Der tote Kapitän im Wald - Eberhard Weidner - E-Book

Der tote Kapitän im Wald E-Book

Eberhard Weidner

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Beschreibung

Kriminalhauptkommissar Franz Schäringer von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck kann es zunächst kaum glauben, dass im Bernrieder Wald tatsächlicher ein toter Kapitän gefunden wurde. Wo es doch weit und breit keine Schifffahrt gibt. Noch merkwürdiger wird die ganz Angelegenheit, als sich herausstellt, dass der unbekannte Tote von einer äußerst giftigen und sehr aggressiven Schlange aus Mittelamerika gebissen wurde. Obwohl der erfahrene Kriminalbeamte und sein Kollege Lutz Baum die Ermittlungen erst aufgenommen haben, stehen sie vor einem Berg ungelöster Fragen: Wer war der Tote? Wieso trug er überhaupt eine Kapitänsuniform? Wie kam er mitten in den Wald? Und woher stammt die gefährliche Schlange, deren Gift ihn getötet hat? Erst als die Identität des Toten geklärt und die Schlangenart identifiziert werden kann, ergeben sich erste Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen.

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INHALTSVERZEICHNIS

 

COVER

TITEL

1

2

3

4

5

6

7

8

ANMERKUNGEN DES AUTORS

NACHWORT

WEITERE TITEL DES AUTORS

IMPRESSUM

1

 

 

»Guten Morgen. Können Sie mir etwas über die Leiche sagen, die man da hinten gefunden hat?«, fragte Kriminalhauptkommissar Franz Schäringer von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck den ersten uniformierten Kollegen, der ihm über den Weg lief.

Er befand sich in der Nähe der Ortschaft Holzhausen im Bernrieder Wald, einem Forstgebiet südlich von Fürstenfeldbruck, das sich nach Süden bis zur A 96 und beinahe nach Weßling erstreckt. Er wusste zwar, dass es ganz in der Nähe eine Keltenschanze gab – dabei handelt es sich um vor allem im süddeutschen Raum befindliche Reste quadratischer, teilweise rechteckiger Areale mit umlaufendem Wall und Graben –, da er diese schon einmal besucht hatte, viel mehr wusste er allerdings momentan nicht, weder über den Wald, noch über die Leiche, die man hier am frühen Morgen gefunden hatte.

Er hatte seinen Wagen bei den anderen Fahrzeugen zwischen den Bäumen neben dem schmalen Waldweg geparkt und war dann einfach den Geräuschen gefolgt, die ihn wie ein natürliches Navigationsgerät schon zum richtigen Ort führen würden. Er war erst ungefähr zweihundert Meter in den Wald vorgedrungen, der ihm mit jedem Schritt dichter vorkam, und hatte, wenn er nach der Lautstärke der Geräusche ging, schätzungsweise noch einmal so viel vor sich.

»Morgen, Herr Hauptkommissar«, erwiderte der junge Beamte Schäringers Gruß, ehe er seine Frage beantwortete: »Da hinten liegt ein toter Kapitän im Wald.«

»Ein toter was?«

»Kapitän«, wiederholte der Uniformierte, der sich schon abgewandt hatte, um seinen Weg zu den Autos fortzusetzen, sich nun aber wieder Schäringer zuwandte. »Sie wissen schon, Herr Hauptkommissar, so einer wie in Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise.« Den Titel des alten Hans-Albers-Liedes sang er mehr schlecht als recht vor, weil es sowohl an seiner Gesangsstimme als auch an der korrekten Melodie haperte.

»Woher kennen Sie denn Hans Albers? Dafür sind Sie doch viel zu jung.«

»Hans Albert? Nie gehört. Mein Opa singt das Lied ununterbrochen. Er hat Alzheimer und lebt seit Omas Tod im Altersheim.«

Schäringer nickte. »Verstehe. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mich hier auf den Arm nehmen wollen, junger Mann. Das hört sich nämlich ganz so an wie eine dieser modernen Legenden, in der man mitten im Wald angeblich einen ertrunkenen Taucher gefunden haben soll. Steckt da etwa mein Kollege Baum dahinter? Na los! Sie können es ruhig zugeben. Ich verrate es ihm auch nicht.«

Der Polizist sah Schäringer irritiert an und machte unwillkürlich einen Schritt nach hinten, als wäre er sich nicht sicher, ob mit dem Kripobeamten, der ihn um einen halben Kopf überragte, auch wirklich alles in Ordnung war. »Ich weiß zwar nicht, wovon Sie reden, Herr Hauptkommissar, aber da hinten liegt tatsächlich ein toter Kapitän. Ganz aufgedunsen und schwarz im Gesicht, aber trotzdem komplett mit Kapitänsmütze und Uniform. Als wäre er direkt vom Traumschiff gekommen, um im Bernrieder Wald zu sterben.«

Schäringer sah ein, dass der junge Mann ihn wohl wirklich nicht für dumm verkaufen wollte und das, was er sagte, tatsächlich ernst meinte. »Na schön. Auf jeden Fall vielen Dank, Kollege. Und nichts für ungut.«

»Keine Ursache, Herr Hauptkommissar.« Der Uniformierte war sichtlich froh, dass Schäringer ihn nicht länger mit seinen Fragen nervte, denn er wandte sich rasch ab und lief beinahe fluchtartig davon, um von Schäringer wegzukommen und endlich das erledigen zu können, wofür er sich überhaupt auf den Weg gemacht hatte. Vermutlich würde er in Zukunft einen großen Bogen um Schäringer machen, sobald er ihn sah.

Schäringer blickte dem jungen Kollegen noch eine Weile nachdenklich hinterher, ehe er sich schulterzuckend abwandte und weiterstapfte. Äste und Zweige zerbrachen geräuschvoll unter seinen Sohlen. Mitten im Wald klang das manchmal so laut wie ein Schuss. Er orientierte sich weiterhin ausschließlich an den Geräuschen, die die Leute machten, die vor ihm am Tatort eingetroffen waren – Stimmen, Gelächter über einen makabren Scherz und knirschende Schritte –, und die immer lauter wurden, je näher er dem Fundort inmitten der hohen Tannen kam.

Da es keinen ausgetretenen Pfad gab, dem er folgen konnte, suchte sich Schäringer seinen eigenen Weg zwischen den Stämmen hindurch, die hier so dicht standen, dass sie ihm noch immer den Blick auf den Tatort verwehrten. Er schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch und musste sich gelegentlich sogar ducken, um mit seinen imposanten ein Meter neunzig nicht gegen einen tief hängenden Ast zu stoßen. Schäringer war nicht nur groß, sondern auch sehr schlank, was ihn noch größer wirken ließ. Obwohl er schon 57 Jahre alt war, hatte er nur wenig Grau in seinem dichten, aschblonden Haar. Da er erst vor zwei Tagen beim Frisör gewesen war, waren die Haare momentan sogar für seine Begriffe verhältnismäßig kurz. Die frische, morgendliche Luft, die hier unter den Bäumen noch zwei bis drei Grad kühler war, fühlte sich an den Stellen, die vor Kurzem von längerem Haar bedeckt gewesen waren, noch immer ungewohnt an und ließ ihn gelegentlich frösteln.

Da Schäringer ein flottes Tempo angeschlagen hatte, um endlich zu den Kollegen zu kommen, kam er ins Schnaufen. Wie schon so oft in letzter Zeit nahm er sich auch bei dieser Gelegenheit wieder vor, endlich mal etwas für seine Kondition zu tun, mit der es nicht mehr zum Besten stand. Allerdings wusste er, dass es vermutlich bei der Absichtserklärung bleiben würde. Trotz der Kühle traten ihm feine Schweißperlen auf die Stirn. Er hob die Hand, nestelte am Kragen seines weißen Hemds und lockerte die rot-schwarz gestreifte Krawatte ein bisschen. Er ging langsamer, denn er wollte nicht den ganzen Tag in einem schwarzen, 2-teiligen Anzug herumlaufen, den er schon in aller Herrgottsfrühe durchgeschwitzt hatte.

Als er den nächsten Baumstamm umrundete, sah er endlich das rot-weiße Band, mit dem der Bereich um den Fundort der Leiche großräumig abgesperrt worden war. Das Absperrband war um vier Stämme gewickelt worden und bildete auf diese Weise einen rechteckigen Bereich, der Schäringer unwillkürlich an einen Boxring denken ließ. In einer Ecke des Rings stellte er sich die ermittelnden Beamten, allen voran er selbst, vor und in der gegenüberliegenden den oder die Täter. Und diese hatten bereits den ersten Schlag gelandet und einen Punktgewinn erzielt, indem sie die Leiche an diesem Ort deponiert und die Polizei damit vor zahlreiche Rätsel gestellt hatten.

Aber halt!, ermahnte sich Schäringer. Nicht so schnell! Schließlich war noch gar nicht erwiesen, dass es sich hier tatsächlich um einen Mord handelte. Nach den wenigen bisherigen Erkenntnissen, die man ihm vor einer halben Stunde am Telefon übermittelt hatte, als er noch immer Rasierschaum auf einer Hälfte seines Gesichts gehabt hatte, waren die Todesumstände unklar. Ein unnatürlicher Tod konnte deshalb nicht ausgeschlossen werden. Sobald er am Tatort war, die Leiche – den Kapitän!, ergänzte er in Gedanken – gesehen und mit dem Gerichtsmediziner und den Kollegen von der Spurensicherung gesprochen hatte, würde er mehr wissen und erfahren, ob er und Kriminalkommissar Lutz Baum einen neuen Fall hatten.

Er fragte sich, ob Baum schon da war. Er bezweifelte es aber, da sein jüngerer Kollege morgens nur schwer aus dem Bett kam, anschließend eine Menge Zeit benötigte, um allmählich in die Gänge zu kommen und Betriebstemperatur zu erreichen, und außerdem furchtbar schlecht gelaunt war, wenn er aus dem Schlaf gerissen wurde und ausnahmsweise kein ekliger Automatenkaffee in Reichweite war.

Schäringer hob das Plastikband, tauchte darunter hindurch und trat zu den anwesenden Kollegen an den Leichenfundort. Während er einige Grüße erwiderte, sah er sich um und verschaffte sich einen ersten Überblick über diesen Ort und die Personen, die sich hier aufhielten.

Drei uniformierte Polizisten waren anwesend, hielten sich jedoch im Hintergrund und außerhalb des abgesperrten Bereichs auf. Zwei von ihnen, eine junge Frau und ein älterer Mann, die Schäringer mit einem Nicken begrüßten, beobachteten das Geschehen, während ein junger Uniformierter ein Stück entfernt neben einem Mann stand, der auf einem Baumstumpf saß, Dienstkleidung der Bayerischen Forstverwaltung trug und das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Zu seinen Füßen lag ein kastanienbrauner Irish Setter und leckte sich genüsslich die Hoden.

Die übrigen Anwesenden hielten sich allesamt innerhalb des Rechtecks auf, das von dem rot-weißen Band begrenzt wurde. Vier von ihnen gehörten zur Abteilung Spurensicherung und -auswertung. Sie trugen partikeldichte, hellgraue Einmal-Overalls mit schwarzem Polizei-Aufdruck auf dem Rücken und übergezogener Kapuze, dazu Einmal-Handschuhe aus Vinyl und weiße, reißfeste Überschuhe. Sie suchten akribisch den Waldboden und die Baumstämme nach Gegenständen und anderen Spuren ab. Sobald sie etwas fanden, markierten sie die Stelle mit einer Spurennummer. Nachdem sie Fotos gemacht hatten, würden sie die gefundenen Gegenstände in Papiertüten verpacken.

Die einzige andere Person, die außer Schäringer Zivilkleidung trug, war ein deutlich übergewichtiger, breitschultriger Mann mit sehr dunklen, schwarzbraunen Haaren, der neben dem Leichnam kauerte, sich über ihn beugte und ihn noch immer vor Schäringers Blicken verbarg. Es handelte sich um den Gerichtsmediziner Dr. Dieter Mangold.

Von Lutz Baum, Schäringers Mitarbeiter bei der Mordkommission, war nichts zu sehen. Allerdings hatte Schäringer auch nichts anderes erwartet.

Er wartete, bis sich einer der Männer in den Overalls zu ihm umwandte, in dem er sogar von hinten Christian Krautmann erkannt hatte, den Leiter der Abteilung Spurensicherung und -auswertung. Krautmann hatte einen runden Kopf, der einer Bowlingkugel immer ähnlicher wurde, da sein dunkles Haar jedes Mal, wenn sie sich sahen, spärlicher geworden war. Seine Bemühungen, die sich stetig ausdehnende Kahlstelle auf seinem Schädel zu kaschieren, indem er die Seitenhaare länger ließ und quer über den Kopf kämmte, wurden von Tag zu Tag sinnloser. Obwohl man davon jetzt natürlich nichts sehen konnte, da er wie seine Mitarbeiter die Kapuze des Schutzoveralls über den Kopf gezogen hatte. Aber vermutlich würde er früher oder später darüber nachdenken müssen, ob er ein Toupet tragen wollte, so wie es Dr. Mangold schon seit Jahren tat.

»Morgen, Christian«, grüßte Schäringer den Kollegen, der nur wenige Monate jünger war und beinahe zur selben Zeit zur Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck gekommen war wie er. Sie hatten nicht nur beruflich viel miteinander zu tun, wenn sie sich an Tatorten begegneten oder in der Kriminalpolizeiinspektion über die Spurenlage in einem Mordfall sprachen, sondern trafen sich hin und wieder auch privat, um eine gepflegte Flasche Wein miteinander zu leeren. »Kann ich schon?«, fragte Schäringer und deutete auf den Gerichtsmediziner und die Leiche dahinter.

Krautmann sah Schäringer durch die Gläser seiner randlosen Brille finster an. Schäringer wusste allerdings, dass Krautmanns demonstrativ unfreundliche und teils ruppige Art in der Regel nicht echt, sondern nur aufgesetzt war und der Kollege sich vermutlich insgeheim sogar freute, Schäringer zu sehen. Wie zum Beweis glättete sich in diesem Moment auch schon Krautmanns gerunzelte Stirn, und die Andeutung eines freundlichen Lächelns erschien auf seinem Gesicht. »Morgen, Franz«, sagte er und nickte dann. »Komm ruhig näher. Aber halt dich am besten rechts von der Leiche, da haben wir schon alles abgesucht.«

Schäringer nickte, ehe er weiterging. Er setzte seine Schritte vorsichtig, während er sich der Leiche näherte, und achtete darauf, nicht auf eine der vereinzelten Spurennummern zu treten.

Als er um die gebückte Gestalt des Pathologen herumging, der einen blauen Jogginganzug von Adidas und schwarze Laufschuhe von Reebok trug, als hätte er sich heute schon sportlich betätigt – eine Vorstellung, für die Schäringers ansonsten so blühende Fantasie allerdings nicht ausreichte –, bekam er immer mehr von der Leiche zu sehen, die sie alle an diesem Morgen an diesen abgelegenen Ort geführt hatte.

Es handelte sich tatsächlich um einen Kapitän. Oder zumindest war der Mann wie einer gekleidet. Er trug eine Kapitänsmütze aus weißem Stoff mit dunkelblauem Schirm, die zusätzlich mit goldgelben Kordeln, maritimen Stickereien und einem Abzeichen versehen war, das einen Anker darstellte. Die Mütze war ihm etwas zu klein und saß schief auf seinem Kopf, was ihm unter anderen Umständen vermutlich ein keckes Aussehen verliehen hätte, unter diesen Umständen aber nur befremdlich wirkte. Dazu trug er eine blaue Uniformjacke mit Schulterklappen und goldenen Knöpfen. Die Rangabzeichen – vier gelbe Streifen und ein Stern – befanden sich sowohl auf den Schulterstücken als auch auf den Ärmeln der Jacke. Außerdem hatte er ein weißes Hemd und eine weiße Hose an. An den Füßen trug er schwarze Halbschuhe.

Dass es sich bei dem Leichnam um einen Mann handelte, war noch verhältnismäßig unschwer zu erkennen. Er war nach Schäringers Schätzung etwa ein Meter fünfundsiebzig groß und schlank. Die Kleidung, die er trug, war ihm allerdings mindestens zwei Nummern zu groß. Er hatte kurzgeschnittenes dunkles Haar und große, abstehende Ohren. Im linken Ohrläppchen steckte ein kleiner silberner Ohrring.

Der Tote lag vor einem Baum auf dem von Tannennadeln übersäten Waldboden und lehnte mit dem Kopf am Stamm, als wäre er während einer Wanderung durch den Wald müde geworden und hätte sich hier hingelegt, um ein kleines Nickerchen zu machen, aus dem er dann jedoch nicht mehr erwacht war.

Erst nachdem Schäringer all diese Details registriert und in seinem Kopf abgespeichert hatte, richtete er sein Augenmerk auf das verunstaltete Gesicht des Leichnams, von dem nicht mehr viel zu erkennen war. Es war extrem angeschwollen und so stark aufgedunsen, als hätte jemand den Schädel wie einen Ballon mit Luft aufgepumpt. Beide Augen waren zugeschwollen und damit praktisch unsichtbar. Die Haut war teilweise dunkelrot bis schwarzbraun verfärbt und großflächig von unterschiedlich großen Blasen übersät, die mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt waren. Wenn der Mann keine Papiere bei sich hatte, dann würde es vermutlich sehr schwer werden, seine Identität festzustellen, denn in diesem Zustand würde ihn nicht einmal seine eigene Mutter wiedererkennen.

»Ah, Schäringer, Sie sind das«, sagte Dr. Mangold, der seine Untersuchung beendet hatte, das Thermometer, mit dem er die Temperatur des Toten gemessen hatte, in einen Plastikbeutel steckte und dann in seinem Arztkoffer verstaute und sich schließlich ächzend aufrichtete. »Ist das etwa Ihr Fall?«

Dr. Mangold sprach grundsätzlich jeden ausschließlich mit dem Nachnamen an. Schäringer vermutete insgeheim, dass der Rechtsmediziner dies sogar bei seiner eigenen Ehefrau praktizierte, und stellte sich gelegentlich vor, wie ein entsprechender Dialog im Hause Mangold ablaufen könnte:

Er: »Reich mir doch bitte mal die Marmelade, Mangold.«

Sie: »Hier. Bitte sehr, mein Schatz.«

Er: »Vielen Dank, Mangold.«

Schäringer verscheuchte diese Gedanken, die an diesem Ort nun wirklich nichts zu suchen hatten, und wandte sich dem Pathologen zu: »Ihnen auch einen guten Morgen, Doktor Mangold. Ist es denn ein Mordfall?«

»Das kann ich noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Es liegt auf alle Fälle kein natürlicher Tod vor, so viel ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt klar. Aber Genaueres kann ich Ihnen erst erzählen, nachdem ich den Toten in der Rechtsmedizin untersucht habe.«

»Aber woran ist er denn gestorben?«

»Was letzten Endes zu seinem Tod geführt hat, ist ohne genauere Untersuchung noch ungewiss und pure Spekulation. Es kommen meiner Meinung nach mehrere Möglichkeiten in Betracht. Innere Blutungen im Zusammenhang mit den Ödemen im Gesicht können zu einem so starken Blutverlust geführt haben, dass es letztlich zu einem lebensbedrohlichen hämorrhagischen Schock kam. Todesursache könnte allerdings auch ein Versagen einzelner oder multipler Organe gewesen sein. Wegen der Petechien, das sind die kleinen, punktförmigen Erstickungsblutungen auf den Augäpfeln, den Augenlidern und der Mundschleimhaut, und der Zyanose, also der Blaufärbung der Gesichtshaut und der Schleimhäute, tendiere ich im Augenblick allerdings eher zu Tod durch Suffokation.«

»Suffokation? Und was heißt das auf Deutsch, Doktor? Sie müssen schon entschuldigen, aber mein Lateinunterricht liegt nun doch schon ein paar Jahrzehnte zurück.«

»Tod durch Erstickung, Schäringer! Entweder aufgrund einer Beeinträchtigung der Atemtätigkeit, beispielsweise eine Atemlähmung oder sogar ein Atemstillstand, oder durch inneres Ersticken aufgrund einer Blockade der Atmungskette. Die enormen Schwellungen, die Sie im Gesicht des Toten sehen können, haben sich nämlich auch auf seinen Mund- und Halsbereich ausgedehnt.«

»Und woher stammen diese extreme Schwellung und die Verfärbung des Gesichts? Ist das eine Folge der Suffokation?

---ENDE DER LESEPROBE---