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Jenna ist überrascht, als Bertold Sternbach sie sprechen möchte. Er leitet den renommierten Grazer "Dreistern-Verlag", bei dem ihr Vater einst regelmäßig erfolgreiche Romane veröffentlicht hat. Auch Jenna hat bereits einige Erzählungen sowie ein Kinderbuch geschrieben. Sternbach weiß um Jennas jüngste Enttäuschung: Noch immer leidet sie darunter, dass ihr Verlobter sie kurz vor der Hochzeit verlassen hat - aus rein egoistischen Motiven. Seine Karriere war ihm wichtiger als ihre gemeinsame Zukunft. Der Verleger macht ihr ein ungewöhnliches Angebot: Sie soll ein neues Buch schreiben - in einem abgelegenen Alpenhaus, das für ihn seit Jahren ein Ort der Ruhe und Inspiration ist. Jenna zögert zunächst, aber dann sagt sie zu. Eine Auszeit im Gebirge, mitten in der Natur, kann heilsam sein. Denn ihre Gesundheit ist derzeit nicht mehr die beste. In St. Christoph vertraut sie sich Dr. Martin Burger an. Mit seiner Unterstützung geht es ihr bald besser, und auch das Schreiben kommt wieder in Fluss. Langsam erwacht in ihr der Mut, wieder nach vorn zu blicken. Doch dann geschieht etwas, das alles infrage stellt ...
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Unser Kapitel beginnt hier
Vorschau
Impressum
Unser Kapitel beginnt hier
Dr. Burger, eine einsame Schriftstellerin und eine Entscheidung fürs Leben
Von Andreas Kufsteiner
Jenna ist überrascht, als Bertold Sternbach sie dringend sprechen möchte. Er leitet einen renommierten Verlag, bei dem ihr Vater einst seine Bestseller veröffentlicht hat. Auch Jenna hat bereits einige Erzählungen sowie ein Kinderbuch geschrieben.
Sternbach weiß um Jennas jüngste Enttäuschung: Noch immer leidet sie darunter, dass ihr Verlobter sie kurz vor der Hochzeit verlassen hat – aus rein egoistischen Motiven. Seine Karriere war ihm wichtiger als ihre gemeinsame Zukunft.
Der Verleger macht ihr ein ungewöhnliches Angebot: Sie soll ein neues Buch schreiben – in einem abgelegenen Alpenhaus, das für ihn seit Jahren ein Ort der Ruhe und Inspiration ist. Jenna zögert zunächst, aber dann sagt sie zu. Eine Auszeit im Gebirge, kann heilsam sein. Denn ihre Gesundheit ist derzeit nicht mehr die beste.
In St. Christoph vertraut sie sich Dr. Martin Burger an. Mit seiner Unterstützung geht es ihr bald besser, sogar das Schreiben kommt wieder in Fluss. Doch anders als in ihrem Buch bleibt ihr Happy End aus ...
Das gemütliche, stilvolle Restaurant »Steirer Turmhaus«, nicht weit von der Herrengasse in Graz, war nicht nur in der Mittagszeit ein Geheimtipp.
Man traf sich hier auch gern am Nachmittag zum Kaffee oder später auf ein Glas Wein. Wenn es etwas zu besprechen gab und wenn man ungestört sein wollte, ohne in einem abgeschotteten Raum zu sitzen, dann war man im »Turmhaus« genau richtig.
Jenna erhielt auf ihrer Mailbox einen Anruf von Bertold Sternbach:
»Wir sollten uns nach längerer Zeit wieder einmal treffen. Aber nicht in meinem Verlagsbüro, sondern in der Stadt. Ich freue mich auf ein Gespräch ohne Zeitdruck und schlage das ›Turmhaus‹ vor, 17 Uhr am Mittwoch.«
Es war ein schöner Sommertag in Graz, der historischen Stadt in der Steiermark, in der Gegenwart und Vergangenheit sich die Hand reichten. Bedeutende Epochen – Gotik, Renaissance und Barock – prägten auch heute noch das Stadtbild. Man fand sich in romantischen Innenhöfen wieder oder gönnte sich ein paar Sonnenstunden auf dem Grazer Schlossberg inmitten der Altstadt. Neben all den Sehenswürdigkeiten war Graz auch eine erfrischende, lebendige und moderne Stadt, in der Kunst und Kultur groß geschrieben wurden.
»Habe ich mich etwa verspätet?«, fragte Jenna. »Siebzehn Uhr, das war so ausgemacht. Aber Sie haben offenbar schon gewartet, Herr Sternbach.«
»Nimm Platz, liebe Jenna. Du bist absolut pünktlich. Ich sitze schon eine dreiviertel Stunde hier und genieße diese kleine Auszeit«, erwiderte der langjährige Inhaber des »Dreistern-Verlags«.
Für ihn war es selbstverständlich, dass der Verlag – ein Familienunternehmen seit vielen Jahrzehnten – an erster Stelle stand.
Drei kleine miteinander verbundene Sterne über den Umrissen der Grazer Burg waren von jeher das unverwechselbare Logo des Verlagshauses. Entworfen hatte es einst der Schriftsteller und spätere Verlagsgründer Franz Sternbach, dem es darauf angekommen war, Bücher und Bildbände der besonderen Art anzubieten. Daran hatte sich bis heute nichts geändert. Auch Bertold Sternbach legte Wert darauf, sich auf keinen Fall in eine bestimmte Sparte pressen zu lassen.
Sein Sohn, der den Verlag in einigen Jahren übernehmen würde, wollte allerdings das Angebot verändern und weiter ausdehnen. Die Zeit blieb nicht stehen. Aber das »Besondere« sollte weiterhin eine wichtige Rolle im »Dreistern-Verlag« spielen, das wünschten sich alle, die auf ein gutes Buch Wert legten.
Bertold wirkte gut gelaunt.
»Ich habe mir einfach mal frei genommen«, scherzte er. »Im Verlag erwartet man mich nicht mehr, meine Sekretärin habe ich angewiesen, für heute alle weiteren Termine abzusagen. Sonst wäre es wahrscheinlich spät geworden. Ich finde, dass ich mir in meinem Alter – ich bin inzwischen dreiundsechzig – auch mal eine ruhige Stunde erlauben kann.«
»Natürlich, Herr Sternbach. Ich freue mich, Sie gesund und munter wiederzusehen.«
»Nun, für mich ist es das einzig Richtige, weiterhin in meinem Verlag tätig zu sein.« Bertold Sternbach lehnte sich zurück. »Zum Nichtstun eigne ich mich nicht, obwohl ich – wie heute – manchmal den Wunsch habe, einfach alles loszulassen.« Er lächelte. »Meine Frau meint, dass ich endlich mal an mich selbst denken soll. Nicht immer nur an Bücher und an Grafiken und Illustrationen, mit denen ich mich ja auch befasse. Sie möchte verreisen. Einfach zwischendurch etwas anderes sehen, den Alltag vergessen. Und genau das hatte ich ihr ja eigentlich auch versprochen – nach meinem sechzigsten Geburtstag wollte ich den Stift mal fallen lassen und meinen Sohn mehr in die Verantwortung nehmen, obwohl er derzeit noch andere Projekte im Blick hat. Nun, ich kann mich immer noch nicht dazu entschließen, an den Ruhestand zu denken. Und den Stift werde ich also vorerst noch in der Hand behalten! Zum Glück kann ich mit meiner immer Frau einen Kompromiss schließen, wir haben uns vorerst auf einige verlängerte Wochenenden geeinigt. Sie kennt mich. Ohne Bücher, ohne Manuskripte und ohne den Kontakt zu unseren Autorinnen und Autoren bin ich nur ein halber Mensch.«
»Ich weiß«, erwiderte Jenna. »Das hat auch mein Vater immer gesagt. Er meinte, wenn jemand ein echter Bücherwurm ist, dann Bertold Sternbach. Er verlegt nicht nur Bücher, er liest sie alle und kriecht in sie hinein. Wenn man ein Buch aufschlägt, muss man aufpassen. Es könnte sein, dass Bertold zwischen den Seiten hockt!«
Ein Lachen war die Antwort: »Ja, dein Vater hat nie ein Blatt vor den Mund genommen! Er ist ein großartiger Mensch und ein Schriftsteller, der ständig neue Ideen hatte und dem es nie an Fantasie fehlte. Und ich glaube, daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl er derzeit zu Recht eine Schaffenspause eingelegt hat. Ich erinnere mich immer wieder sehr dankbar an unsere wirklich perfekte Zusammenarbeit. Erst kürzlich habe ich mit deinen Eltern telefoniert.«
»Darüber haben sie sich bestimmt sehr gefreut«, versicherte Jenna. »Sie haben sich nach einigem Hin und Her einen großen Wunsch erfüllt und sind nun Besitzer eines Hauses in Spanien. Das wollten sie ja schon immer. Die Costa de la Luz, das Meer ... und das spanische Temperament. Um ehrlich zu sein, ich bin anders als meine Eltern. Ich brauche viel frisches Grün, den Wald, Seen, das Gebirge und den weiten Himmel.«
»Die beiden leben aber nicht ständig dort, das sagte mir jedenfalls dein Vater«, warf Bertold Sternbach ein.
»Nein, wenn sie das Heimweh nach der Steiermark überfällt, dann sind sie mit dem Flugzeug ziemlich schnell wieder hier«, berichtete Jenna. »Papa sagt, sie sind jetzt Wanderer zwischen zwei Welten. Er muss sich ja immer irgendwie literarisch ausdrücken.«
»Aber er bringt es auch immer auf den Punkt. Übrigens hat er mir bei unserem Telefongespräch verraten, dass deine Mutter und er sich Sorgen um dich machen. Jenna hat den Schock über das unschöne Ende ihrer Beziehung noch nicht verkraftet, meinte er.«
»Es bringt eigentlich gar nichts mehr, darüber zu reden«, wehrte sie ab. »Und trotzdem tue ich es. Es macht mir Tag für Tag schwer zu schaffen, dass Cornelius meine Gefühle mit Füßen getreten hat. Ja, es stimmt, ich kann dieses plötzliche Ende einfach nicht begreifen. Zuerst dachte ich, dass die Welt untergeht. Cornelius hat mich verlassen, und ich werde ihn nie wiedersehen, das weiß ich. Niemand kann daran etwas ändern, ich sowieso nicht, obwohl mir einige Leute immer noch raten, dass ich das Gespräch mit ihm suchen soll. Aber das kann ich nicht, er hat mich zu tief verletzt. Und so denke ich manchmal noch darüber nach, wie es sein konnte, dass ich mein Brautkleid anprobierte, während mein zukünftiger Ehemann schon nicht mehr in Graz und auch gar nicht mehr in Österreich war.«
»Und du hattest keine Ahnung davon, Jenna?«
»Nein, weil er mich in dem Glauben gelassen hat, dass alles in bester Ordnung war. Wir hatten ja schon die Einladungen zur Hochzeit drucken lassen und die Feier organisiert. Cornelius war offenbar der Meinung, dass er sich alles erlauben konnte, was ihm in den Sinn kam. Er wusste, dass er immer Erfolg hatte und dass er es schaffte, jeden Menschen, der ihm begegnete, um den Finger zu wickeln. Er galt als unwiderstehlich. Cornelius ist ein Hauptgewinn, das sagten jedenfalls meine Freundinnen, die mich um ihn beneideten. Aber er konnte auch manchmal hart und abweisend sein, das war seine andere Seite. Ich habe ihn trotzdem immer geliebt. Egal, was er tat, ich stand zu ihm.«
Ihre Augen schimmerten plötzlich verdächtig. Dennoch sprach sie tapfer weiter: »Von seinen heimlichen Plänen ahnte ich nichts. Er wollte ganz groß ins Musikgeschäft einsteigen, aber ohne mich. Denn ich war ihm hinderlich mit meinen Wünschen nach einem harmonischen Leben im Grünen. Ein schönes Haus, Familie, Kinder ein großer Garten, gute Freunde – davon wollte er mit der Zeit nichts mehr hören. Aber um den Schein zu wahren, behauptete er, dass er für mich alles tun würde. Das war eine Lüge! Ich musste erkennen, dass ich ihm gar nicht so wichtig war, wie ich geglaubt hatte. Mit seiner angeblich Liebe war es nicht weit her, es gab sie eigentlich gar nicht. Cornelius hat mir etwas vorgespielt, das konnte er wirklich perfekt.«
»Und wie hast du letztlich die Wahrheit erfahren?«, wollte Bertold Sternbach betroffen wissen.
»Es ist besser, wenn wir uns trennen, ich brauche meine Freiheit, denn ich will noch viel erleben. Das stand in seinem kurzen Abschiedsbrief, den ich im Briefkasten fand. Und dann hat er mir noch gewünscht, dass ich das große Glück finden sollte, und zwar mein ganz persönliches Glück. Denn er hatte andere Wünsche als ich. Was ich mir wünschte, war ihm anscheinend zu langweilig oder sogar zu spießig.«
»Wo ist er jetzt?«, wollte Bertold Sternbach wissen.
Jenna senkte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, gestand sie leise. »Er will jedenfalls seine Karriere als Musiker vorantreiben, in den USA, in Australien – überall, wo sich eine Gelegenheit für ihn bietet. Das hat er mir noch mitgeteilt. Ich weiß auch, dass er Schauspielunterricht nehmen will. Ich bin sicher, dass Cornelius es schafft, sich einen Namen zu machen. Aber mich hat er einfach aus einem Leben gestrichen, um unabhängig zu sein.«
»So etwas tut sehr weh, das ist nur allzu verständlich.« Bertold Sternbach besaß mehr Mitgefühl, als man vermutet hätte. Man musste ihn näher kennen, um zu wissen, dass er keineswegs nur an Bilanzen und Aktienkurse dachte.
Beides war für ihn als Verleger und Geschäftsmann wichtig. Aber was machte das Leben wirklich aus? War es wirklich nur der Erfolg? Oder doch eher das Miteinander, das Verständnis für andere Menschen?
***
Bertold Sternbach konnte beides miteinander verbinden, wobei es ihm letztlich darauf ankam, in jedem Fall hilfsbereit zu sein.
Jenna kannte er seit zwanzig Jahren, sie war ein kleines Mädchen mit einer großen Schultüte gewesen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Ab und zu hatte er die Roslauers besucht und auch privat ein gutes Verhältnis zu ihnen gehabt. Jenna war daher für ihn auch später immer die Tochter des Erfolgsautors Steffen Roslauer gewesen, die er geduzt hatte – während er für sie der sehr wichtige »Herr Sternbach« geblieben war, mit dem ihr Vater äußerst wichtige Gespräche geführt hatte.
Zwischen ihnen bestand aber so etwas wie ein vertrauliches Verhältnis. Jenna wusste, dass Bertold Sternbach immer einen guten Ratschlag zur Hand hatte. Sein oft zitierter Satz »Es gibt immer einen Weg, der in eine andere Richtung führt« war zwar sachlich, aber durchaus hilfreich.
Jetzt ahnte sie, dass er etwas im Schilde führte, denn sonst hätte er sie nicht hierher ins »Turmhaus« eingeladen. Der Ober servierte Tee und Häppchen, danach ein Flascherl Veltliner Sandgrube, nach Meinung echter Kenner einer der besten Weißweine überhaupt.
»Ich möchte unbedingt, liebe Jenna, dass du dich wieder aufrappelst und dein Lachen wiederfindest«, wandte sich Bertold Sternbach an die junge Frau mit dem kastanienbraunen Haar und den irisblauen Augen. »Du warst immer voller Lebensfreude. Jetzt bist du traurig, gekränkt und deprimiert. Das darf kein Dauerzustand werden. Arbeitest du momentan noch in der Bibliothek?«
»Ja. Es ist eine ruhige Tätigkeit. Ich möchte derzeit auch nichts anderes tun. Alles, was laut ist, kann ich jetzt nicht ertragen.«
»Ich hätte einen Vorschlag.« Bertold kam zur Sache. »Wie wäre es, wenn du ein Buch schreibst? Wenn du deine Gefühle zu Papier bringst? Ich habe kürzlich deine Erzählungen noch einmal gelesen, die wir in dem Buch An jedem Tag und überall veröffentlicht haben. Das Buch war ein großer Erfolg, wie du ja weißt.«
»Ach, Herr Sternbach«, seufzte Jenna. »Ich schreibe gern, aber ob ich jetzt dazu in der Lage bin ... nein. Sicherlich nicht. Manchmal sitze ich abends daheim bei Kerzenschein und starre nur vor mich hin. Ich breche in Tränen aus und hab einfach keinen Mut mehr. Das Schlimmste ist, dass ich das Thema Liebe für mich abgehakt habe.«
»Mir sechsundzwanzig Jahren?«
»Ja. Liebe tut weh. Man liebt jemanden und wird zurückgewiesen, das ist schmerzhafter als alles andere. Es kann so grausam sein. Ich weiß, wovon ich rede. Mir geht es gar nicht gut, Herr Sternbach. Dass ich Cornelius ohne Wenn und Aber geliebt habe, ist mir zum Verhängnis geworden. Ich möchte so etwas nie mehr erleben. Es ist besser, wenn ich mich zurückziehe.«
»Das sehe ich anders. Du solltest wirklich dein Talent nutzen und schreiben«, beharrte Bertold Sternbach. »Es wird dir auch helfen, über diese Enttäuschung hinwegzukommen. Sicher erinnerst du dich an das Kinderbuch Im Zauberwald, das du mit siebzehn Jahren geschrieben hast. Dein Vater hat es noch ein bisschen überarbeitet. Du hast mir damals erzählt, dass viele Kinder gar nicht mehr wissen, dass es noch etwas anderes gibt als Fernsehen oder Internet. Es war ein wunderschönes Buch, unsere Grafiker haben dafür gesorgt, dass auch die Bilder zu den Geschichten passten. Das Buch wurde sehr oft verkauft, wir waren überrascht und erfreut. Jenna, du hast das Talent deines Vaters geerbt. Und dazu kommt auch noch dein Einfühlungsvermögen und diese einmalige Fähigkeit, immer wieder Blicke über den Zaun zu werfen – egal, wo dieser Zaun steht.«