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Es war ein furchtbarer Unfall damals, der den Menschen in St. Christoph bis heute in Erinnerung geblieben ist: Lioba Eschweiler war mit ihren beiden Kindern auf dem Heimweg von einer Adventsfeier, als der Wagen plötzlich von der Fahrbahn abkam und sich mehrmals überschlug. Lioba und ihr kleiner Sohn starben. Verena überlebte - allerdings schwer traumatisiert. Denn obwohl feststand, dass Blitzeis die Unfallursache war, behauptete sie, schuld an der Tragödie zu sein. In ihrer Not fing sie an, maßlos zu essen, wurde adipös und krank. Es dauerte lange, bis eine Psychologin zu ihr durchdrang und ihre Seele langsam heilte.
Heute sieht man Verena äußerlich nicht mehr an, welchen Kampf sie hinter sich hat. Nur vor der Liebe, dem Schönsten und Allerwichtigsten im Leben, läuft sie davon ...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Lächle die Tränen einfach fort
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Impressum
Lächle die Tränen einfach fort
Jahrelang litt sie unter Schuldgefühlen
Von Andreas Kufsteiner
Es war ein furchtbarer Unfall damals, der den Menschen in St. Christoph bis heute in Erinnerung geblieben ist: Lioba Eschweiler war mit ihren beiden Kindern auf dem Heimweg von einer Adventsfeier, als der Wagen plötzlich von der Fahrbahn abkam und sich mehrmals überschlug. Lioba und ihr kleiner Sohn starben. Verena überlebte – allerdings schwer traumatisiert. Denn obwohl feststand, dass Blitzeis die Unfallursache war, behauptete sie, schuld an der Tragödie zu sein. In ihrer Not fing sie an, maßlos zu essen, wurde adipös und krank. Es dauerte lange, bis eine Psychologin zu ihr durchdrang und ihre Seele langsam heilte.
Heute sieht man Verena äußerlich nicht mehr an, welchen Kampf sie hinter sich hat. Nur vor der Liebe, dem Schönsten und Allerwichtigsten im Leben, läuft sie davon ...
Als Zenzi Bachhuber den Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma betrat, empfing sie dort lautes Stimmengewirr. Die drei Witwen Walburga, Serafina und Hildegund, die Altbäuerin vom Mühlenhof und die Leitnerin sprachen so wild durcheinander, dass Zenzi kein Wort verstehen konnte. Endlich gelang es aber der energischen Walburga, sich Gehör zu verschaffen.
»Eine richtige Schand' war das, sich auf dem Friedhof zu streiten, und das noch am Familiengrab«, rief sie empört aus.
Die drei unzertrennlichen Witwen trafen sich häufig auf dem kleinen Friedhof von St. Christoph, wo sie auf einer versteckten Bank saßen und heimlich die Besucher beobachteten.
»Was da so alles vor sich geht, das würdet ihr kaum glauben. Einmal haben wir sogar ein Liebespaar beobachtet«, pflegte Serafina häufig zu sagen, ehe sie von Walburga rasch unterbrochen wurde.
»Was hat es denn heut' wieder mal gegeben?«, wollte Zenzi wissen, und die Aufmerksamkeit wandte sich ihr zu.
»Das wirst du net glauben, Zenzi. Die Eschweiler-Verena hat ihren Vater laut angeschrien, und das ausgerechnet am Todestag von ihrer Mutter und dem kleinen Bruder.«
Walburga hielt inne, als hätte ihr die Ungeheuerlichkeit dieses Vorfalls noch nachträglich die Sprache verschlagen.
»Und dann?«, ermutigte Zenzi sie zum Weitersprechen.
»Es dauerte noch eine ganze Weile, dann nahm der Eschweiler seine Tochter in die Arme, denn sie hatte angefangen zu weinen.«
»Um was ging es denn eigentlich? Habt ihr das vielleicht hören können?«, schaltete sich die Leitnerin ein.
»Soweit ich es hab verstehen können, hat der Eschweiler sie geradezu angefleht, endlich zu heiraten. Und zwar anscheinend jemanden, den sie net leiden kann«, gab Serafina Auskunft, und Hildegund nickte bestätigend.
»So ein Elend! Aber wenigstens haben sie sich am Ende wieder versöhnt. Der Eschweiler kann ja stolz auf seine Tochter sein, die Verena ist so ein tüchtiges, ordentliches Madl«, meinte Walburga zuletzt.
»Ohne sie hätt' der Eschweiler den Hof gar nimmer halten können. Wer will schon noch bei einem Obstbauern arbeiten«, gab auch Hildegund ihre Meinung zum Besten.
Schließlich wandten sich die Frauen wieder ihren Einkäufen zu und verstauten die Waren in den mitgebrachten Körben und Taschen. Dann verabschiedete man sich voneinander, auch die Leitnerin hörte damit auf, in den Sonderangeboten zu wühlen, anscheinend hatte sie kein farbenfrohes Mitbringsel für ihren Mann gefunden. Und so sah sie ziemlich verdrossen aus, als sie das »Einkaufsparadies«, wie der Laden genannt wurde, verließ.
Zenzi blieb noch zurück, um sich mit Alma, die ihre Busenfreundin war, zu besprechen, denn sie verbrachten gern Zeit miteinander.
»Morgen hab ich meinen freien Mittag ...«, begann Zenzi.
»Dann kommst du her. Ich probier' ein neues Kuchenrezept aus, dazu gibt es den besten Kaffee, den ich hier hab«, fiel Alma ihr sofort ins Wort.
Zenzis Augen leuchteten auf.
»Besser Kaffee und Kuchen als eine Likörverkostung«, meinte sie und kicherte.
Denn leider war es nicht nur einmal vorgekommen, dass sie zu viel von einer neuen Sorte getrunken hatte und schwankenden Schrittes zum Doktorhaus zurückgekehrt war. Dr. Burger hatte ihr jedes Mal Vorhaltungen gemacht und anschaulich die Folgen der Trunksucht geschildert.
Der Bergdoktor war auch gegen Süßigkeiten, doch Zenzi ließ es sich nicht nehmen, ein Tüterl mit Schokoladenkaramellen für die älteren Kinder der Burgers zu kaufen, denn vor allem die fast neunjährige Tessa war ein richtiges Naschkatzerl.
Dann verabschiedeten sich die beiden Freundinnen voneinander, und Zenzi schritt, in Gedanken versunken, die Kirchgasse entlang. Zu ihrer Überraschung war Martin Burger schon zu Hause, sodass er den späten Nachmittag und den Abend endlich einmal wieder mit seiner Familie verbringen konnte.
Und so ritt die zweieinhalbjährige Laura fröhlich kreischend auf seinem Rücken, ihre Geschwister feuerten ihren Vater noch an. Sabine Burger stand an der offenen Terrassentür und lächelte nachsichtig.
»Jessas«, murmelte Zenzi und verschwand schnell in der Küche.
Aber trotz des ganzen Lärms erfüllte Freude ihr Herz. Denn nach dem Tod seiner ersten Frau hatte Martin Burger sein geliebtes Zillertal verlassen und war erst wieder zurückgekehrt, als sein Vater die Praxis nicht mehr allein führen konnte. Lange hatte Martin danach allein gelebt, erst die Heirat mit der Anästhesistin Sabine hatte aus ihm wieder einen glücklichen Mann gemacht.
Auch Dr. Pankraz Burger verließ nun sein Kabinettl, das an den Wohnbereich angrenzte und trat auf die Küchenschwelle. Er war ein stattlicher Mann Mitte siebzig, eine gewisse Leibesfülle verriet, dass er irdischen Genüssen nicht abgeneigt war.
»Was gibt es denn zum Abendessen?«, fragte er nun neugierig.
»Hab ich denn noch net mal in der Kuchel meine Ruh'? Man wird schon noch sehen, was ich auf den Tisch bring'«, erwiderte sie unwillig.
»Und hab ich das eben richtig gesehen? Du hast Schokoladenkaramellen im obersten Fach vom Küchenschrank versteckt, damit die Kinder sie nicht erreichen können?«, fuhr Pankraz fort und lächelte.
»Vor dem Essen gibt es nichts Süßes«, sagte Zenzi streng, und der Senior zog sich aufseufzend zurück.
Der Abend verlief so, wie es sich alle erhofft hatte. Kein Notruf störte sie, endlich konnte sich der Bergdoktor einmal ganz seiner Familie widmen, vor allem seinen drei Kindern Tessa, Filli, der eigentlich Philipp hieß, und Laura. Tessa wurde auf Grund ihrer schwarzbraunen Locken »Schneckerl« genannt, im Verein mit ihren dunklen Brombeeraugen war sie ein auffallend hübsches Kind.
Eigentlich hatten die Burgers sie adoptiert, doch das war längst vergessen, sie gehörte untrennbar zur Familie. Genau wie Zenzi, die Martin aufgezogen hatte, als er schon mit elf Jahren seine Mutter verloren hatte. Ihr Wort hatte Gewicht im Doktorhaus.
Nun rief Sabine alle zu Tisch, und Zenzi kam mit einer Terrine aus der Küche, der ein köstlicher Duft entstieg.
»Ein Linseneintopf mit Würsteln, eines meiner Liebgerichte«, rief Pankraz begeistert aus, »darüber wird sich auch der Poldi freuen.«
Poldi, der Rauhaardackel der Burgers, hatte sich schon erwartungsvoll unter dem Tisch neben Pankraz niedergelassen, denn er konnte sicher sein, dass ihm sein Herrchen ein Leckerchen hinunterreichen würde.
»Nur ein Würstel für den Poldi und nur eine Portion Eintopf für dich, Vater«, sagte Sabine entschieden.
»Du bist halt so streng zu mir, Sabine«, kam es vorwurfsvoll von den Lippen ihres Schwiegervaters.
Doch er wusste, dass sie es nur gut mit ihm meinte, und nahm Sabine ihre Ermahnungen nicht übel. Sabine, die alles aufgegeben hatte aus Liebe zu seinem Sohn – ihre Arbeit als Anästhesistin in einem Wiener Großklinikum, ihre Freunde und Kollegen und die kulturellen Möglichkeiten einer Metropole.
Aus Liebe zu seinem Sohn war sie in das kleine Bergdorf im Zillertal gezogen und hatte mit ihm eine Familie gegründet. Sie hatte ihm Enkel geschenkt, die er von Herzen liebte und die er immer mit leisem Spott den »Trost seines Alters« nannte. Doch genau das waren sie, auch wenn er sich darüber lustig machte.
Nach dem Essen fand der Spieleabend statt, dem die beiden älteren Kinder immer entgegenfieberten. Laura war zu Bett gebracht worden, nun konzentrierten sich alle auf das Monopolyspiel.
»Wetten, dass du wieder verlierst?«, sagte Tessa herausfordernd zu ihrem Vater.
»Ja, die Zenzi ist dir halt haushoch überlegen, Martin. Du hast ja viele Talente, aber dafür fehlt dir einfach das rechte Gespür«, zog Pankraz ihn auf.
»Ihr werdet schon noch sehen. Heute bin ich nicht überarbeitet, obwohl der Umgang mit euch auch recht anstrengend ist«, hielt Martin dagegen.
Und so waren alle mit großem Eifer dabei. Und beinahe hätte Martin dieses Mal den Sieg davongetragen, sehr zu Zenzis Bestürzung.
»Der Tag wird kommen, Zenzi, an dem ich nicht mehr gegen dich verlieren werde«, orakelte Martin.
»Es gibt Schlimmeres«, sagte Zenzi nur.
Tessa und Filli gingen freiwillig zu Bett, denn ihr Vater wollte ihnen noch »mit verstellten Stimmen«, was sie besonders liebten, aus einem neuen Buch vorlesen. Bald fielen ihnen die Augen zu, und Martin ging hinunter, wo man es sich bei einem Glaserl Wein im Wohnzimmer gemütlich machte.
»Ah, Blauburgunder«, seufzte Pankraz auf und nahm genüsslich einen Schluck.
»Du warst also bei der Jeggl-Alma. Da hast du uns doch sicher etwas zu erzählen, Zenzi«, stichelte Martin.
»Ja, es war wieder sehr ergiebig«, erwiderte Zenzi unbestimmt und lehnte sich in ihrem Polstersessel zurück.
Martin nannte den Gemischtwarenladen immer die »Brutstätte des Klatsches«, obwohl er insgeheim fand, dass Klatsch manchmal sehr aufschlussreich war. Das hätte er allerdings niemals zugegeben.
Gegenüber Zenzi äußerte er sich weiterhin ablehnend, deswegen musste er sich sehr bemühen, wenn er doch etwas erfahren wollte. Pankraz jedoch machte aus seiner Neugier überhaupt keinen Hehl.
»Und was gibt es Neues? Hat nicht der Bachhofer ein Gspusi mit seiner Schwägerin, oder war das nur ein haltloses Gerücht ...«
»Das war eher ein Gerücht. Seine Schwägerin hat sich inzwischen verlobt und wird bald heiraten«, gab Zenzi zurück.
»Gottlob«, meinte Pankraz, und Martin schüttelte den Kopf.
Schließlich gab Zenzi nach. »Die drei Witwen waren bei der Alma, sie waren sehr aufgeregt.«
»Ach ja? Haben sie auf dem Friedhof wieder ein Liebespaar beobachtet?«, spöttelte der Bergdoktor.
»Das net grad. Aber der Eschweiler und seine Tochter haben sich lautstark gestritten, und das sogar am Familiengrab! Dabei ist heute wohl der Todestag von Verenas Mutter und dem kleinen Bruder.«
»Das war ein furchtbarer Unfall damals, das wird mit ewig in Erinnerung bleiben«, sagte Pankraz Burger. »Die Lioba Eschweiler fuhr mit den beiden Kindern von einer Adventsfeier nach Hause, Verena und ihr kleiner Bruder saßen auf der Rückbank. Dann kam der Wagen plötzlich von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrmals. Lioba wurde im Auto eingeklemmt, und der Kleine prallte so heftig vorne an die Windschutzscheibe, dass er einen Genickbruch erlitt und sofort tot war. Verena versuchte vergebens, ihre Mutter, die noch bei Bewusstsein war und schrie, zu befreien ...«
Pankraz verstummte, übermannt von seinen Gefühlen.
»Als wir schließlich ankamen, lag Lioba im Sterben, und Verena hielt ihren toten Bruder im Arm. Besonders schlimm aber fand ich, dass Verena behauptete, an dem Unfall schuld zu sein und sich nicht vom Gegenteil überzeugen ließ.«
»Wie kam sie denn darauf?«, wollte Sabine bestürzt wissen.
»Sie hatte sich auf dem Rücksitz mit ihrem Bruder herumgebalgt, und sie glaubte, dass ihre Mutter davon so abgelenkt gewesen wäre, dass sie die Kontrolle über den Wagen verloren hätte. Immer wieder haben wir ihr gesagt, dass Blitzeis die Unfallursache gewesen wäre. Doch sie wollte nicht hören, zog sich auch von ihrem Vater zurück, weil der sie ja nicht mehr lieben könnte.«
»Und hat sie sich irgendwann wieder erholt?«, fragte Sabine. Sie war sichtlich betroffen.
»Das hat lang gedauert. Sie fing an, maßlos zu essen und wurde adipös, sodass ich sie in ein Krankenhaus einwies, wo sie psychologisch betreut wurde. Dort fand endlich eine junge Ärztin Zugang zu ihr und half ihr weiter. Allerdings hatte sie noch lange mit ihrem Übergewicht zu kämpfen«, schloss Pankraz.
»Die drei Witwen haben übrigens gehört, dass sich Verena und ihr Vater darüber gestritten hätten, weil das Madel offensichtlich net heiraten will. Jedenfalls nicht den Mann, den ihr Vater für sie vorgesehen hat«, nahm Zenzi den eigentlichen Gesprächsfaden wieder auf.
»Die Zeiten sind hoffentlich vorüber, dass Eltern ihre erwachsenen Kinder nach eigenem Gutdünken verheiraten konnten«, bemerkte Sabine grimmig.
»Aber manchmal macht die Liebe auch blind«, fand Martin und goss sich noch ein Glaserl Blauburgunder ein.
»Ich hoffe nicht, dass du mich einst blind vor Liebe geheiratet hast und mich jetzt nur noch mit viel Blauburgunder ertragen kannst«, meinte Sabine spitz.
Martin sah ihr tief in die Augen.
»Ich bin immer noch blind vor Liebe, besonders, wenn ich dir in die schönen Augen schaue«, versicherte Martin,
»Irgendwie glaube ich, dass ihr jetzt lieber allein sein wollt«, meinte Pankraz und erhob sich mit einem leisen Ächzen.
»Das stimmt«, gab Zenzi von sich.
»Ihr habt völlig recht«, sagte Martin und half Sabine vom Sofa auf.
Wie immer sahen sie noch nach den Kindern, bevor sie zu Bett gingen. Die kleine Laura, einst ein Sorgenkind, hielt ihr geliebtes Fröschli an sich gepresst und schlief tief. Filli umklammerte sein Feuerwehrauto mit der Rechten, und Tessa musste wieder einmal zugedeckt werden. Wie immer erfüllte die Burgers tiefes Glück, dass sie Eltern dieser Kinder waren.
Dann betraten sie ihr blaues Schlafzimmer, das, wie der Name schon besagt, ganz in Blautönen gehalten war. Gardinen und Teppiche zeigten verschiedene Farbabstufungen, selbst der Hintergrund des Tiroler Schranks, der kunstvoll mit weißen Rosen und roten Herzen bemalt war, wies ein tiefes Blau auf.
Der Mittelpunkt aber war ein Himmelbett mit Säulen, der dem Raum eine ganz besondere Note verlieh. Dort sprachen Martin und Sabine über alles, was ihnen am Herzen lag, und erneuerten den Bund ihrer Liebe. Auch diese Nacht schloss Martin seine geliebte Frau wieder in die Arme, und das Paar versank in einem Strudel der Leidenschaft.
Pankraz Burger hatte sich in sein Kabinettl zurückgezogen, um noch an seiner Zillertaler Chronik zu arbeiten. Schon seit Jahren sammelte er aus Archiven und Kirchenbüchern Geschichten, Legenden und Märchen, die er dann niederschrieb. Oft erfuhr er in abgelegenen Dörfern auch von Begebenheiten, die nur mündlich weitergegeben worden waren und die er als kostbaren Schatz empfand. Doch nach einer Weile sank sein Kopf vornüber, und es dauerte eine Zeit lang, bis er wieder zu sich kam und sein Bett aufsuchte.
Poldi hatte sich in sein Körbchen unter dem Treppenaufgang zurückgezogen und träumte, wie er in einem Fuchsbau verschwand, um ihn zu erkunden. Schade nur, dass das immer seinem Herrchen und den Kindern so missfiel ...
Zenzi war erst spät in ihre gemütliche Kammer unter dem Dach hochgestiegen, weil sie noch in der Küche herumgewirtschaftet hatte. Nun aber zog sie ihr altmodisches Rüschennachthemd an, legte sich nieder und sprach ihr Abendgebet, in das sie wie immer die Burgers einschloss, schließlich waren sie ihre Familie. Sie dachte noch kurz über die Eschweilers nach, mit denen es das Schicksal nicht gut gemeint hatte. Dann endlich schlief sie ein.
In der Kirchgasse von St. Christoph war es still geworden. Manchmal warf der Mond ein silbernes Licht über das Tal, wenn die Wolken ihn freigaben, dann wieder herrschte tiefe Dunkelheit. Der Frühlingswind rauschte durch die Baumkronen, und vom nahen Krähenwald her war hin und wieder der Ruf eines Käuzchens zu hören.
***
»Es tut mir leid, Vaterl, dass ich auf dem Friedhof so laut geworden bin«, sagte Verena abbittend, als sie beim Abendbrot in der Stube zusammensaßen.
»Ich hätt' mich auch ein bisserl mehr zusammennehmen können«, gab ihr Vater zurück. »Dabei wollten wir doch deiner Mutter und deinem kleinen Bruder gedenken.«
Verena seufzte auf.
»Aber wir sind ja noch rechtzeitig zur Besinnung gekommen«, meinte Franz Eschweiler versöhnlich, und Verena nickte.
Sie hatten dann das Grab geschmückt, mit weißen Rosen, die Lioba so geliebt hatte. Bevor sich aufbrachen, hatten sie das Medaillon, das an dem gusseisernen Grabkreuz befestigt war und Lioba mit ihrem kleinen Sohn zeigte, gestreichelt. Das war wie ein Ritual für sie, das ihnen einen gewissen Trost spendete.
»Weißt du, es bringt mich halt immer wieder auf, dass zu unbedingt willst, dass ich heirate. Wir kommen doch gut zurecht miteinander, oder?«
»Schon. Aber wir werden net jünger, und wenn ich dann nimmer arbeiten kann ...«
»Du bist doch noch net mal fünfzig! Ein junger Vater bist du gewesen ...«