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Nach langer Abwesenheit kehrt Mathilda mit ihrem Verlobten Arno nach St. Christoph zurück, in der Hoffnung, in den stillen Bergen Tirols neue Kraft zu schöpfen. Auf dem Ludwigshof, in der friedlichen Abgeschiedenheit, spürt sie, dass sie fernab der Hektik Klagenfurts endlich zur Ruhe kommt.
Gut geht es ihr dennoch nicht, denn Mathilda hütet ein dunkles Geheimnis: eine rätselhafte Krankheit, die ihr Angst einjagt und vor der sie am liebsten fliehen würde. Nur einem Menschen vertraut sie - dem einfühlsamen Bergdoktor Martin Burger.
Als Dr. Burger jedoch eine unerwartete Diagnose stellt, bröckelt Arnos Fassade. In seiner Wut und seiner Kontrollsucht beginnt er, den Arzt zu attackieren, stellt dessen Kompetenz infrage und droht sogar mit rechtlichen Konsequenzen. Doch während Arno mit allen Mitteln versucht, die Kontrolle über Mathildas Schicksal zu behalten, merkt er nicht, dass er dabei das Wichtigste verliert: Mathilda selbst!
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Gegenwind für Dr. Burger
Vorschau
Impressum
Gegenwind für Dr. Burger
Hat der beliebte und erfahrene Bergdoktor eine Patientin falsch behandelt?
Von Andreas Kufsteiner
Nach langer Abwesenheit kehrt Mathilda mit ihrem Verlobten Arno nach St. Christoph zurück, in der Hoffnung, in den stillen Bergen Tirols neue Kraft zu schöpfen. Auf dem Ludwigshof, in der friedlichen Abgeschiedenheit, spürt sie, dass sie fernab der Hektik Klagenfurts endlich zur Ruhe kommt.
Gut geht es ihr dennoch nicht, denn Mathilda hütet ein dunkles Geheimnis: eine rätselhafte Krankheit, die ihr Angst einjagt und vor der sie am liebsten fliehen würde. Nur einem Menschen vertraut sie – dem einfühlsamen Bergdoktor Martin Burger.
Als Dr. Burger jedoch eine unerwartete Diagnose stellt, bröckelt Arnos Fassade. In seiner Wut und seiner Kontrollsucht beginnt er, den Arzt zu attackieren, stellt dessen Kompetenz infrage und droht sogar mit rechtlichen Konsequenzen. Doch während Arno mit allen Mitteln versucht, die Kontrolle über Mathildas Schicksal zu behalten, merkt er nicht, dass er dabei das Wichtigste verliert: Mathilda selbst!
»Das ist einfach zu viel«, fand Dr. Burger. »Es nimmt überhand mit den Obst-Geschenken unserer Patienten. Hast du gesehen, Bärbel, wer diese Apfelkörbe vor die Praxistür gestellt hat?«
»Nein, Herr Doktor.« Bärbel Tannauer, seit vielen Jahren Dr. Burgers stets pünktliche und zuverlässige Assistentin, schüttelte den Kopf. »Ich bin wie immer um acht Uhr gekommen, da stand alles schon da. Die Äpfel, ein Korb mit Zwetschgen und ein Beutel Maroni. Gestern war es ja nur ein Tragerl Birnen vom Bürgermeister höchstpersönlich. Ich kenne die Sorte, sie heißt Santa Maria. Das ist etwas Besonders. Es sind sozusagen himmlisch gute Birnen.«
»Santa Maria? Dann müssten sie ja eigentlich aus dem Pfarrgarten und nicht vom Bürgermeister stammen«, scherzte der Doktor. »Immerhin hat die Zenzi gemeint, dass sie zum Trocknen und für unser herbstliches Kletzenbrot zu schade sind. Äpfel haben wir inzwischen mehr als genug. Zum Glück kann man sie für den Winter in unserem kühlen Keller einlagern. Bei uns schaut es aus wie im Großmarkt. Meine Frau sucht ihre gesammelten Wiener Rezepte zusammen, um irgendetwas Leckeres mit dem ganzen Obst zu zaubern. Sehr aufmerksam von den Patienten, dass sie uns so üppig mit Vitaminen versorgen! Aber jetzt muss mal Schluss sein mit Äpfeln & Co.«
»Es liegt daran, dass heuer der Sommer sehr warm war und dass alles so üppig gewachsen und gereift ist«, wusste die Bärbel. »Sind Sie an Kürbissen interessiert? Ich hätte drei, vier richtig große Exemplare anzubieten. Kleine Zierkürbisse wären auch noch reichlich vorhanden.«
Dr. Burger winkte ab. »Nett von dir, aber ich muss dankend ablehnen. Kürbisse hätten wir selbst zu verschenken. Und das, obwohl die Kinder schon einen ganzen Karton voll geerntet haben. Ein paar werden wir aushöhlen, ein Geistergesicht hineinschnitzen und mit einer Kerze abends gruselig im Garten erleuchten. Und jetzt, denke ich, sollten wir mal mit der Sprechstunde beginnen. Übrigens – nimm dir von allem, was hier steht, etwas mit. Und zwar reichlich!«
»Gern. Ich könnte einen Apfelstrudel backen. Am besten gleich zwei. Felix ist ganz versessen darauf.« Die Bärbel seufzte. »Verdient hat er es ja net, nachdem er sich immer noch net traut, mir einen Heiratsantrag zu machen.«
»Wie wär's, wenn du ihm mal ein Ultimatum stellen würdest, Bärbel? Hochzeit in einem halben Jahr, ansonsten geht jeder seiner Wege. Das würde Klarheit bringen. Und du könntest dich mal mehr auf dich selbst besinnen.«
»So was würde er gar net überleben, Herr Doktor«, wandte die Bärbel ein. »Felix ohne mich ist wie ein Apfelbaum ohne Äpfel. Na ja, wir wohnen nun schon einige Jahre zusammen. Und dass er mir treu ist, weiß ich eh. Also, was soll's!«
Der Vormittag war wieder einmal perfekt durchgeplant. Die Termine standen fest, dazwischen gab es genug Zeit für die Patienten im Wartezimmer, die spontan auftauchten und akute Beschwerden hatten.
Notfälle – auch Unfälle im Gebirge, bei denen Dr. Burger als Bergwachtarzt zum Einsatz kam – gingen immer vor.
Wenn es nicht anders möglich war, sprang dann Dr. Sabine Burger ein und übernahm die Sprechstunde.
Im Doktorhaus nebenan lief dann erst einmal alles nach Plan B weiter. Der Senior Dr. Pankraz Burger und Zenzi Bachhuber, die langjährige Hauswirtschafterin, kümmerten sich um die Kinder und natürlich auch um Rauhaardackel Poldi. Auch in diesem Fall galt der Satz »wenn nötig und nicht anders möglich«.
Vormittags war die achtjährige Tessa in der Schule, ihr drei Jahre jüngerer Bruder Filli im Kindergarten (vielmehr in der Vorschule!) und Nesthäkchen Laura, zweieinhalb Jahre alt, war überraschend verständig und niemals quengelig, wenn Mama dem Papa in der Praxis helfen musste. Denn kranke Leute durfte man doch nicht einfach allein im Wartezimmer sitzen lassen!
Bis Mama wieder Zeit hatte, wurde es nicht langweilig. Opa hatte immer wieder lustige Ideen. Es machte außerdem Spaß, mit der Zenzi in der Küche zu werkeln oder Poldis Gummi-Quietschtiere zu verstecken, die er dann wie wild überall suchte. Dieses »Fährten-Schnüffel-Spiel« machte ihm so viel Spaß, dass er eigentlich jeden Tag darauf wartete.
Manchmal waren die einfachen Dinge doch die schönsten!
***
Im Wartezimmer saßen an diesem Oktobertag jetzt, um halb neun, bereits einige Patienten, unter anderem der Achleitner-Bauer, den der Doktor wegen »ernsten ehelichen Beschwerden« behandelt hatte.
Diese »Diagnose« muss an dieser Stelle natürlich genau erklärt werden.
Peter Achleitner war wegen Unwohlsein und massiven Kreislaufbeschwerden zum Doktor gekommen, im praxiseigenen Labor waren miserable Leberwerte festgestellt worden. In Verbindung mit einem viel zu hohem Blutdruck hatte sich gezeigt, dass der eigentlich stets rechtschaffene Bauer eine ganze Weile den »Vogelbeerschnapserln« übermäßig zugesprochen hatte. Und auch dem »Geist des Weines« hatte er Tor und Tür geöffnet. Der Grund: Eine handfeste Ehekrise mit seiner Afra, die bereits damit gedroht hatte, Haus und Hof zu verlassen.
Erst nach und nach hatte Dr. Burger herausgefunden, dass der Peter im Vorfeld der Ehestreitigkeiten allzu ausgiebig mit einer jungen, landwirtschaftlichen Praktikantin namens Mizzi geschäkert hatte, die zur Aushilfe auf dem Hof eingestellt worden war.
Obwohl sie schon nach einigen Wochen das Anwesen der Familie Achleitner wieder verlassen hatte, war die Situation hernach richtig eskaliert. Denn der Afra war erst dann klar geworden, auf was sich ihr Mann da eingelassen hatte.
Die Mizzi hatte ein (moderates) »Schweigegeld« in Form einer »Sonderzahlung« verlangt, ansonsten hätte das ganze Dorf von der Untreue des Bauern erfahren. Jedenfalls hatte sie das gesagt.
Peter hatte ihr jedoch das Kraut ausgeschüttet und ihr seinerseits eine Anzeige wegen Erpressung angedroht. Immerhin hatte er ihr dann eine kleine Extra-Summe mit auf den Weg gegeben, damit Ruhe war und damit sie schnell verschwand. In der Kirche hatte er hernach um Vergebung seiner Sünde – vielmehr seiner »Dummheit« – gebetet und versucht, die vor Zorn schäumende Afra zu beruhigen.
Aber sie war durch nichts zu erweichen gewesen, sodass sich der Peter immer öfter im Wirtshaus oder daheim im Kammerl mit den »geistigen« Getränken aufgehalten hatte.
Nun liefen die Dinge wieder im gewohnten Gleis. Das heißt, es war sogar alles besser als vorher. Dr. Burger hatte nämlich mit den Eheleuten geredet und der Afra erklärt, dass ihr Mann ernsthaft und dauerhaft erkranken würde, wenn es nicht zur einer Versöhnung käme. Es sei auch bereits zu erkennen, dass seine Gesundheit schon bedenklich gelitten habe.
Das hatte die Afra dann doch sehr nachdenklich gestimmt. So ganz unschuldig war sie schließlich nicht daran, dass es schon ab und zu in der Ehe gekriselt hatte.
Wäre sie zu ihrem Peter netter und zärtlicher gewesen und nicht immer so kurz angebunden und harsch wie ein Reibeisen, dann hätte er sich für die Mizzi mit ihrem honigsüßen Lächeln bestimmt nicht interessiert. Zum »Herzensbrecher« eignete der Bauer sich eigentlich eh nicht. Im Hause Achleitner hatte mit Sicherheit schon länger einiges im Argen gelegen, die Eheleute waren bei jeder Gelegenheit aneinandergeraten.
Etwas Ähnliches hatte auch Dr. Burger angedeutet: »Afra, ich will ja keine Kritik an dir üben, aber du musst auch etwas dafür tun, damit es in eurer Ehe klappt. Manchmal bist du ja arg katzig und zeigst deine Krallen, das weißt du doch selbst. Der Peter ist gewiss kein Klosterbruder, aber man kann ihn als aufrechten Menschen bezeichnen, dem seine Kinder über alles gehen und der immer für dich da ist. Auch dann, wenn du mal wieder herumzeterst. Denk mal darüber nach, was bei euch falsch gelaufen ist.«
Genau das hatte die Afra auch getan und beschlossen, künftig ihre herzlichen und sanften Seiten – die hatte sie nämlich auch – in den Vordergrund zu stellen und die Sache mit der Mizzi zu vergessen.
Als »Heilmittel« hatte der Doktor dem Ehepaar eine gemeinsame Auszeit – die ersten Ferien seit vielen Jahren – »verordnet«. Und so waren sie also nach Südtirol gereist, wenn auch nur für einige Tage wegen ihrer Pflichten auf dem Hof, während sich Nachbarn und Verwandte um das Haus und die beiden Kinder gekümmert hatten. Dieser kurze Urlaub hatte Wunder gewirkt.
Inzwischen turtelten der Peter und die Afra wieder miteinander wie die Flitterwöchner, denn er hatte ihr versichert, dass mit der Mizzi nichts außer ein paar Bussis gewesen war und dass er nie mehr eine andere anschauen würde.
Das anfängliche Ehedrama hatte also auch sein Gutes gehabt, denn nun war den beiden klar geworden, dass sie einen Neuanfang wagen und beisammen bleiben wollten.
»Ich kann mich nur bei Ihnen bedanken, Herr Doktor«, ließ sich der Peter vernehmen. »Meine Afra ist das reinste Schmusekatzerl geworden. Ich kann's kaum glauben! Diese dumme Geschichte mit dem Madel bedauere ich jetzt so sehr, dass ich freiwillig jeden Tag eine Kerze in der Kirche anzünde. Dabei hab ich ja nur mit ihr herumgeturtelt, ich Depp. Sie hat's ausgenutzt, um hernach Schweigegeld zu verlangen. Aber ich hab ihr nur eine kleine Summe mit auf den Weg gegeben. Dann hat sie sogar noch geweint und gemeint, es wär' doch nix geschehen. Jedenfalls nix von Bedeutung. Das stimmt. Na ja, sagen wir's mal so – ich bin rechtzeitig zur Vernunft gekommen. Und jetzt ist alles gut.«
»Das höre ich gern«, schmunzelte Dr. Burger. »Was aber noch nicht gut ist, das sind deine Laborwerte. Immerhin kann man davon reden, dass es aufwärts geht. Wir Mediziner sagen, dass die Leber viel verzeiht. Das zeichnet sich auch bei dir ab. Also, bitte keine Schnapserln mehr. Später mal ein Bier oder ein Glas Wein ist erlaubt.«
»Ja, so wie es vorher war. Ich hab's nie übertrieben.«
»Eben, das hast du nicht. Bitte nimm deine Medikamente noch weiter, und auch die Tabletten gegen die Hypertonie sind weiterhin wichtig. Deine Blutdruckwerte haben sich zwar verbessert, aber da ist noch Luft nach oben.«
»Ich tu, was Sie sagen, Doktor. Sie haben nämlich immer recht.«
Peter Achleitner stand auf. Breit, groß und kräftig wie er war, konnte er sicher bei einigen Frauen durchaus Pluspunkte sammeln. Man sah ihm an, dass er zupacken konnte und sich nicht vor der Arbeit scheute.
»Übrigens, die Obstkörbe hab ich mitgebracht«, verkündete er. »Ein Gruß von unserem Hof! Hoffentlich schmeckt es Ihnen und Ihrer Familie. Unten in den Apfelkörben sind noch ein paar Flaschen Most versteckt. Ich trag's jetzt gleich nach nebenan zu Ihnen ins Haus, Herr Doktor, vorhin wollte ich net draußen im Garten herumpoltern und Sie stören.«
»Wir sind auch früh wach, Peter. Danke und grüß deine Frau. Mach weiter so, dann bist du auf dem richtigen Weg.«
***
Auf den Achleitner-Bauern folgte ein verweintes, aber dennoch tapferes, kleines Madel an der Hand eines jungen Mannes.
»Wen hast du mir denn da mitgebracht, Julian?« Dr. Burger strich der Kleinen über das blonde Haar. »Lass mich raten. Es ist deine Nichte.«
»Ja. Sie wollte unbedingt, dass ich sie zu Ihnen bringe, Herr Doktor«, erwiderte Julian Hertlinger. »Wenn sie bei uns auf dem Ludwigshof zu Besuch ist, dann lässt sie mich net aus. Onkel Jul hier, Onkel Jul da. Am liebsten würde sie mir jeden Tag bei der Arbeit helfen.« «
»Ich weiß sogar noch, wie du heißt, Spatzerl. Du bist die Gitti«, sagte Dr. Burger. »Ist das richtig? Ich vergesse Namen eigentlich nie. Du warst mal als kleines Patscherl von drei Jahren bei mir, allerdings mit deinen Eltern, weil du einen ganz lästigen Husten gehabt hast. Das kannst du natürlich net mehr wissen. Und jetzt bist du doch sicher schon fast sechs Jahre alt. Oder erst fünf?«
Das kleine Madel nickte, aber die Tränen flossen weiter und wollten nicht versiegen.