch den Krähenwald von St. Christoph.

Vor einer Schranke auf dem Fahrweg, der durch den Wald verlief, hielt Elli Hoffmann keuchend inne. Das Madel schöpfte Atem, strich sich eine dunkle Locke aus der Stirn und schaute sich um.

An diesem herrlichen Augusttag zeigte sich der Wald in seinem schönsten Kleid. Mächtige Buchen und Ahornbäume säumten den Weg. In ihrer Mitte wuchsen knorrige Haselsträucher. An den schattigen Stellen des Waldes bedeckten Schachtelhalme und Farne den Boden. Anderswo rankten sich Brombeeren zwischen wolligen Disteln. Und dort, wo die Sonne durchs Geäst fiel, leuchteten die bunten Kleckse von gelb blühendem Frauenschuh und lila Schmetterlingsflieder.

Alles zusammen vermittelte einen gar idyllischen Eindruck! Bloß: Das, wonach Elli Ausschau hielt, fehlte. Kein semmelblonder Hundeschwanz wedelte zwischen den Farnen. Kein Kopf mit langen, herabhängenden Ohren lugte hinter den Disteln hervor.

»Charlie!« Ellis Tante Ingrid, eine muntere Mittfünfzigerin, schloss zu ihr auf. Atemlos stützte sie sich an der Schranke ab. »Wo kann er nur sein?« Die Sorge in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Im nächsten Moment ertönte ein freudiges Bellen. Ein semmelblonder Blitz sauste aus dem Unterholz: Charlie, Tante Ingrids Cocker Spaniel. Er musste irgendwo im Wald eine Pfütze gefunden haben und schüttelte sich freudig. Schlammbraune Tropfen spritzten aus seinem Fell.

Tante Ingrid lachte. Elli konnte nicht sagen, ob Charlies unbekümmerte Fröhlichkeit auf sie ansteckend wirkte oder ob ihr Lachen der Erleichterung über die Rückkehr ihres Rabauken geschuldet war. Denn Tante Ingrid liebte Charlie über alles! Nach vielen Jahren kinderloser Ehe und dem Tod ihres Mannes hatte sie sich endlich einen Herzenswunsch erfüllt und vor fünf Jahren den Welpen zu sich geholt. Seitdem waren Charlie und sie unzertrennlich.

Nun sank sie auf ein Knie und umarmte ihn. Dass ihr Trachtenjanker dabei einiges vom Schmutz auf Charlies Fell abbekam, kümmerte sie kein bisschen.

Elli stand daneben. Sie seufzte und rieb bedauernd einen Schlammspritzer von ihrer hübschen, neuen Trachtenbluse.

Tante Ingrid hatte darauf bestanden, nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Nichte für den Urlaub in St. Christoph zünftig einzukleiden. Und Charlie ebenso! Der Spaniel war nun der stolze Besitzer eines dunkelgrünen Hunde-Lodenmäntelchens und eines dazu passenden, mit Edelweiß bestickten Halstuchs.

Auch wenn Elli darauf hingewiesen hatte, dass es im August in Tirol viel zu heiß für ein Hunde-Mäntelchen wäre: Tante Ingrid hatte den Einwand mit einem Lächeln abgetan und das Kleidungsstück dennoch gekauft. Sie verwöhnte Charlie stets, als wäre er ihr Kind. Und so konnte man ihm wohl auch keinen Vorwurf machen, wenn aus ihm ein etwas verzogener Bengel geworden war.

Ellis Blick schweifte von den beiden ab und blieb an einem Schild hinter der Schranke hängen. Darauf stand: »Zum Schutz des Jungwilds sind Hunde an der Leine zu führen«.

»Tante Ingrid, wo hast du die Leine?«

Verdutzt sah ihre Tante auf. »Hast du sie denn net eingesteckt?«

Elli schüttelte den Kopf. Sie dachte angestrengt nach und rief sich die Szene beim Aufbruch in ihrer Fremdenpension ins Gedächtnis.

»Als wir losgegangen sind, hast du sie in deinen Rucksack geschoben. In die Außentasche.«

Daraufhin löste Tante Ingrid ihre Arme von Charlies Hals. Sie setzte den Rucksack ab und fing an zu kramen. Neugierig zwängte Charlie seine Schnauze in eine der Taschen. Er roch gewiss die Serviette mit den Schinkenscheiben vom Frühstück, die als spätere Jause für ihn gedacht waren!

Zu guter Letzt fand Tante Ingrid die Leine. Sie bestand aus dunkelgrün gefärbtem Leder. Der Karabiner am Ende glänzte silbern, ebenso die Nieten, dazwischen waren metallene Edelweiß angebracht.

»Das ist doch net nötig, Tante Ingrid!«, hatte Elli im Laden widersprochen. »Kein Mensch in Tirol wird so genau hinschauen, dass er die Edelweiß sieht.«

Denn Tante Ingrid hatte nicht viel Geld. Sie war jahrzehntelang Verkäuferin bei einer Kaufhauskette gewesen. Nach deren Insolvenz hatte sie ebenso wie Tausende andere Verkäuferinnen auf der Straße gestanden, hatte zunächst keine Anstellung mehr gefunden und es dann vorgezogen, frühzeitig in Rente zu gehen. Nur dank der Hinterlassenschaft ihres Mannes konnte sie sich ihre kleine Wohnung am Stadtrand von München und Charlies Unterhalt leisten.

Wie so oft hatte sie Ellis Einwand mit einem Lächeln abgetan und das Mädchen an sich gezogen.

»Ich will, dass meine Lieblingsnichte und ich in Tirol einen unvergesslichen Auftritt hinlegen«, hatte sie ihr anvertraut.

»Ich bin deine einzige Nichte, Tante Ingrid«, hatte Elli sie streng erinnert.

»Und deswegen meine Lieblingsnichte.« Tante Ingrid hatte ihr zugezwinkert, und Elli hatte ihren Widerstand wohl oder übel aufgegeben.

Nun seufzte sie wieder, als sie daran zurückdachte. Tante Ingrid ging allzu sorglos mit ihrem Geld um. Gewiss hatte Ellis Mutter auch aus diesem Grund darauf bestanden, dass Elli ihre Tante nach Tirol begleitete.

Oh, sie hatte vor Tante Ingrid so getan, als wäre die Reise ein Geschenk für Elli: um ihren Studienabschluss zu feiern und sie auf andere Gedanken zu bringen. Doch Elli wusste, dass ihre Mutter sich um Tante Ingrid sorgte.

Dabei war diese nicht etwa leichtgläubig oder dumm – aber sie lebte im Heute und dachte selten an morgen. In ihrer kleinen Wohnung häuften sich die Dinge, die sie aus einer Laune heraus gekauft hatte. Charlie besaß mehr Kleidungsstücke als die meisten Menschen. Und Tante Ingrid konnte keiner Reklame für eine Theater- oder Opernaufführung oder ein Konzert widerstehen. Denn, wie sie stets betonte: Wer wusste schon, ob genau dieses Stück je wieder in München gespielt würde? Ob jener Dirigent, jenes Orchester oder jene Sopranistin noch einmal hier gastieren würden?

So war es auch beim Kauf der Kleidung für den Tirol-Urlaub gewesen.

»Wer weiß, ob wir beide noch einmal gemeinsam ins Zillertal kommen?«, hatte sie entgegnet, nachdem Elli ihr versichert hatte, sie bräuchte wirklich keine neue Trachtenbluse und schon gar nicht deren drei.

Nun versuchten sie, Charlie anzuleinen. Der aber hatte andere Pläne! Er riss sich los und flitzte unter der Schranke durch. Auf der anderen Seite blieb er stehen und schenkte ihnen beiden ein Hundegrinsen mit heraushängender Zunge.

»Fangt mich!«, schien das zu heißen.

Elli eilte hinterher. Sie zwängte sich unter der Schranke durch, beugte sich herab und haschte nach Charlies Halsband.

Darauf hatte er nur gewartet! Flink entschlüpfte er ihr und stürmte bis zur nächsten Kurve des Fahrwegs vor. Dort angekommen, drehte er sich um und hechelte.

Obwohl Elli schon ahnte, was folgen würde, rannte sie hinterher. Sie war fast bei ihm – da drehte er sich um und sauste wieder davon: diesmal ins Unterholz.

Atemlos blieb Elli stehen.

»Charlie!«, rief sie mit aller Strenge, die sie aufbringen konnte. »Hier! Bei Fuß!«

Doch der Spaniel hatte Befehlen noch nie gehorcht. Sein freudiges Bellen, das vermutlich »Du kriegst mich net!« hieß, verklang.

Heimlich sandte Elli ein Stoßgebet zum Himmel, dass das Jungwild im Wald auf sich selbst aufpassen konnte. Und dass der semmelblonde Rabauke keinem Jäger vor die Flinte laufen würde. Wenigstens, tröstete sie sich, konnte man ihn mit seiner Farbe kaum für einen Fuchs oder gar Wolf halten.

Tante Ingrid keuchte heran. »Wo ist er hin?«

Stumm wies Elli auf den Wald. Ihre Tante überlegte kurz. Dann setzte sie den Rucksack erneut ab und zog diesmal die Serviette mit dem Schinken heraus.

»Charlie! Es gibt Schinken!«

Charlie bellte. Das war alles. Für gewöhnlich kam er wie der Blitz angeschossen, sobald er Schinken erschnüffelte! Aber vermutlich gab es im Wald vieles, das besser roch. Zum Beispiel das Jungwild, was immer mit dieser Bezeichnung gemeint sein mochte: kleine Hasen? Oder eher Hirsche und Rehe?

Matteo hätte es gewusst, dachte Elli. Bei der Erinnerung an ihn durchfuhr sie ein Stich.

Vier Jahre lang war sie mit Matteo zusammen gewesen – ihrer ersten und einzigen Liebe. Sie hatten einander gleich zu Beginn ihres Tourismus-Studiums kennengelernt. Und es hatte keine Woche gedauert, bis Matteo Elli auf ein Getränk eingeladen und sie anschließend geküsst hatte. Im zweiten Studiensemester war Elli von zu Hause aus- und in seine kleine Wohnung eingezogen.

Vier Jahre lang hatten sie alles geteilt. Sie hatten Seite an Seite auf dem Wohnzimmersofa für die Klausuren gepaukt. Hatten einander über die schwersten Zeiten hinweggeholfen. Als Matteo eine wichtige Prüfung erst im letzten Anlauf geschafft hatte, hatte ihn Elli danach mit einer blitzblank geputzten Wohnung und einem selbst gekochten Drei-Gänge-Menü bei Kerzenschein überrascht.

Während seines Praktikums in einem Reisebüro hatte er ihr Tag und Nacht Textnachrichten und Fotos geschickt. Mit dem Abschlusszeugnis in der Hand war ihm Elli jubelnd um den Hals gefallen und hatte vorgeschlagen, sie sollten gleich losgehen und passende Bilderrahmen kaufen: damit ihre beiden Diplome Seite an Seite im Wohnzimmer hängen könnten.

Daraufhin war Matteo ein paar Tage lang ungewohnt schweigsam gewesen. Sie hatte bemerkt, dass ihn etwas beschäftigte. Am Wochenende war er damit herausgerückt: »Elli, du weißt: Jetzt wo ich meinen Abschluss hab, werd' ich ins Hotel meines Vater einsteigen.«

Freilich hatte Elli das gewusst!

»Aber erst nach unserem Urlaub, gell?« Schließlich hatten sie sich die Reise – als Rucksacktouristen hinauf zum Nordkap – in den leuchtendsten Farben ausgemalt. Elli hatte bereits Stunden, wenn nicht Tage mit dem Heraussuchen der besten Jugendherbergen verbracht.

Matteo hatte jedoch den Kopf geschüttelt und ihr dann knallhart erklärt, dass er ab sofort ein Nobelhotelier wie sein Vater sein würde. Das brächte Verpflichtungen mit sich. Einen Ruf, den es zu wahren gälte. Nobelhoteliers reisten nicht mit einem Trekking-Rucksack auf dem Buckel durch die Welt. Und sie hatten vor allem auch Frauen, mit denen man sich sehen lassen konnte. Nicht solche wie Elli, die gerne auf Lippenstift verzichteten und tagein, tagaus Jeans trugen!

Für Elli hatte sich das wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt. So oft hatte Matteo ihre Natürlichkeit gelobt! Und lächelnd behauptet: Ein Madel in Jeans, das kochen könne, sei tausend Mal mehr wert als eines in Abendgarderobe. Wie gerne hatte er über die aufgetakelten Weiber gelästert, die sein geschiedener Vater mit nach Hause brachte!

Aber das war Matteo, der Student, gewesen. Über Nacht hatte er sich in Matteo, den Hotelerben, verwandelt. Und diesen Burschen erkannte Elli gar nicht wieder.

Matteos Zurückweisung hatte ihr das Herz gebrochen. Alle ihre schönen Träume von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm waren wie Seifenblasen zerplatzt. Vor allem aber musste sie sich nun fragen, ob sein Sinneswandel wirklich so plötzlich gekommen war – oder ob er schon länger geplant hatte, mit ihr Schluss zu machen. Wie viele der zärtlichen Momente waren von seiner Seite nur gespielt gewesen?

Zutiefst verletzt hatte sie ihre Sachen gepackt und war nach Hause gefahren. Verheult und umgeben von Pappkartons, hatte sie an der elterlichen Wohnungstür geläutet. Ihr Vater hatte ihr geholfen, die Kartons hinauf in ihr altes Kinderzimmer zu tragen.

Und dort standen sie nun. Selbst zwei Monate später hatte Elli es noch nicht fertiggebracht, sie auszupacken. Sie brauchte nur hinzuschauen, und sofort kamen ihr die Tränen.

Ihre Eltern hatten versucht, sie aufzumuntern. Tante Ingrid hatte sogar eine Schokoladentorte für sie gebacken, weil Schokolade gut gegen Kummer sei. Und Ellis Münchner Freundinnen hatten sie überredet, sich mit ihnen ins Nachtleben zu stürzen. Doch egal, in welches Lokal sie gegangen waren: Früher oder später war ihnen ein Studienkollege oder sonst ein Bekannter begegnet und hatte Elli launig als »Matteos Madel!« begrüßt.

So hatte sie sich immer mehr zu Hause verkrochen. Und von dort aus pflichtschuldig Bewerbungen verschickt – aber alle Gespräche waren im Sande verlaufen. Kein Wunder! Welches Hotel stellte denn auch eine Tourismus-Fachkraft ein, die beim geringsten Anlass in Tränen ausbrach?

Zu guter Letzt hatte Ellis Mutter sie nach St. Christoph geschickt, damit sie während Tante Ingrids Tirol-Urlaub ein Auge auf diese haben würde. Und natürlich auch auf Charlie.

Plötzlich erspähte Elli inmitten des Waldgrüns einen semmelblonden Schwanz.

»Gib mir die Leine!« Sie streckte die Hand danach aus – und kaum reichte Tante Ingrid ihr das Gewünschte, stürmte Elli los. Sie duckt sich unter tief hängenden Zweigen durch. Ihr linker Fuß blieb im feuchten Waldboden stecken, und ihr Turnschuh verursachte ein gurgelndes Geräusch, als sie ihn herauszog.

Endlich holte sie Charlie ein. Er stand auf einer lichten Stelle zwischen ein paar Tannenschösslingen und grinste Elli mit heraushängender Zunge an.

Blitzschnell bückte sie sich. Charlie versuchte ihr zu entschlüpfen – doch mit einem Klicken ließ sie den Karabiner der Leine an seinem Hundegeschirr einschnappen.

»Hab ich dich! Und jetzt komm, du Schlingel. Tante Ingrid wartet.«

Charlie stemmte sich gegen die Leine, bis Elli ergänzte: »Sie hat Schinken.«

Das Zauberwort wirkte. Sofort stürmte der verfressene Spaniel in Richtung Fahrweg. Fast hätte er Elli von den Füßen gerissen!

***

Während der nächsten halben Stunde ging Charlie mustergültig an der Leine. Er ließ sich dafür mit dem Schinken belohnen. Und wenig später mit einer Hartwurst, die Tante Ingrid als Vormittagsjause eingesteckt hatte. Die Semmel dazu fraß er ebenfalls mit dem größten Vergnügen.

»Hast du denn noch was für dich selbst mit?«, erkundigte sich Elli besorgt. »Denk an deinen Blutzucker!« Das hatte ihre Mutter ihr eingeschärft.

Tante Ingrid war stehen geblieben. Mit einem versonnenen Lächeln sah sie zu, wie Charlie sich über ihre Jause hermachte.

»Freilich. Ich hab noch ein Semmerl und eine Tafel Schokolade«, beruhigte sie ihre Nichte geistesabwesend.

Charlie hörte das letzte Wort und kehrte ihnen beiden angewidert das Hinterteil zu. Er hatte einmal Schokolade probiert. Das hatte mit einem Besuch beim Tierarzt geendet. Seitdem war sie als einziges vor dem semmelblonden Vielfraß sicher.

Tante Ingrid fuhr fort: »Außerdem kann es nimmer weit bis zu der Hütte sein. Unsere Pensionswirtin sagt, von dort hat man den schönsten Ausblick. Und es gibt hausgemachte Mehlspeisen!« Sie geriet ins Schwärmen: »Ich seh' uns beide schon auf der Terrasse sitzen: jede mit einem Kaffee, einem Stück Apfelstrudel – mit Schlag natürlich! – und rundherum nix als Berge.« Sie zwinkerte Elli zu. »Wer weiß? Womöglich finden wir dort oben sogar einen feschen Senner für dich.«

Elli lächelte schwach. Ihre Münchner Freundinnen hatten das Gleiche gesagt: Sie solle sich schleunigst einen feschen Burschen suchen, der sie über Matteo hinwegtrösten würde. Das war auch der Hauptgrund gewesen, warum sie Elli von einem Nachtlokal zum nächsten geschleppt hatten.

Bloß: Elli gehörte nicht zu dieser Sorte Madeln. Sie träumte nicht von einem Gspusi in beschwipsten Zustand. Auch nicht von einem Urlaubsflirt mit einem Senner, Jäger oder Förster aus St. Christoph! Sie wünschte sich einen Burschen für die Ewigkeit. Einen, der mit ihr seine Zukunft plante und es ernst meinte. So wie Matteo vor seinem Sinneswandel.

Gedankenverloren folgte sie Tante Ingrid und Charlie über den Fahrweg. Erst als dieser und mit ihm zugleich der Wald endete, hob Elli erstaunt den Kopf. So hoch waren sie bereits gekommen!

Ihre Pensionswirtin hatte ihnen versichert: Der Hexenstein sei von den sechs Bergen, die St. Christoph bewachten, am einfachsten zu besteigen. Und sie wollten ja auch gar nicht hinauf bis zu seinem Gipfel. Nur zu der kleinen Hütte dort vorne. Von der Alm aus genoss man bereits einen hervorragenden Blick auf die übrigen Berge. Wie hieß noch einmal jener mit dem verschneiten Gletscher?

Lautes Kläffen schnitt durch Ellis Gedanken. Sie riss den Kopf herum und sah, wie ein vertrauter, semmelblonder Blitz über die Almwiese flitzte. Charlies Ohren wehten wie Zöpfe hinter ihm her.

Er hat sich doch net etwa losgerissen?, durchfuhr es Elli. Besorgt wandte sie sich nach Tante Ingrid um.

Diese richtete sich gerade auf. Sie hielt Charlies Leine in einer und den Karabiner in der anderen Hand.

»Er braucht seinen Auslauf«, erklärte sie milde.