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Was hat es die Spengler-Gundi für Mut gekostet, den Laden für Sportartikel zu betreten. Doch was sein muss, muss sein, nicht wahr? Seit Kurzem schafft sie es daheim kaum noch die Treppe hinauf, weil ihr die Luft ausgeht. Ihre Knie schmerzen, und sie hat weder Ausdauer noch Kraft.
Auf die Waage traut sie sich schon lange nicht mehr. Nicht, seit sie die 100-Kilo-Marke überschritten hat. Und seitdem ist es mit ihrem Gewicht stetig bergauf gegangen.
Allmählich wird ihr bang zumute. Sie will und muss endlich abnehmen! Doch Diäten allein bringen nicht den gewünschten Erfolg, weil sie die nicht lange durchhält. Wenn sie traurig ist, muss sie essen - und wenn sie isst, kommt die Traurigkeit über ihre Schwäche. Es ist ein Teufelskreis ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Verliererin
Vorschau
Impressum
Die Verliererin
Dr. Burger und eine zutiefst gedemütigte Frau
Von Andreas Kufsteiner
Was hat es die Spengler-Gundi für Mut gekostet, den Laden für Sportartikel zu betreten. Doch was sein muss, muss sein, nicht wahr? Seit Kurzem schafft sie es daheim kaum noch die Treppe hinauf, weil ihr nach ein paar Stufen die Luft ausgeht. Ihre Knie schmerzen, und sie hat weder Ausdauer noch Kraft.
Auf die Waage traut sie sich schon lange nicht mehr. Nicht, seit sie die 100-Kilo-Marke überschritten hat. Und seitdem ist es mit ihrem Gewicht stetig bergauf gegangen.
Allmählich wird ihr bang zumute. Sie will und muss endlich abnehmen! Doch Diäten allein bringen nicht den gewünschten Erfolg, weil sie die nicht lange durchhält. Wenn sie traurig ist, muss sie essen – und wenn sie isst, kommt die Traurigkeit über ihre Schwäche. Es ist ein Teufelskreis ...
»Mei, verflixt, es hilft ja alles nix.« Entschlossen schob die Bachhuber-Zenzi ihre Decke zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett. Dabei fuhr ihr ein scharfer Schmerz die Wirbelsäule hinunter, der ihre Kopfhaut kribbeln ließ und ihr ein gedämpftes Stöhnen entlockte.
Es war schon ein Kreuz mit dem Kreuz!
Die halbe Nacht hatte sie sich mit ihren Rückenschmerzen herumgewälzt und kaum ein Auge zugetan. Inzwischen fiel das erste Licht der Morgensonne in ihre Kammer. Der Wecker auf dem Nachtkasterl zeigte halb fünf in der Früh.
Zenzi hätte eigentlich noch ein Stündchen schlafen können, aber mit dem Zwicken und Zwacken in ihrem Rücken war daran nicht zu denken.
Also stemmte sie sich kurzerhand aus ihrem Bett und tappte barfuß ins Badezimmer. Im Doktorhaus war noch alles ruhig, als sie sich wusch und ihre Haare ordentlich aufsteckte. Selbst Poldi, der geliebte Familiendackel, schien noch zu schlafen, sonst hätte er gewiss schon hereingeschaut, um herauszufinden, ob sie ein Leckerchen für ihn hatte.
Je länger Zenzi zugange war, umso mehr wich die Steifheit aus ihren Gliedern. Sie zog ein sauberes Dirndl an und band sich eine Schürze um. Danach war sie bereit für den neuen Tag.
Noch flink das Bett aufgeschüttelt und das Kammerfenster weit aufgestoßen, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Später würde es sicherlich wieder drückend heiß werden, dann hieß es, die Fenster zu verrammeln. Aber noch brachte der Morgenwind eine angenehme Kühle mit – und dazu den Duft grüner Bergwiesen.
Zenzi wurde das Herz weit, als sie den Blick über die Berge schweifen ließ. Sechs hohe Gipfel ragten rings um ihr heimatliches Tal auf. Wie steinerne Wächter. Sie schienen es nicht nur vor allzu rauen Winden zu beschützen, sondern auch vor der Hektik der modernen Welt. Hier heroben im Zillertal tickten die Uhren ein wenig langsamer als anderswo ...
An diesem Morgen wölbte sich ein wolkenloser Himmel über den Bergen und versprach wieder einen schönen Sommertag.
Zenzi verließ ihre Kammer und stieg nach unten. Ihr erster Weg führte sie morgens hinaus zum Postkasterl.
Sie stieß die Haustür auf und trat ins Freie, um die Morgenzeitung zu holen und entdeckte plötzlich eine schwarz gekleidete Gestalt, die vor ihr aus den Büschen sprang, durch das Gartentor floh und wenige Sekunden später auf und davon war.
»Jessas!« Zenzis Herz setzte sekundenlag aus.
Wer war denn das? Und was hatte er zu so früher Stunde im Garten des Doktorhauses gemacht? Die Zeitung hatte er gewiss nicht ausgetragen. Die brachte die Irmi – und die kam nicht zu Fuß, sondern neuerdings mit ihrem E-Bike.
Zenzis Schrei war indes nicht ungehört geblieben.
Hinter ihr im Haus wurden Schritte laut, dann kam Martin Burger die Treppe herunter und gesellte sich zu ihr. Er trug Shorts und das blaue T-Shirt, in dem er geschlafen hatte.
»Guten Morgen, Zenzi. Ist alles in Ordnung? Ich hab dich von oben rufen gehört.«
»Ich weiß net ... Jemand war in unserem Garten.«
»Ein Eindringling?« Eine sorgenvolle Falte grub sich zwischen seinen braunen Augen ein. Man sah ihm nicht an, dass er die fünfzig bereits hinter sich gelassen hatte. Zahlreiche Notfalleinsätze hatten seinen Körper gestählt, und seine braunen Haare schimmerten nur an den Schläfen grau. Sein Blick war offen und verriet Güte und Mitgefühl.
»Glaub schon«, erwiderte sie zittrig. »Jedenfalls ist er auf und davon, als er mich entdeckt hat.«
»Ich werd' kurz nachschauen, ob alles in Ordnung ist.« Damit setzte er sich in Bewegung und umrundete das Haus. Wenig später stand er wieder vor ihr. »Die Fenster sind heil und intakt. Keine Spuren eines Einbruchs zu sehen. Wir sollten trotzdem die Augen offenhalten.«
»Vielleicht hat sich auch nur jemand verlaufen, aber seltsam war's schon. Immerhin war er in unserem Garten.« Zenzi legte die Hände auf ihre Brust. Ihr Herz schlug immer noch viel zu schnell. »Ich hab mich tüchtig erschreckt.«
»Das wär' mir auch so gegangen. Um diese Zeit rechnet man nun wirklich net mit einem Besucher. Wie hat er denn ausgesehen?«
»Mei, das kann ich gar net beschreiben. Es ging ja alles so schnell. Stämmig gebaut war die Person und hatte ein schwarzes Sportdress an. Die Kapuze hatte sie sich über den Kopf gezogen, deshalb hab ich sie auch net erkennen können.«
»Hm, verstehe. Ist alles gut bei dir, Zenzi?«
Sie nickte und nahm die Morgenzeitung aus dem Kasten.
»Ja, der Unbekannte hat mir nix getan.« Sie schenkte Martin ein Lächeln – und wieder einmal dachte sie bei sich, wie stolz sie auf ihn war. Auf ihren »Buben«. Auch wenn er längst ein gestandener Mann war. Sie hatte vor über vierzig Jahren als Wirtschafterin im Doktorhaus ihren Einstand gehalten. Als seine Mutter viel zu früh gestorben war, hatte sie alles getan, um dem damals Elfjährigen über den Verlust hinwegzuhelfen. Sie liebte die Familie längst wie ihre eigene, und es machte sie unendlich froh, dass Martin eine liebe Frau gefunden und mit ihr drei Kinder hatte.
Beruflich war Martin Burger seinem Vater gefolgt und hatte Medizin studiert. Nach vielen Jahren an großen Kliniken im In- und Ausland hatte er vor einigen Jahren die Praxis seines Vaters übernommen und arbeitete als Landarzt in St. Christoph, einem kleinen Dorf im Herzen des Zillertals.
»Warum bist du eigentlich schon so früh auf den Beinen, Zenzi?«, fragte er jetzt. »Macht dir der Rücken wieder zu schaffen?«
»Ja, das kannst du wohl sagen.«
»Komm doch bitte nachher rüber in die Praxis. Dann schau' ich, wie ich dir helfen kann.«
»Mei, das ist das Alter. Da kann man nix machen. Bei meinen alten Knochen ...«
»Fischst du etwa nach Komplimenten, Zenzi?«
»Geh!« Sie lachte hell auf. »Das net gerade.«
»Komm trotzdem zu mir, ja? Wir finden schon etwas, das dir hilft.«
»Na gut. Dank dir schön, Martin.« Sie nickte und wieselte zurück ins Haus, um das Frühstück vorzubereiten.
Bei dem schönen Wetter konnte sie den Tisch im Garten decken.
Sie brachte gerade mehrere Schälchen mit Konfitüre nach draußen, als der Postwagen vor dem Gartentor Halt machte und mit einem Stapel Briefen und Zeitschriften herüberkam. Germo brachte seit vielen Jahren die Post und war immer für einen Plausch zu haben.
»Servus, Zenzi«, rief er. »Wie geht's, wie steht's?«
»Grüß dich, Germo. Ach, du weißt schon. Der Rücken ...« Zenzi winkte ab.
»Freilich. Das kenn' ich. Je älter ich werde, umso mehr knackt es morgens beim Aufstehen in meinen Gliedern. Früher hab ich mich deswegen gegrämt, aber inzwischen sag' ich mir: Ich bin net alt, sondern knackig.«
»Den Spruch muss ich mir merken.« Ein Lächeln flog über ihr Gesicht. »Du bist heute früh dran.«
»Stimmt. Heute soll's wieder ziemlich heiß werden, deshalb hab ich meine Runde vorverlegt. Ich möcht' net gerade in der größten Mittagshitze unterwegs sein.«
»Das wird besser sein.« Zenzi nahm die Morgenpost von ihm entgegen und bedankte sich. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie eine Bewegung im Inneren des Postwagens. Unwillkürlich drehte sie den Kopf und stutzte.
Da saß ein kleines, orangefarbenes Kätzchen auf einem Postkarton. Es war nicht nur ausgesprochen zierlich gebaut, sondern hatte rechts auch ein abgeknicktes Ohr.
»Wen haben wir denn da?«
»Was meinst du?« Germo folgte ihrem Blick und zog den Atem ein. »Herrschaftszeiten, da ist mir die Mietzi vom Angerer wieder in den Postwagen gesprungen. Die fährt zu gern ein Stückerl mit. Ich werd' zurückfahren und sie daheim absetzen müssen. Seh' ich etwa aus wie ein Katzentaxi?«
»Für die Kleine offenbar schon.« Zenzi schmunzelte.
Auch an den Mundwinkeln des Postboten zupfte ein Lächeln und verriet, dass er den Umweg nicht übelnahm.
Zenzi wünschte ihm einen schönen Tag. Dann brachte sie die Post ins Haus.
Aus der oberen Etage drang fröhliches Kinderlachen und mischte sich mit dem lebhaften Trappeln von kleinen Füßen. Wie es schien, waren Tessa, Filli und Nesthäkchen Laura inzwischen aufgewacht. Zenzis Herz wurde warm, als sie das Trio lachen hörte. Sie liebte die drei wie ihre eigenen Enkelkinder.
»Hei, hab ich einen Hunger!«, schallte Fillis Stimme von oben. Damit war es nun vorbei mit der Ruhe im Haus.
Zenzi beeilte sich, die Milch für den Kakao aufzusetzen. Dabei wanderten ihre Gedanken zurück zu der unerwarteten Begegnung im Garten. Auch wenn es keine Spuren eines Einbruchs am Haus gab, war ihr dieser Zwischenfall nicht ganz geheuer.
Wer mochte zu so früher Stunde in den Garten eingedrungen sein? Und was hatte er im Schilde geführt?
***
Gundi war sich recht sicher, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte.
Keuchend lehnte sie sich gegen das Wartehäuschen an der Bushaltestelle und wartete, dass ihre Puste sie einholte und sie vor lauter Luftmangel keine Sterne mehr sah.
Einatmen, ausatmen, ermahnte sie sich selbst. Einatmen ...
Himmel, es fühlte sich an, als wäre sie den ganzen steilen Anstieg vom Dorf auf den Gipfel des Hexensteins gerannt! Dabei war sie ... wie weit gejoggt? Hundert Meter? Vielleicht ein paar mehr?
Sie wagte keinen Blick zurück zum Doktorhaus, weil sie wusste, wie frustrierend das sein würde.
Sie war extra frühmorgens losgelaufen, weil die Wahrscheinlichkeit recht hoch war, dass sie um diese Uhrzeit noch keiner Menschenseele begegnen würde. Und das bevorzugte sie. Möge der Himmel sie davor bewahren, dass jemand mitbekam, wie sie sich mit dem Joggen abplagte und nach wenigen Metern wegen mangelndem Sauerstoff und quietschenden Knien zusammenbrach.
Nur, dass sie nicht unbemerkt geblieben war, nicht wahr?
Zenzi Bachhuber hatte sie entdeckt. Die arme Wirtschafterin hatte beinahe einen Herzkasper bekommen, als Gundi vor ihr geflüchtet war. Hoffentlich ging es ihr gut!
Gundi bereute, nicht vorsichtiger gewesen zu sein.
Das Gartentor vor dem Doktorhaus hatte offen gestanden. Und der Blick auf die Gartenbank war so einladend gewesen, dass sie entschieden hatte, sich kurz darauf auszuruhen. Als sie die Zenzi gehört hatte, hatte sie sich geschämt und schnurstracks den Rückzug angetreten. Sie war regelrecht geflüchtet.
Zu spät war ihr aufgegangen, dass sie die arme Zenzi zu Tode erschreckt haben könnte. Vermutlich glaubte Zenzi, ein Einbrecher hätte sich in ihrem Garten herumgetrieben. Vielleicht sollte sie umkehren, den Irrtum aufklären und sich entschuldigen?
Gundi grub die Zähne in die Unterlippe, grübelte und verwarf diesen Gedanken schließlich. Sie wollte nur noch nach Hause und sich in irgendeinem Mauseloch verkriechen, wo niemand ihre Schande bemerkte.
Also stieß sie sich von dem Wartehäuschen ab und wankte heimwärts.
Die Tischlerei ihres Vaters schloss sich an das hübsche Alpenhaus an, in dem er mit ihr und ihrer Schwester wohnte. Ein üppig blühender Bauerngarten umgab das Haus und bot zahlreichen Hummeln und Wildbienen reichlich Nahrung.
Schon von fern hörte Gundi das Geräusch eines schlagenden Hammers. Sie war mit dem Geruch von Holz und Leim aufgewachsen und konnte sich kein anderes Leben denken, als das zwischen Werkstatt und Haus. Ihr Vater hatte die Tischlerei von seinem Großvater übernommen und jahrelang zusammen mit ihrer Mutter geführt, bis diese vor fünf Jahren gestorben war.
Seitdem arbeitete er allein. Stiller war er geworden, aber er tat alles, damit es Hanni und ihr an nichts fehlte. Gundi hätte ihn nicht mehr lieben können.
Sie wankte zum Haus, stieß die Tür auf und kämpfte sich mit schmerzenden Knien die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Hier ließ sie sich so, wie sie war – mit Sportdress und Laufschuhen – aufs Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Kissen. Die Matratze ächzte hörbar unter ihr.
Gundis Wangen erwärmten sich.
Schon lange hatte sie auf keiner Waage mehr gestanden. Nicht mehr, seitdem sie die 100-Kilo-Marke überschritten hatte. Sie besaß kein einziges Kleidungsstück mehr, das nicht kniff und drückte. Und sie mochte sich in keinem Spiegel mehr anschauen.
Was hatte sie nicht schon alles probiert.
Schlankwäsche ...
Die hatte nur ihren Geldbeutel schmaler gemacht.
Diäten ...
Die hielt sie drei Stunden durch, bevor der Heißhunger sie wieder überfiel.
Bittertropfen ...
Die regten ihren Appetit eher noch an.
Schwitzpackungen ...
Die hatten sie einer Ohnmacht nahegebracht.
Sport ...
Wie gut der funktionierte, hatte sie an diesem Morgen erlebt. Sie glaubte noch immer, ihr Herz müsste ihre Rippen sprengen, so heftig schlug es.
Früher war das ganz anders gewesen.
Wann war ihr Körper ihr persönlicher Endgegner geworden?
Als ihr Atem ruhiger kam, kämpfte sich Gundi vom Bett hoch, schälte sich aus dem Jogginganzug und duschte, jeden Blick in den Spiegel vermeidend. Dann schlüpfte sie in ein Kleid, das unförmig an ihr herabhing, aber wenigstens nur unter den Achseln kniff und sonst nirgends. Sie bürstete ihre langen braunen Haare, die ihr in weichen Locken über die Schultern fielen und die das Einzige waren, was sie an sich mochte. Dann stieg sie hinunter in die Küche und warf einen Blick in den Kühlschrank. Dabei konnte sie förmlich spüren, wie das Kleid plötzlich strammer saß.
Sie warf die Kühlschranktür zu und machte sich daran, den Frühstückstisch für ihre Familie vorzubereiten.
An der Pinnwand über der Eckbank waren mehrere Urlaubskarten von Carina festgemacht. Ihre Freundin machte mit ihren Eltern eine Rundreise. Fünf Wochen Asien. Gundi verfolgte die Reise auf der Landkarte, die sie unter die Postkarten gepinnt hatte. Die geplante Route hatte sie im Kopf.
Gerade mussten Carina und ihre Eltern hier sein ... in Kyoto.
Oh, wie sie die Freundin vermisste!
In Carinas Gesellschaft konnte sie beinahe vergessen, wie sich ihr Leben in den letzten Monaten verändert hatte.
Doch ihre Freundin war weit weg, und ihr einziges Mittel gegen ihr eigenes Fernweh waren die Romane, die sie verschlang, wenn sie abends allein in ihrer Kammer war.
»Hey.« Ihre Schwester stürmte in die Küche, steuerte den Kühlschrank an und nahm sich den Krug mit Milch heraus.
»Guten Morgen, Hanni. Kannst du heut' Vaterls Rühreier machen? Ich bin ein bisserl spät dran.«
»Wenn's sein muss.« Ihre jüngere Schwester zog einen Flunsch und machte sich daran, eine Pfanne auf den Herd zu setzen. Im Gegensatz zu Gundi war Hanni klein und ausgesprochen zierlich. Sie hatte die blonden Haare und die aparten Gesichtszüge ihrer Mutter geerbt. Die wurden nur dadurch getrübt, dass sie gerade ausgesprochen missmutig dreinblickte, während sie ihren Pony aus der Stirn pustete.
Gundi wollte gerade die Kaffeemaschine mit frischem Wasser befüllen, hielt nun jedoch inne.
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
»Als wär's net schlimm genug, dass ich als Küchenhilfe im Berghotel den lieben langen Tag schnippeln und braten muss, schickst du mich jetzt auch noch daheim an den Herd.«
»Ich dachte, du liebst deine Arbeit.«
»Klar tue ich das. Ich koche gern. Hab ich immer gemacht. Ich mag's nur net, das kleinste Rädchen im Getriebe zu sein. Als Küchenhilfe bin ich leicht ersetzbar. Das frustriert mich.«
»Du wirst schon aufsteigen. Du bist ´ne super Köchin, und das wissen die Kastlers.«
»Aufsteigen? Wie denn? Ich hab doch keinen Abschluss.« Hanni stülpte die Unterlippe vor, während sie Eier mit Salz, Pfeffer und einigen Kräutern in einer Schüssel verquirlte.