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Verbotene Stunden voller Zärtlichkeit und heimlicher Liebe: Für Quirin Buchstetter und Anna darf es nicht mehr geben. Denn sie sind beide nicht frei. Als Quirin in dieser Nacht von seiner Geliebten heimkehrt, findet er seine Frau Theresa leblos in ihrer Kammer - ein Schock, der sein Leben aus den Angeln hebt. Schnell verbreiten sich Gerüchte im idyllischen Bergdorf St. Christoph. Von einem natürlichen Tod will niemand mehr sprechen, und als der Bergdoktor eine beunruhigende Entdeckung an der Toten macht, rücken die Ermittler an. Bald schon führt man Quirin in Handfesseln ab - ein Mann, den alle für rechtschaffen hielten. Sein Sohn Gabriel ist überzeugt: Sein Vater ist kein Mörder! Doch wie soll er das beweisen? Während Gabriel zwischen Verzweiflung und Hoffnung schwankt, enthüllen sich Abgründe einer Ehe, die dunkler war, als irgendjemand ahnte ...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Die Macht des Schweigens
Vorschau
Impressum
Die Macht des Schweigens
Packender Roman um einen schweren Verdacht
Von Andreas Kufsteiner
Verbotene Stunden voller Zärtlichkeit und heimlicher Liebe: Für Quirin Buchstetter und Anna darf es nicht mehr geben. Denn sie sind beide nicht frei. Als Quirin in dieser Nacht von seiner Geliebten heimkehrt, findet er seine Frau Theresa leblos in ihrer Kammer – ein Schock, der sein Leben aus den Angeln hebt.
Schnell verbreiten sich Gerüchte im idyllischen Bergdorf St. Christoph. Von einem natürlichen Tod will niemand mehr sprechen, und als der Bergdoktor eine beunruhigende Entdeckung an der Toten macht, rücken die Ermittler an. Bald schon führt man Quirin in Handfesseln ab – ein Mann, den alle für rechtschaffen hielten.
Sein Sohn Gabriel ist überzeugt: Sein Vater ist kein Mörder! Doch wie soll er das beweisen? Während Gabriel zwischen Verzweiflung und Hoffnung schwankt, enthüllen sich Abgründe einer Ehe, die dunkler war, als irgendjemand ahnte ...
»Mir geht es halt alleweil immer schlechter«, klagte Theresa Buchstetter, kaum, dass sie das Sprechzimmer des Bergdoktors betreten hatte.
»Jetzt setz dich erst einmal hin, dann können wir alles ganz in Ruhe besprechen«, sagte Dr. Burger.
Theresa nahm umständlich Platz, ihre Hände umkrampften das Tascherl, ohne das sie nie unterwegs war.
»Was für Beschwerden hast du genau, Theresa?«
»Nachts kann ich halt net schlafen und wandere unruhig durchs Haus. Erst am Morgen find' ich ein Stünderl oder zwei Ruhe, und den Rest des Tages fühl' ich mich ganz zerschlagen und bin zu nichts mehr imstande.«
»Willst du nicht doch ein Naturmittel nehmen? Das ist völlig unschädlich und schenkt dir endlich die Nachtruhe, die du so dringend brauchst«, schlug der Bergdoktor ihr zum wiederholten Mal vor.
Theresa schüttelte so heftig den Kopf, dass sich der Knoten, den sie am Hinterkopf trug, beinahe auflöste.
»Auch gegen Naturmittel kann man allergisch sein und qualvoll sterben. Aber ich hab noch net mit dem Leben abgeschlossen.«
»Du bist ja auch erst Mitte vierzig«, fiel Dr. Burger ihr ins Wort. »Manche Menschen blühen dann erst richtig auf.«
»Mag sein. Aber etwas hat sich schon verändert ...« Sie verstummte und senkte den Blick.
»Was meinst du damit, Theresa?«, fragte der Bergdoktor nach.
»Ich mag net drüber reden.«
»Du kannst über alles mit mir reden, Theresa. Denn mir kommt es so vor, als ob du etwas ganz anderes auf dem Herzen hättest als deine Schlaflosigkeit. Ich täusche mich doch nicht, oder?«, fragte Dr. Burger eindringlich.
Theresa nickte, mied aber seinen Blick.
»Nun?«
»Mir ist oft übel, und mein Magen krampft sich zusammen. So, als ob ich etwas Schlechtes gegessen hätte«, sagte sie stockend.
»Wie häufig treten diese Beschwerden auf? Hin und wieder oder ist es ein Dauerzustand?«, wollte der Bergdoktor wissen.
Theresa runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach.
»Eher hin und wieder. Oft hab ich nur leichte Schmerzen, aber dann auch wieder heftige Krämpfe«, beschrieb sie schließlich ihren Zustand.
»Dem müssen wir auf den Grund gehen. Eine Blutuntersuchung ...«
Ein Schauder überlief die Bäuerin.
»Nein, nein. Es sind sicher nur die Nerven, weil ich net genug Schlaf hab. Und Angst hab ich jetzt auch immer.«
»Wovor hast du Angst, Theresa?«
»Vor ...« Sie wollte etwas sagen, doch dann biss sie sich auf die Lippen.
»Vor was hast du Angst?«, wiederholte der Bergdoktor nachdrücklich.
»Nun, dass es halt kein gutes Ende nimmt mit mir.«
Ihre Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken. Dann verstummte sie ganz und starrte blicklos vor sich hin.
Ein großes Unbehagen ergriff den Bergdoktor. Es war, als hätte ein kalter Hauch ihn gestreift, und er hatte Mühe, wieder zu einem freundlichen Umgangston zurückzufinden.
Nachdenklich betrachtete er Theresa, und tiefes Bedauern ergriff ihn. Einst war Theresa eine schöne junge Frau gewesen, deren heitere Wesensart sie allseits beliebt gemacht hatte. Sie schien ganz dafür geschaffen, ein glückliches, erfülltes Leben zu führen, vor allem, nachdem sie ihre große Liebe, den Buchstetter-Quirin, geheiratet hatte. Noch jetzt erinnerte sich jeder in St. Christoph an das rauschende Hochzeitsfest ...
Doch davon war nichts mehr geblieben. Aus Theresa war eine früh gealterte, kränkelnde Frau geworden, die ein seltsames Eigenleben führte, über das es die widersprüchlichsten Gerüchte gab. Angeblich sollte sie in Vollmondnächten sogar draußen umherwandeln und klagende Rufe ausstoßen.
Aber das entsprach natürlich nicht der Wahrheit. Theresa hatte sich völlig zurückgezogen und hielt sich meistens in ihrer Kammer auf, geschweige denn, dass sie das Haus in Vollmondnächten verließ.
»Ich geh' dann besser wieder«, sagte Theresa unvermittelt und stand auf.
Auch der Bergdoktor hatte sich erhoben.
»Bleib doch hier, Theresa. Ich will dir helfen«, bat er sie.
»Es hat mir schon geholfen, dass ich mit Ihnen gesprochen hab«, versicherte sie und öffnete die Tür.
Durch das Fenster konnte der Bergdoktor beobachten, dass Quirin Buchstetter ihr auf den Beifahrersitz seines Geländewagens helfen wollte, doch sie stieß ihn grob zurück und schlug ihm ins Gesicht.
Er reagierte nicht darauf, sondern umrundete das Gefährt, setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an. Seine Miene war so gleichmütig, als wäre nichts vorgefallen.
Die drei Witwen Walburga, Serafina und Hildegund, die sich gerade in der Roswitha-Apotheke befanden, um lindernde Mittel für ihre verschiedenartigen Leiden zu erstehen, wurden Zeuginnen dieses Zwischenfalls.
»Die Theresa geht aber herb mit ihrem Mandl um«, meinte Hildegund und schüttelte aufgebracht den Kopf.
»Wenn ich dran denke, wie verliebt die beiden ineinander waren bei ihrer Hochzeit. Kaum, dass sie voneinander lassen konnten«, erinnerte sich Walburga.
»Ja, nach einem Vierteljahrhundert ist die große Liebe meistens schon aus dem Fenster hinausgeflogen. Auch Frauen brauchen halt Abwechslung«, fügte Serafina hinzu und lachte girrend.
»Aber das heißt doch noch lang net, dass man dann seinen Mann schlagen darf«, empörte sich Hildegund.
»Wer weiß! Vielleicht weckt das seine Lebensgeister. Es soll Männer geben, die dann in wilde Leidenschaft ausbrechen ...«
»Das wollen wir net hören, Serafina«, erklärte Walburga streng. »Nimm jetzt dein Packerl mit den Medikamenten, hoffentlich hast du net wieder dein Rheumamittel vergessen.«
»Immer wenn du so daherredest, Walburga, fühl' ich mich gleich zwanzig Jahre älter«, klagte Serafina vorwurfsvoll.
»Ach was! Du bist ja noch net mal erwachsen«, gab Walburga zurück, und kichernd verließen die drei Witwen die Apotheke.
Der Apotheker schüttelte den Kopf.
»Ich weiß auch net«, murmelte er vor sich hin. »Früher waren die Frauen in dem Alter wie die drei Witwen würdige Matronen jenseits von Gut und Böse. Aber wenn ich mir die Serafina so anschaue – vor der muss man sich ja jetzt noch in Acht nehmen.«
Die drei Witwen strebten inzwischen dem Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma zu, wo sie die Leitnerin, die Altbäuerin vom Mühlenhof und eine Jungbäuerin antrafen. Und sie diskutierten über das Verhalten der Buchstetter-Theresa so ausufernd, dass sie den Laden bis weit über die Öffnungszeit in Beschlag nahmen.
***
Auch im Doktorhaus sorgte dieser Vorfall für reichlich Gesprächsstoff. Wie jeden Abend, sobald die drei Kinder zu Bett gebracht worden waren, fand man sich im Wohnzimmer zu einem Glaserl Wein zusammen und unterhielt sich eingehend darüber, was der Tag so alles mit sich gebracht hatte.
Sabine Burger goss ihrem etwas erschöpft wirkenden Mann ein Glas Blauburgunder ein, sein Vater Pankraz Burger hatte sich gerade ihnen gegenüber auf seinen Lieblingssessel fallen lassen. Auch er erhielt ein Glaserl Wein, den ersten Schluck nahm er mit halb geschlossenen Augen zu sich.
»Zenzi, komm doch rüber zu uns. Das bisserl Geschirr kannst du bis morgen stehen lassen«, rief Sabine in Richtung Küche.
Zenzi Bachhuber, der gute Geist des Doktorhauses, folgte dieser Aufforderung und ließ sich neben Pankraz nieder, nachdem sie den Sitz ihres Haarknotens, der an ihrem Hinterkopf festgesteckt war, überprüft hatte. Ihr Wort galt etwas im Doktorhaus, denn sie hatte Martin, der früh seine Mutter verloren hatte, aufgezogen und gehörte so untrennbar zu der Familie.
Nachdem Martin ausführlich Theresas Buchstetters Verhalten gegenüber ihrem Ehemann geschildert hatte, ergriff Dr. Pankraz Burger das Wort. Er hatte ihr einst bei der Geburt ihres Sohnes beigestanden und sie danach noch weiterbetreut.
»Die Theresa ist ein sehr unglücklicher Mensch«, begann er.
»Warum trennt sie sich denn nicht von ihrem Mann, wenn sie ihn nicht mehr liebt?«, warf Sabine ein.
»Das war nicht immer so. Um das zu erklären, muss man weit in die Vergangenheit zurückgehen. Theresa und Quirin waren wie geschaffen füreinander, schon als sie noch halbe Kinder waren, liebten sie sich leidenschaftlich. Ihre Hochzeit war für beide der Höhepunkt ihres Lebens, und sie konnten sich vor Glück kaum fassen, als Theresa ein Kind erwartete. Denn wie die meisten der jungen Frauen hier im Tal wünschte sie sich nichts sehnlicher.«
»Das klingt ja alles fast zu schön um wahr zu sein«, meinte Sabine.
»Ja. Aber dann wendete sich das Blatt«, sagte Pankraz, und tiefes Bedauern malte sich auf seinen Zügen.
»Was ist geschehen?«
»Theresa hatte eine schwere Geburt. Ich habe ihr empfohlen, ins Krankenhaus zu gehen, doch sie wollte nicht auf mich hören. Alle Bäuerinnen hier bekommen ihre Kinder zu Hause, wiederholte sie immer wieder und war nicht umzustimmen. Drei Tage hat sie gelitten, die Schmerzen waren so unerträglich, dass sie nur noch geschrien hat. Ihr Mann stand vor der Tür und weinte. Selbst die Wehmutter war hilflos. Als das Kind schließlich da war, fiel Theresa in eine tiefe Ohnmacht, aus der sie lange nicht erwachte. Und danach war alles anders.«
Pankraz nahm einen tiefen Schluck aus seinem Weinglas, ehe er weitersprach. Die Erinnerung an das Geschehen erschütterte ihn noch immer.
»Theresa weigerte sich, das Kind anzunehmen, verfiel in Weinkrämpfe, wenn man ihr den Kleinen an die Brust anlegte. Auch ihren Mann duldete sie nicht mehr in dem gemeinsamen Schlafzimmer, ihre Zuneigung hatte sich in offenen Hass verwandelt. Quirin Buchstetter und seine Mutter kümmerten sich um das Kind, das wenigstens gedieh prächtig.«
»Mit anderen Worten – Theresa hatte eine postnatale Depression erlitten, was nach einer schweren Geburt gar nicht so selten vorkommt. Aber es gibt doch Mittel dagegen«, meinte Sabine.
»Ich habe alles versucht, das müsst ihr mir glauben. Doch Theresa verweigerte jede Behandlung, sie wollte weder Medikamente einnehmen, noch war sie dazu bereit, eine Therapie machen. Sie verharrte in der Kammer, es war schon ein Fortschritt, dass sie schließlich das Bett verlassen hat und hin und wieder in die Sprechstunde gekommen ist.«
»Und warum hat sie sich gegen jede Behandlung gewehrt?«, fragte nun auch Zenzi sichtlich erschüttert.
»Sie hat behauptet, das sei ihr auferlegt worden. Denn bevor sie sich in den Quirin verliebt hatte, wollte sie in ein Kloster gehen und ihr Leben als Nonne beschließen. Das hatte sie sich geschworen. Die schwere Geburt des Kindes und die Folgen empfand sie als gerechte Strafe dafür, dass sie diesen Schwur gebrochen hatte. Das ließ sie sich nicht ausreden. Für ihren Mann empfand sie nur noch Hass, denn sie war davon überzeugt, dass er es war, der sie vom rechten Weg abgebracht hatte.«
»Das kann man kaum nachvollziehen. Doch leider gibt es viele ähnliche Fälle, bei denen mit Vernunft nichts auszurichten ist«, meinte Sabine und unterdrückte einen Seufzer.
»Heute war sie ja bei mir in der Sprechstunde und klagte über ihre üblichen Beschwerden«, schaltete sich Martin wieder in das Gespräch ein. »Das ist ja nichts Neues, auch dass sie sich nicht behandeln lassen will. Aber was mich dieses Mal wirklich beunruhigt hat, waren ihre Andeutungen ...«
»Was für Andeutungen?«, wollte Pankraz wissen.
»So, als ob es jemand auf sie abgesehen hätte. Aber sie hat sich geweigert, deutlicher zu werden«, erwiderte Martin.
»Das hört sich ja fast schon an, als ob sie Wahnvorstellungen hätte. Man sollte ihren Mann warnen, da sich ihre Aggressionen ja bekanntlich gegen ihn richten«, schlug Sabine in höchster Besorgnis vor.
»Das habe ich vor«, gab Martin knapp zurück.
»Wo ist eigentlich der Sohn?«, fragte Pankraz.
»Soweit ich weiß, hat er seine Ausbildung jetzt abgeschlossen und ist mit einem Freund im Anschluss noch zu einer längeren Reise aufgebrochen. Angeblich ist er augenblicklich nicht zu erreichen«, gab Martin Auskunft.
»Zwischen Mutter und Sohn hat es ja noch nie eine Verbindung gegeben. Man kann sagen, dass Quirin den Gabriel nach dem Tod der Großmutter allein aufgezogen hat«, meinte Pankraz.
Damit endete das Gespräch. Martin hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, und man beschloss, beizeiten zu Bett zu gehen. Zenzi verschwand allerdings erst noch in der Küche, um das Geschirr zu spülen, ganz wie es sich gehörte.
Pankraz Burger zog sich in sein Kabinettl zurück, das sich an den Wohnbereich anschloss, und beabsichtigte, noch ein wenig an seiner Zillertaler Chronik zu arbeiten. Denn er hatte in einem Archiv eine aufwühlende Begebenheit aus dem Mittelalter gefunden, die er unbedingt niederschreiben musste. Eine Geschichte, die an jene schlimmen Zeiten erinnerten, als Frauen als Hexen verfolgt wurden und oft genug einen furchtbaren Tod erleiden mussten.
Doch dann überwältigte ihn doch die Erschöpfung, die Brille glitt von seiner Nase und sein Kopf sank auf das Manuskript. Erst als er von draußen ein Geräusch hörte, schrak er auf und ging endlich zu Bett.
Auch der Rauhaardackel Poldi hatte sich in sein Körbchen unter dem Treppenaufgang zurückgezogen. Manchmal lief ein Zucken durch seinen Körper, wahrscheinlich träumte er davon, dass er sich wieder einmal in einen Kaninchenbau einwühlte und lange nicht zum Vorschein kommen würde.
Wie jeden Abend sahen die Burgers zuerst nach ihren Kindern, bevor sie sich in ihr blaues Schlafzimmer zurückzogen. Die fast schon neunjährige Tessa lag auf dem Rücken, das dunkle Lockenhaar, dem sie den Beinamen »Schneckerl« verdankte, war wie ein Fächer um das reizende Gesichtchen ausgebreitet. Sie war ein Findelkind, das von den Burgers zunächst aufgenommen und später adoptiert worden war. Doch daran dachte niemand mehr, die Burgers waren ihre Familie.
Ihr Bruder Philipp, der Filli genannt werden wollte, freute sich schon sehr darauf, bald in die Schule zu kommen, denn er war ein sehr wissbegieriges Kind. Die blonden Haare, auf die er sehr stolz war, hatte er von seiner Mutter geerbt. Wie immer hielt er sein Lieblingsauto in der Hand, das ihm seine Mutter nun sacht wegnahm.
Zuletzt sah das Paar nach Laura, mit zweieinhalb Jahren das Jüngste der Kinder. Lange hatten die Eltern um ihr Leben bangen müssen, doch schließlich war sie gesundet und schlief nun mit rosigen Bäckchen.
Wie immer, wenn sie ihre Kinder so vor sich sahen, erfasste Martin und Sabine große Dankbarkeit, dass sie deren Eltern waren. Es hatte schwere, sorgenvolle Zeiten gegeben, doch nun war ihr Leben in ruhigem Fahrwasser angelangt.
Hand in Hand betraten sie danach ihr blaues Schlafzimmer, das vom Teppich bis hin zu den Gardinen ganz in verschiedenen Blautönen gehalten war.
Selbst der Hintergrund des Tiroler Schranks, der mit weißen Rosen und roten Herzen kunstvoll bemalt war, wies ein tiefes Dunkelblau auf. Der romantische Mittelpunkt des Raums war aber ein Himmelbett mit Säulen, dort teilte das Paar seine Geheimnisse und erneuerte den Bund ihrer Liebe.
Sabine konnte lange nicht einschlafen, so sehr beschäftigte sie noch das Schicksal der Buchstetters. Wie konnte eine Ehe, die so glücklich begonnen hatte, sich derart unselig entwickeln, ging ihr immer wieder durch den Sinn.
Martin erging es ähnlich: Obwohl er erschöpft war, konnte er keinen Schlaf finden.
Sabine rückte näher an ihren Mann heran und umfasste ihn zärtlich.
»Wie glücklich wir sein können, dass wir uns immer noch lieben, ganz im Gegensatz zu den Buchstetters«, flüsterte sie.
»Es ist Theresas Starrsinn und ihr völliger Mangel an Einsicht, was die Ehe letztendlich zerstört hat«, sagte Martin leise.
»Vielleicht war auch ihre Liebe nicht groß genug«, meinte Sabine.
»Das ist alles schwer zu beurteilen.«
Martin zog seine geliebte Frau in seine Arme, und eng aneinander geschmiegt schliefen sie schließlich ein.
Auch Zenzi lag nun, eingehüllt in ihrem altmodischen weißen Rüschennachthemd, in ihrem Bett. Leise sprach sie ihr Abendgebet, in das sie die Burgers mit einschloss, denn sie waren die Menschen, die sie von Herzen liebte.
In der Kirchgasse war es nun still geworden. Manchmal erklang vom Krähenwald her den Ruf eines Nachtvogels, oder der Wind fuhr durch die Baumkronen. Ein bleicher Halbmond wurde sichtbar, wenn die dahineilenden Wolken auseinanderrissen, und erfüllte das Hochtal mit mattem Licht.