Der Mann auf der Bettkante - Evelyn Holst - E-Book
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Der Mann auf der Bettkante E-Book

Evelyn Holst

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Beschreibung

Von Altwerden war nie die Rede! Der humorvolle Liebesroman »Der Mann auf der Bettkante« von Evelyn Holst als eBook bei dotbooks. Na bravo! Ihre Glanzzeiten als Star-Journalistin sind eindeutig vorbei, denkt sich die Hamburgerin Marlene, als sie nur noch Reportagen wie »Sex im Altersheim« aufgedrückt bekommt. Und für die Recherche braucht sie nicht mal mehr vor die Tür gehen, denn mit ihrem Mann Hans-Joachim läuft in puncto Leidenschaft schon lange nichts mehr … Unverhofft stößt sie jedoch auf eine brandheiße Story – und die führt mitten auf den Kiez: Fest entschlossen, sich mit einer »Sex and the City«-Kolumne neu zu erfinden, geht Marlene auf die Jagd nach pikanten Geheimnissen. Wer weiß, vielleicht könnte sie ja auch mit dem ein oder anderen Kniff ihre Ehe wiederbeleben? Doch ihr neugewonnenes Selbstbewusstsein scheint nicht nur auf Hans-Joachim Eindruck zu machen, sondern auch auf Schorse, den König vom Kiez ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der turbulente Beziehungsroman »Der Mann auf der Bettkante« von Evelyn Holst wird Fans von Susanne Fröhlich und Gaby Hauptmann begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 246

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Über dieses Buch:

Na bravo! Ihre Glanzzeiten als Star-Journalistin sind eindeutig vorbei, denkt sich die Hamburgerin Marlene, als sie nur noch Reportagen wie »Sex im Altersheim« aufgedrückt bekommt. Und für die Recherche braucht sie nicht mal mehr vor die Tür gehen, denn mit ihrem Mann Hans-Joachim läuft in puncto Leidenschaft schon lange nichts mehr … Unverhofft stößt sie jedoch auf eine brandheiße Story – und die führt mitten auf den Kiez: Fest entschlossen, sich mit einer »Sex and the City«-Kolumne neu zu erfinden, geht Marlene auf die Jagd nach pikanten Geheimnissen. Wer weiß, vielleicht könnte sie ja auch mit dem ein oder anderen Kniff ihre Ehe wiederbeleben? Doch ihr neugewonnenes Selbstbewusstsein scheint nicht nur auf Hans-Joachim Eindruck zu machen, sondern auch auf Schorse, den König vom Kiez ...

Über die Autorin:

Evelyn Holst studierte Geschichte und Englisch auf Lehramt. Nach dem ersten Staatsexamen arbeitete sie dreizehn Jahre als Reporterin für den »Stern«, u. a. als Korrespondentin in New York. Für ihre Reportage »Es ist so still geworden bei uns« wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Seitdem verfasste sie zahlreiche Romane, die auch verfilmt wurden, sowie Originaldrehbücher für Fernsehfilme. Evelyn Holst ist mit dem Filmemacher Raimund Kusserow verheiratet, mit dem sie gemeinsam zwei erwachsene Kinder hat.

Bei dotbooks veröffentlichte Evelyn Holst auch ihre Romane »Aus Versehen Liebe«, »Ein Mann aus Samt und Seide«, »Du sagst Chaos, ich sag Familie«, »Ein Mann für gewisse Sekunden«, »Gibt’s den auch in liebenswert?« und »Ein König für gewisse Stunden«.

Ebenfalls bei dotbooks erscheint ihre Hamburg-Krimireihe:

»Die Sünde – Alexa Martini ermittelt«

»Der Verdacht – Alexa Martini ermittelt«

»Das Verlangen – Alexa Martini ermittelt«

***

eBook-Neuausgabe Juli 2022

Copyright © der Originalausgabe 2004 by Ullstein Buchverlage GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Sarema / shutterstock.com, Plateresca / shutterstock.com und Naticka / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-346-6

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***

In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt und geschrieben wurde – und als solches von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Evelyn Holst

Der Mann auf der Bettkante

Roman

dotbooks.

Vorbemerkung der Autorin

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeit wäre zufällig.

Dieses Buch ist Georg und Hans-Jürgen gewidmet, deren Sach- und Frauenkenntnis ich wesentliche Elemente des Romans verdanke.

Kapitel 1

Marlene

Lieber Gott, warum sind Ehepaare so langweilig?

Es war einer dieser geselligen Kollegenabende ‒ »Kommt doch auf eine Nudel und ein Glas Wein vorbei« und ich mopste mich so schrecklich, daß ich bereits drei Weißbrotscheiben zu kleinen unappetitlichen Kügelchen gedreht hatte. Auch mein Ehemann Hans-Joachim hatte diesen leicht glasigen Blick, der nichts mit dem üppigen Ausschnitt der rechts neben ihm platzierten Lehrerin zu tun hatte, vielmehr mit ihrem Klagelied über ewig verschmutzte Wandtafeln: »Und dann sag ich zum Schulleiter, Dr. Müller-Wiesenbach, sag ich, wie soll ein vernünftiges Tafelbild entstehen, wenn meine Schüler ständig die Tafel vollsprayen? Und wissen Sie, was er da geantwortet hat?« ‒ »Sie werden’s mir gleich sagen.« Jos Stimme hatte einen, wenn auch nur für mich erkennbaren »Ach-könnte-ich-doch-jetzt-in-meinem-Bett-liegen«-Klang. ‒ »Frau Stummel, sagt er, haben Sie schon mal was von Terpentin gehört?«

Wir waren vier Paare, eingeladen von meinem Kollegen Martin Kleinschmidt, der, genau wie ich, Reporter bei Dolce Vita war. Ein Zeitungsname, der leider trog, denn unser Leben dort war weder süß noch sonstwie aufregend. DV war vor zehn Jahren als Zeitgeistmagazin gegründet worden, als Yuppieblatt amerikanischen Zuschnitts, doch die wilden, koksumwehten Achtziger waren vorbei ‒ leider, wie ich insgeheim fand ‒, und in den Neunzigern wirkte unser Blatt plötzlich seltsam zweitgeistig. Familien- und Naturthemen waren jetzt gefragt sowie plumpe Sexgeschichten, und beides langweilte mich eigentlich gnadenlos.

Da unsere Auflage ständig sank, war der nette, etwas bauchlastig-cholerische Chefredakteur Manfred Prieß mit einem »goldenen Händeschütteln« ‒ man munkelte etwas von zwei Millionen ‒ vor drei Monaten verabschiedet worden. Statt seiner residierte nun der ehemalige Schrotthändler ‒ danach VW-Pressechef ‒ Jürgen Michaelsen im Penthouse-Büro unseres Verlagshauses in Hamburg-Süd, da, wo Hamburg am industriellsten, deshalb am trübsinnigsten und umweltverseuchtesten ist. Michaelsen, den die Branche den »Staubsaugervertreter« nannte, war ein alerter Hesse mit Oberlippenbart, goldumrandeten Jacketkronen und einem durch nichts zu erschütternden Selbstvertrauen. »Ich bin nicht schlauer, aber stärker«, pflegte er aufmüpfige Redakteure in die Schranken zu weisen, wenn diese etwa wissen wollten, warum sie übers Wochenende einen Bericht über »Die deutsche Eiche« verfassen sollten ‒ ein Thema, das einem ja nicht direkt auf den Nägeln brennt.

Zu jeder Konferenz brachte er eine Büroklammer und einen Computerausdruck mit, auf dem von jedem, wie er sich gern ausdrückte, »in Fettlebe überbezahlten«, aber leider festangestellten Redakteur eine Liste seiner veröffentlichten Geschichten vermerkt war. »Nur 14 Geschichten, Herr Kleinschmidt, Sie werden pro Wort besser bezahlt als John Grisham«, hatte er gestern den armen Martin zusammengestaucht, der sowieso zu Magenproblemen neigte. »Reißen Sie sich zusammen, sonst schrecke ich auch vor einer Urlaubssperre nicht zurück.« Nach diesem Ausbruch war seine Büroklammer zum Einsatz gekommen, mit der er sich einen leicht schleimigen Kantinenrest aus den Zähnen holte.

Martin saß deshalb etwas vergrämt vor seinen Spaghetti mit Gorgonzolasauce. Existenzängste plagten ihn, denn mit 47 Jahren und drei schulpflichtigen Kindern war er nicht gerade der Hit auf dem Zeitungsmarkt. Ein Abend unter Freunden, so hatte seine Frau Erika gehofft, würde ihn wieder auflockern. Deshalb stupste ich ihn freundschaftlich in die Rippen: »Was macht dein Sexlife, Kollege?« Ich wollte ihn eigentlich nur von seinen Grübeleien ablenken, war deswegen nicht gefaßt auf seine vehemente Reaktion: »Lausig, wie der Rest meines Scheißlebens. Reicht dir die Antwort?«

Totenstille. Betretene Blicke. Dann räusperte sich Erika energisch: »Wer möchte noch ein bißchen Parmesan über die Nudeln?«

Auffordernd schaute ich meinen Mann an. Tu etwas, hieß dieser Blick, erzähl einen Schwank aus deiner verdammten Arztpraxis.

Er runzelte die Stirn. Joachim ist eigentlich ein guter Schwankerzähler, der seine Gags richtig timt und ein Gefühl für Situationskomik hat, doch heute Abend war er bocklos. Ich legte deshalb Stechendes in meinen Blick. Ein schneller, harter Fußtritt unter dem Tisch folgte.

»Sagt mal, Leute«, fing er dann ergeben an, »hab ich euch schon die Geschichte von dem alten Mann und den Blutegeln erzählt?«

»Nein, hast du nicht«, riefen alle erleichtert, während ich spitz und hart zutrat.

»Meinst du nicht, Liebling?« Ein erstaunter Blick aus Joachims Augen. »Zu pikant?«

»Zu unappetitlich«, seufzte ich, denn, obwohl hartgesottene Reporterin, fand ich die Vorstellung von halbaufgelösten Blutegeln an männlichen Geschlechts… Stop, rief ich mich zur Ordnung.

»Welche denn?« fragte mein Mann in die neugierige Stille. »Die, wo der junge Krankenpfleger abends die Gebisse einsammelte und in eine Schüssel legte und morgens …«

»Diese Story ist doch ein uralter Hut«, unterbrach ihn Martin mürrisch. »Die hab ich schon mindestens 193mal gehört. Und morgens dauerte es dann Stunden, bis jedes Gebiß wieder in der richtigen Mundhöhle war.«

Joachim schwieg. Eine kleine, ärgerliche Ader pochte an seiner Schläfe. Er holte tief Luft ‒ auch dieser Abend wird vorübergehen. »Dann vielleicht die, wo ich als junger Spund allein auf der Intensivstation war und mir drei Leute wegstarben und die Frau anrief und ich sagte, ihr Mann ist tot, und sie fiel in Ohnmacht, weil er mit einer harmlosen Blinddarmentzündung eingeliefert worden war, und er war auch quietschgesund, weil ich nämlich die Toten in meinem Streß einfach verwechselt hatte?«

Die Gäste guckten gelangweilt.

»Oder etwa die mit den Pampers und dem Furz?« fragte der frustrierte Erzähler provokant in die Runde.

»Ja, schieß endlich los«, riefen die Gäste. Martin, der es mit dem Magen hatte, murmelte etwas von »Ich geh mal neuen Wein holen« und verschwand.

Kapitel 2

Hans-Joachim

Manchmal hasse ich meine Frau. Immer muß ich als Pausenclown ran, wenn die Stimmung wieder mal daneben ist. Schließlich sind es ihre verdammten Kollegen.

Na gut. Seufz.

Natürlich gehörte es nicht zu meinen Dienstpflichten als Arzt, daß ich an diesem trüben Apriltag, in meiner knappen Mittagspause, mit Frau Ella Seifert vor den Adult Pampers bei Safeway stand und ihr das riesige Windelpaket in den Einkaufswagen wuchtete. Aber erstens muß ich als Neuzugelassener um meine Patienten buhlen ‒ der Chef meiner HASPA-Filiale nähert sich mir nur noch mit tief gerunzelter Stirn, so turmhoch sind leider meine Kreditzinsen ‒, und zweitens hat Rudolf Seifert mit 82 Jahren das gute Recht, sein Wasser nicht mehr halten zu können.

»Braucht Ihr Mann Extra, oder reicht der normale Nässeschutz?« fragte ich behutsam und musterte die Packung, auf der zwei Kukident-Grinser den Käufer anlächelten.

»Seit einer Woche Extra«, murmelte Ella Seifert beschämt, und ich nahm sie kurz in den Arm, bevor wir mit dem Ungetüm zur Kasse rollten.

»Kein Preis drauf«, sagte die krisselgewellte Kassiererin unwillig, drehte sich zur Kollegin um und rief: »Marion, was kosten die Pampers für Omas?«

»Keine Ahnung, meine Oma macht nicht in die Hose«, rief diese zurück, und beide kicherten, während Ella Seifert ihre Hand ums Portemonnaie krampfte und einen kleinen Tod starb.

Da wurde ich gallig. »Werden Sie auch für Frechheit bezahlt oder nur für Unfähigkeit?« herrschte ich die Schamhaargewellte an, als sie zurückkam und 39,75 € in die Kasse tippte. Als sie bluthochgedrückt nach Luft schnappte, beschied ich sie kurz: »Ein Wort, und ich beschwere mich bei Ihrem Chef.« Zurück im Auto ‒ ein Volvo Baujahr ’84, mehr war noch nicht drin ‒, sagte ich entschuldigend zu dem Häufchen Elend auf dem Beifahrersitz: »Tut mir leid, Ella, aber die Frau war wirklich unverschämt.«

Frau Seifert schniefte: »Ich bin Ihnen ja auch sehr dankbar, Herr Doktor, daß Sie mir diese Schlepperei abnehmen …«, dann versagte ihr die Stimme.

Ella Seifert war 78 Jahre alt und meine Lieblingspatientin. Ich hatte sie von meinem Vorgänger, Dr. Dr. (auf diesen Doppeltitel legte er größten Wert) Werner Hagemeister übernommen, der bis ins hohe Alter von 87 Jahren als Arzt für Allgemeinmedizin praktiziert hatte, bis er nach dem dritten Herzinfarkt das Stethoskop aus der zitternden Hand legen mußte. Seine Praxis lag in Hamburg-Lurup, dem No-Name-Stadtteil zwischen Altona und Othmarschen, bedauerlicherweise eine fast lupenreine Kassenpatientengegend. Da außerdem Hagemeisters Geräte allesamt veraltet waren und die Praxisräume dringend renovierungsbedürftig, konnte er als Ablösesumme nicht mehr als 150 000 € erwarten, ein Schnäppchen, für das ich mich auch sofort hoch verschuldete.

Kapitel 3

Einschub Marlene

Seufz und noch mal seufz. Die Geister, die ich rief. Jetzt war er nicht mehr zu bremsen. Verstohlen schaute ich in die Gästerunde. Höflichstiere Blicke trafen sich über dem abgenagten Eßtisch, Zeichen dafür, daß man sich mäßig gut unterhalten fühlte. Scheißabend. Gleich würde das Klagelied über seine anspruchsvolle Ehefrau kommen, und wie schwer man es als neuzugelassener Arzt hatte, und wie ich unsere feuchte Drei-Zimmer-Wohnung in Altona verabscheute, obwohl sie doch so pittoresk mitten im Türkenviertel lag … und bla und bla und bla …

Kapitel 4

Hans-Joachim kommt wieder zu Wort

Ich dagegen liebe die Wohnung. Im Hausflur riecht es gelegentlich nach Kohl, okay, und wenn man die Küchenbalkontür, die zum Hof rausgeht, gerade dann öffnet, wenn über uns die Türkenfamilie kocht, dann fliegen manchmal Lammknochen und Bananenschalen auf unseren Balkon. »Fatima, du hast schon wieder am Ascheimer vorbeigezielt«, schreit Marlene dann wütend die Häuserwand hoch.

»Tut mir leid«, schreit Fatima dann zurück, »ich hab meine Brille verlegt.«

Ich finde so was irgendwie lokalkolorisch, aber meine Süße, die in der Elbchaussee aufgewachsen ist, der richtigen Seite, mit Blick auf den Fluß, betreut von Nannies, weil ihre Mutter lieber Bridge gespielt hat, statt Windeln zu wechseln, meine Süße also ist durch diese nachbarliche Tuchfühlung schwer genervt.

Kapitel 5

Zweiter Einschub Marlene ‒ ein Ehepaar erzählt ’ne Geschichte

Diesmal trat ich richtig zu. »Au«, kreischte Frau Stummel, »wer tritt mich denn da?« Sie hob die Tischdecke hoch und schaute unter den Tisch. Ich setzte derweil meinen »Ich-hab-den-Finger-ja-nur-im-Marmeladentopf-weil-ich-die-Temperatur-testen-wollte«-Blick auf.

»Wo war ich?« fragte Joachim in die Runde.

»Bei den Windeln und deiner Frau«, seufzte Martin ergeben, der diesen Abend abgeschrieben hatte.

Kapitel 6

Hans-Joachim ist wieder am Mikro

»Herr Doktor«, unterbrach Ella Seifert meinen trüben Gedankenfluß, »haben Sie noch Lust auf eine Kohlroulade?«

»Sehr sogar«, antwortete ich, und sie strahlte.

Da Marlene eine Magenschleimhautköchin ist, sprich, ihre Künste dieselbe eher unangenehm reizen als angenehm befriedigen, hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mich in den Mittagspausen von meinen älteren Patientinnen bekochen zu lassen. (Na warte, bis wir nach Hause kommen, Bürschchen! Anmerkung der Ehefrau.)

Um meinen Patientenkreis zu halten bzw. zu vergrößern, machte ich nämlich, was bei etablierten Kollegen längst nicht mehr üblich ist, regelmäßig Hausbesuche. Auf diese Weise kann ich fleischliche (natürlich nur ehrenhafte) und finanzielle Gelüste gut verbinden, und die alten Damen, zumeist verwitwet und einsam, reißen sich förmlich darum, ihren »Herrn Dockter« mit deftigen Speisen zu verwöhnen. Als ehemaliges Kleinbürgerkind schere ich mich den Teufel um solche Albernheiten wie Cholesterin oder die schädlichen Auswirkungen von Schweinefleisch ‒ ich liebe Blutwürste, Sülzen, Saumagen, Kutteln, sehr zum Entsetzen meiner nouvelle-cuisinigen Ehefrau, die bereits Spaghetti mit Pestosauce für den Inbegriff ungesunden Schweigens hält.

Die Seiferts wohnen in der Flurstraße, einer Sackgasse mit ausschließlich rotgeklinkerten 50er-Jahre-Häusern, an denen außen Schilder spielende Kinder und abgestellte Fahrzeuge schwerstens verwarnen und innen vermiefte Treppenhäuser in kleine Zwei- bis Dreizimmerwohnungen führen. Vor den Fenstern hängen Spitzenstores, auf den Simsen fristen Usambaraveilchen und kleine, häßliche Kakteen ein trübsinniges Pflanzendasein. Alle Sofakissen haben einen Knick, und im Bad riecht es meist nach Tante Käthe unterm Arm, sorry, Ella, nicht nach unter deinem natürlich.

Rudolf Seifert saß also auf dem Sofa, eine braunorange Häkeldecke über den Knien, und starrte blicklos in den Fernseher. »Papa, der Dockter ist da«, sagte Ella liebevoll und küßte ihn auf die Glatze. Papa sagte nichts mehr. Er war in dem bereits halb jenseitigen Stadium, in dem man oft nicht weiß, will er nicht reden, schläft er mit offenen Augen oder ist er schon tot?

»Ich wärm schon mal die Kohlrouladen auf«, sagte Frau Seifert, »Sie kennen sich ja hier aus.«

Sie verschwand in der Küche, und ich schob meine Hand vorsichtig unter das weißgerippte Unterhemd meines Patienten. Sein Herzschlag war regelmäßig, nur in den Lungen rasselte es ‒ er war Bergmann gewesen. Die Haut war seidig und ließ sich locker hin- und herschieben, und sie roch sehr angenehm nach Zimt und feuchten Herbstblättern.

Viele halten mich für pervers, aber ich schnüffel genausogern an Babies wie an betagten Oldies.

Kapitel 7

Marlene, halt endlich den Mund!

Ich werd doch wohl noch reden dürfen! Er läßt heute Abend wirklich nichts aus. Ich bin sicher, daß uns die Kleinschmidts nach diesem Abend endgültig von ihrer Gästeliste streichen.

Kapitel 8

Hans-Joachim setzt zur Pointe an

Papa Seiferts Blick blieb unverwandt auf den Bildschirm gerichtet, auf dem einer unserer geschniegelten Nachrichtensprecher gerade die täglichen Unglücksmeldungen verlas. »Wie geht’s denn so?« fragte ich, keine Antwort erwartend. »Klopft Ihnen denn Ella auch immer schön den Schleim von der Brust?«

Aus der Küche schwebten Kohlgerüche, meine Nasenflügel blähten sich in Vorfreude, als sich, laut und ohne Vorwarnung, ein gigantischer Furz aus den Tiefen der Häkeldecke löste ‒ und sich Sekunden später in geradezu nasenbetäubenden Gestank auflöste.

»Hallo, Herr Doktor«, sagte Rudolf Seifert freundlich, und seine Augen waren klar und amüsiert, »und wie geht es Ihnen?«

Kapitel 9

Anmerkung Marlene

Beifallheischend schaute mein Kleiner in die Runde. Keine Miene verzog sich. Ob sie die Geschichte geschmacklos fanden? Ihr Problem. Trotzdem sprang ich ein: »Ha, ha, ha« ‒ ich merkte selbst, wie gekünstelt es klang ‒ »das ist ja eine irre Geschichte, die hab ich ja noch nie gehört! Und was hast du dann gemacht?«

Dankbar und verlegen blickte mich mein Göttergatte an. »Mir geht es gut, hab ich einfach gesagt.«

Nicht gerade die große Knüllerantwort. Ich blickte diskret zur Uhr. Elf Uhr durch ‒ das hieß, die 25. Wiederholung von Was gibt’s Neues, Pussy? auf Pro 7 hatte gerade angefangen. Der Bettzipfel winkte energisch.

Kapitel 10

Im Auto

»Gott, was für ein langweiliger Abend.«

»Sind wir eigentlich genauso öde wie die anderen?«

»Ich fürchte, schon.«

»Macht das die Ehe oder unser Alter?«

»Ich fürchte, es ist eine Kombination von beidem.«

»Danke, Liebling, das war wirklich aufbauend.«

»Da nich für, wie der Hamburger sagt.«

»Der Hamburger kann manchmal ganz schön doof sein.«

»Hast du heute Abend noch Lust?«

»Haben wir nicht erst vor einer Woche?«

»Das muß schon länger her sein. Mindestens drei.«

»Wie wäre es, wenn wir uns einfach nur gegenseitig die Füße massieren und dabei den Spätfilm sehen?«

»Gute Idee, aber wenn du einschläfst, hör ich sofort auf.«

Kapitel 11

Marlene im Büro von Dolce Vita

»Auch ein 80jähriger kann noch einen Orgasmus erleben«, grinste Erwin Bailauer und schaute verliebt auf seine 78jährige Geliebte Ida Kufstein. »Es dauert etwas länger bei uns, aber dafür sind wir dankbarer als das Jungvolk.«

Ende. Ausdrucken. Ich zog die schmerzenden Schultern hoch, ließ sie rotieren, holte mißmutig eine der Lakritzstangen, die ich mir als Nikotinersatz gekauft hatte, aus der Schreibtischschublade und kaute. »Sex im Altersheim« hieß die Reportage, die mir meine Ressortleiterin Jenna Wissbach aufs Auge gedrückt hatte.

»Du mußt von diesen ständigen Tittenstories runterkommen«, hatte sie streng gesagt, »das ist nicht mehr angemessen in deinem Alter. Wie alt bist du jetzt? 36? 38?«

»34«, antwortete ich, tief beleidigt.

»Trotzdem«, fuhr sie ungerührt fort, »je eher du was Anspruchsvolles machst, etwas mit Sozialmief, desto schneller wirst du von der Chefredaktion ernst genommen.« Ausgerechnet die Chefetage. Von der seit einer Woche preßluft-hämmrige Geräusche durchs gesamte Haus dröhnten, weil einer der stellvertretenden Chefredakteure ‒ es gab deren insgesamt vier ‒ festgestellt hatte, daß sein Büro zwei Quadratmeter kleiner war als das seiner Kollegen. So könne er nicht arbeiten, meinte er, diese Enge schnüre ihm die Kreativität ab. Da Michaelsen keinen Zoff wollte, kam ein Mensch von der Innenverwaltung und ließ drei Blaukittel alle vier Büros ausmessen. Die Trennwände wurden entfernt, wiederum mit viel Krach ‒ die kleinen Schreibgeister über, neben und unter ihnen seufzten und fluchten ‒, bloß daß sich dann herausstellte, daß Klaus Schmalgruber, der Schönste und Dümmste des Quartetts, ein halbes Fenster weniger hatte, und das auch noch mit Nordlicht. Ergebnis: Wieder alle Wände raus.

Und dabei sollte einem etwas zum Thema Senilosex einfallen. Vierzehn Altersheime von Nord bis Süd hatte ich besucht und war mir ziemlich blöd vorgekommen, als ich in den Aufenthaltsräumen die Knittrigen nach ihrer Lust fragte. »Ich wollte nur wissen, ob Sie einen Freund haben?« brüllte ich einer fast haarlosen Greisin ins Hörgerät, dreimal, bis sie plötzlich weit und zahnlos lächelte: »Meinen Sie zum Kartenspielen oder zum Knutschen?« Da ich erst 34 und noch unsterblich bin, war mir der Gedanke, daß es alte, in diesem Falle uralte Menschen noch miteinander treiben, höchst unappetitlich; ich war fest davon überzeugt, daß ich spätestens als 60jährige mit dem Sex aufhören würde. Dann war mein Gatte 63, auch kein Alter mehr, in dem sich ein Mann noch nackt zeigen sollte.

Das Telefon klingelte. Jenna, meine Chefin, war dran. »Wie steht’s?« fragte sie.

»Fix und fertig«, meinte ich. »Willst du mal draufschauen?« Sie saß in einem für ihren Posten winzig kleinen Zimmer (ein Fenster zur Hofseite), aber als Frau war sie über das wichtigtuerische Gedröhne ihrer Kollegen zum Glück erhaben. Um ihren Schreibtisch herum blühte das Chaos, auf ihrem Schoß saß Lola, ihre einjährige Tochter, und saugte hingebungsvoll an der Ressortleiterinnentitte. »Meinen Busen krieg ich nie wieder hin«, seufzte Jenna und schnullerte am Babyhaarflaum. »Laß mal sehen.« Da es mich extrem nervös macht, jemandem beim Lesen meiner Texte zuzuschauen, nahm ich ihr Lola ab und ging mit ihr zum Kaffeeholen in die Kantine.

Für ein Baby, eine Menschenart, mit der ich möglichst wenig zu tun haben will, war Lola eine sehr niedliche Ausgabe, mit schwarzen Locken und braunen Kulleraugen. Über die Vaterschaft gab’s wilde Spekulationen ‒ ein Samenspender namens Michael, über den sie mal eine Geschichte gemacht hatte (»Der namenlose Göttertropfen«), ein Fahrradkurier aus Puerto Rico, den sie offenbar in New York kennengelernt hatte, ein bisexueller Designer aus Mailand. Da ich erstens ‒ obwohl Frau ‒ Klatsch verabscheute, Jenna zweitens sehr mochte, kümmerte ich mich nicht um die Gerüchte. Jenna selbst sprach nur in vagen Andeutungen darüber: »Eine unmögliche Geschichte, ein guter Typ«, mehr war aus ihr nicht herauszulocken.

In der Kantine stand ich gerade mit zwei Vanilleschnitten und zwei Pepsi Light an der Kasse, als mich eine zutiefst verhaßte Stimme feucht im Nacken traf: »Hey, Marlene, zeig mir mal dein kleines, schmutziges Geheimnis«, rief Horst-Peter Stachniak, der schlitzohrschmierige, 55jährige Chefreporter, den Prieß für 20 Mille im Monat von Super weggelockt hatte, weil ihm ein legendärer Ruf als Sekretärinnen- und Witwenknacker vorauseilte. Wenn irgendwo auf der Welt ein Diktator oder ein Mafiaboß im Sterben lag, dann war Stachie, so raunte ehrfürchtig die Branche, der einzige, der die wachhabende Ärztin/Krankenschwester so becircen konnte, daß er sich ans Sterbebett schleichen und dem Fast-Toten noch ein paar schlagzeilenträchtige Worte ablauern konnte. So hatte er vor zwei Jahren von dem Mafioso Jeanmarie Gabriotti aus New York als einziger Reporter der Welt ein Interview aus der Psychiatrie bekommen, wohin der Staatsanwalt Gabriotti vor seinem Mordprozeß zur Begutachtung geschickt hatte. Das Interview unter dem Titel »Ich töte, wie andere Männer lieben« war weltweit abgedruckt worden und machte Herrn Stachniak über Nacht zur journalistischen Legende. Daß er aussah wie ein 56jähriger ‒ 43 gab er zu ‒ Schmiernippel mit gelverklebten, grauen Haaren an All-, einem etwas unglücklich angepaßten Haarteil an Sonn- und Feiertagen sowie jeder Menge Goldkettchen überm Brusthaar, störte offensichtlich nur so empfindliche Gemüter wie mich.

»Darf ich vorstellen, Lola, das ist Stachie, unser Altplayboy, der dir in fünf Jahren an die Wäsche will. Stachie, das ist Lola, Jennas Tochter, für die du 50 Jahre zu scheintot bist.«

Lola blinkerte und sagte: »Hmmgurgelhum« oder so ähnlich. Stachie strich ihr mit dem Zeigefinger über die Babywangen und murmelte: »So weiche Haut, das macht mich richtig an.«

»Stachie«, rief ich streng, »scheintot, habe ich gesagt.«

»Für die Mutter oder die Tochter?« fragte er.

»Für jede Frau, die ihre fünf Sinne beisammen hat«, sagte ich energisch.

Doch Abwehrmechanismen subtilerer Art prallten an Stachie ab wie Öl auf der Regenhaut. »Hast du Lust, mit mir in die Karibik zu fliegen?« fragte er und schaute mir tief in die Augen, Kleines, nur leider war er nicht Humphrey Bogart. »Ich bin ’ner heißen Drogenkiste auf der Spur, du könntest mein Lockvogel sein.«

Die Versuchung fand ‒ sekundenlang ‒ im Kleinhirn statt, aber dann stellte ich mir Stachie nackt vor, schauderte, und es war vorbei. Schließlich war ich Ehefrau, mein Reporterehrgeiz mußte hintanstehen. »Danke«, flötete ich, »dann schon lieber Klos in Wanne-Eickel schrubben.«

Doch Stachie blieb völlig ungerührt: »Schade, ich hätte dich gern dabeigehabt. Ist als achtteilige Serie schon fest eingeplant. Du wärest natürlich Co-Autorin. Tschüs, Lola. Melde dich wieder, wenn du vierzehn bist.«

Zurück in Jennas Büro, mußte ich erst mal Luft holen. Dieser Stachie! Warum verspürte ich jedesmal, wenn ich ihn sah, diese Mischung aus Ablehnung und leichter Aufgeregtheit, obwohl er weder optisch noch sonstwie meine Duftmarke war? Perversion? Karrieregeilheit? War nicht auszuschließen … Als Mittelaltredakteurin verdiente ich 5 000 € brutto, Joachims Finanzen waren eine Katastrophe ‒ und ich schließlich von meinem Daddy was anderes gewöhnt. Als einzige Tochter eines wohlhabenden Proktologen (den ich, als ich begriff, was das Wort bedeutete, sofort in Urologe umtaufte) hatte ich die ersten 26 Jahre meines Lebens eine Prinzessin-auf-der-Erbse-Existenz geführt, und da ich Arztsein mit Mercedesstern, Villa im Grünen und jährlich drei (Weihnachten, Geburts- und Hochzeitstag) Geschmeiden aus Platin oder Weißgold gleichsetzte, war ich unangenehm überrascht, wie finanziell kümmerlich meine Ehe bisher verlaufen war. »Wir müssen sparen, Liebling« ‒ wie ich diesen Satz aus tiefster Kapitalistenseele haßte!

»Warum suchst du dir deine Männer nicht nach der Größe ihres Geschlechtsteils aus, sondern nach der Kleinheit ihres Geldbeutels?« hatte mich eine Freundin mal gefragt. Gute Frage. Keine Antwort.

Denn Sparen war ein Fremd- und Schimpfwort für mich, so unerotisch wie Kaulquappen oder Mundgeruch. Mein Mann, der ewige Sparhansel, wurde deshalb auch nach besonders schlimmen Ausfällen auf sexuelle Sparflamme gesetzt. »Kopfweh«, flüsterte ich dann schadenfroh, »die Geldsorgen machen mich fertig.«

»Marlene, hörst du eigentlich zu?« drang Jennas Stimme an mein Ohr. »Wie sieht’s mit der Optik zum Alterssex aus?« Lola war schon wieder am Nuckeln, und Jenna sah dabei ganz verklärt aus. Ob sie sich beim Stillen heimlich aufgeilte, wie ich es mal in der Brigitte gelesen hatte ‒ Überschrift: »Die stille Lust beim Stillen«? Jedenfalls wollte ich lieber nicht wissen, wie wohl ihr Busen nach all dem Gezerre aussehen würde, wahrscheinlich pendelte er dann in Bauchnabelhöhe wie bei einer Hottentottenfrau.

»Die Fotos sind eher still«, meinte ich vorsichtig, denn ich wollte mir meine Story nicht versauen. »Alte Leute eben, die machen natürlich nicht mehr soviel her.«

Jenna seufzte. »Da wird die Chefredaktion ja nicht so begeistert sein, mal sehen, was ich mir für ’ne Strategie überlege. Vielleicht ein paar junge Altenpflegerinnen dabei, mit engen Kitteln oder so. Okay, zurück an die Front.«

Ich war verabschiedet. Vom Büro aus versuchte ich meinen Mann zu erreichen, gegen den erbitterten Widerstand seines Rezeptionszerberus, Frau Verena Kullnermeyer-Schwarzen-brück, einer frustriert Geschiedenen mit Damenbart und schlecht gemachter Dauerwelle.

»Kann ich bitte meinen Mann sprechen?« verlangte ich so energisch wie möglich.

»Wer ist am Apparat?« konnte sie sich natürlich nicht verkneifen.

»Frau Dr. Ellermann«, sagte ich, weil ich wußte, wie sehr sie diese Titelanmaßung ärgerte, »ich hab’s eilig.«

Säure troff durch die Leitung, als sie mit schmalen Lippen ein »Moment bitte« herauspreßte. Erst nach fünf endlosen Minuten war mein Mann dran, kleine Rache der Verliererin. »Marli, was gibt’s, ich hab wenig Zeit.« Die Stimme meines Gatten klang gehetzt. »Aber wo du schon dran bist ‒ kaufst du bitte heute fürs Abendessen ein, ich muß noch ein paar Hausbesuche machen.«

Ich war genervt. Warum hatten wir für diesen häuslichen Pingelkram kein Personal? »Laß uns essen gehen, ich hab auch keine Zeit«, sagte ich deshalb. »Wir treffen uns im Cuneo.« Ich zündete mir trotzig eine Zigarette an, blies den Rauch in Kringeln aus. Zu Hause durfte ich, wenn überhaupt, nur auf dem Balkon rauchen, weil Joachim behauptete, gegen Rauch allergisch zu sein. »Weißt du eigentlich, wie gefährlich passives Rauchen ist?« hüstelte er, wenn ich die Schachtel nur anschaute. »Iß lieber Tofu, wenn du was Orales brauchst.« Mein Leben war entschieden zu schmalspurig. Zu bratkartoffel-mit-sülzig. Zu sofakissen-mit-knickig. Zu jägerzaun-mit-gartenzwergig. Irgendwas würde sich ändern müssen.

Aber was?

Das Telefon klingelte. Joachim mit einem Versöhnungsangebot, weil er mich so schnell abgewimmelt hatte. Ich grinste. Männer sind wirklich zu schlicht gestrickt. »Alles, was du willst«, flötete ich in den Hörer.

»Dann will ich alles«, sagte Horst-Peter Stachniak, »falls ich das in meinem Alter noch verkraften kann.«

Kapitel 12

Hans-Joachim

Als Marlene anrief, hatte ich die Hand gerade an der Brust von Erika Wollner. Es war eine weiche Brust mit vielen Zysten, was mich als Allgemeinmediziner nichts anging, zumal ich, wie gesagt, meine Hand nicht auf, sondern an besagter Brust hatte. »Spüren Sie diese rasselnden Töne«, hauchte Frau Wollner. Sie hatte die Augen geschlossen, war voll auf ihren Körper und die Untersuchung konzentriert. »Könnte es eine Lungenentzündung sein?«

Ich seufzte, zog behutsam meine Hand weg. »Is was, Doc?« fragte sie und schlug die Augen auf. »Haben Sie schlechte Nachrichten für mich?«

»Überhaupt nichts Schlimmes, eine ganz leichte Bronchitis, die wir mit Antibiotika behandeln können«, sagte ich. Eigentlich hätten in diesem Fall homöopathische Mittel völlig ausgereicht, aber da ich vor zwei Wochen einer Einladung der Pharmaindustrie nach Venedig gefolgt war und dort mit Marlene ein traumhaftes Wochenende verbracht hatte, wußte ich, wo meine Prioritäten zu liegen hatten. Ende des Jahres stand im übrigen eine zweiwöchige Kalifornienreise an, die ich mir ebenfalls privat nicht leisten konnte. Man lebt schließlich nur einmal, außerdem war’s ein sehr schwaches antibiotisches Mittel.

»Ziehen Sie sich bitte wieder an«, sagte ich streng. »Falls Sie, was ich für unwahrscheinlich halte, Fieber bekommen, rate ich zu leichter Bettruhe.«

Ich saß bereits hinterm Schreibtisch und schrieb das Rezept aus, als sich Erika Wollner auf den Besucherstuhl davor sinken ließ. Sie knöpfte dabei ihre Bluse zu, ganz langsam, Knöpfchen für Knöpfchen. »Wenn ich ins Bett muß, Doc, machen Sie dann auch einen Hausbesuch bei mir? Ach, ein Mann wie Sie auf meiner Bettkante …« schmachtete sie.