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Lukas Pichler hat die Berge seiner Kindheit längst hinter sich gelassen. Als erfolgreicher Höhlenforscher und Geologe bereist er die entlegensten Winkel der Welt - stets auf der Flucht vor der Vergangenheit. Denn in St. Christoph lastet ein dunkler Schatten auf seinem Namen: Der tragische Tod seines Stiefbruders Alwin machte ihn einst zum Außenseiter, zum Geächteten. Obwohl seine Unschuld bewiesen wurde, war es zu spät. Selbst Hannah, die einzige Frau, die er je geliebt hat, glaubte an seine Schuld. Doch als nach Jahren plötzlich ein verzweifelter Anruf von Hannah kommt, hat Lukas keine Wahl. Ihr Bruder Michael ist in einem Höhlensystem am Achenkegel verschollen - nur Lukas kennt die geheimen Gänge und verborgenen Ausgänge des Berges. Gemeinsam mit einem Rettungsteam wagt er sich in die Dunkelheit. Doch während der dramatischen Suche droht die Vergangenheit ihn endgültig einzuholen ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Herzenswege
Vorschau
Impressum
Herzenswege
Manchmal braucht es eine Heimkehr, um ans Ziel zu kommen
Von Andreas Kufsteiner
Lukas Pichler hat die Berge seiner Kindheit längst hinter sich gelassen. Als erfolgreicher Höhlenforscher und Geologe bereist er die entlegensten Winkel der Welt – stets auf der Flucht vor der Vergangenheit. Denn in St. Christoph lastet ein dunkler Schatten auf seinem Namen: Der tragische Tod seines Stiefbruders Michael machte ihn einst zum Außenseiter, zum Geächteten. Obwohl seine Unschuld bewiesen wurde, war es zu spät. Selbst Hannah, die einzige Frau, die er je geliebt hat, glaubte an seine Schuld.
Doch als nach Jahren plötzlich ein verzweifelter Anruf von Hannah kommt, hat Lukas keine Wahl. Ihr Bruder Michael ist in einem Höhlensystem am Achenkegel verschollen – nur Lukas kennt die geheimen Gänge und verborgenen Ausgänge des Berges. Gemeinsam mit dem Bergdoktor und einem erfahrenen Rettungsteam wagt er sich in die Dunkelheit. Doch während der dramatischen Suche droht die Vergangenheit ihn endgültig einzuholen ...
»Herr Pichler, bitte warten Sie!«
Lukas Pichler stieg gerade den Bergpfad zu seinem Haus hoch, als ihn der Ruf erreichte. Er stockte und wandte sich um. Ein Kuvert schwenkend, kam die Nachbarin auf ihn zu gerannt und blieb schwer atmend vor ihm stehen.
»Das hat der Postbote bei mir abgegeben«, keuchte die korpulente Bäuerin und drückte Lukas einen braunen Umschlag in die Hand. »Dem Gustl war der Weg zu Ihrer Hütte mal wieder zu beschwerlich«, fügte sie erklärend hinzu. »Ist auch eine Klettertour bis zu Ihnen hinauf, und der Gustl ist nicht mehr der Jüngste. Da ist er froh, wenn ich die Post übernehme und an Sie weiterreiche.« Sie lächelte. »Ein Gruß aus der Heimat?«
Lukas gab das Lächeln zurück und steckte den Brief unbesehen in seine Jackentasche.
»Wahrscheinlich nur Werbung«, wich er aus.
Was sollte es auch sonst sein? Er erhielt seine Briefe – bis auf wenige Ausnahmen – postlagernd und holte sie selbst beim Postamt in Meran ab. Emilia Kofler hatte ihm angeboten, einen Briefkasten auf ihrem Hof zu installieren, der die letzte Ansiedlung im Ort war, bevor es den schroffen Weg zu seiner Behausung hinaufging.
Es war ein lieb gemeintes Angebot. Aber die Bäuerin war nicht nur hilfsbereit, sie war auch neugierig und nutzte jede Gelegenheit, um seiner habhaft zu werden. Nur hatte er eher wenig Lust auf ein Plauderstündchen mit der größten Ratschkathl der ganzen Gegend. Wenn man erst mal in die Fänge der alten Frau geriet, quetschte sie einen aus wie eine Zitrone.
Sein Privatleben hielt er jedoch streng unter Verschluss, seit es ihn vor sechs Jahren aus seiner Zillertaler Heimat in die Bergwelt Südtirols verschlagen hatte. Das hatte ihm den Ruf eines verschrobenen Eigenbrötlers eingebracht, bewahrte ihn aber auch vor allzu neugierigen Mitmenschen.
Die meiste Zeit des Jahres verbrachte er mit Reisen in alle Herren Länder, wo er sich als Geowissenschaftler und Speläologe der Erforschung unbekannter Höhlensysteme widmete. Wenn er dann mal zu Hause war, zog er sich in seine idyllische Berghütte zurück, deren genaue Lage nur Eingeweihte kannten. Dort hielt er dann seine Abenteuer und Erkenntnisse in einem Buch fest. In der Einsamkeit der Berge fühlte er sich am wohlsten.
Natürlich konnte er sich nicht immer seinen Verpflichtungen entziehen. Interviews mit der Presse oder die öffentliche Vorstellung eines neuen Buches mit anschließender Signierung gehörten zur Vermarktung.
Es war der Fluch des Erfolgs: Fast alle seine Bücher waren Bestseller, und die Käufer forderten zu Recht, dass er sich die Mühe eines öffentlichen Auftritts machte. Immerhin konnte er von seinen Werken gut leben und seine kostspieligen Reisen finanzieren.
»Lassen Sie sich die Werbung jetzt schon aus Österreich zuschicken?«, verriet Emilie Koller, dass sie den Absender des Briefes gelesen hatte. Sie legte den Kopf schief und musterte Lukas. »Hanna Moser ... das klingt mir aber eher nach einer intimeren Verbindung. Ihre Verflossene?«
Lukas hatte Mühe, sich seinen Schreck nicht anmerken zu lassen. Er schluckte. Hanna! Warum schrieb sie ihm, nachdem sie ihn damals aus ihrem Gedächtnis und ihrem Herzen gestrichen hatte? Nie würde er ihren Blick vergessen, eine Mischung aus Wehmut und Verachtung, wobei die Verachtung überwog. Wie all die anderen, die ihn schuldig sprachen, hatte auch sie ihm misstraut und fallen gelassen.
Er runzelte die Stirn. Plötzlich brannte der Brief in seiner Brusttasche wie Feuer. Er konnte nicht schnell genug den Argusaugen seiner Nachbarin entfliehen.
»Vielen Dank für Ihre Mühe, Emilia«, entwand er sich hastig der Klette. »Aber ich muss dann mal los.« Mit großen Schritten marschierte er weiter.
»Schad', dass Sie schon wieder keine Zeit haben«, rief die alte Frau ihm mit deutlicher Enttäuschung in der Stimme nach. »Ich hab Kaffee aufgebrüht und gehofft, dass wir uns ein bisserl über Ihre Heimat unterhalten können. Ich war in jungen Jahren mit meinem Gustl, Gott hab ihn selig, im Zillertal. War ganz bezaubernd dort. Wir haben damals auch das idyllische Bergdorf St. Christoph besucht, in dem Ihre Hanna laut dem Absender wohnt.«
Lukas seufzte. So leicht ließ sich die Koflerin offenbar nicht abschütteln, und verscherzen wollte er es sich mit ihr auch nicht. Manchmal landeten Briefe oder auch Pakete bei ihr, die nicht in der Poststelle Meran verwahrt wurden und die der schon ältere Briefträger kaum bis zu seinem Haus hochschleppte.
Dieses war mit dem Auto nicht erreichbar. Man musste schon einen kräftezehrenden Fußmarsch in Kauf nehmen, um dorthin zu gelangen, und auch die Einkäufe für den Lebensunterhalt musste man mühsam im Rucksack transportieren. Nur Baumaterial oder andere schwere Sachen wurden mit dem Hubschrauber oder mit einer Materialbahn hochgebracht.
Er wandte sich um und zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln.
»Ein anderes Mal gern wieder, Frau Kofler. Aber heute brennt's mir unter den Fingernägeln. Ich hab gleich eine Videokonferenz mit meinem Verlag, bin spät dran.«
»Dann will ich Sie nicht länger aufhalten«, gab sich die Bäuerin nun zufrieden. Sie winkte ihm gönnerhaft zu und stapfte zu ihrem Gehöft.
Der Höhlenforscher beschleunigte seine Schritte. Für ihn war der Anstieg kein Problem. Er war körperlich fit und achtete streng auf seine Figur. Jedes Kilo mehr musste er in den oftmals schmalen und schwer zugänglichen Gängen der unterirdischen Höhlensysteme büßen.
***
Nach einer knappen Stunde strammen Marsches hatte Lukas sein Ziel erreicht. Er hob den schweren Rucksack mit den Einkäufen von den Schultern, stellte ihn auf der Bank vorm Eingang ab und kramte den Schlüssel hervor.
Das Haus war nicht besonders groß, aber für seine Zwecke ausreichend. Zwei Zimmer, eine gemütliche Küche mit Speisekammer und eine angebaute Werkstatt, die ihm ermöglichte, kleinere Reparaturen selbst auszuführen. Das mit allen Raffinessen ausgestattete Badezimmer fiel jedoch aus dem Rahmen.
So weit droben am Berg verfügten allenfalls bewirtschaftete Hütten über ausgebaute Nassräume. Man musste sich zwar nicht am Brunnen vorm Haus waschen, aber ein Bad mit Dusche und Wasserklosett war bei einer einfachen Kate selten.
Es hatte ihn auch eine Stange Geld gekostet und für einigen Spott bei den Bauarbeitern gesorgt. Diese neckten ihn damit, dass er wie ein Eremit leben, aber nicht auf die Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation verzichten wollte.
Nun, darin war er eigen. Auf seinen Reisen ging es mitunter sehr spartanisch zu, und oftmals sah er aus wie ein Waldschrat, weil es weit und breit keine ausreichende Waschgelegenheit gab. Dann freute er sich auf ein heißes Bad im großen Zuber seines Zuhauses, mit Blick über das herrliche Bergpanorama, das ihm die verglaste Wand ermöglichte. Auch diese Besonderheit hatte ihm so manchen Hohn der Arbeiter eingetragen. Sie hielten ihn für einen verschrobenen Städter, doch das war er beileibe nicht.
Lukas war auf einem Bergbauernhof in St. Christoph aufgewachsen, wo das Leben wahrlich kein Zuckerschlecken war. Zwar wurde er in Südtirol geboren, war aber knapp vierjährig mit der Mutter in das abgelegene Zillertaler Bergdorf umgesiedelt. Die Mutter hatte den ortsansässigen Bauern Anton Eschweiler geheiratet, den sie in dem Südtiroler Hotel kennengelernt hatte, in dem sie arbeitete.
Der schon ältere, herzensgute Mann war Lukas ein liebevoller Vater geworden. Er war für Anton auch dann der große Sohn geblieben, als zwei Jahre später Patrick zur Welt gekommen war, Lukas' Halbbruder. Allerdings sollte Patrick später einmal den Hof übernehmen. Doch das hatte Lukas nicht gestört, er hatte nie Bauer werden wollen.
Schon früh hatte er seine Leidenschaft für die Höhlenforschung entdeckt und seine Zukunft darauf ausgerichtet. Als die Mutter kurz nach seinem neunzehnten Geburtstag nach schwerer Krankheit verstarb, ging er nach Salzburg, um Geowissenschaft zu studieren.
Durch die kleine Erbschaft der Mutter und das Zubrot von Anton, der sich seinen Zukunftsplänen nicht in den Weg stellte, hatte Lukas sich dem Studium widmen können, ohne nebenher seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Die gewonnene Zeit hatte er für die zusätzliche Ausbildung zum Höhlenforscher genutzt, seiner wahren Passion.
Er dankte seinem Ziehvater für die Unterstützung, indem er ihm und dem Bruder auf dem Hof half, wann immer es ihm möglich war. Mit dem sechs Jahre jüngeren Patrick verbanden ihn ein sehr herzliches Verhältnis und die Kletterleidenschaft. Kaum ein Berg, den sie nicht gemeinsam bezwungen hatten, bis ... ja, bis ...
Ein Schatten legte sich über Lukas Gesicht, und das Herz wurde ihm schwer, als er an den Stiefbruder dachte, den das Schicksal viel zu früh aus dem Leben gerissen hatte. Und ihm gaben sie die Schuld an Patricks Tod.
Ein gequältes Stöhnen entrang sich Lukas' Brust, und eine verstohlene Träne rann über seine Wange. Er hatte Patrick geliebt! Wie konnten sie jemals glauben, dass er ...? Selbst Hanna glaubte ...
Nachdenklich runzelte Lukas die Stirn. Woher hatte sie seine Adresse? Er hatte damals alle Brücken hinter sich abgebrochen und seither zu niemandem in der Heimat mehr Kontakt. Argwöhnisch zog er das Kuvert aus der Jackentasche und musterte die korrekte Anschrift.
Die Falte auf seiner Stirn grub sich noch tiefer ein. War man beim Verlag diesmal nicht so zurückhaltend gewesen? Denn das war die einzige Quelle, die Hanna hätte anzapfen können. Er war in Meran gemeldet, hatte aber striktes Verbot erteilt, seine Daten ohne seine ausdrückliche Genehmigung an Fremde weiterzugeben.
Er stieß die Luft aus. Wenigstens hatte man seine Handynummer unter Verschluss gehalten, sonst hätte Hanna wohl angerufen. Er hätte es nicht ertragen, nach all der Zeit ihre vertraute Stimme zu hören, ohne Hoffnung auf Versöhnung.
Wehmütig betrachtete er die geschwungene Schrift des Absenders, die diesen als willensstarken Menschen verriet. Ja, so war Hanna: Eine starke Frau, die wusste, was sie wollte. Und sie hatte Patrick gewollt, aber er, Lukas, hatte sie geliebt und liebte sie immer noch.
Er hatte sich in die Einsamkeit verkrochen, um sie zu vergessen. Doch das würde niemals geschehen. Selbst seine rastlosen Reisen konnten die Erinnerung an seine große Liebe nicht auslöschen.
Seufzend begab er sich nach draußen und setzte sich auf die rustikale Bank, die er selbst gezimmert hatte. Versonnen drehte er den Brief in den Händen, öffnete ihn aber noch immer nicht. Er fürchtete, den Faden der bittersüßen Erinnerung zu zerreißen, die das unverhoffte Schreiben geweckt hatte, wenn er Hannas nüchterne Worte zu lesen bekam.
Bestimmt ging es um den Hof seines Stiefvaters oder um diesen selbst. Was hätte sie sonst für einen Grund, sich an ihn zu wenden? Anton Eschweiler war jetzt in einem Alter, wo er vielleicht Hilfe benötigte. Andererseits war Lukas wohl der letzte Mensch, dessen Hilfe der alte Bauer annehmen würde.
Er schnaubte bitter, legte das Schreiben zur Seite und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. Versonnen betrachtete er das wunderschöne Bergpanorama, das im gleißenden Licht der Junisonne wie ein Postkartenmotiv anmutete.
Die Berge Merans erinnerten ihn an die Bergwelt um St. Christoph und seine Weiler. Sie waren nicht ringförmig angeordnet wie die steinernen Wächter um das Zillertaler Hochtal, wirkten mit ihren schroffen Bergkuppen und der beachtlichen Höhe aber ebenso majestätisch und ehrfurchtgebietend. Er hatte die Hütte unter vielen Angeboten ausgewählt, weil sie ihm diesen Blick ermöglichte und so sein Heimweh ein wenig linderte.
Mit Patrick hatte er alle sechs Berge um St. Christoph bestiegen. Sie waren ein eingespieltes Team gewesen, und als sich die sportliche Hanna hinzugesellte, ein perfektes Dreiergespann. Sie hatten sich gut verstanden, bis Hanna ihm eröffnet hatte, dass sie sich mit dem gleichaltrigen Patrick verloben wollte.
Niemals hatte Lukas angenommen, dass die knapp Neunzehnjährigen mehr als nur eine lockere Freundschaft verband. Doch es war ihnen ernst gewesen, und er hatte mit schmerzendem Herzen da gestanden.
Lukas stöhnte verzweifelt. Warum hatte er Hanna nicht seine Liebe gestanden? Warum hatte er zugelassen, dass Patrick sie mit seinem jugendhaften Charme betörte?
Wie anders wäre alles gekommen, wenn er seinen Gefühlen nachgegeben hätte, statt sich einzureden, dass er mit seinen damals fünfundzwanzig Jahren zu alt für die junge und bildhübsche Hanna war. Dann wäre sie heute seine Frau, und er müsste sich nicht nach ihr verzehren.
Er schloss die Augen und driftete in die Vergangenheit ab ...
***
Damals
»Du willst dich mit Patrick verloben?«, forschte Lukas ungläubig nach, als er mit der Angebeteten allein war. Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Ihr seid doch noch viel zu jung für eine feste Bindung.«
Hanna lachte. »Wie alt muss man denn sein, um zu wissen, wohin man gehört? Patrick und ich, wir mögen uns halt.«
»Mögen heißt aber net lieben«, hielt Lukas trotzig dagegen. Er strich mit beiden Händen durch seine dichten, rotblonden Locken, die er von seinem Südtiroler Vater, einem Bergführer, der kurz vor seiner Geburt bei einer Klettertour ums Leben gekommen war, geerbt hatte.
Er spürte eine schmerzhafte Leere in sich. Hanna hatte keine Ahnung. Er wusste, was es hieß, zu lieben. Jemanden mit all seinen Sinnen und jeder Faser seines Herzens zu lieben. Aber seine Traumfrau hatte sich nun mal für den Halbbruder entschieden.
Patrick besaß noch die Unbekümmertheit der Jugend, während er ein abgeklärter Student war, der vor seinem Masterabschluss stand, der große Beschützer eben. Den respektierte man und himmelte ihn an, aber man liebte ihn nicht, da er viel zu steif und zu vernünftig war.
Tatsächlich fehlte ihm die Leichtigkeit, die Patrick eigen war. Dieser war immer zu Späßen aufgelegt und nahm das Leben von der lockeren Seite, wurde vom Vater und dem großen Bruder verhätschelt. Doch jetzt fiel es Lukas schwer, sich für den Kleinen zu freuen. Eifersucht nagte an ihm.
Argwöhnisch betrachtete Lukas das hübsche Mädchen mit dem seidigen Blondhaar, den Sternenaugen und dem süßen Lächeln, in das er sich verliebt hatte. Gab es einen Grund für die überstürzte Verlobung? Waren sich beide bereits nähergekommen, als er vermuten würde? War Hanna dem Charme seines gut aussehenden Halbbruders erlegen? Und hatte es nun Folgen?
Das durfte nicht sein! Der unstete Patrick würde niemals ein guter Familienvater sein. Er würde Hanna nur unglücklich machen.
Benommen tauchte Lukas aus seiner Erinnerung auf. Es tat noch genauso weh wie damals. Nur hatte nicht Patrick Hanna unglücklich gemacht, sondern er.
Er hatte sich getäuscht, es hatte keinen Grund für die Verlobung gegeben. Die beiden hatten im Überschwang der Jugend Zuneigung mit Liebe verwechselt. Ihre Euphorie füreinander hatte jedoch nur kurz gewährt. Schon bald war Patrick wieder fremden Weiberröcken nachgejagt, woraufhin es immer öfter zum Streit mit Hanna gekommen war.
Trotzdem hatten sie an ihrer Beziehung festgehalten. Sie wollten Anton nicht enttäuschen, der Hanna ins Herz geschlossen hatte. Sie stammte von einem benachbarten Berghof und war in den Augen des alten Bauern die perfekte Partnerin für seinen jüngsten Sohn.
Damals schon gesundheitlich angeschlagen, hatte er Patrick den Hof baldmöglichst überschreiben wollen und darauf vertraut, dass die resolute Hanna aus dem unsteten Burschen einen verantwortungsvollen Bauern machen würde.
Und doch war es anders gekommen.
Wieder verlor sich Lukas in der Erinnerung.
***
»Tut mir leid, aber ihr müsst die Bergtour ohne mich unternehmen«, stöhnte Patrick und betrachtete verdrossen seinen dick angeschwollenen Knöchel. »So ein Pech aber auch. Da besteige ich die höchsten Berge ohne die geringste Blessur, und dann hüpfe ich über einen Weidezaun und verstauche mir den Fuß.«
»Warum bist du auch so unvernünftig?«, tadelte Hanna und stemmte verdrossen die Hände in die Hüften. »Jetzt können wir die Wanderung abblasen. Dabei hab ich mich schon so auf den Kaiserschmarrn bei der Kathi gefreut. Niemand macht den so gut wie sie.«
»Hör auf zu meckern«, brummte Patrick nun gänzlich verstimmt und rieb seinen schmerzenden Fuß. »Kann ich ahnen, dass sich unter den Grasbüscheln ein Loch verbirgt, in das ich auch noch prompt hineintappe?« Ihn ärgerte sein Missgeschick ebenso, auch er hatte sich auf den Ausflug gefreut.