Der Duft der Mondblume - Di Morrissey - E-Book

Der Duft der Mondblume E-Book

Di Morrissey

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Beschreibung

Der Duft der Blumen, die Pracht der Farben und das strahlende Licht – Hawaii ist für die junge Australierin Catherine das Paradies. Schon bald verfällt sie ganz dem Zauber dieser Inseln und schließt viele neue Freundschaften. Dass ihr Mann, der amerikanische Offizier Brady, ihre Begeisterung in keinster Weise teilen kann, treibt die Ehe, die als leidenschaftliche Liebe auf den ersten Blick begann, immer weiter auseinander. Als Brady nach Washington versetzt wird, ist Catherine nicht bereit, ihm zu folgen. Sie hat sich für ein Leben an der Seite des Surfers PJ entschieden. Doch dann muss sie erkennen, dass ihr Garten Eden eine dunkle Seite hat … Der Duft der Mondblume von DiMorrissey: im eBook erhältlich!

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Di Morrissey

Der Duft der Mondblume

Roman

Aus dem Englischen von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Sonja SchuhmacherKollektiv Druck-Reif

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Dem Andenken an meine [...]1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. KapitelDankGlossar

Dem Andenken an meine geliebte Mutter Kay, mit der ich die Inseln zum ersten Mal besuchte

[home]

1

Der himmelblaue Holden-Kombi fuhr die neu hergerichtete Sandstraße entlang, die alte Eukalyptusbäume säumten: fest verankerte Landmarken seit nunmehr fast hundert Jahren. Die Landschaft war dem Mann am Steuer und dem Mädchen neben ihm vertraut. Catherine Moreland und Robert Turner waren Nachbarn. Robert, seine Schwestern und Eltern lebten auf einem weiten Besitz, den der Großvater erworben hatte. Catherines Großvater hatte im selben Distrikt mit einer Schafzucht begonnen. Catherine und Robert kannten sich von Kindesbeinen an.

Mollie Aitken, Catherines Freundin, saß auf dem Rücksitz und betrachtete das ihr fremde Land, während die beiden alten Freunde über Neuigkeiten aus der Gegend und die Party plauderten, mit der heute Abend Catherines einundzwanzigster Geburtstag gefeiert werden sollte. Für Mollie war es ein kleiner Schock gewesen, von Sydney in einen ländlichen Distrikt zu fliegen, wo es nichts weiter zu geben schien als Felder, Hügel und einen Fluss. Aus dem zweimotorigen Flugzeug sahen die Orte unter ihr klein aus, gering an Zahl und weit auseinanderliegend. Ein Leben in angesagten, großstädtischen Vierteln gewohnt, fühlte sie sich in diesen weiten, leeren Räumen etwas verloren.

Mollie hatte aufregende Geschichten gehört über Bush Bashes, so hießen die tollen Partys hier draußen, und die Einladung zu Catherines Einundzwanzigstem begeistert angenommen. Catherine hatte ihr erzählt, dass es in ihrem Distrikt eine Menge unverheirateter junger Männer gäbe, aber jetzt, nachdem sie gesehen hatte, wo die lebten, wusste Mollie, dass sie so weit weg von Boutiquen, Restaurants, Bars und den städtischen Freizeitangeboten nicht überleben würde. Trotzdem freute sie sich auf die kommenden Tage, besonders auf die große Feier heute Abend.

Der Flughafen von Peel war sehr schlicht – eigentlich nur ein aufgemotzter Schuppen –, und Mollie fand es amüsant, ihr Gepäck von einem Karren zu nehmen, der vom Flugzeug neben die »Ankunftshalle« gerollt worden war. Die Fahrt anschließend schien endlos zu dauern, obwohl Rob und Catherine sich Mühe gaben, Mollie zu unterhalten. Sie beschrieben ihr einige der Leute, die zu der Party kommen würden, wobei sie manche Einzelheiten von Seitensprüngen bei Partys und Bällen früherer Jahre einflochten.

Mollie hatte Catherine während der Ferien am Great Barrier Reef kennengelernt, und seitdem waren sie in Verbindung geblieben. Bei Besuchen in Sydney hatte Catherine bei Mollie gewohnt. Nun war Catherine an der Reihe, die Gastgeberin zu spielen. Mollie war vor diesem Besuch nie im nordwestlichen Teil von New South Wales oder anderswo im Hinterland gewesen. Sie wusste, dass dieser Landsitz Teil des viel größeren Besitzes von Catherines Großvater gewesen war. Mit den Jahren hatte er sich verkleinert, und inzwischen züchtete Catherines Vater Keith nicht mehr Schafe, sondern Murray-Grey-Rinder. Sein Geld verdiente er sich als Anwalt in Peel, der nächsten größeren Stadt, aber diese Rinder waren seine ganze Leidenschaft.

Mollie wusste, dass noch andere Freunde aus Sydney und Brisbane zu Catherines Einundzwanzigstem erwartet wurden, aber die Mehrheit der Gäste waren Nachbarn und ehemalige Schulfreunde.

Mollie war erleichtert, als sie den riesigen Postkasten am Straßenrand mit dem aufgemalten Namen Heatherbrae erblickte: Endlich waren sie am Ziel. Hier bog der Wagen in eine schmale, staubige Straße ein. Aber noch immer nahm die Fahrt entlang an Zäunen und staubigen Koppeln kein Ende. Gelegentlich zeigte sich eines von Keith Morelands preisgekrönten Rindern.

Im Rückspiegel bemerkte Rob einen Lastwagen, der allerdings Abstand hielt zu der orangeroten Staubwolke, die der Kombi hinter sich herzog.

»So viele Leute kreuzen heute Abend auf?«, fragte Rob. »Sieht aus, als würden Gott und die Welt kommen.«

»Ist ja auch Cathys Einundzwanzigster«, erinnerte ihn Mollie. »Und sie ist das einzige Kind.«

»Ich hab auch das dunkle Gefühl, die zweihundert Leute, die ich eingeladen habe, werden alle erscheinen«, grinste Catherine. »Bin ich froh, dass es nicht regnen wird«, ergänzte sie mit Blick auf den wolkenlosen blauen Himmel.

»Dabei könnten wir dringend Regen brauchen«, seufzte Rob.

»Du redest schon wie ein richtiger Farmer«, lachte Catherine.

Mollie beugte sich nach vorn, als das Haus in Sicht kam. Einige schmutzige, staubbedeckte Fahrzeuge parkten neben dem großen Schuppen hinter einem stattlichen weißen Anwesen.

Das Haus war alt und hatte verglaste Türen, die auf eine geräumige Veranda mit Säulen und Geländer führten. Rollos aus gestreiftem Segeltuch grenzten an einer Seite einen Schlafbereich ab, und Sandsteinstufen führten von der Veranda zu einem bewässerten Rasen und blühenden Büschen. Das Gebäude strahlte ehrfurchtgebietendes Alter aus, man spürte auch, dass es harte Zeiten gesehen hatte und dass hier Kinder zur Welt gekommen und aufgewachsen waren. Ein Erweiterungsbau aus den sechziger Jahren schloss sich nahtlos an. Der frische weiße Anstrich und der funkelnde Pool zeigten, dass dieser klassische Bau durchaus ein zeitgemäßes Heim war.

Sie stiegen aus, und Rob nahm Mollies Tasche, als Catherines Mutter Rosemary herauskam, um sie zu begrüßen.

»Der Flieger war anscheinend pünktlich. Rob, danke, dass du gefahren bist. Alle unsere Fahrzeuge sind entweder bei der Arbeit oder für die Party heute Abend unterwegs.«

»Kein Problem, Mrs.Moreland.«

»Willkommen, Mollie, ich vermute, Sie können jetzt eine kleine Stärkung gebrauchen?« Rosemary führte sie ins Haus, gefolgt von Catherine und Robert.

»Da sag ich nicht nein«, seufzte Mollie. »Oh, es ist so hübsch und kühl hier drinnen.«

»Das machen die dicken Wände. Dad sagt immer, es ist wie in einem Weinkeller, gleichbleibende Temperatur. Sogar im Winter«, erklärte Catherine. »Großvater hat das Haus mit Lehmziegeln erbaut.«

»Ich hab für Sie das Gästezimmer auf der Rückseite hergerichtet.« Rosemary ging voran durch den dunklen kühlen Flur mit den holzvertäfelten Wänden, an denen neben Familienfotos auch Bilder von prämierten Bullen und Pferden hingen.

»Ich vermute, die Frühankömmlinge werden sich gleich über das Bier hermachen«, meinte Rob, als könnte er auch ein Glas vertragen.

»Wahrscheinlich. Aber ich habe für diese Leute ein paar Aufgaben und hoffe, dass sie die erst erledigen, bevor sie zu tief ins Glas schauen«, sagte Rosemary. »Fühl dich wie zu Hause, Rob, auf der Veranda sind noch ein paar Schlafplätze frei.«

»Alles bestens. Ich hab meine Bettrolle, danke, Mrs.Moreland. Wenigstens hält das Wetter.«

»Das wird eine schöne Nacht. Wie bestellt für dich, Catherine.«

Rob stellte Mollies Tasche aufs Bett und grinste. »Ihr kommt zurecht? Ich geh dann mal und schau, was es noch zu tun gibt bei den Vorbereitungen.«

Catherine lachte. »Mach das. Wir sehen uns. Danke für die Fahrt.« Als sie Mollie beim Aufhängen ihrer Kleider half, flüsterte sie: »Er wird gleich rübergehen zu den Jungs und ihrer Bierparty.«

»Wann beginnt denn das Fest?«, fragte Mollie.

»Hat anscheinend schon begonnen«, meinte Rosemary. »Ich lasse euch jetzt allein. Mollie, Liebes, rühren Sie sich, wenn Sie etwas brauchen.«

»Rob ist nett. Ich sehe jetzt, was du meinst, wenn du über die Jungs hier draußen sprichst. Er ist sehr höflich. Sieht auch gut aus. Wart ihr beide jemals befreundet? Du weißt schon, was ich meine«, fragte Mollie, die gern gewusst hätte, welcher von den Jungs noch zu haben war. Sie wollte das Bestmögliche aus diesem langen Wochenende auf dem Lande herausholen.

»Himmel, nein!«, rief Catherine. »Er ist wie ein Bruder. Wir kennen uns seit dem Kindergarten.«

»Wo war der Kindergarten?«, fragte Mollie verwundert. »Muss ein weiter Weg dahin gewesen sein.«

»Meine Mutter hatte ihn hier auf Heatherbrae. Wir waren eine ganze Gruppe. Es gab immer ein paar Familien mit Kindern. Später fuhren wir mit dem Bus nach Peel, Rob ging allerdings in ein Internat in Sydney. Aber jetzt trinken wir eine Tasse Tee, und dann führ ich dich herum.«

»Wo findet die Party eigentlich statt? Oder feiern wir etwa auf der Veranda?« Mollie hatte nirgends einen Raum gesehen, der so viele Gäste hätte aufnehmen können.

Catherine lachte. »Unten auf der Koppel … so weit weg vom Haus wie möglich. Die Alten bleiben hier oben. Später am Abend kommen wir herauf, um anzustoßen und die Torte anzuschneiden.«

»Eine Koppel! Ich hab ein spitzenbesetztes Kleid und Stöckelschuhe mitgebracht!«

»Mach dir keine Sorgen, jeder wirft sich in Schale. Wie gesagt, diese Partys können bis Sonnenaufgang dauern! Oder bis wir auf dem Trockenen sitzen. Wir können da unten Lärm machen, so viel wir wollen – die nächsten Nachbarn wohnen meilenweit entfernt. Und sie sind sowieso alle eingeladen. Ich hab im Haus noch einiges zu tun. Außerdem soll ich Dad helfen, unsere Pferde weiter wegzubringen, damit die Party sie nicht verrückt macht. Willst du mitkommen?«

»Ich hab’s nicht so mit Pferden«, meinte Mollie. »Lieber würde ich ein wenig ausspannen und mich frisch machen. Du weißt, ich bin heute Morgen ziemlich früh aufgebrochen!«

 

Catherine ritt an der Seite ihres Vaters, hinter sich führten sie ein junges Pferd. Die Pferde gingen gemächlich Seite an Seite, so dass Vater und Tochter gut reden konnten.

»Danke, Dad, dass du die Party veranstaltest.«

»So etwas muss man doch feiern. Ich hoffe, die Leute haben ein paar schöne Stunden. Aber nicht zu schön«, fügte er hinzu. »Ich weiß, ein paar von den Jungs können trinken wie die Bürstenbinder.«

»Sie kommen schon zurecht, Dad. Schließlich bleiben alle über Nacht. Schön, dass es nicht regnen wird. Obwohl wir das Ganze auch ins Haus verlegen hätten können.«

»Genau. So wie wir’s bei meinem Fünfzigsten gemacht haben.« Keith Moreland schwieg eine Weile, dann fragte er: »Gibt es jemand Speziellen unter den Jungs?«

»Du weißt doch, Dad. Alle sind einfach nur Freunde. Manche sind verlobt, ein paar verheiratet, die meisten kenne ich von klein auf.«

»Das heißt nicht, dass du dich nicht in einen von ihnen verlieben kannst. Kann nie schaden, zuerst befreundet zu sein, den familiären Hintergrund zu kennen, dieselben Sachen zu mögen. Leute vom Land neigen dazu, Leute vom Land zu heiraten. Wir leben anders als die Städter. Und diese neuen Blumenkinder – ich will verdammt sein, wenn ich weiß, was die wollen. Oder wo die hingehören.«

Catherine kicherte. »Dad, hier bist du vor denen sicher.«

Wieder ritten sie eine Weile, ohne ein Wort zu wechseln, aber Keith konnte es nicht lassen, das Liebesleben seiner Tochter noch ein wenig zu erforschen. »Also niemand Spezielles? Ich dachte, Brian Grimshaw hätte es auf dich abgesehen.«

»Oh, wir sind ein paarmal ausgegangen. Nichts Ernstes. Übrigens bringt er heute Abend ein Mädchen aus Sydney mit.«

»Und deine Freundin Mollie, hat sie ein Auge auf den einen oder anderen unserer Jungs aus dem Busch geworfen?«

»Wenn ja, wird’s nicht lange halten. Sie kann sich ein Leben hier draußen nicht vorstellen.«

»Und du? Was wirst du mit deinem Leben anfangen, in puncto Liebe? Einundzwanzig, da wird’s Zeit, über so was nachzudenken.«

»Ich weiß nicht, Dad. Ich kann mir ein anderes Leben als hier nicht vorstellen. Die paar Monate in Sydney haben mir gereicht.«

Sie beeilten sich, die Pferde auf eine kleine Koppel zu bringen, sattelten ab und setzten sich in den Geländewagen, den Keith am Zaun abgestellt hatte. Catherine dachte über das nach, was Vater gesagt hatte. Wo würde sie mal leben? Mollie hatte gemeint, Catherine müsse hier raus, sonst würde sie als alte Jungfer enden, die sich um ihre betagten Eltern kümmerte. Aber das schreckte Catherine nicht. Sie fühlte eine tiefe Bindung an ihr Zuhause und an das Land. Die Schönheit dieser Landschaft, die ihr so vertraut war, wollte sie nicht missen. Hier war das Leben, das sie mochte, das sie schätzte. Sie konnte sich nicht vorstellen, in einer Stadt oder einem Vorort zu leben. Als sie noch in der Kanzlei ihres Vaters in Peel gearbeitet hatte, hatte sie die Freiheit gehabt, wegzugehen und zu machen, was sie wollte. Im Stillen amüsierte sie sich darüber, dass sich die Eltern für ihr Liebesleben interessierten, aber anders als ihre Freundinnen beunruhigte es sie nicht, dass sie keinen festen Freund hatte, mit dem sie einen Hausstand gründen wollte.

Sie war zufrieden mit dem Leben, das sie führte.

 

Auf der entfernten Koppel standen, umgeben von Fahrzeugen, Tische auf Böcken und Stühle neben einem alten Badezuber, in dem unter Sackleinen Getränke in Eis kühlten. Daneben ein Bierfass und ein neu aufgebauter Grill. Ein Lagerfeuer prasselte, obwohl es warm war. Aber am Abend würde seine Helligkeit willkommen sein.

Das Gästehaus, in dem in den Tagen von Catherines Großvater die Schafscherer geschlafen hatten, war von einer Gruppe frühzeitig angereister Mädchen übernommen worden. Es gab eine unsichtbare Grenze zwischen den Älteren, die beim Haus blieben, und den jungen Leuten auf der Koppel: Keine Gruppe wollte die andere stören.

Nach der Party würden die Leute mit ihren Bettrollen auf dem Boden oder im Wagen schlafen. Nicht wenige würden im Vollrausch umfallen, wo sie gerade standen. Auf Heuballen, Bänken und Stühlen sitzend oder auf Decken auf dem gefleckten Grasboden unterhielten sich Catherines Freunde; sie lachten und erzählten einander die Neuigkeiten der letzten Monate. Zwei Paare hatten ein Kleinkind und ein Baby, ein anderes Mädchen zeigte stolz ihren Verlobungsring vor. Keiner war älter als vierundzwanzig, und die meisten kannten sich schon seit ewigen Zeiten.

Im Haupthaus halfen Freundinnen der Morelands Rosemary in der Küche. Die Männer hatten die Veranda besetzt, hockten auf dem Geländer unter Glyzinenranken, aus denen sich im Frühling traubenweise lavendelfarbene Blüten neigten. Andere saßen auf alten Rohrstühlen oder auf den Eingangsstufen, ein Glas Bier in der Hand, und redeten über die Preise für Rinder, die wirtschaftliche Lage, den Ministerpräsidenten Billy McMahon, den Regen und die Kaninchen.

Alle hatten sich herausgeputzt – die Männer mit Jackett, Krawatte und polierten Schuhen, die jungen Frauen mit Miniröcken, rückenfreien Kleidern mit Nackenband oder farbenfrohen Hosenanzügen. Die meisten der Mütter hatten Maxiröcke gewählt und als Top eine Rüschen- oder Satinbluse. Rosemary hatte ein paar junge Leute aus dem Pub in der Stadt engagieren wollen, damit sie im Haus die Getränke servierten, aber Keith meinte, das sei nicht nötig. »Und die Jungen brauchen keinen Barmann. Die versorgen sich schon selbst.«

Unten auf der Koppel tanzte man inzwischen auch, es ging nicht ohne gelegentliches Stolpern auf dem holprigen Boden ab, und dabei wurde getrunken, geredet und gelacht. Catherine wurde von ihren Freunden umarmt, abgebusselt und manchmal aufgezogen. Ab und zu geriet sie in eine ernsthafte Unterhaltung und dachte, sie würde erst gegen Morgen da wieder herauskommen. Meistens aber blickte sie in die Runde, als wäre sie eine Beobachterin der Szene. Der Schein des Feuers und der Laternen warf Schatten auf vertraute Gesichter. Es herrschte eine freundschaftliche Atmosphäre; fast jeder kannte und mochte den anderen. Manchmal kam es Catherine so vor, als sei sie Mitglied in einem großen Clan.

Keith kam in die Küche und fand seine Frau beim Begutachten von Tabletts mit Frühlingsrollen, Frikadellen und Pasteten. »Ich sollte wohl die jungen Leute begrüßen und sie heraufbitten, damit wir auf Catherine anstoßen können.«

»Ja, wenn du deine kleine Ansprache gehalten hast«, antwortete sie. »Ich nehm die Kamera.«

Als alle versammelt waren und vom Wohnzimmer auf die geschützte Veranda drängten, trat Keith vor und begann:

»Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich bitte um Aufmerksamkeit. Füllen Sie bitte Ihre Gläser.«

Als die Champagnerflaschen herumgereicht und die Gläser gefüllt wurden, betrachtete Rosemary ihr einziges Kind und stellte fest, dass Catherine wirklich erwachsen geworden war. Sie war immer so eine Range, so ein Wildfang auf der Farm gewesen, niemals hatte sie so ausgesehen, wie es ihrem Alter entsprach. Aber jetzt mit dem sorgfältig aufgetragenen Make-up, dem hochgesteckten Haar und den hochhackigen Sandalen, die unter ihrem grün- und lilagemusterten Hosenanzug hervorlugten, sah sie schick und elegant aus, anders als sonst in ihrem gewohnten Outdoor-Look mit den zerzausten braunen Locken. Ihre Haut war eingecremt, zeigte einen Hauch von Sommersprossen, ihre haselnussbraunen Augen waren groß und klar. Catherines Mund schien immer zu lächeln, und obwohl sie nicht groß war, wirkte sie wohlproportioniert, schlank und sportlich.

»Sie ist so entzückend. Hat sie schon einen Verehrer?«, fragte Glenys, Rosemarys alte Schulfreundin.

»Ein paar, denke ich«, flüsterte Rosemary.

»Sie braucht einen richtigen Freund. Die Hälfte ihrer Freunde ist verlobt oder verheiratet«, sagte Glenys. »Sie verdient jemand Besonderen.«

Rosemary legte ihren Finger auf ihre Lippen, als Keith fortfuhr.

»Danke euch allen für euer Kommen heute, um die Volljährigkeit unserer Catherine zu feiern. Ich denke, ihr stimmt mit mir darin überein, dass sie eine hübsche junge Frau geworden ist.«

Herzlicher Jubel erhob sich, und Catherine errötete.

»Es ist nicht leicht für einen Vater einzusehen, dass seine Tochter auf einmal eine erwachsene Frau ist und dass sie dazu bestimmt ist, ihr eigenes Leben zu leben.« Keith schenkte Catherine ein inniges Lächeln. »Weil du immer unser kleines Mädchen bleiben wirst. Aber zu dieser schönen Party – danke übrigens deiner Mutter, Rosemary und ihrem Team von Helfern – würde ich dir, Catherine, gerne noch ein kleines Extrageschenk überreichen.« Er zog ein Kuvert aus seiner Tasche und lächelte wiederum. »Catherine, du hast uns mehr Freude gemacht, als du dir vorstellen kannst. Und weil ich weiß, dass du dir einmal einen netten Mann aussuchen wirst …«, erneut begleiteten diese Bemerkung Jubelrufe, und ein paar Jungen mit langen Koteletten machten lautstark auf sich aufmerksam. »Bevor du dich in dem guten alten Distrikt Russell Plains niederlassen wirst, möchten deine Mutter und ich, dass du etwas von der Welt siehst – auch um dir zu zeigen, dass wir hier im schönsten Land des Universums leben.«

Lauter Jubel.

»Hier also ein Ticket nach London – selbstverständlich mit Rückflug! Dazu einige Ferientage auf Hawaii, wenn du zurückkommst. Genieße die Reise, Liebes.« Er gab Catherine einen Kuss, als sie den Umschlag aus den Händen ihres Vaters entgegennahm. Die Gäste klatschten.

Rosemary hatte Rob den Fotoapparat in die Hand gedrückt, und er suchte nach einem guten Blickwinkel auf Catherine.

»Steig hier drauf, Liebes, und sprich ein paar Worte.« Keith half Catherine auf einen Stuhl, damit sie jeder sehen und hören konnte.

Catherine betrachtete ihre Freunde und ihre Familie, sah sie lächeln, die Gesichter erhellt vom Mondlicht und den Reflexen der draußen angebrachten farbigen Lichterketten, und sie fühlte sich von Dankbarkeit und Liebe für das Leben, das sie führte, überwältigt.

»Danke euch allen, dass ihr da seid heute Abend. Danke, Mum und Dad, für eure Großzügigkeit. London …« Sie öffnete den Umschlag. »Schon immer habe ich mir gewünscht zu reisen, aber heute Abend, da sollten wir Dad zustimmen, sind wir glücklich, hier zu sein. Wir leben an einem so friedlichen und schönen Ort. Mit guten Nachbarn, guten Freunden … der Gedanke, die Welt zu sehen, ist aufregend, aber nach Hause zurückzukehren, ist immer wieder schön. Ihr alle sollt heute einen wunderbaren Abend haben – ich habe ihn jedenfalls!« Sie hob die Arme, und alle klatschten, als sie ihre Eltern umarmte.

Rob umkreiste die Menge, ging raus und kam durch die Küche wieder herein.

»Mama, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist zu viel«, gestand Catherine ihrer Mutter.

»Unsinn! Reise, bevor du dich irgendwo niederlässt. Mit Kindern und Mann zu reisen ist etwas ganz anderes. Viel Spaß!« Rosemary hob die Augenbrauen. »Ist Brian Grimshaw da?«

»Ja«, sagte Catherine. Offenbar hoffte ihre Mutter, dass aus ihrer Freundschaft eine Verlobung werden würde. »Er ist mit Freunden gekommen.« Sie erwähnte nicht, dass ihr Ex-Freund mit einer neuen Flamme da war, die er vor ein paar Wochen bei einem Pferderennen kennengelernt hatte.

Catherine freute sich, dass sie jetzt etwas vor sich hatte und Pläne schmieden konnte. Als Sekretärin in der Kanzlei ihres Vaters hatte sie sich ein wenig Geld zusammengespart. Nun war, dank des Flugtickets, klar, dass sie ihre Heimat für einige Monate hinter sich lassen würde.

Als sie Glenys, die Freundin ihrer Mutter, umarmte, ertönte von draußen ein Schrei.

»Gott, da ist jemand im Pool!« Es war die Stimme von Rob. Catherine grinste ihre Mutter an. Sie hatten gewettet, dass irgendjemand im Laufe des Abends in den Pool springen würde.

Aber Robs Schrei klang so drängend, dass die Leute auf die Terrasse hinausstürzten.

Mit einem Schlag hatte sich die Atmosphäre verändert, alle riefen nach Doktor Haybourne. Als sich Catherine durch die Menge gekämpft hatte, sah sie in dem von blauem Flutlicht erhellten Schwimmbecken den tropfnassen Rob, wie er einen jungen Mann aus dem Wasser zog. Der war angekleidet und schien bewusstlos zu sein.

Rob kniete über ihm und versuchte ihn wiederzubeleben. Ihr Vater kauerte sich neben ihn. Ein älterer Mann drängte sich zwischen den Umstehenden hindurch und eilte zu ihnen.

»Gott sei Dank, der Doktor ist da«, sagte ein Gast.

Als sich Doktor Haybourne über den jungen Mann beugte, drehte Rob dessen Kopf zur Seite, und er fing an zu husten und zu prusten.

»Los, komm schon, Dave, spuck’s aus«, ermunterte ihn Rob. »Er kommt zu sich, er scheint okay zu sein. Wie geht’s ihm, Doc?« Sie halfen dem Jungen, sich aufzusetzen. »Ich muss ihn erst mal untersuchen, sieht so aus, als ob du genau rechtzeitig gekommen bist, Rob. Da hast du noch mal Glück gehabt, junger Mann«, sagte der Arzt zu dem immer noch benommenen Jungen. Sicher hatte er zu viel getrunken und war ohnmächtig geworden, oder er war gestolpert und in das Becken gefallen. »Robs rasches Handeln hat dich gerettet, bevor Schlimmeres passiert ist.«

»Du becherst zu viel, Davo«, rief Rob vergnügt.

Keith ging zurück zum Haus. »Schön, die Vorstellung ist vorbei. Doc Haybourne hat die Lage unter Kontrolle. Geht wieder rein. Es ist alles in Ordnung.« Rosemary murmelte er zu: »Manche von den Jungs saufen bis zur Bewusstlosigkeit. Sie haben sich nicht unter Kontrolle.« Und laut sagte er: »Nun, wo waren wir gerade?«

»Beim Anschneiden der Torte?«, fragte Rosemary.

»Tolle Idee, Liebes. Also kommt, Zeit für die Torte.« Keith versuchte, die heitere Stimmung wiederzubeleben.

Rosemary stellte die Riesentorte mit einundzwanzig brennenden Kerzen auf den Tisch. »Kommt her, ich hoffe, es reicht für alle. Blas die Lichter aus, Liebes, und wünsch dir was.« Sie hielt ihre Tochter bei der Hand.

Jetzt, da das Drama überstanden war, schloss Catherine die Augen und blies in einem Atemzug alle Kerzen aus. Aber zu ihrer Überraschung fiel ihr kein Wunsch ein. Alles, was sie wollte, so kam es ihr vor, schien sie in diesem Augenblick zu besitzen.

Ihr Vater reichte ihr ein silbernes Messer, damit sie die Torte anschnitt, während die Gäste »Happy Birthday« anstimmten.

Catherine sprach mit Rob, nachdem er sich abgetrocknet und Kleidungsstücke ihres Vaters angezogen hatte.

»Danke, Rob. Das hätte ein schlimmer Unfall werden können.«

»Ein Glück, dass ich gerade ums Haus herumgehen wollte, um einen guten Schnappschuss hinzukriegen. Dachte mir, so geht es schneller. Ich wollte mich nicht zwischen den Gästen hindurchdrängen. Da sah ich ihn. Ein ganz schöner Schock, als ich ihn so mit dem Gesicht nach unten im Wasser liegen sah. Ich dachte schon, den kannst du abschreiben.«

»Noch mal, danke. Ich hoffe, dir ist nichts passiert. Ist deine Uhr wasserdicht?«

»Das hoffe ich doch.«

Robs Freundin kam auf ihn zugestürzt und reichte ihm ein Bier. »Hier bist du. War er nicht toll?«, sagte sie zu Catherine. »Eine Schande. Das hätte beinahe deine Party kaputt gemacht.«

»Ach, hör auf, Barbara, das war keine große Sache.«

»Er wäre ertrunken, wenn du nicht da gewesen wärst!«

»Ja, schön, aber jeder andere hätte das auch getan. Zum Glück war ich zur rechten Zeit am rechten Ort. Prost, Catherine. Ist ’ne tolle Party«, sagte er fröhlich.

»Vielen Dank, Rob. Amüsiert euch gut.«

 

In den frühen Morgenstunden, als ein kühler Wind den jungen Leuten in den Bettrollen und Schlafsäcken Linderung verschaffte, ging Catherine leise nach draußen. Schon früh würden ihre Eltern und Freunde der Familie in der Küche stehen und den Tee und das Frühstück bereiten. Konterbier und Bloody Marys würden das verkaterte junge Volk wieder lebendig machen, bis eine ordentliche Mahlzeit vom Grill sie so weit ausnüchterte, dass sie ihre oft lange Heimreise antreten konnten.

Die Morgendämmerung nahte. Catherine konnte die Erde unter der feinen Tauschicht riechen. Ein Pferd wieherte, und der ferne Höhenrücken war ein dunkler Fleck gegen den heller werdenden Himmel. Das war ihr Zuhause, alles war so vertraut, solange sie denken konnte. Sie hatte einen Meilenstein erreicht, und sie barg diesen Augenblick in ihrem Gedächtnis, um ihn in den nächsten Abschnitt ihres Lebens mit hinüberzunehmen.

 

Catherine dachte, sie würde sich nie an die Kälte gewöhnen. Der Londoner Nieselregen wollte einfach nicht aufhören. Sie wünschte sich, es würde wie aus Kannen schütten und dann wär’s vorbei mit dem Regen. Sie vermisste die wilden Stürme ihrer Heimat, die den strömenden Regen über die Weiden trieben. Den Mantel eng am Hals zusammengehalten und den Regenschirm umklammert, suchte sie sich ihren Weg zwischen den Pfützen und stieß dabei mit Fußgängern zusammen, die ebenfalls nasse Füße vermeiden wollten. Alles war grau, es schien schon zu dämmern, obwohl es erst früher Nachmittag war. In den Geschäften und Restaurants waren bereits die Lampen eingeschaltet, das Scheinwerferlicht der Autos glänzte auf den nassen Gehsteigen und Fahrbahnen. Am Ende der Aldwych bog sie in den Strand ein und betrat ein graues Gebäude, an dem über dem Schild »Australia House« eine durchnässte australische Flagge hing.

Als ihr Name auf einer Liste an der Rezeption abgehakt war, wurde sie in einen kleinen Empfangsraum geleitet, wo Brian Lord, der australische Kulturattaché, einen Stehempfang gab. Er war ein alter Schulfreund ihres Vaters, und er hatte ihr eine Einladung geschickt, als er erfuhr, dass sie sich in London aufhielt. Etwas scheu schob sich Catherine in den Raum mit der dunklen Holzvertäfelung und den düsteren Ledermöbeln. In gedämpftem Tonfall unterhielten sich die Leute in kleinen Gruppen. Sie warf einen Blick auf die glänzenden Fotografien von australischen Stränden und Landschaften und dachte, dass sie richtiggehend grell aussahen, verglichen mit dem grauen Londoner Nachmittag draußen vor der Tür. Ein Kellner bot auf einem Tablett Getränke an – Sherry, Bier, Limonade, Wein. Sie nahm ein Glas Wein und stellte sich an den Rand einer Gruppe um den Attaché, der sogleich beiseitetrat und sie in den Kreis zog. Sie stellte sich vor, und er begrüßte sie herzlich.

»Schön, Sie zu sehen, Catherine. Wie geht es Ihrem Vater? Gab es genug Regen bei euch?«

»Er lässt grüßen, und wie immer hoffen sie auf noch mehr Regen. Danke für die Einladung.«

»Mit Vergnügen. Ich hoffe, London gefällt Ihnen. Verbringen Sie hier einen Arbeitsurlaub?«

»Teils Urlaub, teils Arbeit. Ich habe vor, bald den Kontinent zu besuchen.«

»Wunderbar. Schauen wir mal, kennen Sie jemanden hier? Wir haben ein paar Auswanderer und Freiwillige vom US-Friedenscorps. Einige Soldaten. Die meisten hier sind Künstler aus unserer Heimat.« Er deutete auf die junge Truppe, die ihn umringte. »Diese ausgezeichneten Leute hier sind von einem Theater in Melbourne, sie touren regelmäßig durch das Hinterland.«

Alle lächelten Catherine zu. Sie blickte auf ihre Namensschilder, erkannte aber niemanden.

»Wir geben solche kleinen Empfänge alle paar Monate«, fuhr der Attaché fort. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …« Er eilte zu einer anderen Gruppe und ließ Catherine mit den Schauspielern zurück.

Catherine unterhielt sich, das Übliche, woher kommen Sie, wie lange bleiben Sie, welches Stück spielen Sie – und sie musste zugeben, dass sie es nie gesehen hatte. »Ich lebe auf dem Land, da ist es schwer, ins Theater zu kommen.«

Ein Mann trat neben sie. »Ich hoffe, Sie nutzen Ihre Zeit hier gut, die Theater sind wunderbar.«

Er hatte einen amerikanischen Akzent und trug eine elegante Uniform der US-Marine. Er gesellte sich ohne Umstände zu ihrer Gruppe und streckte die Hand aus. »Hallo, ich bin Leutnant Bradley Connor, erfreut, Sie kennenzulernen.«

Catherine war die Letzte, die seine Hand ergriff und sich vorstellte.

»Sie sind also keine Schauspielerin? Sie kommen vom Land? Wie lange bleiben Sie in London?«, wollte er wissen.

»Oh, das ist noch offen. Ich teile eine Wohnung mit Freunden, da herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ich will so viel wie möglich sehen. Was machen Sie hier? Urlaub oder Arbeit?«, fragte Catherine.

»Ein wenig von beidem. Ich bin zwar bei der US-Marine, aber zurzeit habe ich einen Bürojob im Konsulat. Und Sie? Was machen Sie hier?«

»Mr.Lord ist mit meinem Vater zur Schule gegangen. Ich fürchte, sie haben sich seit Jahren nicht gesehen, aber alte Schulkameraden, nun, Sie wissen schon …«

»Ich denke, ich verstehe, was Sie meinen.« Er sah sich um.

»Ich finde es ein bisschen fad hier. Haben Sie Lust, in der Nähe etwas zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen? Es gibt da einige schöne Pubs.«

Catherine zögerte einen Augenblick. Bradley wirkte charmant, sah gut aus, und sie hatte weiter nichts vor. »Ich hätte schon Lust. Was schlagen Sie vor?«

»Gehen wir ins Cheshire Cheese, in der Fleet Street. Da sind immer interessante Typen, Journalisten und so weiter.«

 

Catherine erlebte einen phantastischen Abend. Nach dem Pub nahm Bradley sie mit zu einem Italiener, und sie redeten stundenlang bei einer Flasche Rotwein. Sie hatte ihm von dem Leben auf einem für australische Verhältnisse kleinen Landsitz erzählt und ihm ihr Leben dort geschildert. Er stammte aus Kalifornien, hatte einen Bruder und eine Schwester auf dem College und war in die Fußstapfen seines Vaters getreten und zur Marine gegangen. Dieser Beruf reizte ihn aber auch, weil er gerne reiste.

Zuletzt tauschten sie Telefonnummern aus, und Bradley setzte sie in ein Taxi. Catherine eilte in ihre Wohnung, um den Mitbewohnerinnen von ihrem tollen Abend zu erzählen, aber alle waren ausgeflogen. Am nächsten Morgen schilderte sie ihre Erlebnisse, und die Mädels kamen überein, dass sie das beste Date in dieser Woche gehabt hatte.

Völlig baff waren die anderen aber, als Bradley sie am folgenden Freitagabend in South Kensington abholte, um mit ihr zu Abend zu essen, und ihr dabei einen Strauß mit kleinen rosafarbenen Rosenknospen überreichte. Catherine stellte ihn ihren Mitbewohnerinnen vor, die ihr später versicherten, er sehe aus wie ein Filmstar.

Das Dinner am Freitag wurde zur festen Einrichtung und ebenso das Treffen am Samstagabend. Am Sonntag spielte Bradley mit seinen Offizierskollegen Tennis, während der Woche war sein Dienstplan ziemlich dicht. Catherine stellte sich vor, dass Bradley bei den vielen Veranstaltungen des Konsulats eine gute Figur machte.

Sosehr sie Bradleys Gesellschaft genoss, wollte sie doch nicht darauf verzichten, Swinging London auf eigene Faust zu erkunden. Bradley mochte zum Beispiel die Discoszene nicht. Aber beide liebten es, in den Londoner Straßen auf Entdeckungsreise zu gehen.

Catherine plante Reisen nach Paris, Spanien und Griechenland. Bradley hörte zu, machte den einen oder anderen Vorschlag und vermittelte den Eindruck, dass er in London auf sie warten und da sein würde, wenn sie zurückkehrte.

»Hast du mit ihm geschlafen?«, fragte ihre Mitbewohnerin Donna.

»Nein! Natürlich nicht. Er ist nicht so einer.«

»Was fehlt ihm denn? Er ist so verführerisch.«

Catherine lächelte. »Ja, das ist er. Aber er ist so … höflich, liebenswürdig, aufmerksam.«

»Du meinst: konservativ«, sagte Donna. »Wenn ich du wäre, würde ich ihn verführen.«

»Damit er denkt, ich sei leicht zu haben? Nein, ich möchte, dass etwas Festes daraus wird.«

»Ach, komm schon, Catherine. Hol das Beste für dich heraus. Du willst doch mit diesem Mann nicht ewig zusammen sein.«

»Warum sagst du so etwas?«, fragte Catherine gekränkt.

»Das ist nicht böse gemeint, Darling. Aber er ist Offizier in der US-Marine und erfolgreich. Er steht noch am Anfang seiner Karriere. Wahrscheinlich hat er in Kalifornien ein Mädchen. Er ist … anders. Nicht unbedingt einer von uns. Nicht unbedingt ein Mann, mit dem man eine Familie gründet. Kannst du ihn dir in Peel vorstellen?«

»Und du kannst dir mich in Kalifornien nicht vorstellen?«, gab Catherine zurück.

»Komm schon, Catherine, Männer wie Bradley … gut, sie sind anders als wir. Übrigens, warum nennst du ihn immer Bradley? Wieso nicht einfach Brad?«

»Nun, ich denke, er mag es nicht, wenn sein Name verkürzt wird. Er ist kein Typ, den man Brad nennt«, sagte Catherine.

»Na, dann also viel Spaß. Er ist großzügig, lädt dich in nette Lokale ein. Mach weiter so. Ich sage, hol das Beste für dich dabei heraus«, schloss Donna.

Catherine lächelte nur. Donnas Bemerkungen waren zwar gut gemeint, enthielten aber doch ein paar saure Trauben für sie. Aber das forderte sie heraus. Bradley hatte nie den Wunsch geäußert, mit ihr ins Bett zu gehen. Aber er küsste so süß, und er hatte nie ein Mädchen erwähnt, das zu Hause auf ihn wartete. Er war so anständig und rücksichtsvoll – hätte es ein anderes Mädchen gegeben, hätte er sie bestimmt erwähnt.

Unwillkürlich verglich Catherine ihn mit den Jungs zu Hause. Bradley wirkte so kultiviert, sicher war er noch nie betrunken gewesen. Er würde in keinen Pool fallen oder sich sonst zum Narren machen. Er hatte ihr erzählt, dass Marineoffiziere immer auf dem Präsentierteller saßen, dass sie die Marine vertraten, mit oder ohne Uniform. Aber er sprach nicht oft von seiner Arbeit. Stattdessen redeten sie über Gott und die Welt, Dinge, die sie interessierten, Filme, Shows, Theateraufführungen, die sie in London gesehen hatten. Und sie erzählten einander von ihren Familien und ihrer Kindheit.

»Und, was wirst du in Paris machen?«, fragte Bradley zwei Tage später beim Abendessen. »Hast du Freunde dort? Reist jemand mit dir?«

»Nein. Ich wollte allein losziehen. Hier verbringe ich genug Zeit mit Freunden. Ich hab eine Liste mit Sehenswürdigkeiten erstellt, die ich mir anschauen will. Ich freu mich schon drauf.«

»Auf Paris? Oder darauf, für dich sein zu können?«, fragte er.

»Aber nein, auf Paris natürlich«, lachte sie.

Er nahm einen Bissen. »Es scheint mir nicht richtig zu sein, dass du allein nach Paris reist. Es sei denn, du bist auf ein romantisches Zwischenspiel aus …«

»Mit einem Fremden? Ich denke nicht.«

»Und wie wär’s mit mir?«

Catherine blinzelte. »Du? Du meinst, du willst mit mir nach Paris fahren?«

»Ich war noch nie dort. Ich mag den Gedanken nicht, die Stadt der Lichter allein zu besuchen. Vielleicht könnten wir … nun, es gemeinsam tun. Ich kann mir ja eine eigene Pension suchen. Übrigens, wo wirst du wohnen?« Als Catherine nicht gleich antwortete, ergänzte er hastig: »Nur, wenn du gerne Gesellschaft hast. Rein platonisch selbstverständlich.«

»Selbstverständlich«, lächelte sie. »Ich glaub, das ist eine tolle Idee.«

»Wirklich? Das wäre ja phantastisch.« Er klang erleichtert. »Ich hoffe, du hast jetzt keinen falschen Eindruck von mir.«

»Nein, nein. Aber ich bestehe auf getrennter Kasse. Bei Mahlzeiten, Reisen und so weiter.«

Nach anfänglichem Protest stimmte er zu. »Einverstanden. Das ist fair. Und es ist nur für eine Woche. Ich muss sehen, ob ich mich hier loseisen kann.«

Am nächsten Tag rief er an, um ihr mitzuteilen, dass er nicht freibekam. »Ich bin sehr enttäuscht.«

»Ich auch«, sagte Catherine und erkannte, wie sehr sie sich schon auf die gemeinsame Reise gefreut hatte. Bradley war so eine angenehme Gesellschaft.

Sie liebte und bewunderte Paris, aber als sie in einem Café saß und die Menge betrachtete, wünschte sie sich, Bradley wäre bei ihr. Sie wünschte sich, ihre Empfindungen und Erfahrungen in dieser wunderschönen Stadt mit ihm teilen zu können. Pflichtschuldig arbeitete sie ihre Liste der Sehenswürdigkeiten ab, die man besucht haben musste. Aber hin und wieder schlenderte sie einfach über einen Boulevard, streifte durch einen Park oder die Seine entlang, nur um zu sehen, wo sie landen würde. Auf ihrem Weg zu der Schlange vor dem Louvre kam sie an einer kleinen Galerie mit einer Fotoausstellung vorbei. Fasziniert von dem Plakat und dem Foto im Fenster, entschied sie hineinzugehen und sich umzusehen. Sie stand wie angewurzelt vor den Fotos – größtenteils Schwarzweißbilder von Menschen, Plätzen, Straßenszenen in einem düsteren Paris, wie sie es sich nie vorgestellt hatte. Ein Bett mit zerwühlten weißen Laken unter einem vorhanglosen Fenster neben einem Schornsteinkasten. Eine wunderschöne nackte Inderin in einer altmodischen weißen Badewanne. Ein Langhaariger mit Schaffelljacke, der in einem Torweg einen Joint rauchte. Zwei Mädchen in Kaftans mit Perlen, die an einem Verkaufsstand Krimskrams, alte Spitze und Bücher anboten. Eine nasse Kopfsteinpflasterstraße mit einer gebeugten Gestalt in einem dicken Mantel unter einem riesigen schwarzen Regenschirm.

Die Ausstellung hatte den Titel Ein Stück Leben, und die Bilder ließen Catherine über die Gegensätze zu ihrem eigenen so sauberen, bequemen, sicheren Leben nachdenken. Als sie weiterging, dachte sie darüber nach, dass sie eines Tages eine bessere Kamera haben würde als ihre jetzige simple Instamatic und dass sie damit ihre Heimat, die Stadt, die Landschaft und die Leute dokumentieren würde.

 

Zurück in London fand sie auf ihrem Bett einen Umschlag vor. Sie kannte die Schrift nicht, und es war keine Briefmarke darauf. Er stammte von Bradley.

 

Liebe Catherine,

schlechte Neuigkeiten! Ich muss London verlassen. Bin nach Pearl Harbor auf Hawaii versetzt worden, dringender Ersatz für einen Offizier. Ein weitaus interessanterer Posten als der hier in London, und ich kehre zurück in die Sonne, was mir gefällt. Doch ich bin enttäuscht, weil ich Dir nicht goodbye sagen kann. Oder au revoir. Ich hoffe, Du hattest eine schöne Zeit in Paris. Du sagtest, Du hättest ein Rückflugticket via Honolulu … Deshalb hoffe ich, dass Du einen Zwischenstopp einplanst und mir Bescheid sagst, denn ich würde Dich gerne wiedersehen. Wenn ich darf, rufe ich Dich an. Meine Kontaktadresse steht unten. Da ich in der Kaserne wohnen werde, habe ich kein privates Telefon.

 

Mit herzlichen Grüßen

Bradley

 

»Na, das war’s denn also«, sagte Donna, als Catherine ihr den Brief zeigte.

»Warum sagst du das? Ich werde ihn in Honolulu auf jeden Fall sehen«, gab Catherine zurück.

»Eine Liebelei. Hör zu, halt dich damit nicht auf. Wir haben ein paar tolle Jungs kennengelernt, die in einer Band spielen. Komm heute Abend mit ins Pub. Sie spielen in einem Nebenzimmer, echt klasse. Nachher können wir mit ihnen abhängen.«

»Ich bin müde. Vielleicht ein andermal.«

»Gut, gebongt.« Donna verließ Catherine und flüsterte den anderen beiden Mädchen zu: »Sie muss über den Yankee-Seemann hinwegkommen.«

»Den amerikanischen Offizier«, rief Catherine, bevor sie die Tür zuknallte.

Sie legte sich aufs Bett und nahm das blaue Briefpapier mit Bradleys sauberer Handschrift. Sie würde nach Griechenland und Spanien reisen und, wie geplant, zum Lake District. Und auf dem Heimweg machte sie Zwischenstation auf Hawaii. Auf keinen Fall würde sie den Kopf hängen lassen wegen des gutaussehenden Amerikaners. Zwei Jungs von daheim waren unterwegs nach London, und sie hatte versprochen, sie herumzuführen. Einer von ihnen war Dave, der bei ihrer Party in das Schwimmbecken gefallen war. Sie hoffte inständig, er würde sich in ihrer Gesellschaft nicht betrinken oder raufen oder umkippen. Trotzdem freute sie sich darauf, jemanden aus der Heimat zu sehen.

Catherine schickte Bradley einen höflichen Brief, worin sie ihm von ihrer Reise nach Paris erzählte. Sie schrieb, sie sei traurig, ihm nicht goodbye gesagt zu haben, sie wünsche ihm alles Gute, und sie werde auf dem Heimweg in Honolulu Zwischenstation machen.

Zur Sicherheit buchte sie schon jetzt ihren Flug nach Hawaii. Doch davon erzählte sie niemandem. Sollte Bradley nicht da sein, so hatten ihre Eltern ihr ja immerhin eine Woche in einem hübschen Hotel dort geschenkt, als Teil der Reise zu ihrem Einundzwanzigsten.

Nachdem das sonnige Hawaii gebucht war, erschien ihr das graue London erträglicher.

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2

Die Luft war von einem durchdringend süßen Duft erfüllt. Der Passatwind wirbelte Catherines Locken auf, die sich feucht in ihrem Nacken kringelten. Die Wärme der Sonne und der Klang der Hawaii-Gitarren im Hintergrund milderten die Anspannung nach dem langen Flug. Bei der anstrengenden Zwischenlandung im eiskalten New York hatte es geschneit. Hier in Honolulu gaben ihr die strahlende Sonne, die bunten Kleider, die Blumen das Gefühl, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein – erste Eindrücke, die ihr ein Leben lang unvergesslich bleiben sollten.

Auf dem Flughafen wurden die Neuankömmlinge mit Lächeln und dem Ruf »Aloha, aloha« begrüßt. Als Catherine die Abfertigungshalle verließ, sah sie draußen vor der Glastür ein Meer von Gesichtern und Palmen, die sich im Wind wiegten.

Bradley war da, wie er es versprochen hatte.

In den letzten Monaten hatte Bradley sie mit Briefen und gelegentlichen Anrufen überrascht, so dass ihre Freundschaft inniger geworden war. Der Abstand hatte ihre Beziehung verändert, denn so konnten sie Gedanken und Ansichten zu allen möglichen Themen austauschen, über die sie von Angesicht zu Angesicht vielleicht nicht so offen gesprochen hätten. Und ohne körperliche Nähe bestand kein Druck, intim zu werden.

Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, Bradley gerade aufgrund der Distanz besser kennenzulernen. Er schrieb ihr von seinem neuen Posten, berichtete, er werde möglicherweise die nächsten Jahre in Pearl Harbor stationiert sein. Auch schilderte er seinen Vorgesetzten und das Organisationstalent von dessen Frau. In seinen Briefen zeichnete Bradley in prägnanten Sätzen ein oft höchst amüsantes Porträt seiner Kollegen und Bekannten. Catherine mochte seinen Sinn für Humor, der ihr in der kurzen gemeinsamen Zeit in London gar nicht aufgefallen war.

Sie verabredeten ein Treffen bei Catherines Rückreise nach Australien, er wollte ihr Honolulu zeigen. Eine Einladung zum Abendessen und eine Tanzvorführung waren ebenfalls eingeplant. Catherines Vater hatte darauf bestanden, sie noch etwas zu verwöhnen, bevor sie nach Hause kam und wieder »arbeiten musste«; deshalb hatte er ein Zimmer in einem alten, aber gediegenen Hotel am Strand von Waikiki für sie gebucht.

Catherine ging auf Bradley zu und bemerkte, dass sie bei seinem Anblick weiche Knie bekam. Nicht nur körperlich stach er aus der Menge heraus, sondern auch weil er in seiner makellosen weißen Marineuniform so gut aussah. Das Hemd hatte kurze Ärmel, so dass man seine sonnengebräunten Arme sah, die Offiziersmütze hatte er unter den Arm geklemmt, und in der Hand hielt er einen Lei aus duftenden cremefarbenen Blüten. Er strahlte, und es war nicht zu übersehen, dass er die Blicke anderer Frauen auf sich zog.

»Hallo!« Bradley umarmte Catherine, küsste sie auf die Wange, nahm ihr das Gepäck ab, stellte es auf den Boden und legte ihr den Lei um den Hals. »Einheimischer Brauch.« Mit einem Lächeln küsste er sie sanft auf die Lippen.

Sie schnupperte an dem Lei. »Die duften ja umwerfend. Sind das Frangipani?«

»Ja, die hiesigen, Plumeria alba. Ist das dein ganzes Gepäck? Ich parke direkt am Ausgang. Bestimmt bist du erschöpft nach dem langen Flug.«

Auf der Fahrt zum Moana Hotel fiel es ihnen nicht schwer, dort anzuknüpfen, wo sie beim letzten Telefongespräch aufgehört hatten. Catherine hatte das Gefühl, ihn schon seit Jahren zu kennen. Bradley hielt vor den korinthischen Säulen des Hoteleingangs, und ein lächelnder Hoteldiener öffnete den Wagenschlag und nahm Catherines Gepäck.

»Ich schau mal, ob ich auf der Kalakaua Avenue einen Parkplatz bekomme«, rief Bradley, während Catherine dem jungen Hawaiianer in die Lobby folgte.

Wie Catherine sah, hatten mehrere Epochen in dem Hotel ihre Spuren hinterlassen – die alte Holzvertäfelung, Anklänge von Art déco, eine Modernisierung in den fünfziger Jahren und der Portikus im italienischen Stil ergaben einen seltsamen Mix. Aber das großzügige Foyer, das sich zu einem von breiten Veranden flankierten Innenhof hin öffnete, hatte eindeutig tropischen Charakter.

»Erster Tagesbefehl – ein Drink unter dem Banyanbaum«, verkündete Bradley, als sie das Anmeldeformular unterschrieb.

»Ich habe keine Ahnung, welche Tages- oder Nachtzeit wir haben«, lachte Catherine.

»Frischen Ananassaft mit einem Spritzer Kokosmilch«, schlug Bradley vor. »Oder lieber einen Kaffee?«

»Saft klingt gut, danke. Wow!« Catherine verschlug es den Atem, als sie auf die Treppe traten, die zum Hof und zu den Veranden aus glänzendem Holz führte. Das Hotel lag direkt am Strand, wo sich Touristen auf Liegestühlen sonnten. Dahinter glitzerte der blaue Ozean mit langen Brechern, die sich behäbig ans Ufer wälzten. In der Ferne zeichnete sich die unverkennbare Silhouette des Diamond Head vor dem Himmel ab. Im Zentrum des Hofes stand ein wunderschöner Banyanbaum, dessen Äste mehreren Tischen Schatten boten.

»Der Baum hat eine lange Geschichte. Er wurde 1904 gepflanzt, wenige Jahre nach der Gründung des Hotels.« Bradley rückte für Catherine einen Stuhl zurecht. »Ein schönes Plätzchen für einen Abendcocktail.«

»Ich glaube, ich werde mich die ganze Woche, die vor mir liegt, nicht von hier wegbewegen«, seufzte Catherine.

Am nächsten Tag musste Bradley arbeiten, und Catherine hatte Zeit, um auf eigene Faust den Ort zu erforschen. Allerdings unternahm sie nicht viel außer einem Strandspaziergang und einem Ladenbummel an der Kalakaua Avenue. Am meisten genoss sie es, im Schatten des Banyanbaumes hinter dem Hotel zu sitzen und die Leute am Waikiki-Strand zu beobachten. Peel und London waren weit weg. Alles hier wirkte exotisch und romantisch. Ihr fielen vor allem die Einheimischen auf – fit, braungebrannt in bunter, manchmal ausgebleichter Freizeitkleidung. Sie beschloss, sich einen Sarong für den Strand zu kaufen. Die stets lächelnden Frauen, die im Hotel arbeiteten, die meisten schon etwas älter, trugen lange, locker sitzende Muumuus, bequeme geblümte Kleider, die am Hals gerafft waren und den meist rundlichen Frauen gut standen.

Als Bradley Catherine abends zum Dinner ausführte, trug sie Blüten aus ihrem Willkommens-Lei im Haar.

»Schön, dass du dich vom Aloha-Geist anstecken lässt!« Er begrüßte sie mit einem Kuss.

»Ich war auf dem International Marketplace, aber die vielen hawaiianischen Muster haben mich ganz durcheinandergebracht.« Sie deutete auf eine Frau in einem farbenfrohen Muumuu. »Ist das ein traditionelles Kleid?«

»Inzwischen schon. Ursprünglich wurden sie von den Missionaren eingeführt, um das sündige nackte Fleisch zu bedecken. Keine Baströcke und bloßen Brüste mehr.«

Sie saßen auf der Terrasse des Ilikai Hotels ein Stück weit die Straße hinunter und beobachteten die Abendzeremonie, bei der die Tiki-Fackeln entzündet wurden, während ein hawaiianischer Krieger das große Muschelhorn blies, um die Tänzer und Tänzerinnen auf die Terrasse zu rufen. Musiker erschienen, und als der Himmel rotorange erglühte und die Sonne hinter dem Horizont versank, wiegten sich die Tanzenden zu populären Hula-Rhythmen.

»Ein bisschen kitschig, aber irgendwie hübsch«, meinte Bradley.

»Mir gefällt’s. Wo sonst bekommen Touristen so etwas zu sehen?«

»Ach, viele Orte bieten kulturelle Veranstaltungen für ihre Gäste an. Bestellen wir noch etwas zu trinken, dann gehen wir zurück nach Waikiki zum Dinner und sehen davor noch eine wunderbare klassische Tanzvorführung.«

»Im Zentrum von Waikiki?« Catherine hatte gehofft, dass sie sich von den ausgetretenen Pfaden entfernen und ein landestypisches kleineres Lokal besuchen würden, obwohl dafür vermutlich auch in den nächsten Tagen noch Zeit blieb. Aber es war nett von ihm, dass er ihr erst einmal die glanzvollen Seiten der Stadt zeigen wollte. Waikiki sollte sich schließlich kein Honolulu-Tourist entgehen lassen.

Bradley führte sie in ein weiteres berühmtes altes Hotel, das Moonflower, und erklärte dazu: »Hier gibt es eine Frau, die du sehen solltest, und die Atmosphäre ist wunderbar. Das Hotel ist nach einer süß duftenden Blume benannt, die nur nachts blüht.«

Sie setzten sich auf die Terrasse mit Meerblick, und Bradley bestellte zwei Mai Tais. »Das gehört ebenfalls zur Tradition. Besteht im Wesentlichen aus Ananassaft und Rum.«

»Phantastisch.« Catherine seufzte wohlig, als der allgegenwärtige Passat über die Terrasse strich, die noch ins Rot des Sonnenuntergangs getaucht war. Dann ging der Mond auf, eine Band packte ihre Instrumente aus, und eine schöne, mit langen Blumen-Leis geschmückte Frau in einem figurbetonten hawaiianischen Kleid ging von Tisch zu Tisch, um die Gäste auf der Terrasse und der Veranda des Hotels zu begrüßen.

»Wer ist das?«, flüsterte Catherine, beeindruckt von der Schönheit des Mädchens mit dem aparten Gesicht, der olivbraunen Haut und dem langen gelockten Haar. »Ist sie eine echte Hawaiianerin?«

»Sie heißt Kiann’e. Ich glaube, sie stammt von hier. Wart ab, bis du sie tanzen siehst.«

Kiann’e lächelte sie an und begab sich zu dem Podium vor der Band. Sie plauderte mit den Musikern, die »Lovely Hula Hands« anstimmten, und ging dann zur Mitte der Bühne. Dort ließ die barfüßige Tänzerin, die Arme anmutig erhoben, die Hüften kreisen und hatte dabei die Augen fest auf die Fingerspitzen gerichtet. Sie bewegte sich langsam wie eine sich entfaltende Blume.

»Achte auf ihre Hände, sie erzählen die Geschichte«, sagte Bradley. »Es ist natürlich ein bisschen altmodisch, aber sehr beliebt.«

»Und ich hatte knisternde Baströckchen und wippende Hüften befürchtet«, meinte Catherine. »Das ist großartig. Man muss wohl dafür geboren sein, so tanzen zu können.«

»Ganz sicher. Sie lernen es, kaum dass sie laufen können.« Bradley nippte an seinem Cocktail, der in einer kleinen Ananashälfte, garniert mit einer leuchtend roten Kirsche und einem Papierschirmchen, serviert wurde.

Catherine war fasziniert von der Tanzdarbietung.

Nach der Vorstellung gingen sie zum Dinner ins Restaurant, und Bradley erzählte von seiner Arbeit und dem Leben in Honolulu, das er sehr genoss.

»Wie wär’s mit einem Schlummertrunk?«, schlug er nach dem Essen vor. »Wenn du noch etwas typisch Hawaiianisches sehen willst, könnten wir durch ein paar Tiki-Lounges ziehen.«

»Ich glaube, eine Bar ist für heute Abend genug. Und keine Mai Tais mehr, sie sind heimtückisch.«

Sie fragte sich, wohin er sie entführte, als er in eine Nebenstraße bog, die an einer Zementfabrik vorbei zu einer Lagune führte. Dort stellte er den Wagen an einem Wegweiser mit der Aufschrift »Mariana Sailing Club« ab.

Catherine sah den Yachthafen in der Ferne. »Ist das eine Bar?«

»Ja, die Leute kommen wegen der hawaiianischen Atmosphäre hier. Sie wird seit den fünfziger Jahren von einer Dame geführt, die allerhand Erinnerungsstücke aus alten Lokalen wie dem Trader Vic, Don the Beachcomber und dem Kon Tiki Room aufgekauft hat. Hast du schon mal Exotica gehört? Touristen lieben diese Musik.«

»Nein, ich kenne nur die neuesten Londoner Gruppen.«

»Es ist ein alter Musikstil, der von Martin Denny, Arthur Lyman und Les Baxter begründet wurde, ein polynesischer Mix aus Hawaiimusik, Jazz, Percussion und Klangeffekten wie Froschgequake und Wasserfälle. Vielleicht erkennst du es, wenn du es hörst.«

Was Catherine bezweifelte. Das hier war nicht nur meilenweit von der Country Music aus Peel entfernt, sondern eine völlig andere Welt.

Der Raum war bunt beleuchtet, Decke und Wände waren aus Bambus. Am Eingang thronten geschnitzte, grimmig blickende Tiki-Götter. Farbige Glaskugeln baumelten an Schnüren neben Plastikpalmen, und in einer Ecke ergoss sich ein kleiner Wasserfall in ein Becken, das in allen Farben funkelte. Ein großer künstlicher Frosch hockte auf einem Lilienblatt. Die Kellner trugen Hawaiihemden und weiße Shorts, die Kellnerinnen bunt bedruckte trägerlose Minikleider, die viel gebräuntes Bein frei ließen.

»Hier arbeiten eine Menge Kalifornier«, erklärte Bradley. »Sie kommen, um zu surfen.«

»Du weißt viel über Honolulu nach so kurzer Zeit.«

Er lächelte. »Seeleute finden schnell heraus, wo etwas los ist, das macht im Nu die Runde. Nicht dass ich in alle Kneipen ginge, die da empfohlen werden.«

Sie bestellten etwas zu trinken, aber als die Musik einsetzte, wurde die Verständigung schwierig, und so steckten sie die Köpfe zusammen, um sich zu unterhalten. Und als Catherine gerade erklärte, dass es in Londoner Clubs ganz anders zuging, küsste Bradley sie auf die Lippen. Ein langer Kuss, der ihr durch und durch ging.

Sie tanzten zu einem langsamen Stück, weil Bradley keine schnellen Tänze mochte.

»Meine Mutter hat mich in Tanzkurse geschickt. Auf dem College habe ich dann als Partner der Tanzlehrerin ausgeholfen und mir damit etwas Geld verdient.« Er zog sie enger an sich. »Ich wollte keinesfalls, dass die Kommilitonen meiner Studentenverbindung davon erfahren. Sie waren im Footballteam. Siehst du, jetzt habe ich dir mein dunkelstes Geheimnis verraten.«

Catherine lachte.

Eng umschlungen tanzten sie auch zur nächsten Nummer. Catherine spürte die wachsende erotische Anziehungskraft zwischen ihnen. Als das Stück endete, nahm er sie bei der Hand und führte sie von der Tanzfläche.

»Noch etwas zu trinken?«

»Nein, ich würde gern gehen, wenn es dir nichts ausmacht. Der Jetlag macht sich bemerkbar.«

Vor dem Hotel öffnete er ihr den Wagenschlag. Es war spät, niemand vom Personal erschien. Von einem tief hängenden Zweig eines Frangipanibaums pflückte Bradley eine cremefarbene Blüte und überreichte sie ihr.

»Leg sie auf dein Kopfkissen, dann weißt du, dass du in den Tropen bist.«

Catherine atmete den Blumenduft, die sanfte Brise, den Salzgeruch tief ein. Von ferne wehten Musik, Stimmen und das leise Plätschern der Wellen an ihr Ohr. »Ein wunderbarer Abend. Danke, Bradley.«

»Das finde ich auch.« Sein Gutenachtkuss war leidenschaftlicher denn je. Catherine legte die Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Ein bisschen außer Atem lösten sie sich voneinander. Bradley lächelte und streichelte ihre Wange.

»Schlaf gut. Wir sehen uns morgen nach der Arbeit. Wenn ich früher Schluss machen kann, würde ich dir gern etwas zeigen.«

»Ganz wie du möchtest. Du bist wirklich großzügig.«

»Ich wünschte, ich könnte jeden Augenblick mit dir verbringen … solange du hier bist.« Schon im Gehen fügte er hinzu: »Wir machen das Beste daraus, ja?«

Catherine nickte. Sie wusste, dass er ihr nachsah, als sie die weißen Steinstufen zur Hotellobby hinaufschritt. Er wartete, bis sie hinter der Tür verschwunden war, ehe er losfuhr.

 

Am nächsten Morgen nahm Catherine den Bus zum Ala Moana Shopping Centre und stöberte in den dortigen Geschäften – Liberty House,Sears und Shirokiya sowie Andenkenläden, die sich drumherum angesiedelt hatten – nach hawaiianisch aussehenden Geschenken für Freunde und Verwandte. Sie kaufte einige Flaschen Hawaiiblumenparfum und wattierte Topflappen und Kissenbezüge, bedruckt mit farbenprächtigen Blumen und Palmen, die ihrer Mutter bestimmt gefallen würden. Dann ging sie in eine Boutique namens Carol and Mary, probierte Kleider an und kaufte einen Badeanzug. Als sie bezahlte, kam Kiann’e, die Tänzerin aus dem Moonflower, herein und wurde von der Inhaberin überschwenglich begrüßt. Kiann’e lächelte Catherine zu.

Catherine erwiderte das Lächeln. »Entschuldigen Sie, ich habe sie gestern Abend tanzen sehen, es war großartig.«

»Danke«, erwiderte die schöne junge Frau. »Haben Sie hier etwas gefunden?«

Catherine hielt die rosa Tüte in die Höhe. »Einen neuen Badeanzug.«

»Super. Die haben schöne Sachen hier.«

»Ja. Mir haben die Kleider gefallen, die Sie bei Ihrer Vorstellung getragen haben. Kaufen Sie die auch hier?«

»Danke für das Kompliment. Nein, meine Tante näht meine Holomuus im alten Stil. Hier kaufe ich ein, wenn ich mich modern fühlen möchte.«

Catherine lachte. »Na, wenigstens kommen Sie damit nie aus der Mode.«

»Hoffentlich nicht. Mit den Tänzen, meine ich. Wir bringen sie schon unseren Kindern bei, damit die Tradition weiterlebt.«

Sie sprach in einem singenden Tonfall, und Catherine dachte, sie habe noch nie eine so schöne Frau gesehen. Kiann’e war in Catherines Alter, vielleicht ein bisschen älter. Bei ihrer glatten olivbraunen Haut und den klassischen Gesichtszügen war das schwer zu sagen.

Kiann’e schenkte ihr noch ein ansteckendes Lächeln. »Viel Spaß mit dem Badeanzug. Viel Spaß in Hawaii.«

 

»Wohin entführst du mich?«, fragte sie am Spätnachmittag, als Bradley mit ihr am vielstöckigen Kaiser Hospital am Ala-Wai-Yachthafen vorbeifuhr.

»Ich möchte dir Pearl Harbor zeigen – das Arizona-Memorial.«

»Oh, das amerikanische Kriegsschiff, das versenkt wurde. Danach trat Amerika in den Krieg ein, oder?«

»So ist es. Die gesamte Siebte Flotte wurde angegriffen. Im Dezember 1941. Für mich als Marineangehörigen hat das große Bedeutung.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Offensichtlich liebte Bradley die Navy genauso wie sein Vater und sein Großvater vor ihm.

Catherine schwieg, als sie vor dem Besucherzentrum parkten, wo die Beiboote ablegten, um die Besucher zu dem seltsam geformten weißen Mahnmal zu bringen, das im Hafen schwamm.

Es war schon spät am Tag, außer ihnen stiegen nur zwei weitere Paare zu. Die Besatzung des Bootes, das die versunkenen Überreste der USSArizona ansteuerte, bestand aus Marinesoldaten in schmucken Uniformen.

Die sechs Besucher kletterten auf das Mahnmal, und als sie den zentralen Versammlungsraum betraten, nahm einer der Männer einen Blumenstrauß von seiner Frau entgegen, warf ihn hinaus ins Wasser und salutierte. Auch Bradley nahm eine stramme Haltung an, alle verstummten. Nach einer Weile nahm Bradley Catherine an der Hand und wies auf die Überreste des versenkten Schiffs, das durch die Luke zu sehen war.

»Das Mahnmal berührt das Schiff nicht … dort unten liegen über tausend Mann begraben«, erklärte Bradley. »Wenn du genau hinsiehst, kannst du erkennen, dass aus der Arizona immer noch Öl austritt.«

Catherine schauderte. Der Gedanke, dass sie über dem Grab all dieser jungen Männer stand, war bedrückend.

Im Schrein am anderen Ende des Mahnmals befand sich eine Marmorwand, auf der die Namen aller Gefallenen eingraviert waren. Man unterhielt sich nur im Flüsterton.

Catherine sah Bradleys feierliche Miene. »Denkst du manchmal darüber nach, wie es ist, in den Krieg zu ziehen?«

Er überlegte kurz, dann erwiderte er: »Ich glaube, wenn du dich entscheidest, deinem Land zu dienen, nimmst du die Dinge, wie sie kommen.«

»Ganz gleich, ob du die Gründe, die dahinterstecken, billigst oder nicht?« Catherine dachte an die Berichte über die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die sie zu Hause und in London im Fernsehen gesehen hatte.

»Wie gesagt, man entscheidet sich, seinem Land zu dienen. Ich vertraue unserer Regierung. Die Öffentlichkeit weiß nicht immer, was hinter den Kulissen vor sich geht.« Er nahm ihren Arm. »Danke, dass du mitgekommen bist. Ich dachte, so bekommst du ein Gefühl für die Geschichte dieser Insel.«

»Ja. Danke, dass du mich mitgenommen hast.« Der Ausflug hatte Catherine verdeutlicht, wie wichtig die Marine für Bradley war. Als das Boot sie zurück zum Besucherzentrum brachte, legte Bradley den Arm um sie.

»Bist du bereit für eine andere hawaiianische Institution?«, fragte er. »Etwas Romantisches?«

»Gerne. Wo fahren wir hin?«

»Es ist ein Live-Konzert – Don Ho in der Beachcomber Lounge. Aber ich dachte, wir nehmen zuerst einen Cocktail unter dem Banyanbaum. Du kannst dich für die Show noch umziehen, sie fängt erst später an. Natürlich kannst du auch so bleiben. Du bist wunderschön, egal was du trägst.«

»Ich habe heute ein paar Sachen gekauft, unter anderem ein Kleid, das ich heute Abend gerne anziehen würde. Das ist sehr aufmerksam von dir.« Allmählich wurde ihr klar, dass Bradley wirklich sehr aufmerksam war – und alles genau plante.

Sie setzten sich auf ihren Stammplatz unter dem Banyanbaum. Als ein Kellner erschien, bestellte Bradley einen Mai Tai für Catherine und einen Tom Collins für sich. Sie fragte sich, was das wohl war, und hätte lieber etwas anderes genommen als den süßen, heimtückischen Mai Tai, aber sie wollte Bradleys Gefühle nicht verletzen.

»Und bringen Sie uns noch eine Platte Pupus«, fügte Bradley hinzu.

Catherine sah ihn fragend an.

»Das sind kleine Snacks, hawaiianische Vorspeisen«, erklärte er.

Sie naschten von den Leckerbissen, und Catherine nahm noch einen zweiten Mai Tai, an dem sie langsam nippte, denn sie fühlte sie vom ersten schon ein wenig benommen. Sie redeten und redeten. Catherine fand Bradley unheimlich unterhaltsam und interessant. Das Gespräch mit ihm plätscherte unbeschwert dahin, ohne dass sie sich je ein neues Thema überlegen musste oder rätselte, was sie als Nächstes sagen sollte.

Bradley sah auf die Uhr. »Möchtest du noch hinaufgehen und dich umziehen?« Catherine wäre lieber hier geblieben, denn die Sonne war schon untergegangen, es wurde kühl, und Hof und Strand waren fast menschenleer.

»Ist dein Zimmer in Ordnung?«, fragte er, als er ihr den Stuhl wegrückte.

»Ja. Von dem kleinen Balkon, dem Lanai, hat man einen großartigen Blick auf den Diamond Head. Komm doch mit rauf. Ich brauche nur einen Moment zum Umziehen.«

Bradley grinste. »Das höre ich gern. Kein stundenlanges Theater und Getue mit der Frisur.«

Der Raum war mit einfachen Möbeln aus dunklem Holz ausgestattet; frische weiße Laken, das Moskitonetz über dem Bett und ein Blumengesteck aus wachsartigen roten Flamingoblumen mit spitzigen grünen Blättern auf dem Kaffeetisch verstärkten den klaren, geordneten Eindruck. Auf dem Nachttisch stand eine Schale mit Mondblüten. Allein auf engstem Raum mit ihm fühlte sich Catherine plötzlich ein wenig unbehaglich. Bradley schien es nicht zu bemerken. Er ging auf den Lanai hinaus und genoss den Blick auf den Diamond Head und den Strand, den die Lichter der Hotels belebten.

»Bin gleich wieder da.« Catherine griff nach dem Kleid und den Sandalen und verschwand im Badezimmer. Dort schlüpfte sie aus ihren Sachen und legte den BH ab. Das neue Kleid war tief ausgeschnitten und rückenfrei. Sie bürstete ihr Haar und band es zu einem Pferdeschwanz, den sie zu einem Knoten aufsteckte. Ein paar lockige Strähnchen lösten sich und umspielten ihr Gesicht. Zuletzt frischte sie ihr Make-up auf, besprühte sich mit dem neuen Pikake-Parfum, legte baumelnde Ohrringe an und schlüpfte in Silbersandalen.

Bradley, der am Balkongeländer lehnte, richtete sich auf, als er Catherine kommen hörte. Staunen malte sich auf seinem Gesicht, als er sich umdrehte. »Catherine, du siehst wunderbar aus, einfach umwerfend. Das Kleid gefällt mir.«

Vergnügt drehte sie sich vor ihm im Kreis. »Ich versuche nur, mit den Einheimischen mitzuhalten.«

»Du brauchst eine Blume im Haar.« Er nahm sie an der Hand, führte sie ins Zimmer zurück, nahm eine Mondblumenblüte aus der Schale und steckte sie ihr ins Haar. »Perfekt.« Er neigte sich über sie und küsste sie zärtlich.

Aber seine Lippen lösten sich nicht von ihren, und Catherine ertappte sich dabei, dass sie die Arme um seinen Hals schlang, sich an ihn schmiegte und seine immer leidenschaftlicheren Küsse erwiderte. Überwältigt von Sehnsucht und Verlangen fielen sie aufs Bett. Catherine streifte die Schuhe ab und zerrte an Bradleys Hemd, während er die Bänder ihres Kleides löste. Aber als sie eng umschlungen nackt beieinanderlagen, rückte Bradley ein Stück von ihr ab und sah ihr in die Augen.

»Ich bin mir nicht sicher, ob wir das tun sollten.«

»Warum nicht? Es ist alles gut«, murmelte sie.