Küsse unter Mandelblüten - Evelyn Holst - E-Book
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Küsse unter Mandelblüten E-Book

Evelyn Holst

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Beschreibung

Mallorca, mi amor: Der spritzig-humorvolle Urlaubsroman »Küsse unter Mandelblüten« von Evelyn Holst und Uschi von Grudzinski als eBook bei dotbooks. Schluss mit treulosen Männern und Hamburger Nieselgrau – und höchste Zeit für Sonne, Meer und Himmelblau! Spontan steigt Fanny in den Flieger, um auf Mallorca ihren Liebesfrust zu vergessen. Doch das Chaos bleibt ihr auch bei ihrem Sommerjob im Traumhotel Carrossa treu und die Fettnäpfchen stehen Spalier: zum Beispiel, als sie dem etwas in die Jahre gekommenen Casanova Kai und dessen überbehütender Mutter Helga begegnet, die nicht ansatzweise ahnt, womit ihr Sohn sein Geld verdient. Oder dem teuflisch attraktiven Hotelierssohn Jesus Angel – ein Playboy mit Vorliebe für Zimmer 216. Von ihm sollte sich Fanny um jeden Preis fernhalten, aber die Schmetterlinge in ihrem Bauch scheinen das ganz anders zu sehen … und dann steht plötzlich eine rauschende Feier im Hotel an, bei der die Karten noch einmal ganz neu gemischt werden! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der turbulent-romantische Sommerroman »Küsse unter Mandelblüten« von Evelyn Holst und Uschi von Grudzinski bietet herrlich sonnige Urlaubsunterhaltung mit der perfekten Prise Humor. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 272

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Über dieses Buch:

Schluss mit treulosen Männern und Hamburger Nieselgrau – und höchste Zeit für Sonne, Meer und Himmelblau! Spontan steigt Fanny in den Flieger, um auf Mallorca ihren Liebesfrust zu vergessen. Doch das Chaos bleibt ihr auch bei ihrem Sommerjob im Traumhotel Carrossa treu und die Fettnäpfchen stehen Spalier: zum Beispiel, als sie dem etwas in die Jahre gekommenen Casanova Kai und dessen überbehütender Mutter Helga begegnet, die nicht ansatzweise ahnt, womit ihr Sohn sein Geld verdient. Oder dem teuflisch attraktiven Hotelierssohn Jesus Angel – ein Playboy mit Vorliebe für Zimmer 216. Von ihm sollte sich Fanny um jeden Preis fernhalten, aber die Schmetterlinge in ihrem Bauch scheinen das ganz anders zu sehen … und dann steht plötzlich eine rauschende Feier im Hotel an, bei der die Karten noch einmal ganz neu gemischt werden!

Über die Autorinnen:

Uschi von Grudzinski schrieb für eine Tageszeitung in Ostwestfalen, arbeitete als Pressereferentin für eine Plattenfirma in München und wechselte als Chefredakteurin der Musik-Zeitschrift »Die Schallplatte – Das deutsche Musikmagazin« in ihre Traumstadt Hamburg. Dort folgten viele Jahre als Leitende Redakteurin beim Heinrich Bauer Verlag, bevor sie sich als freie Journalistin selbstständig machte. Vielseitigkeit war und ist ihr wichtig. Sie agierte als Ghostwriterin für Künstler-Biografien, verfasste Song-Texte, führte Interviews mit prominenten Zeitgenossen. Zum Schwerpunkt ihrer journalistischen Arbeit aber wurden Reisereportagen für Zeitschriften und Magazine. So war chronisches Fernweh mit Beruf und Familie super zu kombinieren. Wenn Uschi von Grudzinski nicht irgendwo in der Welt für neue Reisethemen recherchiert, arbeitet sie an Romanen. 2017 erschien mit »Gipfelglück« ihr erster gemeinsamer Roman mit Co-Autorin Evelyn Holst.

Evelyn Holst studierte Geschichte und Englisch auf Lehramt. Nach dem ersten Staatsexamen arbeitete sie dreizehn Jahre als Reporterin für den »Stern«, u. a. als Korrespondentin in New York. Für ihre Reportage »Es ist so still geworden bei uns« wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Seitdem verfasste sie zahlreiche Romane, die auch verfilmt wurden, sowie Originaldrehbücher für Fernsehfilme. Evelyn Holst ist mit dem Filmemacher Raimund Kusserow verheiratet, mit dem sie gemeinsam zwei erwachsene Kinder hat.

Bei dotbooks veröffentlichte Evelyn Holst ihre Romane:

»Ein Mann für gewisse Sekunden«

»Aus Versehen Liebe«

»Ein Mann aus Samt und Seide«

»Du sagst Chaos, ich sag Familie«

»Ein König für gewisse Stunden«

»Gibt’s den auch in liebenswert?«

»Der Mann auf der Bettkante«

Sowie ihre Hamburg-Krimireihe:

»Die Sünde – Alexa Martini ermittelt«

»Der Verdacht – Alexa Martini ermittelt«

»Das Verlangen – Alexa Martini ermittelt«

***

Originalausgabe Mai 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive

von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-620-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Uschi von Grudzinski& Evelyn Holst

Küsse unter Mandelblüten

Ein Mallorca-Roman

dotbooks.

Mallorca, Hotel Carrossa

Gott muss tierisch gute Laune gehabt haben, als er Mallorca erschuf.

So ein alberner Gedanke.

Aber einer, der sich jeden Morgen in seinen Kopf schlich, wenn er aus dem Fenster sah – in einen mit Schäfchenwolken betupften, geradezu unverschämt blauen Himmel, in silberglänzende Olivenbäume, in den zögerlichen Rest der zartrosa Mandelblüte. Ins Paradies.

Jeden Morgen hatte Sebastian diesen Gedanken, und er lächelte dabei. Er stellte sich dann immer einen grummeligen Gott mit Vollbart vor, der an Sibirien, Grönland und Island herumknetete, bis ihm entweder Petrus oder der Erzengel Gabriel auf die göttliche Schulter klopfte und sagte: »Ein bisschen freudlos, was du da gerade erschaffst. Mach doch zur Abwechslung mal wieder was richtig Schönes. Etwas mit Sonne und Palmen und Meer.«

Und Gott erkannte, dass beide recht hatten. Er überlegte kurz, lächelte, machte sich an die Arbeit – und bastelte Mallorca. Und das Hotel Carrossa auf einem sanften Hügel der Llevanten im Nordosten der Insel. Sebastians Arbeitsplatz. Seine sechs Richtigen im Lotto. Mit Superzahl.

Klirrrrrrklirrrrrrklirrrrrr! Schepper! Ein spitzer Schrei.

Sebastian zuckte zusammen. Und er musste wieder lächeln, als ihm eine zweite Redensart durch den Kopf schoss: Was kostet mich dieses Geräusch? Das hatte seine Großmutter immer gerufen, wenn er als kleiner Junge durch Haus und Garten getobt war und dabei etwas Zerbrechliches umgerissen hatte. Er hatte diese Frage immer gefürchtet, denn wenn es etwas richtig Teures war oder ein geliebtes Erbstück, das in Scherben vor ihm lag, schreckte sie vor einem Klaps auf die Wange nicht zurück. Keiner allerdings, der ihm besonders wehtat, dafür liebte sie ihn viel zu sehr. Ein mild vorwurfsvolles »Die Scherben fegst du bitte wieder auf«, gefolgt von einem besorgten: »Aber pass auf, dass du dich nicht daran schneidest.« Dann war alles wieder gut.

Wie an diesem Frühlingsmorgen.

Sebastian legte die Mallorca-Zeitung, in der er gerade die Stellenanzeigen von Jobsuchenden studiert hatte, zur Seite, stellte seinen Caffè Macchiato mit Schaumherz auf dem Bar-Tresen ab und ging die wenigen Schritte in den neu angebauten, sonnigen Frühstücksraum hinüber. Die raumhohen Glasfenster, die man bei entsprechenden Temperaturen einfach zur Seite rollen konnte, gaben den Blick auf die Landschaft frei. Und auf einen Orangenbaum, den er schon als Kind geliebt hatte. Weil es da, wo er geboren war, so etwas nicht gab. In Ostwestfalen nämlich. Da lagen Orangen in den Supermarktregalen, und viel zu oft waren sie klein und sauer. Dass man sie einfach und immer süß vom Baum pflücken konnte, hatte ihn schon als kleinen Butsche fasziniert, wenn er mit seinen Eltern und seinem Bruder Moritz auf Mallorca war. Genau hier auf dem weitläufigen Carrossa-Gelände, auf dem damals noch ein sehr renovierungsbedürftiges Herrenhaus und ein paar halb verfallene Ställe standen, hatten sie die tollsten Ferien verbracht. Die Eltern hatten die Finca für einen Schnäppchenpreis ergattert, für den eigenen Urlaub und für Freunde. An ein 5-Sterne-Hotel hatte damals niemand im Traum gedacht. Oft schliefen die Jungen nachts in einem Zelt unter dem Orangenbaum, sich immer wieder gegenseitig versichernd, dass ihnen die Dunkelheit keine Angst machte. Bis sie – meist eng aneinandergekuschelt – sanft ins Land der Träume glitten.

Erinnerungen. Lang war’s her. Viel hatte sich verändert seither. Aus der Insel, die sich damals noch gegen einen zweifelhaften Ruf als »Putzfraueninsel« auflehnte, war ein bei Familien, Freundesgruppen, Paaren, Ex-Hippies und Oligarchen beliebter Urlaubs-Hotspot geworden. Moritz und er waren nach dem Abi und dem Besuch einer Hotelfachschule in Innsbruck ganz nach Mallorca gezogen, um aus dem Carrossa das zu machen, was es jetzt war: ein angesagtes Luxushotel mit Wohlfühlambiente. Auch mehrere exklusive Ferienhäuser gehörten dazu, alle mit Kamin, Pool, großzügigen Küchen. Ideal für größere Familien oder Freundesgruppen. Zwar hatten sie, wie alle Hotels auf Mallorca, wegen der Corona-Einschränkungen zwei schwierige Jahre hinter sich, aber dann ging es wieder so rasant bergauf, dass sie kein Gästeproblem hatten, im Gegenteil. Seit Anfang 2022 war das Carrossa wieder restlos ausgebucht. Nur die Personalfrage war etwas schwierig für die beiden Brüder. Aber Probleme, das jedenfalls war seine Lebensregel, waren dazu da, gelöst und nicht bejammert zu werden.

Ohne Eile und bewusst Ruhe ausstrahlend, ging er – freundlich »Hola, Hola, guten Morgen« nach links und rechts nickend – in die Richtung, aus der das laute, vermutlich kostspielige Geräusch gekommen war.

Klirrrrrrklirrrrrrklirrrrrr!

»Lo siento mucho!« Schuldbewusst fegte die junge Adora einen Scherbenhaufen zusammen, der vor wenigen Augenblicken noch ein hübsches Frühstücksgeschirr gewesen war. Das Tablett war ihr ganz offensichtlich aus der Hand gerutscht.

»Soy un camello bactriano.«

Sebastian konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Wie ein Trampeltier sah diese bildhübsche Brünette nun wirklich nicht aus. Völlig zu Recht hatten ihre Eltern sie Adora genannt, die Bewunderte. Sie machte ihrem Namen alle Ehre.

»Hay cosas peores!« Er reichte ihr eine Papierserviette, mit der sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln tupfte. »Es gibt wirklich Schlimmeres als ein paar kaputte Teller und Tassen. Achte nur darauf, dass du alle Scherben erwischst. Einige Gäste gehen nämlich auch barfuß zum Frühstück.«

Dankbar sah sie hoch.

»Muchas gracias.« Angestrengt fegte sie weiter. »In Zukunft passe ich besser auf. Ganz bestimmt.«

Sie lächelten sich an. Und auch die Gäste an den Tischen rundum lächelten. Sehr angenehm, wie der Chef mit dem Personal umging. Die freundlich-wohlige Atmosphäre, die den Aufenthalt in dieser Hotelanlage so besonders machte, endete also nicht vor den Zimmern der Angestellten.

Sebastian trat ins Freie und atmete tief durch. Der Blick über das weitläufige, hügelige, dicht bewachsene Carrossa-Gelände und der Duft der wild wachsenden Kräuter waren Balsam für jedes Gemüt. Die Natur, besonders im Frühling und ganz besonders hier rund um das Hotel, war einfach der allerbeste Seelenstreichler. Das hatte der liebe Gott wirklich gut hingekriegt.

Es vibrierte in seiner Jeans.

»Hola?« Er lauschte, und seine Miene verdüsterte sich. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«

Am anderen Ende des großen Anwesens hatte sein Bruder Moritz eine ähnliche Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen.

»Tja, sie hat es wohl selbst gerade erst erfahren. War ganz unglücklich, aber …«

Moritz wusste, dass sich Sebastian nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, aber momentan fühlten sie sich beide wie in einer endlosen personellen Pleiten-, Pech- und Pannen-Serie. Vor 14 Tagen musste ein Zimmermädchen Hals über Kopf zum Festland fliegen, um dort den kranken Vater zu pflegen. Der Chefkoch, den sie einem Kollegen aus La Gomera abgeluchst hatten, zog im letzten Moment ein Sabbatical auf den Malediven vor, und heute Morgen hatte ihm ein erst vor einer Woche eingestelltes Zimmermädchen ihre überraschende Schwangerschaft gebeichtet. Eine Risiko-Schwangerschaft. Arbeiten verboten. Der Personalschwund hörte einfach nicht auf. Und last, aber leider not least stotterte das W-LAN. Gerade war der IT-Elektroniker da gewesen und hatte sich mit einem nicht gerade ermutigend gemurmelten »Jetzt müsste es eigentlich laufen« verabschiedet. In einen dreiwöchigen Urlaub, Ziel unbekannt.

Während Moritz kurz darüber nachdachte, auf welches Drama er sich wohl als Nächstes würde einstellen müssen, blinzelte Sebastian kurz in den Strahlehimmel, und seine Laune passte sich langsam an.

»Uns fällt schon eine Lösung ein, Bruderherz. Ich ruf jetzt erst mal Luis an. Vielleicht hat der eine Idee. Bis später!«

Er ließ es lange klingeln, bis sich eine verschlafene Männerstimme meldete. Sein Gesprächsteilnehmer war offensichtlich noch nicht gesprächsbereit.

»Wer stört?«

»Es ist 8.30 Uhr, mein lieber Luis, oder liegst du noch in sauer, weil es gestern wieder mal spät geworden ist? Hat dir jemand den Schlaf geraubt? Ist deine lange Durststrecke vorbei?«

Luis seufzte am anderen Ende. »Schön wär’s. Doch leider bin ich noch immer ein Frust-Single. Aber wir hatten heute Nacht einen Wasserschaden. Hab mich gerade erst hingelegt. Weshalb rufst du an? Spuck’s aus, dann kann ich weiterschlafen.«

»Kurz und knapp: Wir brauchen dringend eine Aushilfe. Am liebsten ein kompetentes Mädchen für alles. Du kennst doch Gott und die Welt auf Mallorca. Weißt du zufällig jemanden?«

»Zufällig nein, aber wenn ich was höre …«, Luis gähnte herzhaft, »… melde ich mich.«

»Danke, mein Lieber. Schlaf weiter«, sagte Sebastian und stellte sein Handy auf sanfte Zimmerlautstärke, für lautlos war er zu gewissenhaft. Jetzt lockte erst mal das Frühstücksbüfett. Schlechte Nachrichten hatten ihm zum Glück noch nie den Appetit verdorben. Wie hatte John F. Kennedy noch so richtig gesagt? Frage nicht, was dein Hotel für dich tun kann, frag lieber, was du für dein Hotel tun kannst.

So ungefähr jedenfalls.

Sein Blick streifte die Leckereien, die Käse- und Aufschnittplatten, die frischen Salate. Sogar ein paar Schüsselchen mit Birchermüesli waren noch da. Ein kurzer Blick aufs Handydisplay: ausnahmsweise keine Nachrichten.

Kurz checkte er das Wetter in seiner Heimatstadt Paderborn. Eine Angewohnheit, seit er sich nur noch selten dorthin verirrte.

Null Grad, Schneeregen. Er steckte das Handy wieder weg. Die Sonne stand inzwischen fast senkrecht, T-Shirt-Wetter. Ach ja, die Welt ist ungerecht, dachte er lächelnd. Ganz besonders Ende Februar.

Am Vorabend in Hamburg

Fanny lauschte den Geräuschen, die Claus, ihr Liebster und hoffentlich Bald-Ehemann, im angrenzenden Badezimmer machte, während sie auf dem Bett lag, den Laptop vor sich. Etwas unschlüssig klappte sie ihn auf. Die zweite Bridgerton-Staffel auf Netflix lockte, die erste hatte sie geradezu verschlungen. Jede Nacht träumte sie seitdem von Lord Hastings, dem überirdisch heißen Duke. Seine samtbraune Haut, sein durchtrainierter Körper … wie gern hätte sie jetzt …

Das Prusten und Gurgeln, das durch die halb offene Badezimmertür drang, war verstummt. Sie legte den Computer vorsorglich auf den Nachttisch. Bridgerton musste warten, außerdem war der Duke ja sowieso nicht mehr dabei. Er machte jetzt seine Ehefrau Daphne glücklich.

»Das Bad ist frei.« Claus stand vor dem Bett. Er trug nur noch seine Boxershorts. Über dem Bund wölbte sich ein kleines, rosiges, um den Bauchnabel herum leicht beflaumtes Bäuchlein. Ein Anblick, der Fanny rührte und zugleich amüsierte. Nein, Claus von Rellingen war kein Lord Hastings, aber sie ja auch keine zarte Lady. Doch sie liebte seinen knuffigen, mittelgroßen Männerkörper, so wohltemperiert, dass sie auch an kalten Wintertagen keine Wärmflasche brauchte. Er war kein Hauptgewinn, aber er war ihr Gewinn, das war das Wichtigste. Ein Mann, bei dem sie sich entspannen konnte, bei dem sie nicht den Bauch einziehen musste. Ein Wohlfühlmann. Ein Mann, mit dem eine Frau, die gerade ihren 40. Geburtstag mit Freundinnen wenn schon nicht gefeiert, so doch wenigstens begangen hatte, zufrieden sein konnte. Brad Pitt war einmal, jetzt war Axel Prahl angesagt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Claus legte sich neben sie, streichelte sanft ihre Schulter und … drehte sich um.

»Wer zuerst einschläft, macht morgen Frühstück«, sagte er und drehte die Lampe aus.

Wie gesagt, ihr Zukünftiger war kein Lord Hastings.

Ob er wirklich schlief oder nur bestimmte Gelüste ihrerseits im Keim beziehungsweise im Kopfkissen ersticken wollte?

Fanny lauschte in die Nacht. Nein, er schlief, das war eindeutig. Es schnorchelte und röchelte, während sie versuchte, seine Schlafgeräusche in sanftes Meeresrauschen umzudeuten. Umzufühlen. Ich liege unter einer Palme, direkt am Meer, die Wellen wiegen mich wieder in den Schlaf, ich schließe die Augen …

Keine Chance. Inzwischen sägte es vom Nachbarkopfkissen laut und nervig. Keine sanfte Brise, eher dröhnender Orkan. Erstaunlich, dass er nicht selbst davon aufwachte. Sie rüttelte an seiner Schulter, ganz vorsichtig, weil sie ihn nicht verärgern wollte. Nicht, dass er es sich noch anders überlegte, ihr im allerletzten Moment von der Eheklippe sprang und sie als unverheiratete alte Schachtel mit Spinnweben zwischen den Beinen zu Grabe getragen werden würde. Und auf ihrem Grabstein: Sie starb einsam und ungeliebt … Nein, nicht weiterdenken. Neben ihr lag schließlich ein Mann, der beides verhindern würde. Und an sein Schnarchen würde sie sich auch gewöhnen. Oder eine große Packung Ohropax neben dem Bett deponieren.

»Liebling, kannst du dich bitte umdrehen?«, flüsterte sie. Vorsichtig kniff sie ihn in die Nase, ein Tipp von einer ähnlich geplagten Freundin.

Keine Reaktion, aber Stille. Wunderbare Stille. Alle Bäume abgesägt.

Leider war sie jetzt zu wach, um einzuschlafen.

Behutsam setzte sie sich auf, knipste ihre Nachttischlampe an und drückte sie nach unten, um den endlich Lautlosen nicht zu stören. Claus schlief zwar grundsätzlich mit einer Augenmaske, die nicht gerade sexy aussah, ihn aber vor jedem Lichteinfall schützte. Doch sicher war sicher. Auf seinem Nachttisch blinkte es lautlos. Sein Handy. Um diese Zeit? Musste etwas Wichtiges sein. Vielleicht seine Mutter? Er hatte ihr erzählt, wie einsam und bedürftig sie war. Ihre hatte sich zum Glück als 70-jährige Witwe in einen 20 Jahre jüngeren Schlachtereibesitzer verliebt und war seither mit sich selbst beschäftigt. Und mit seinen Würsten und Schinken. Sie stand auf, schlich ums Bett herum und guckte nach.

»Ich vermisse dich. Tu es nicht, du wirst es bereuen ♥♥♥♥.«

Fanny zog eine Grimasse. Also doch. Mit dieser Schwiegermutter würde es nicht leicht werden. Die frustrierte, einsame Witwe wollte ihren einzigen Sohn offenbar auf keinen Fall kampflos an eine andere Frau verlieren. Aber sie hatte schon härtere Brocken geschluckt als eine garstige Schwiegermutter. Ihr Sternzeichen war Widder, Aszendent Stier, mehr Power ging nicht.

SCHRSCHRRRCHRCHR … o Gott, es ging wieder los!

Sie nahm ihre Bettdecke, verließ den Raum und legte sich aufs Sofa.

Das SCHRSCHRRRCHRCHR war jetzt nur noch leise. Doch an Einschlafen war nicht zu denken. Ihre Gedanken drehten sich um Claus, der vor ein paar Wochen wie Kai aus der Kiste in ihrem Leben aufgetaucht war. Den Mann, der zwar schnarchte wie ein keuchhustenkranker Büffel, der aber auch eine neue Ruhe und Gelassenheit in ihr Leben gebracht hatte. Und der ihr Halt gab, als sie von heute auf morgen ihren Job verlor, weil die Marketing-Agentur, für die sie viele Jahre zuverlässig und brav gearbeitet hatte, pleiteging. Ihr Chef hatte still und heimlich das Firmenkonto geplündert und sich mit ihrer blutjungen Kollegin auf die Cayman Islands abgesetzt. Seine betrogene Ehefrau, die von alldem nichts geahnt hatte, wusste sich nicht anders zu helfen, als alle Aufträge abzusagen, Insolvenz anzumelden und den Angestellten zu kündigen. Immerhin erhielt Fanny noch eine Abfindung. Dafür hatte ein Anwalt gesorgt, den Claus vermittelt hatte. Wofür sie ihm echt dankbar war. Wenn sie darüber nachdachte, klang selbst sein SCHRSCHRRRCHRCHR irgendwie zuverlässig.

Fanny drehte sich auf die Seite und atmete tief durch. Eigentlich war das Leben trotz aller Wirrungen doch ganz nett zu ihr. Mit diesem Gedanken schlief sie endlich ein.

Mallorca, Hotel El Jubilo

Mierda! Mist!

»Du wolltest mich sprechen, Papa?«

Jesus Angel bemühte sich um sein allersonnigstes Lächeln, eins, das normalerweise alles erreichte, das Frauenherzen schmelzen, Hostessen das Ticket zerreißen ließ, obwohl er wieder im absoluten Halteverbot stand. Dort parkte er nämlich mit Vorliebe, privat und beruflich, und deshalb stand er jetzt vor dem Schreibtisch, hinter dem sein Vater Abelardo saß, dessen Miene nichts Gutes verhieß. Jesus beschloss, den Ahnungslosen zu spielen.

»Querido Papa, was kann ich für dich tun?«, fragte er.

Abelardo schwieg. Ausgiebig. Er wollte ihn also schmoren lassen. Jesus Angel seufzte und setzte sich. Würde vermutlich doch etwas länger dauern, die Strafpredigt, die seinem Vater geradezu in die Stirn geritzt war. Und zwar in Großbuchstaben.

»Du weißt, warum ich dich hergebeten habe, mi hijo?«

»Ich kann keine Gedanken lesen, Papa, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.«

Falsche Antwort. Er ahnte ja, worum es ging. Zerknirschung war angesagt. Auch wenn sie nur gut gespielt war.

»Dann will ich dich aufklären.« Abelardo holte tief Luft, dann knallte seine rechte Hand so laut auf die Schreibtischplatte, dass Jesus Angel zusammenzuckte und einen Schritt zurücktrat.

»Mir ist zu Ohren gekommen, dass du die letzte Nacht nicht in deinem Bett verbracht hast. Was mir im Prinzip egal wäre. Du bist erwachsen, aber wie oft muss ich dir noch sagen: KEIN HANKY PANKY in unserem Hotel, infierno sangriento!«

Sein Vater fluchte, ein ganz schlechtes Zeichen, er war normalerweise ein sehr beherrschter Mallorquiner.

»Aber ich …«

»Fang gar nicht erst an, mich anzulügen. Du warst auf Zimmer 216. Und zwar die ganze Nacht. Es gibt Zeugen.«

Schweigen. Wer hatte ihn verpfiffen? Der Nachtportier? Ein anderer Gast?

»Wie oft …«, Angel senior rang nach Luft, »wie oft … ich fasse mich kurz. So kurz, dass selbst dein in Frauenfragen erbsengroßes Männerhirn es versteht … Unsere weiblichen Gäste sind tabu für dich, egal wie hübsch, egal wie flirtig, alles egal. HAST DU MICH VERSTANDEN? Dies ist kein Freudenhaus, wir haben einen Ruf zu verlieren, und wenn du jemals mein Nachfolger werden willst, dann benimm dich entsprechend. Endendiste eso, hijo?«

Jesus Angel bemühte sich um den gebührenden Ernst.

»Ja, Papa, tut mir leid, es wird nicht wieder vorkommen.«

»Gut, dann war’s das. Und jetzt Abmarsch. Geh ausnahmsweise mal früh ins Bett. Franco ist krank, du musst seine Frühschicht übernehmen. Stell also den Wecker auf 4.30 Uhr.«

Jesus Angel stand auf, ging zu seinem Vater und küsste ihn auf den noch immer vollen, wenn auch grauhaarigen Lockenkopf.

»Hab dich lieb, Papa. Te quiero. Mucho.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.

Der Senior sah ihm nach. Und er verfluchte sie ein bisschen, die leise, aber hartnäckige Nachsicht, die sich schon wieder in sein Vaterherz schlich. Sein Sohn war eben einfach zu charmant für diese Welt. Aber sein Liebesleben musste sich ändern, und zwar drastisch. Ein kleines Wunder, wenn auch ein insgeheim von ihm bedauertes, dass er nicht längst Opa war.

Als Jesus Angel das Büro verließ, war er voller guter Vorsätze. Sein Vater hatte ja recht, so etwas wie letzte Nacht durfte nie wieder passieren. Nie wieder. Auch ein 38-jähriger Mann im Vollbesitz seiner körperlichen Säfte musste seine Libido im Griff haben.

Sein Handy vibrierte. »Hola?«

Eine Frauenstimme. »Hier ist Zimmer 216. Lust auf eine Fortsetzung?«

Am nächsten Morgen

Halleluja, Baby!

Vorsichtig zog Mirja Eligmann die weiße Bettdecke nach unten und betrachtete den überaus gelungenen Mann, der ihr bereits seit ein paar Nächten so unerwartet viel Freude bereitete. Ihr zärtlicher Blick streichelte ihn von oben bis unten, die kräftigen Waden, den flachen Bauch, die strammen Schenkel … Mirja wurde warm ums Herz, sehr warm. Nein, kein Hot Flash, sondern ein Flashback – seine breiten Schultern, seine herzförmigen Lippen, weich wie ein Daunenkissen, in denen man lustvoll versank. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn ganz sanft, damit sie ihn nicht aufweckte. Schönheit brauchte ihren Schlaf, das Mittelalter auch, aber das stand jetzt nicht zur Debatte. Sie war schließlich zum Kurzurlaub hier, er dagegen musste arbeiten, hart arbeiten, wie sie gleich am ersten Abend hatte beobachten können, als sie zum Dinner im proppenvollen Speisesaal Platz genommen hatte. Zum Draußensitzen war es noch zu kalt gewesen, aber sie hatte Glück gehabt und einen Fensterplatz mit Blick auf die kleine Badebucht an der Südwestküste bei Peguera erwischt. Und dann stand plötzlich dieser attraktive junge Mann wie eine Fata Morgana vor ihr.

»Guten Abend, good evening, buenas tardes. Was kann ich für Sie tun? What can I do for you? Que puedo hacer por ti?«

Mirja blickte in die samtbraunen Männeraugen eines optischen Traumprinzen, den man auf der Titelseite der Männer-Vogue oder auf dem Laufsteg einer Fashion Show vermutet hätte, ganz sicher nicht als Kellner in einem Familienhotel. Als er mit Schmeichelstimme »English, Deutsch, Español?« wissen wollte, hatte sie ihn bereits gedanklich vernascht. Und als wüsste er genau, was sie in ihrem Kopfkino gerade mit ihm angestellt hatte, schenkte er ihr ein Lächeln, das sie so wehrlos machte wie zu ihrer Teenagerzeit. Sie bedauerte zutiefst, dass sie kein Spanisch sprach. Wie süffig dieses Rrrrr von seinen Lippen rollte, wie die ganze Sprache nach Amor und Sexualidad klang … da war es schon wieder, dieses Gesamtkörper-Kribbeln, das sie in Hamburg völlig vergessen geglaubt hatte. Musste etwas mit dieser Insel zu tun haben, mit dem Duft von Mandel- und Kirschblüten, die man schon roch, wenn man am Flughafen ins Taxi stieg, mit dem blank geschrubbten, blitzblauen Himmel, der den größten Teil des Jahres höchstens ein paar Wattewölkchen erlaubte, all das, wonach man sich zu Hause um diese Zeit vergeblich sehnte.

»Ich bin aus Deutschland, und Sie sprechen meine Sprache ja perfekt«, sagte Mirja und lächelte den Kellner an. »Was empfehlen Sie mir? Ich lege mich vertrauensvoll in Ihre Hände.«

Ups. Diese Formulierung ließ tief blicken.

»Da sind Sie gut aufgehoben«, sagte er, und sein Lächeln ließ keinen Zweifel daran, dass er sie genau verstanden hatte.

»Und um auf Ihre Frage zu antworten: Ich habe drei Jahre in Bremen im Parkhotel gearbeitet, und ich empfehle Ihnen heute Abend den Bacalao und einen Sa Vall Selecció Privada dazu.«

Sie hatte keine Ahnung, was beides war, aber der Abend war jung und sie auf eine Weise abenteuerlustig, die sie fast erschreckte. Aber nur ein bisschen.

»Nehm ich, auch den Wein, eine Flasche, bitte«, sagte sie.

So anregend hatte also der erste Abend begonnen. Sie hatte noch eine zweite Flasche geordert, vielleicht sogar eine dritte. Hatte sie die allein ausgetrunken, oder hatte ihr Jesus Angel Gesellschaft geleistet? Ihre Erinnerung war von vermutlich gnädiger Undurchsichtigkeit. Aber sein Name hatte sich bereits auf ihrer Festplatte eingebrannt. Jesus Angel, was für ein wunderbarer Klang. Auch wenn er sehr hart ausgesprochen wurde. Chesus Anchel, zweimal hartes ch. Sie würde es lieber weich und englisch aussprechen. Dschieses Änschel klang ganz anders und passte viel besser zu seiner Samthaut. Falls sich die Gelegenheit noch einmal ergäbe. Was sie innig hoffte. Irgendwann hatte sie wohl »Bei mir oder bei dir?« gefragt. Auf jeden Fall lag am anderen Morgen dieser Engel in ihrem Hotelbett. Und am nächsten, am übernächsten …

Dass ihr 48-jähriger Körper mit einem doch einige Jahre jüngeren – so genau wollte sie sein Alter gar nicht wissen – überhaupt noch Schritt halten konnte, war ein Verjüngungsschub vom Allerfeinsten. Und, um ehrlich zu sein, Allernötigsten. Zwei Höllenwochen lagen hinter ihr, die Kündigung ihres Jobs als Grafikerin einer kleinen Werbeagentur, weil, so die Begründung ihres Chefs, »die Agentur etwas visuell und kreativ Jüngeres, etwas weniger Präklimakterielles braucht«. Und die Worte ihres Ehegatten Horst-Martin, dem es wohl ähnlich ging, denn ihre Nachfolgerin, eine gewisse Nadine, war mindestens 15 Jahre jünger als sie. Deren Nachfolgerin würde vermutlich eine weibliche Eizelle sein. »Spatzi, nicht böse sein, aber was Körperchen braucht, muss Körperchen haben.« Bescheuerte Abschiedsworte, an die sie jetzt denken musste.

Aber irgendwo hatte Horst-Martin auch recht. Kurz dachte sie an ihren letzten ehelichen Beischlaf und den sehr unglücklichen Satz, den sie dummerweise nicht verschluckt hatte. »Liebling, es wäre mal wieder an der Zeit«, hatte Horst-Martin gesagt, noch etwas Schaum vom Zähneputzen im rechten Mundwinkel. Seiner Pyjamahose hatte er sich zeitsparend bereits entledigt. Und sie hatte seufzend ihren Krimi zur Seite gelegt und gesagt: »Okay, aber weck mich dabei nicht auf.« Sie hatte es witzig gemeint, aber er hatte sich nur wortlos umgedreht, beleidigt nach seiner Pyjamahose gegriffen und ein paar Tage später wahrscheinlich diese Nadine kennengelernt. Es ist doch immer alles für irgendwas gut, dachte sie, und ihr war zum ersten Mal seit ihrer Trennung etwas versöhnlicher zumute …

»Mierda, mierda, mierda!«

Ihre Erinnerungen wurden jäh unterbrochen. Jesus Angel war aufgewacht, sprang fluchend aus dem Bett, fuhr blitzschnell in seine Sachen und sah Mirja vorwurfsvoll an. »Warum hast du mich nicht geweckt? Ich hab Frühstücksdienst!« Noch ehe sie etwas erwidern konnte, knallte schon die Hotelzimmertür ins Schloss.

Mirja ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Während das warme Wasser über ihren Körper prasselte, träumte sie sich mit geschlossenen Augen ein paar Stunden zurück.

Anschließend stand sie nackt vor dem Wandspiegel und machte eine kritische Bestandsaufnahme. Okay, ihr Busen war minimal südwärts gewandert, der Rest noch stramm und knackig. Nicht schlecht für zweite Hälfte vierzig, dachte sie und freute sich aufs Frühstück. Und ganz besonders auf einen gewissen Kellner.

24 Stunden vorher in Hamburg

Fanny von Rellingen! Schwungvoll schrieb die zukünftige Frau von Rellingen ihren zukünftigen Namen auf die Rückseite ihrer Zahnarztrechnung. Und gleich noch mal zur Übung. Endlich Schluss mit Fanny Poloch. Endlich nicht mehr »Bitte auf der zweiten Silbe betonen« sagen müssen und dabei versuchen, dieses süffisante Grinsen zu übersehen, wenn der Gesprächspartner zwar nickte, aber innerlich natürlich auf der ersten Silbe betonte. Auf der zweiten Silbe betont klang ihr Name fast ein wenig elegant, sonst einfach nur peinlich. Und dass superschlaue Besserwisser gern darauf hinwiesen, dass Fanny im Englischen sowohl Gesäß als auch weibliches Genital bedeutete, sie namentlich also im doppelten Sinne gestraft war, machte ihr Leben nicht einfacher. Doch damit war es endlich vorbei! Ab morgen nie wieder Poloch!

»Na, mein Spätzelchen, übst du wieder deinen neuen Namen?« Claus von Rellingen warf einen belustigten Blick auf den Schriftzug seiner Zukünftigen und steckte sich eine Zigarette an. Sein einziges Laster. Er trank selten Alkohol, lief jeden Morgen zwei Runden um die Alster, wählte CDU und aß so vernünftig fettarm und gemüselastig, dass es Fanny insgeheim wunderte, warum sich unter seiner maßangefertigten Anzughose ein kleines Pläuzchen wölbte. Was sie aber nicht störte. Sie mochte Männer, auf denen sie weich liegen konnte und sich nicht an spitzen Beckenknochen stieß.

Er dagegen kommentierte ihre weiblichen Kurven gern mit: »Spätzelchen, kann es sein, dass es dir in der letzten Zeit wieder besonders gut geschmeckt hat?« Er schien androgynere Formen zu bevorzugen. Zu Singlezeiten prä-Claus hatten sie ihre Rundungen nie gestört. Jetzt aber, wo sie »überraschenderweise männermäßig kurz vor Toresschluss von relativ oben abgegriffen hatte«, wie es ihre Mutter Else-Marie so gern formulierte, achtete sie notgedrungen auf ihre Kalorienzufuhr. Sie bestellte im Lokal nie mehr ihre geliebte Pasta, nur noch Salat »Dressing bitte extra«, höchstens ein Stück Fleisch, von dem sie unter Claus’ wachsamem Blick sorgfältig den Fettrand abschnitt. Die Dessertkarte schob sie mit einer abwehrenden Handbewegung weit weg. Dabei war sie das, was man in Hamburg »eine Süße« nannte. Nichts konnte ihre schlechte Laune rasanter vertreiben als der herzhafte Biss in einen Schokokuss. Damit war es jetzt vorbei, und das war ja vielleicht auch gut so.

Es war nicht zu leugnen, dass Fanny manchmal innerlich etwas aufseufzte. Aber nur innerlich, denn sie hatte beschlossen, sich auf die positiven Eigenschaften ihres Verlobten zu konzentrieren. Denn die hatte er ja wirklich. Reichlich sogar. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Kam er auch nur eine Minute zu spät, entschuldigte er sich noch Stunden später. Gab er sein Wort, brauchte er keinen Handschlag. Und wenn sie trotzdem dieses kleine Protestgefühl in sich aufwallen fühlte, dachte sie an ihre amerikanische Freundin Susan, erfolgreiche Chefärztin, die mit 45 Jahren einen 64-jährigen Frührentner heiratete und auf Fannys Frage »Why on earth?« nur ein lapidares »Beggars can’t be choosers« erwiderte. Bettler können nicht wählerisch sein. Aber manchmal dachte sie auch an den Satz auf einer Postkarte, die eine andere Freundin auf ihren Kühlschrank geklebt hatte: »Glücklich ist, wenn dir Lachen und Orgasmus von derselben Person beschert werden.«

Abwarten …

Eigentlich war es gar nicht Claus gewesen, in den sie sich verliebt hatte, sondern sein allererster Satz bei ihrer ersten Begegnung vor sechs Monaten. Sie strampelten beide nebeneinander auf dem Crosstrainer, beide mit bluthochgedrückten Gesichtern. Während ihm die Schweißtropfen vom Haaransatz über die Stirn liefen, keuchte er: »Ich glaube, dass ich deine Handynummer brauche. Ich habe nämlich vor, dich ab jetzt mindestens dreimal täglich anzurufen.«

Goldene Worte! Ein Mann, der offensichtlich wusste, was er wollte: eine Beziehung. Und zwar eine feste. Keiner dieser »Mal sehen, was sich ergibt«-Weichteil-Typen, die, nur weil die Angebot-Nachfrage-Situation Frauen ab 40 plus kaum eine Chance gab, einen gleichaltrigen Mann zu finden, die Lage schamlos ausnutzten und jedes Frauengefühl mit ihrer Unentschlossenheit so lange strapazierten, bis es restlos verdampft war. Die sich bestenfalls nach einer Nacht, egal, ob sie heiß oder nur lauwarm gewesen war, nach einer Woche mit einer »Was geht?«-WhatsApp meldeten. Männer, denen frau jedes Beziehungszugeständnis wie einen faulen, im Kiefer tief verwurzelten Zahn ziehen musste. Autsch!

Aber dann schwitzte plötzlich in ihrem Fitnessstudio ein Mann neben ihr, kein Ryan Gosling, kein George Clooney, aber ein wenig älterer Mann, der nach ihrer Handynummer fragte. Weil er sie anrufen wollte! Dreimal täglich. Mindestens! Wie sehr hatte sich Fanny Poloch nach so einer Ansage gesehnt! Männer in ihrer Altersgruppe – und aufwärts – waren so selten wie die Blaue Mauritius. Wie ein sechsblättriges Kleeblatt. Sie hatte schon überlegt, nach Alaska auszuwandern oder an die deutsch-polnische Grenze zu ziehen. Dort versprach das Internet nämlich »It’s raining men«, wie es die Weather Girls so schön vorgesungen hatten.

Sie war jetzt 42 Jahre alt und hatte in den 25 Jahren, die es her war, dass ihre Jugendliebe Rüdiger sich mit den Worten »Ich mach’s kurz und schmerzlos, es ist vorbei, ciao bella« aus ihrem Leben verkrümelte, so viele Frösche geknutscht und geküsst, dass sie den Glauben an die große Liebe längst begraben glaubte.