Die Chroniken von Gor 10: Die Tahari - John Norman - E-Book

Die Chroniken von Gor 10: Die Tahari E-Book

John Norman

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Beschreibung

Die Zeit ist knapp, denn die Kurii haben den Priesterkönigen ein Ultimatum gestellt: "Übergebt uns Gor." Tarl Cabot, ein Agent der Priesterkönige, begibt sich diesmal in die menschenfeindliche Tahari. In der schrecklichen Einöde gilt das Recht des Stärkeren. Grausame Handelsherren und Salzmagnaten machen Jagd auf jeden Fremdling. Wer nicht Opfer der brutalen Hitze wird, endet leicht als Sklave in den Tiefen der Salzbergwerke. Einmal mehr muss Tarl Cabot in den Kampf ziehen und fremden Mächten trotzen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

1 Samos’ Halle

2 Die Straßen von Tor

3 Ich entgehe einem Überfall und spare mir einen Silbertarsk

4 Reiter schließen sich Farouks Karawane an

5 Was sich in Pascha Suleimans Palast zutrug

6 Eine Sklavin sagt aus

7 Über die Gruben von Klima und den Plan einer Flucht

8 Zu Gast bei Hassan, dem Banditen

9 Mit Zina, einer hübschen Verräterin, wird nach den Gepflogenheiten der Tahari abgerechnet

10 Hassan verlässt die Oase der Zwei Scimitare

11 Von der Oase am Roten Felsen, wo wir Salz teilten und Tarna trafen

12 Was in Tarnas Kasbah geschah und wie wir von dort entkamen

13 Eine Bekanntschaft wird erneuert

14 Der Marsch nach Klima

15 T’Zshal

16 Hassan und ich beschließen, T’Zshal zu begleiten

17 Was daraufhin in der Grube geschah

18 Ich hole das Stück Seide und wir kehren in die Wüste zurück

19 Der Wind bläst von Osten und wir begegnen einem Kur

20 Mit dem Kur zurück ins Dünenland

21 Die weiteren Geschehnisse im Dünenland

22 Ein Königreich für ein Kaiila

23 Ich lerne Haroun kennen, den Hohen Pascha der Kavars

24 Ich fessle und reserviere eine Frau, ehe die Pflicht des Stahls ruft

25 Der Fall der zweiten Kasbah und Tarnas weiterer Verbleib

26 Der Marsch

Weitere Atlantis-Titel

John Norman

Die Tahari

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg März 2025 Titel der amerikanischen Originalausgabe TRIBESMEN OF GOR © by John Norman Published in agreement with the author, c/o BAROR INTERNATIONAL INC., ARMONK, NEW YORK, USA Deutsche Übersetzung: Andreas Schiffmann © 2025 Atlantis Verlag Alle Rechte vorbehalten. Titelbild: Timo Kümmel E-Book: André Piotrowski ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-967-7 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

1 Samos’ Halle

Glöckchen, zierlich und aus Gold, waren mit Riemen in drei Reihen am linken Knöchel des Mädchens befestigt.

Der Boden der großen Halle stellte eine Landkarte dar, ein breites, aufwendig gearbeitetes und glänzendes Mosaik, in dem sich das Licht der Fackeln widerspiegelte.

Ich beobachtete das Mädchen, das dort kniete und das Gewicht auf die Fersen verlagert hatte, um die Hüften frei bewegen zu können. Sie streckte die Brust heraus, die Schultern hingen locker herab.

Auch ihre Bauchmuskeln waren nicht verkrampft, sondern entspannt, und als sie das Kinn anhob, wirkte sie arrogant. Sie sah sich nicht bemüßigt, uns eines Blickes zu würdigen. Ihr dunkles langes Haar fiel über ihren Rücken.

»Es gibt vieles, was ich nicht verstehe«, gestand mir Samos, während ich mir ein Stück einer aufgeschnittenen Larma nahm und hineinbiss. »Dennoch«, fuhr er fort, »halte ich es für unerlässlich, dass wir die Wahrheit in dieser Angelegenheit erfahren.«

Ich betrachtete die weite Karte auf dem Boden der Halle. Im Norden erkannte ich den Axtgletscher von Torvaldsland, Hunjer, Skjern und Helmutsport, im Süden Kassau sowie die großen grünen Wälder, den Fluss Laurius, an dem die Städte Laura und Lydius lagen. Noch weiter südlich waren die Inseln verzeichnet, allen voran Cos und Tyros; ferner das Voskdelta und Port Kar, landeinwärts Ko-ro-ba, die Türme des Morgens, und Thentis, das berühmt für seine Tarnschwärme war, im gleichnamigen Gebirge. Darunter tat sich unter zahlreichen anderen Städten Tharna mit seinen riesigen Silberminen hervor. Die Züge des Voltai machte ich ebenfalls aus, dazu das ruhmreiche Ar und den Cartius, weit unten Turia sowie nahe am Gestade der Thassa die Inseln Anango und Ianda. Entlang der Küste hingegen folgten die freien Häfen von Schendi und Bazi. Die Karte zeigte Hunderte von Orten, Kaps und Halbinseln, Flüsse, Binnenseen und Meere.

Die gebräunte Haut des Mädchens passte wunderbar zum goldenen Metall der Glöckchen und den erdfarbenen Riemen.

»Vielleicht irrst du dich«, sagte ich. »Es muss nicht unbedingt etwas bedeuten.«

»Mag sein.« Samos lächelte.

In den Ecken des Raums standen Krieger mit Helmen und Speeren.

Das Mädchen trug rote goreanische Tanzseide, die tief um ihre Hüften gewickelt worden war und bis zu den Knöcheln reichte. Einen Zipfel des durchsichtigen Stoffes hatte man nach hinten geführt, um ihn kleidsam locker an ihrer rechten Hüfte in den Wickel zu stecken. Ebenfalls tief auf den Hüften hing ein Gürtel mit aufgefädelten übereinanderliegenden Münzen von geringem Nennwert. Wegen des Schleiers, den man unter einem zweiten solchen Geldgurt auf der linken Schulter bis zur rechten Hüfte geführt hatte, um ihn dort festzumachen, sahen wir nicht viel von ihrem Gesicht. Ihre Arme schmückten zahlreiche Reife und Ringe, während an Daumen und Zeigefinger beider Hände goldene Fingerzimbeln steckten. Ihren Hals zierte ein Metallreif.

Ich nahm mir ein weiteres Stück Larma. »Du verfügst also über gewisse Informationen?«, fragte ich.

Samos bejahte und klatschte in die Hände, woraufhin sich das Mädchen schlagartig vor uns in Pose warf und Bereitschaft zeigte, indem es die Arme hochhob und seine Hände überkreuzt vorhielt. Die Musiker, die etwas abseits standen, wurden rege und machten sich auf den Beginn ihrer Darbietung gefasst. Die erste Stimme übernahm ein Czehar-Spieler.

»Um welche Art von Informationen handelt es sich«, wollte ich wissen.

»Nichts Konkretes«, erwiderte er.

»Vermutlich auch unwichtig«, mutmaßte ich.

»Kann sein«, räumte er ein.

»Die Kurii oder die Anderen«, sagte ich, »sind nach der gescheiterten Invasion ihrer hier geborenen Brüder in Torvaldsland recht still geworden, nicht wahr?«

»Hüte dich vor einem lautlosen Feind«, entgegnete Samos. Erneut sah er das Mädchen an und klatschte abermals.

Sogleich erklangen einmal die Fingerzimbeln, ein zartes wie deutliches, helles Klingeln, und die Sklavin begann, vor uns zu tanzen.

Ich betrachtete die aufgefädelten übereinanderliegenden Münzen an ihrem Gürtel und dem Schulterhalter. Sie fingen zwar das Licht der Flammen vorzüglich ein, waren aber nicht sonderlich kostbar, obwohl sie hübsch funkelten. Eine solche Frau bedenkt man nicht mit wertvollen Münzen; sie ist schließlich eine Sklavin. Sie schob eine Hand zum Schleier an ihrer rechten Hüfte, während sie den Kopf zur Seite gedreht hatte, als zaudere sie und wolle all dies überhaupt nicht, doch sie wusste, dass sie gehorchen musste.

»Komm mit«, sagte Samos.

Ich stürzte den Rest Paga aus meinem Becher hinunter.

Er grinste mich an. »Du bekommst sie später«, versprach er. »Sie wird im Laufe des Abends noch wiederholt tanzen.«

Samos trat hinter dem niedrigen Tisch hervor und nickte unseren Trinkgefährten zu, ausnahmslos vertrauten Männern. Zwei dürftig bekleidete reizende Mädchen zogen sich vor ihm zurück und gingen gesenkten Kopfes auf die Knie, ohne die Gefäße abzustellen, mit welchen sie aufgetragen hatten. Auf einer Seite kniete ein blondes Mädchen mit weißem Teint. Hände und Füße waren fest mit schwarzen Lederriemen verschnürt, die sich zwischen ihren Brüsten kreuzten und um ihre Taille verliefen, wo man ihre Handgelenke mit Schnallen fixiert hatte. Sie hatte Angst, ihre Schultern waren wie die der meisten Frauen von der Erde steif, verkrampft. Ihre ganze Haltung zeugte von Anspannung und Abwehrbereitschaft, was ebenso typisch für Frauen von der Erde war. Wie das Gros ihrer Schwestern hatte man sie mithilfe tausend subtiler Mittel darauf abgerichtet, die organische natürliche Pracht ihrer Muskulatur, ihres Körperbaus zu verbergen beziehungsweise zu unterdrücken, sie physisch zu einem formellen, würdevollen Neutrum konditioniert, dessen Starre, Zurückhaltung und Verstocktheit mechanistische, technologisch und industriell geprägte Gesellschaften so sehr schätzen. Dort lenken und bestimmen Maschinen, denen Bewegungen symbolischer Kraft und Mustergüte innewohnen, worunter man Wiederholung, Takt und Regelmäßigkeit, Präzision und Zweckmäßigkeit versteht. Menschen bewegen sich in einer solchen Gesellschaft anders als dort, wo die Technik noch keinen Einzug gehalten hat, und nehmen eine gegensätzliche Haltung an. Die kulturelle Anpassung eines Mannes oder einer Frau wird in seinen oder ihren Gebaren ersichtlich, aber dies begreifen nur wenige. Die Mehrheit erachtet solche Bewegungen und Körperhaltungen als naturgegeben, weil sie sich im Rahmen eines dem Unterbewusstsein aufgezwungenen mechanistischen Balletts etabliert haben, einer Puppenchoreografie zur Nachahmung von allzu grellen Vorbildern, welche die Fäden ziehen. Nichtsdestoweniger schlummert unter diesem erlernten Benehmen irgendwo das Tier, welches sich natürlich fortbewegte, ehe ihm die Zivilisation beibrachte, mechanische Eigenschaften zu übernehmen. Was Wunder dann, dass sich der Mensch von der Erde – selbst der Erwachsene – bisweilen niederwirft und schreiend am Boden wälzt, wenn er sich unbeobachtet wähnt, und sei es nur, um sich an diesem selbstständigen Handeln, der Überwindung zivilisatorischer Strenge und Hemmnisse zu erfreuen? Unsichtbare Ketten wiegen am schwersten.

Ich sah auf das Mädchen hinab. Sie fürchtete sich und war niedergeschlagen. »Sag ihr«, meinte Samos, »sie soll sich eine echte Frau ansehen, damit sie lernt, wie man sich weiblich zeigt.« Dabei zeigte er auf die goreanische Tänzerin.

Das Mädchen weilte noch nicht lange auf Gor. Samos hatte sie mit vielen anderen zu unterschiedlichen Preisen – in ihrem Fall vier Silbertarsk – auf Teletus gekauft. Sie war nun zum ersten Mal in seinem Haus, hatte das Sklavengehege noch nie zuvor verlassen. An ihrem linken Oberschenkel prangte ihr Brandmal, und einer der Metallarbeiter unter Samos’ Dienstleuten hatte ihr eine schlichte Eisenfessel um den Hals geschmiedet. Sie bot ein jämmerliches Bild und war es nicht wert, einen Halsreif mit Verschluss zu tragen; ich persönlich hätte sie wohl als Kesselmädchen weiterverkauft, obwohl … Als ich sie genauer betrachtete, schonungslos unverhohlen, während sie elendig den Blick abwandte, gelangte ich zu dem Schluss, sie verfüge durchaus über Potenzial. Man mochte sie ausbilden. Die grundlegende Eigenschaft, die von einer Frau auf Gor erwartet wird, ist interessanterweise schlicht Weiblichkeit, die sich wiederum niemand auf Erden, wie ich entschieden bemerken muss, von ihr erbittet; im Gegenteil die Gesellschaft spricht den Frauen dort das Feminine ab. Dies fiel mir nun wieder ein, und der Grund dafür rührt daher, dass es die unter politischen Gesichtspunkten nützliche Geschlechtslosigkeit komplizierter macht, die innerhalb technologisch weit entwickelter Sozialstrukturen wichtig ist. Sexuelle Beziehungen haben dort keinerlei Bedeutung oder gelten sogar als zersetzend. Die Industrienationen auf der Westhalbkugel der Erde bestünden idealerweise aus Robotern ohne Geschlechtsmerkmale, die klaglos funktionieren, programmiert zur Fortpflanzung, Pflege und Erhaltung ihrer Metallgesellschaft. Nach jahrhundertelangem Streben ist es dem Menschen endlich gelungen, sich selbst von einer essenziellen Rolle in seiner Gesellschaft zu entbinden; er hat letztlich sozusagen ein Haus gebaut, in dem er nicht leben kann, da es kein einziges für ihn bewohnbares Zimmer gibt. Er nennt es zwar sein Heim, ist darin aber ein Fremder; seinen Lebensraum hat er aus eigenen Stücken untauglich zum Aufenthalt darin gemacht; seine Hilfsmittel – Maschinen und Institutionen – haben ihn aus seiner eigenen Wirklichkeit vertrieben, während er sich ihrer bediente. Frauen schämen sich dafür, Frauen zu sein; Männer zieren sich, wenn sie den Regungen ihres Blutes nachkommen und eben Männer sein sollen. Nachts schlafen sie unruhig in ihren Plastikkästen inmitten brummender Gerätschaften, jammern und ergehen sich in Selbsthass, kasteien sich dafür, dass sie den Anforderungen einer Welt nicht Genüge tun, die ihnen als eigentlich sinnlichen Wesen fremd ist. Lassen wir Roboter aufgrund ihrer Unmännlichkeit klagen, nicht Männer, weil sie wie Roboter sind. Das Starke, Feine und Mächtige ist nicht schlecht; die Kleinmütigen, die Niederträchtigen machen es bloß schlecht, da sie diese Macht nicht fassen können. Für die Menschen auf der Erde besteht wenig Hoffnung; sie sperren die Ohren nicht auf aus Angst, die Trommeln der Urzeit zu hören.

Das blonde Mädchen schaute unter sich. Ich gab dem Wächter hinter ihr ein Zeichen, da packte er sie an den Haaren, sodass sie aufschrie. Er zog ihren Kopf hoch und nach hinten. Jetzt schaute sie mich an.

Ich verwies auf die Tänzerin.

Das Mädchen betrachtete sie entsetzt, als sei es angegriffen und empöre sich. Sie schauderte, wand sich in ihren Fesseln und ballte die Hände zu Fäusten an den Oberschenkeln, wo die Gürtelbänder sie festhielten.

»Pass gut auf, Sklavin«, mahnte ich sie auf Englisch. »Sieh dir eine richtige Frau an.«

Das Mädchen hatte zuvor den Namen Priscilla Blake-Allen getragen und sich als Miss anreden lassen. Sie war bis zu ihrer Markierung Amerikanerin gewesen.

Jetzt galt sie bloß als namenloses Eigentum eines Sklavenhändlers in dessen Haus und unterschied sich überhaupt nicht von den zahllosen anderen Mädchen in den Gehegen im Untergrund.

Die Tänzerin bewegte sich nun langsam im Rhythmus der Musik.

»Sie ist so lustvoll«, flüsterte das blonde Mädchen angewidert.

Ich drehte mich zu der Tänzerin um, die das Tanzen beherrschte. Gerade rekelte sie sich an der sogenannten Sklavenstange, an die sie gebunden war. Natürlich handelt es sich dabei nicht um eine wirkliche Stange, was man zuweilen allerdings kaum glauben mag. Das Mädchen stellt sich vor, es gebe eine solche Stange – dünn, biegsam und schwankend unter den Bewegungen seines gefesselten, hilflosen Leibes. So bewegt sie sich rings um diese imaginäre Stange, die ein hypothetisches Gleichgewichtszentrum darstellt, tanzend und sich windend, manchmal hingebungsvoll und dann wieder aufbegehrend, ohne dass die Stange sie – eine Gefangene – freigeben würde. Mit einer Sklavenstange vermag man beachtliche Kontrollgewalt auszuüben. Fast unversehens baut sich eine unglaubliche erotische Spannung auf, die sich augenscheinlich im Körper der Tanzenden offenbart und beim Zuschauen kinetisch spürbar wird. Ich hörte Männer bei Tisch vor Wohlgefallen aufschreien. Die Tänzerin hatte die Hände an die Hüften gelegt, während sie wütend ins Rund schaute und weiter ihre Schritte machte. Dabei hoben und senkten sich die Schultern, ihre Hände strichen über ihre Brüste. Kurz warf sie den Kopf in den Nacken, bevor sie die Männer erneut finster anstarrte. Sie streckte die Arme in die Höhe, sehr hoch, und ließ ihr Becken kreisen. Unvermittelt erstarb die Musik, und sie stand völlig reglos da, die linke Hand am Oberschenkel, die rechte über dem Kopf, die Augen nach unten zur Seite gerichtet, da sie im Hüftschwung erstarrt war. Schon setzten die Instrumente wieder ein: Die Fingerzimbeln schellten hell und klar, woraufhin sie sich wieder in Bewegung setzte, es nicht anders konnte an ihrer Stange. Mancher warf ihr Münzen vor die Füße.

Ich behielt das blonde Mädchen im Auge. »Lern, dich wie eine Frau zu verhalten«, trug ich ihr auf.

»Niemals!«, spie sie in ihrem Gurtzeug.

»Du bist nicht mehr auf der Erde«, rief ich ihr ins Gedächtnis. »Man wird dich ausbilden. Der Unterricht mag sich schmerzhaft oder angenehm erweisen, doch wie dem auch sei, du sollst lernen.«

»Das möchte ich nicht«, erwiderte sie.

»Was du möchtest und wünschst, ist unerheblich«, stellte ich klar. »Man wird dich ausbilden.«

»Das ist erniedrigend«, sagte sie.

»Du sollst lernen«, wiederholte ich.

»Sie ist so lustvoll«, erzürnte sie sich wieder. »Wie können die Leute in ihr etwas anderes sehen als eine Frau?«

»Auch das wirst du lernen«, ließ ich sie wissen.

»Ich will keine Frau sein«, brauste sie auf, »sondern ein Mann. Danach sehnte ich mich schon immer!«

Sie wollte den Fesseln trotzen, bäumte sich gegen die Behinderung auf, aber natürlich hielten die Bänder und Ringe klaglos.

»Auf Gor«, begann ich, »ist es den Männern vorbehalten, männlich zu sein – hier auf dieser Welt obliegt es den Frauen, weiblich zu sein.«

»Ich will mich nicht auf diese Weise bewegen«, jammerte sie weiter.

»Du wirst lernen, wie man sich als Frau bewegt«, redete ich ihr ins Gewissen, indem ich ihren Blick suchte. »Nicht zu vergessen, wie man sich lustvoll zeigt.«

»Niemals«, betonte sie, während sie sich gegen das Leder stemmte.

»Sieh mich an, Sklavin!«, befahl ich plötzlich.

Mit Tränen in den Augen schaute sie auf. »Hör gut zu, denn es könnten für eine sehr lange Zeit die letzten Worte sein, die man dir zukommen lässt.«

Sie sah mich an. Der Wächter hielt sie immer noch an den Haaren fest.

»Du bist eine Sklavin«, führte ich aus. »Du bist der Besitz deines Herrn. Man wird dich dazu zwingen, eine Frau zu sein. Wärst du frei und auf Gor heimisch, würde man dir vielleicht gestatten, deinen Status beizubehalten, doch du bist weder frei noch Goreanerin. Der Mann hier akzeptiert keine Kompromisse hinsichtlich deiner Weiblichkeit, nicht bei einer Sklavin. Du wirst, was er vorsieht, nämlich eine Frau – in allen Belangen und sein Eigentum. Falls nötig, peitscht man dich aus oder lässt dich hungern. Du magst dich deinem Herrn widersetzen, was er wiederum vielleicht gestattet, wenn es ihm gefällt, um deine Unterwerfung zum Zeitvertreib hinauszuzögern, doch am Schluss wirst du als Sklavin enden; zuletzt bist du diejenige, die unterliegt. Auf der Erde gab dir die Gesellschaft Rückhalt: das Ergebnis jahrhundertelanger Feminisierung. Ein Mann durfte dich dort nicht einmal unhöflich behandeln, ohne dass du geflohen oder zu einem Rechtsverdreher gegangen wärst. Hier hingegen bietet dir die Allgemeinheit keinen Schutz, sondern steht auf der Seite des Mannes. Sie wird ihn in seinem Begehr unterstützen, da du nur eine Sklavin bist. Es gibt niemanden, an den du dich wenden kannst, keinen Ort, an dem du Zuflucht findest. So bist du allein mit ihm und unterliegst seiner Gnade. Davon abgesehen wurde ihm kein Wertekanon übergestülpt, der seinen Instinkten widerspricht, keine Schuld einprogrammiert und keine Selbstverachtung beigebracht. Er hat gelernt, stolz zu sein, und besitzt das Recht zur Herrschaft über die Frau bereits dadurch, dass er diese Luft atmet. Er ist kein Erdling, sondern ein Goreaner. Er ist stark und unerbittlich, er wird dich niederringen. Einem Mann von der Erde könntest du niemals als Frau dienen, einem Goreaner jedoch schon, früher oder später. Das versichere ich dir.«

Verzweifelt schaute sie mich an.

Die Tänzerin stöhnte auf und stieß einen Schrei aus, als werde sie gepeinigt. Trotzdem verharrte sie, eine Gefangene, wie gepfählt an ihrer Sklavenstange.

»Der goreanische Herr«, legte ich dem blonden Mädchen dar, »verlangt Sinnlichkeit von seinen Sklavinnen.«

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie die Tänzerin an. Deren Hüften zuckten scheinbar losgelöst vom Rest des Körpers, Finger und Handgelenke rieben sich fast unmerklich zur Musik aneinander.

»Im Moment kannst du dich noch nicht so bewegen wie sie«, sagte ich zu dem blonden Mädchen. »Aber Muskeln lassen sich trainieren. Man wird dir beibringen, dich wie eine Frau zu bewegen, nicht wie eine Holzpuppe.« Ich grinste sie an. »Man wird dich Sinnlichkeit lehren.«

Samos schnippte einmal mit den Fingern, damit die Sklavin von ihrer Stange abließ. Während sie auf uns zukam, drehte sie sich, und als sie uns erreichte, löste sie den Schleier von der linken Hüfte, ohne den Tanz zu unterbrechen. Schließlich nahm sie ihn von der linken Schulter, wo man ihn unter das eine Band ihres Büstenhalters geschoben hatte. Mit dem losen Schleier in beiden Händen setzte sie ihre Darbietung für uns fort. Dann sahen uns ihre dunklen Augen über den Stoff hinweg an und auch das armselige blonde Mädchen. Sie streifte sie mit dem Schleier, hüllte sie in das hauchzarte, schmiegsame Material ein. Ich sah den leicht geöffneten Mund, die ungläubig starrenden Augen der Gefesselten auf Knien hinter dem zarten gelben Schleier. Gleich darauf hatte die Tänzerin ihn wieder fortgezogen und begab sich abermals in einer Drehung zurück zur Mitte der Tanzfläche.

»Du wirst deine Weiblichkeit schon noch begreifen«, sagte ich dem blonden Mädchen voraus, »und ich kann dir auch sagen, wo dies geschieht.«

Sie schaute zu mir auf.

»Zu Füßen eines Herrn«, sagte ich.

Dann wandte ich mich von ihr ab und verließ hinter Samos die Halle.

»Sie muss Goreanisch lernen, und zwar schnell«, meinte er mit Bezug auf die Blonde.

»Andere Sklavinnen können ihr die Sprache mit Ruten einbläuen«, schlug ich vor.

»Ich werde es tun«, entgegnete Samos. Es gab eigentlich auch keine schnellere Methode, um einer Frau von der Erde Goreanisch beizubringen – zusätzliche Süßwaren, Gebäck und kleine Aufmerksamkeiten, wie beispielsweise eine Decke im Gehege, vorausgesetzt. Mit dem Lernen einher gingen nahezu zwangsläufig Belohnung und Bestrafung. Bisweilen zuckt ein Mädchen selbst noch Monate nach der Ausbildung zusammen, als erwarte es einen neuerlichen Hieb mit der Rute, obwohl man es gar nicht züchtigt. Goreaner verhätscheln ihre Sklavinnen nicht; dies ist die erste Lektion, die ein Mädchen lernt.

»Du hast nicht viel von ihr erfahren?«, fragte Samos.

Ich hatte sie verhört, kurz nachdem sie in seinem Haus eingetroffen war.

»Ihre Geschichte«, antwortete ich, »deckt sich mit jener von vielen anderen: Entführung und Abtransport nach Gor, dann Sklaverei. Sie weiß nichts. Vorerst begreift sie die Bedeutung ihres Halsreifs nicht einmal im Ansatz.«

Samos brach in unangenehmes Gelächter aus, wie es typisch für Sklavenhändler ist.

»Eine Sache hat sie dir aber doch erzählt, die interessant zu sein scheint«, fuhr er fort, während er mir auf einem langen Korridor vorauseilte. Dabei kamen wir an einer Sklavin vorbei, die auf die Knie fiel und den Kopf senkte, sodass ihr Haar die Fliesen streifte, bis wir vorbeigegangen waren.

»Ich halte es für reinen Zufall, völlig unbedeutend«, hielt ich dagegen.

»Allein für sich genommen schon«, bemerkte Samos, »aber im Zusammenhang mit anderen Sachverhalten sehe ich durchaus Grund zur Beunruhigung.«

»Du meinst, die auf Englisch gesprochene Äußerung zur Rückkehr der Sklavenschiffe, die sie mit angehört hat?«, hakte ich nach.

»Ja«, bestätigte Samos. Als ich das Mädchen im Sklavengehege ausgefragt und erbarmungslos dazu gezwungen habe, sich aller Details zu entsinnen, auch wenn ihr diese Einzelheiten oder Informationen noch so wenig maßgeblich erschienen, fiel ihr etwas ein, das mich befremdete und verstörte. Derweil ich mir keinen rechten Reim darauf zu machen wusste, fand Samos Anlass zur Sorge. Er wusste mehr über die Belange der Anderen oder Kurii sowie der Priesterkönige. Das Mädchen hatte die Bemerkung im benommenen Zustand gehört, halb ohnmächtig, kurz nach seiner Ankunft auf dem Planeten, als es nackt zwischen den anderen Mädchen im frischen Gras von Gor lag, noch unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln und mit dem Erkennungskettchen der Kurii am linken Fußgelenk. Man hatte sie aus den Sklavenkapseln geborgen, in denen sie befördert worden waren. Sie nahm kaum wahr, wie man sie umdrehte, hochhob und an eine andere Stelle der Reihe trug, wo sie sich aufgrund ihrer Körpergröße besser einfügte. Normalerweise führt das größte Mädchen eine Sklavenkette an, und ihre Nachfolgerinnen werden bis zum Ende hin zusehends kleiner, wo die kleinste platziert wird. Bei dieser Kette handelt es sich um eine herkömmliche, die man hin und wieder auch als Marsch- oder Reisekette bezeichnet, nicht um eine Schaukette. Diese heißt alternativ auch Verkaufskette, wobei sich die Reihenfolge der Mädchen aus mehreren Erwägungen, sowohl ästhetischer als auch psychologischer Art, ergibt. Beispielsweise wechselt man blonde mit braunhaarigen ab, üppige mit schlanken, rege Aristokratinnen mit niedlichen Bauernmädchen und so weiter. Manchmal kettet man ein Mädchen zwischen zwei weniger hübschen an, um seine Schönheit hervorzukehren, ein andermal spart man die Zierde der Reihe für den Schluss auf. Auch kommt es vor, dass die Kette zur Verdeutlichung der Rangfolge dient, weshalb die schönste Frau vorangeht, während die übrigen andauernd miteinander wetteifern, um einen Handring, Schnappverschluss oder Halsreif angelegt zu bekommen, der sich weiter vorne in der Reihe befindet.

Man hatte die Blondine bäuchlings ins Gras fallen lassen und ihr linkes Handgelenk seitlich nach unten gezogen. Dann muss sie das Rasseln der aufgewickelten Kette gehört und nachvollzogen haben, wie die Handschellen nacheinander klickten, schließlich das Kettenstück, welches auf die Rückseite ihrer Oberschenkel rutschte. Nachdem auch ihr linkes Handgelenk gesichert, der Ring daran also geschlossen war, lag sie wie die anderen Mädchen in Ketten. Währenddessen stand ein Mann daneben und führte Buch. Sobald sie die Handschelle trug und die Erkennungsmarke von ihrem Knöchel entfernt worden war, hatte derjenige, der dies getan hatte, etwas zu dem Schreiber gesagt, und dieser einen weiteren Eintrag gemacht. Als alle Mädchen angekettet waren, hatte der Mann mit dem Buch ein Papier unterzeichnet, das dem Kapitän des Sklavenschiffes zukam. Sie wusste wohl, dass es sich um eine Lieferbestätigung für erhaltene Waren handelte. Die Frachtbriefe waren anscheinend korrekt. Nur schwach wehrte sie sich gegen den Handring, konnte aber natürlich nichts dagegen ausrichten. Dann geschah es, dass der Buchführer den Kapitän gefragt hatte, ob er bald zurückkehren werde. Er sprach Goreanisch mit einem Akzent, wohingegen der Kapitän, wie ihr dämmerte, die Sprache nicht verstand. Falls sie sich nun richtig erinnerte, hatte er vorgegeben nicht zu wissen, wann er wiederkommen würde, auch weil er Order erhalten hatte, keine weiteren Reisen zu unternehmen, bis man ihm anderslautende Befehle erteilen würde. Sie vollzog den Abflug des Schiffes mit, hatte dabei das Gras unter ihrem Körper gespürt, die Kette quer über ihren Beinen und den Stahl der Handschelle. Als sich das Mädchen zu ihrer Rechten rührte, hatte sich die Kette bewegt, und ihre linke Hand wurde ein wenig nach hinten gezogen. Sie lagen im Schatten der Bäume und waren vom Himmel aus nicht zu sehen. Aufstehen durften sie nicht. Als eine von ihnen aufschrie, wurde sie geschlagen. Miss Priscilla Blake-Allen hatte es nicht gewagt zu schreien. Nach Einbruch der Dunkelheit verlud man sie in einen Wagen.

»Warum«, fragte Samos, »sollten die Sklavenschiffe keine Transporte mehr durchführen?«

»Weil eine Invasion bevorsteht?«, erwiderte ich.

»Eher unwahrscheinlich«, glaubte er. »Falls dies in absehbarer Zeit geschähe, würde die Sklavenbeschaffung weitergehen. Andernfalls hätte man in den Abwehr- und Überwachungseinrichtungen der Priesterkönige Grund dazu, auf der Hut zu sein. Gewiss wäre niemand darauf aus, den Feind im Vorfeld eines Angriffs zu erhöhter Sorge und Alarmbereitschaft zu provozieren.«

»Schon wahr«, pflichtete ich bei, »es sei denn, dass die Kurii darauf spekulieren, ein solcher Schachzug verleite die Priesterkönige zu falschen Schlüssen, da es zu offensichtlich wie das Vorspiel zu einem offenen Krieg aussehe.«

Samos lächelte. »Diese Möglichkeit wiederum wird den Herrschern des Sardars sicherlich auch nicht entgehen.«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich war sehr lange nicht mehr in diesem Gebirge gewesen.

»Es mag darauf hindeuten, dass ein Einfall vorbereitet wird«, fuhr Samos fort. »Ich glaube aber, dass die Kurii als rational denkende Geschöpfe keine offene Auseinandersetzung riskieren möchten, bis sie deren Ausgang ganz sicher voraussehen können. Sie haben vermutlich noch nicht alles herausgefunden, was sie suchen. Ihre hier ansässigen Verwandten, die eine fabelhafte Einheit von Spitzeln abgegeben hätten und wohl auch dazu vorgesehen waren, bescherten ihnen nur kärgliche Informationen.«

Nun lächelte auch ich. Die über Generationen hinweg erfolgte Unterwanderung der auf Gor weilenden Kurii von Norden her, bei denen es sich um Nachkommen und Überlebende derer aus dem All handelte, war in Torvaldsland aufgehalten worden.

»Meiner Meinung nach«, sprach Samos, »hat es nichts mit einer Invasion zu tun.« Finster schaute er mich an. »Vielmehr schätze ich, dass sich eine ebensolche bei dem, was im Gange ist, erübrigen soll.«

»Was meinst du damit?«, fragte ich.

»Ich habe große Angst«, gab er zu. Ich betrachtete ihn; selten hatte ich ihn in einer solchen Verfassung gesehen. Als ich sein grobes, kantiges Gesicht besah, verwittert vom Wind und Salz der Thassa, die hellen Augen, das kurz geschnittene weiße Haar sowie die kleinen goldenen Ohrringe, kam mir sein Teint aschfahl vor. Dabei wusste ich doch, dass er, ohne mit der Wimper zu zucken, hundert Schwertern trotzte.

Ich fühlte ihm weiter auf den Zahn: »Was soll eine Invasion unerheblich machen?«

»Ich habe große Angst«, wiederholte Samos.

»Du hast angedeutet, noch mehr zu wissen«, erinnerte ich.

»Folg mir.« Unser weiterer Weg führte durch mehrere Korridore seines Hauses und über Treppen in die Tiefe. Bald gingen wir an feuchten Wänden vorbei, weshalb ich darauf schloss, dass wir unter das Bett des Kanals vorgedrungen waren. Wir traten durch verriegelte und schwer bewachte Türen, wozu Samos Passwörter nennen musste, die je nach Ebene und Sektor des Hauses unterschiedlich lauteten und sich stets täglich änderten. Ein Teil unseres Weges führte an Sklavengehegen vorbei. Einige der schmuckvoll vergitterten und mit dunkelrotem Stoff verhangenen Zellen sahen recht behaglich aus; in manchen steckten mehrere Mädchen, von denen man der einen oder anderen erlaubte, sich zu schminken und Sklavenseide zu tragen. Im Allgemeinen jedoch bleiben Gefangene, Männer wie Frauen, in den Gehegen, abgesehen von ihren Halsreifen und Brandmalen, völlig nackt. Ausstatter, Parfümeure und Friseure behandeln sie dann so, wie man es ihnen aufträgt. Die meisten Räumlichkeiten zur Verwahrung in den Gehegen warten indes nicht mit solchem Komfort auf, sondern sind überwiegend schlichte, aber stabile Käfige oder enge Zwinger aus Zementstein mit einer vergitterten Öffnung. Winzige Sklavenkäfige gibt es ebenfalls, entweder vereinzelt, miteinander vernietet oder gestaffelt übereinander. Andere mit einer Höhe und Breite von je etwa einem Yard, während sie vier bis fünf Yards lang sind, hatte man hier mit Kettengliedern an Metallstreben entlang der Wände gesichert. Das eine oder andere nackte Mädchen, das darin kniete, machte vor Furcht große Augen, als wir es passierten, oder klammerte die Finger um eines der Verbindungsstücke. Die generelle Vernachlässigung, die Dunkelheit und Feuchtigkeit sind eingedenk des Gefühls, allein zu sein, zweifellos schwer zu ertragen, doch davon abgesehen, steht auch anzunehmen, dass Sklavinnen bange wird, wenn ein freier Mann auftaucht, bei dem es sich nicht nur um einen Wachposten handelt, der zum Beispiel das nahrhafte Futter oder den Brei bringt, der ihre Mahlzeit ausmacht. Sicherlich wünschen sie sich, ihrem Gefängnis zu entkommen, und insbesondere neue Sklavinnen müssen sich gehörige Sorgen darüber machen, was weiterhin mit ihnen geschieht, wann immer ein Herr vorbeikommt. Falls sie schon an den Halsreif gewöhnt sind, machen sie sich diesbezüglich kaum mehr etwas vor: Üblicherweise finden sie sich an irgendeiner Verkaufskette, einem Händlerstand oder Marktplatzblock wieder, hoffentlich in einer Klein- oder Großstadt, wo großer Wohlstand herrscht. Ein erfahreneres Mädchen hegt wahrscheinlich die meisten Bedenken hinsichtlich der Wesensart des Herrn, zu dessen Füßen es knien muss. Folglich wird sie versuchen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, damit sie, indem die Gebote erhöht werden, an einen reichen Mann gerät und somit einem leichteren Leben entgegensieht. Andererseits kennen manche Herren die Grillen dieser Mädchen und sorgen dafür, dass sie im Zuge ihrer Ausbildung rasch bereut, nicht von einem Töpfer, Bauern, Hirten oder Kaiilahalter erstanden worden zu sein. Während man sie wie eine Sklavin behandelt, die wenig kostet, erwartet man zugleich, dass sie unter Androhung der Peitsche auf den Fellen dient wie eine hochpreisige.

Einmal gingen wir über Eisengitter, unter denen Käfige standen. Leibeigene beiderlei Geschlechtes, die in solchen Gruben untergebracht sind, werden normalerweise durch deren Decke hineingelassen oder herausgezogen, wozu man Stricke verwendet. Alternativ gibt es an den Wänden verschließbare Türen, durch die man etwa männliche Sklaven in einen Käfig voller Frauen führen kann, wenngleich beide meistens getrennt gehalten werden. Dadurch lassen sich ihre sexuellen Bedürfnisse jeweils besser kontrollieren und für die Herren effektiver ausnutzen. Bisweilen wirft man eine Frau zu männlichen Sklaven, um sie zu bestrafen oder ihnen eine Nachspeise zu schenken, die ihr Futter und den Brei versüßt.

Wir setzten unseren Weg durch zwei Abfertigungssäle fort. Von einem Gang aus führte eine Tür zu einer ärztlichen Untersuchungsstation, die mit Matten und Ketten ausgestattet war. An Übungs- oder Ausbildungsräumen kamen wir ebenfalls vorbei, nicht zu vergessen die Kammer, in der gebrandmarkt wurde und wo ich viele heiße Eisen sah, sowie die gefürchtete Zelle, die der Züchtigung von Gefangenen vorbehalten war. Dort hingen Ringe an Ketten und Peitschen, ein breiter, massiver Steintisch stand in der Mitte.

Als wir an den Käfigen vorbeigingen, schauten uns die männlichen Leibeigenen verdrossen an, wohingegen die Sklavinnen in der Regel zurückwichen. Eine jedoch streckte einen Arm zwischen den Gittern hindurch. »Ich bin bereit, an einen Mann verkauft zu werden!«, sagte sie. »Verkauft mich! Verkauft mich!« Ein Wärter schlug mit seiner Lederpeitsche gegen das Gitter, woraufhin sie zurückwich.

»Sie ist noch nicht heiß genug für den Block«, bemerkte ich.

Samos stimmte mir zu.

Hätte sie mit Tränen im Gesicht am Gitter gekauert, die Knie hindurchgeschoben, den Leib dagegen gedrückt und die Arme auch auf die Gefahr hin ausgestreckt, geprügelt zu werden, bloß weil sie den Wärter berühren wollte, wäre sie heiß genug gewesen. Oft schickt man Mädchen zitternd und brennend vor Leidenschaft auf den Block. Viele Male sah ich sie aufrecht stehend, aber schaudernd und bebend bei der geringsten Berührung des Auktionators. Hin und wieder stachelt man sie am Fuße des Blocks weiter auf, ohne ihnen Befriedigung zu verschaffen, was den Interessenten allerdings entgeht. Daraufhin treibt man sie nackt nach oben, um sie auf so gemeine Weise frustriert zu veräußern. Ihre Versuche, Zahlungswillige für ihr Fleisch zu begeistern, gestalten sich nicht selten aberwitzig. Einige von ihnen kreischen beinahe vor Elend, sehnen sich schmerzlich nach körperlicher wie geistiger Vollendung dessen, was man an ihnen begonnen hat. Mir sind schon Mädchen untergekommen, die der Auktionator mit der Peitsche von sich stoßen musste, um sie im angemessenen Rahmen zur Schau zu stellen. Bei ihnen handelt es sich natürlich um Sklavinnen, die bereits zuvor einen Herrn hatten. Wer nie besessen worden ist, freie Frauen eben, begreift seinen Geschlechtstrieb gemeinhin noch nicht, selbst wenn sie nackt ist und einen Halsreif trägt. Nur ein Mann kann ihr dies beibringen, wenn sie sich hilflos in seiner Gewalt befindet. Eine Frau ohne Besitzer – somit jede Freie – ist deshalb niemals in der Lage, ihre Sexualität zur Gänze zu erfahren. Daraus ergibt sich logischerweise, dass kein Mann, der noch nie eine Frau als Eigentum in seine Arme geschlossen hat, den vollen Umfang seiner Männlichkeit versteht. Sexuelle Begierde, dies sei noch erwähnt, wird bei freien Frauen mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen, von einer Sklavin aber obligatorisch verlangt. Leidenschaft, so glaubt man, beraubt eine Freie bis zu einem gewissen Grad ihrer Freiheit und Selbstbeherrschung; man betrachtet sie skeptisch, weil sie in mancher Hinsicht zu einem Verhalten führt, das dem einer erniedrigten Sklavin nicht unähnlich ist. Um ihre Ehre und Würde, Freiheit, Persönlichkeit und Einzigartigkeit zu schützen, müssen freie Frauen also gegen ihre Leidenschaft ankämpfen; dieses Vorrecht genießen Sklavinnen natürlich nicht. Nicht nur ihr Herr, sondern die ganze Gesellschaft verleidet es ihr. Während die freie Frau reserviert bleibt und sich selbst zügeln muss, auch in den Armen ihres Gefährten, um zu vermeiden, sozusagen wirklich »hingerissen« zu werden, darf sich keine Sklavin diesen Luxus erlauben; keine Frau wird so regelmäßig, so intensiv, kompromisslos, unweigerlich und vollständig, ohne widerstehen zu können »hingerissen«. Die Gewalt, dies sollte man begreifen, liegt in den Händen ihres Herrn, und auf dessen bloßes Wort hin muss sie sich zuckend den schmählichen Gelüsten einer niederen Sklavin in Ekstase unterwerfen. Nur eine Frau, die umfassend besessen wird, lässt sich gänzlich auskosten.

Ein Urt mit nass glänzendem Fell streifte mein Bein.

»Hier«, sagte Samos, als wir am Ende des Korridors, der in der untersten Ebene des Hauses zu liegen schien, ankamen. Er nannte das Passwort durch eine breite mit Metallplatten verstärkte Tür. Die Tür wurde geöffnet; dahinter erstreckte sich ein weiterer Korridor, der allerdings deutlich kürzer war, außerdem dunkel und feucht. Samos ließ sich von dem Wächter eine Fackel reichen und trat vor eine der Türen der angrenzenden Zellen. Er hielt die Fackel hoch und schaute durch den schmalen Schlitz in der Tür. Schließlich zog er den Riegel zurück, duckte sich und trat ein. Der Gestank von Exkrementen strömte uns entgegen.

»Was sagst du dazu?«, fragte er mich und hob die Fackel an.

Die angekettete Gestalt rührte sich nicht. Samos hob einen Stock neben dem Eingang auf, mit dem die Wärter dem Gefangenen Schalen mit Wasser oder Essen zuschoben.

Die Gestalt schlief entweder oder war tot; ich hörte sie nicht atmen.

Unerwartet plötzlich huschte noch ein Urt vorüber zu einem Riss in der Mauer und verschwand darin.

Samos berührte die Gestalt mit dem Stock, da fuhr sie mit funkelnden Augen herum und biss das Holz entzwei. Sie stemmte sich wohl mit einem Gewicht von gut achthundert Pfund gegen die sechs Ketten, die sie festhielten. Jede davon war an einem separaten Ring in der Wand gesichert, an denen das Wesen nun zerrte, wieder und wieder. Gleichzeitig schnappte es nach uns, Krallen schossen aus den sechs Fortsätzen an den Enden seiner Fangarmen gleichen Gliedmaße, wurden wieder eingefahren und traten erneut hervor. Ich fasste die platte ledrige Schnauze ins Auge, die schwarzen Pupillen und gelblichen Hornhäute der Augen. Die Ohren lagen flach am Kopf, das Maul glich einem breiten, mit Fangzähnen umrandeten Loch, das groß genug war, um einem Menschen den Kopf abzubeißen. Man hörte die Ringe in der Steinwand knirschen, aber sie hielten, also nahm ich die Hand vom Heft meines Schwertes.

Das Ungeheuer lehnte sich schließlich an die Wand und betrachtete uns, wobei es wegen der hellen Flamme der Fackel blinzeln musste.

»Das ist der erste Lebende, den ich gesehen habe«, sagte Samos.

Zuvor hatte er nur den Kopf eines solchen Geschöpfes gesehen, aufgespießt auf einem Pfahl, in den Ruinen einer Halle in Torvaldsland.

»Es ist unbestreitbar ein Kur«, fügte er hinzu.

»Ja«, entgegnete ich. »Es ist ein ausgewachsener Kur.«

»Ziemlich imposant, nicht wahr?«, fragte Samos.

»Stimmt«, bekräftigte ich, »aber mir sind schon viel gewaltigere begegnet.«

»Soweit wir es bestimmen können«, erwiderte Samos, »ist er bloß ein Tier und nicht vernunftbegabt.«

Ich musste grinsen.

Der Kur war mit sechs Ketten gesichert, jeweils an den Fuß- und Armgelenken, dem Bauch und Hals. Jede einzelne dieser Ketten hätte genügt, um einen Bosk oder Larl in Schach zu halten.

Der Kur riss das Maul weit auf und fauchte.

»Wo hast du ihn gefangen genommen«, wollte ich wissen.

»Gekauft«, berichtigte Samos. »Von Jägern, die ihn südöstlich von Ar fingen, als er sich weiter in diese Richtung bewegte.«

»Das ist eigenartig«, fand ich. »Wenige Goreaner würden sich so weit in diese Gefilde vorwagen.«

»Richtig«, stimmte Samos zu. »Aber ich kenne den Anführer dieser Jagdleute. Seine Ausführungen waren eindeutig. Sechs Männer starben bei der Gefangennahme.«

Die Kreatur blieb leicht schläfrig hocken, beäugte uns aber weiter.

»Was treibt ein Kur bloß an einem solchen Ort?«, wunderte ich mich.

»Vielleicht hat er den Verstand verloren?«, erwog Samos.

»Welchen Zweck besitzt eine solche Reise für einen Kur?«, fragte ich weiter.

Samos wusste keine Antwort. »Wir konnten uns nicht mit ihm verständigen«, erklärte er. »Mag sein, dass einige Kurii doch vernunftbegabt sind, aber dieser könnte wie viele andere nur ein gefährliches Tier sein, nicht mehr.«

Ich suchte den Blick der Kreatur, da zog sie die Lefzen ein wenig zurück. Dies entlockte mir ein neuerliches Lächeln.

»Wir haben den Kur geschlagen«, subsumierte Samos, »ausgepeitscht, mit Stangen bedrängt und hungern lassen.«

»Folter?«, warf ich ein.

»Darauf sprach er nicht an«, antwortete Samos. »Ich schätze, er besitzt wirklich keinen Verstand.«

»Welchem Zweck dientest du?«, fragte ich den Kur. »Wie lautete dein Auftrag?«

Der Kur ging nicht auf mich ein.

Ich erhob mich wieder.

»Lass uns in die Halle zurückkehren«, schlug ich vor.

Samos stimmte zu: »Gut.« Alsdann kehrten wir der Zelle den Rücken.

Die Tänzerin beschrieb am Mosaikboden kleine Kreise mit ihrem linken Fuß, an dessen Gelenk die Glöckchen bimmelten, während sie kontrapunktisch die Fingerzimbeln klingeln ließ.

Als wir hereinkamen, prosteten uns die Männer mit ihren Bechern zu. Wir erwiderten den Gruß.

Zwei Krieger, die als Wächter fungierten, hielten zwischen sich eine dunkelhäutige Sklavin fest. Sie hatte langes schwarzes Haar, ihre Arme waren fest an den Seiten des Oberkörpers gefesselt, die Hände am Rücken verschränkt und ebenfalls gebunden. Sie stießen sie nach vorne. »Eine Botin«, bemerkte einer.

Samos warf mir einen raschen Blick zu, bevor er sich an einen Mann an der Tafel wandte, der das Gewand eines Arztes trug. »Zeig uns die Nachricht.«

Dann richtete er sich an das Mädchen: »Knie nieder.« Sie ging zwischen den zwei Wächtern zu Boden.

Nun baute er sich vor ihr auf. »Wem gehörst du?«, fragte er.

»Dir, Herr«, antwortete sie. Traditionsgemäß wird eine Botin dem Empfänger der jeweiligen Nachricht überlassen.

»Wem hast du gehört«, fuhr er fort.

»Ich wurde anonym in den öffentlichen Gehegen von Tor gekauft«, gab sie an.

Manche Städte, darunter auch Tor, verstanden sich auf Sklavenhandel, indem sie regelmäßig bislang unverkaufte Mädchen von Karawanen bezogen und gewinnbringend an die Anführer anderer Wagenzüge weiterveräußerten. Außerdem zahlte man den städtischen Kriegern ein Kopfgeld für Frauen, die sie aus den Ortschaften des Feindes entführten. Der Lohn belief sich, den Sitten entsprechend, auf einen Silbertarsk für wohlgestaltete und gesunde Gefangene.

»Du weißt nicht von wem und warum du gekauft worden bist?«, hakte Samos nach.

»Nein, Herr«, versicherte sie.

Folglich kannte sie keine Botschaft, sondern diente selbst als solche.

»Wie heißt du«, fragte Samos dann.

»Veema«, entgegnete sie, »falls der Herr es so will.«

»Welche Nummer gab man dir in den Gehegen von Tor?«, sprach er weiter.

»87432, Herr.«

Der Angehörige der Kaste der Ärzte legte dem Mädchen beide Hände auf den Kopf. Ein anderer Mann hielt ihm eine Rasierschale hin.

»Dann weißt du also nicht, von wem die Nachricht stammt«, schlussfolgerte Samos.

Sie verneinte.

Der Arzt hob ihr langes dunkles Haar hoch und setzte das Rasiermesser am Nacken an, wobei sie den Kopf nach vorne neigen musste. Samos wandte sich von dem Mädchen ab und verwies mich an einen Mann, der am Kopfende eines der niedrigen Tische saß und weder Wein noch Paga trank. Für Port Kar trug er ungewöhnliche Kleidung, Kufiya und Agal. Ersteres ist ein quadratisches Tuch, das zum Dreieck gefaltet und als Kopfbedeckung verwendet wird, zwei Spitzen zur Seite der Schultern, eine hinten, um den Nacken zu schützen. Durch die mehrmals um den Kopf gewickelte Kordel, der Agal, wird die Kopfbedeckung gehalten und weist auf den Stamm und die Herkunft hin.

Wir gingen zum Platz des Mannes. »Darf ich vorstellen?«, hob Samos an. »Ibn Saran, Salzhändler vom Binnenhafen Kasra.«

Das rote Salz von Kasra, das nach dem Hafen, an dem es verschifft wird, benannt ist, erfreut sich auf Gor großer Beliebtheit. Es stammt aus geheimen Gruben und Minen, über die niemand etwas weiß, und wird tief im Inneren der Wüste abgetragen und in schweren Zylindern auf dem Rücken von Lastkaiilas zum Hafen geschafft. Die Zylinder sind miteinander vertäut; jeder Zylinder wiegt ungefähr zehn Stein oder etwa vierzig Pfund, einem goreanischen »Gewicht« entsprechend. Ein starkes Kaiila kann sechzehn solcher Zylinder tragen, doch die übliche Last beschränkt sich auf zehn. Naheliegenderweise bevorzugt man gerade Zahlen, um das Gewicht gleichmäßig verteilen zu können. Bei ungünstiger Verteilung schafft ein Kaiila deutlich weniger, als wenn man es mit Bedacht belädt.

»Ibn Saran ist während der vergangenen Monate etwas Erstaunliches aufgefallen«, erläuterte Samos. »Ein Kapitän sprach mit ihm darüber auf dem Dock, wo das Salz verladen wird, und gab es dann an mich weiter.«

Samos war der erste Sprecher des Kapitänsrates von Port Kar, der in der Stadt das Sagen hatte. Jegliche Belange, die von Interesse waren, drangen über kurz oder lang an sein Ohr.

»Der edle Samos ist zu gütig«, begann Ibn Saran. »Seine Gastfreundschaft zeugt von einem äußerst freigiebigen Menschen.«

Ich bot dem Händler eine Hand an, der sich daraufhin zweimal verbeugte und mir zur Begrüßung mit der Handfläche über die Finger strich.

»Ich freue mich, die Bekanntschaft eines Freundes von Samos von Port Kar zu machen«, bekannte Ibn Saran. »Mögen deine Wasserschläuche niemals leer sein, auf dass du nicht dürsten musst.«

»Mögen deine Wasserschläuche niemals leer sein«, gab ich zurück, »auf dass du nicht dürsten musst.«

»Falls es dir nichts ausmacht, ehrenwerter Ibn Saran«, bemerkte Samos, »so berichte meinem Freund von dem, was du in Kasra gehört hast.«

»Es handelt sich um die Ausführungen eines Jungen, der Kaiilas hütet. Seine Karawane war nicht umfangreich. Sie geriet in einen Sturm, woraufhin ein Tier, das vor lauter Wind und Sand wild wurde, seine Fessel sprengte und in der Dunkelheit verschwand. Töricht, wie er war, stellte der Junge ihm nach, weil es das Wasser getragen hatte. Am Morgen, als der Sturm vorüber war, grub er einen Schutzgraben. Im Lager selbst stellte man Suchtrupps zu einem Rad zusammen.«

Schutzgräben sind schmal, ungefähr achtzehn Zoll breit und vier bis fünf Fuß tief. Die Sonne kann den Sand an der Oberfläche auf bis zu hundertfünfundsiebzig Grad Fahrenheit erhitzen. Nomadenfrauen legen mitunter Metallscheiben von rund zwei Fuß Länge und sechs Zoll Breite in die Sonne, um darauf zu kochen. Nur ein bis zwei Fuß unter der Oberfläche beträgt die Temperatur gut fünfzig Grad Fahrenheit weniger. Der wichtigste Vorzug eines solchen Grabens besteht im Schutz vor der Sonne. Die Lufttemperatur übersteigt selten, nicht einmal in der Wüste, hundertvierzig Grad Fahrenheit im Schatten. Der Graben wird natürlich immer in seiner Längsrichtung nach dem Pfad der Sonne gegraben, um dadurch ein Maximum an Schatten für möglichst lange Zeit zu erzielen.

Bei Tag schlägt man sich niemals allein und ohne Wasser über die Dünen. Interessanterweise wird es abends, wenn die Sonne untergeht, aufgrund des fehlenden Oberflächenwassers frisch, beizeiten sogar richtig kalt. Demzufolge reist man nachts, wenn man nicht mit einer Karawane zieht. Wer überleben möchte, muss vor allem auf den Flüssigkeitshaushalt seines Körpers achten; man bewegt sich möglichst selten und vermeidet es, zu schwitzen.

Das erwähnte Rad ist eine spezielle Suchstrategie. Hirten, Wachen oder Kaiilapfleger verlassen das Lager entlang einer »Speiche« eines Rades und verteilen sich in bestimmten Abständen. Die Zahl der Männer der Karawane legt die Länge der Speiche fest. Niemand aus der Karawane verlässt diese weiter als die Länge dieser Radspeiche, entsprechend der jeweiligen Karawane. Der Junge nun, wäre er bei klarem Verstand gewesen, hätte dem Kaiila nur sozusagen bis zur äußeren Einfassung des Rades zu Fuß nachgestellt. Während sich das Rad aus Menschen um seine eigene Achse – das Lager – dreht, zeichnen die Männer in gewissen Abständen immer wieder Pfeile in den Sand oder Erdboden. Falls sie Steine zur Hand haben, legen sie diese wie Pfeile aus, die auf das Lager zeigen. Ist die Suche zu Ende, ob erfolgreich oder nicht, beseitigt man diese Spuren wieder, damit andere Reisende sie nicht als Markierungen interpretieren, die auf Wasser hindeuten, also die Richtung vorgeben, in der man auf Trinklöcher, Untergrundzisternen oder Oasen stoßen mag. Nebenbei bemerkt hängt man Kaiilas, die Karawanen angehören, eine Vielzahl von Glöckchen um, sowohl den Herdentieren als auch jenen der Patrouillen und Krieger. Dies dient dazu, die Gruppe zusammenzuhalten und erleichtert das Vorankommen im Dunkeln beziehungsweise Gebieten, wo man häufig nicht weiter Ausschau halten kann als hundert Yards, bevor eine Düne oder Hochebene die Sicht versperrt. Auch dies ist dem Überleben äußerst zuträglich. Ohne solche Glöckchen und im Zuge überhasteter Fortbewegung mag eine ansonsten stille Karawane unwissend um wenige Yards an Menschen vorbeiziehen, die dringend Hilfe benötigen. Banditen hängen ihren Tieren wohlweislich niemals Glöckchen um.

»Gegen Mittag«, fuhr Ibn Saran fort, »fand man den Jungen. Als er die Glöckchen des Tieres eines Patrouillenreiters hörte, stieg er aus seinem Schutzgraben und machte auf sich aufmerksam. Er kam also noch einmal davon, obzwar er ordentlich dafür verprügelt wurde, dass er sich vom Zug abgesondert hatte. Das Kaiila kam später, vom Hunger getrieben, aus eigenen Stücken wieder zurück.«

»Welche Geschichte«, fragte ich, »hatte der Junge zu erzählen?«

»Er war beim Verfolgen des Tieres auf einen Warnhinweis gestoßen«, erläuterte Ibn Saran. »Jemand hatte die Worte ›Hüte dich vor dem stählernen Turm‹ in einen Felsbrocken gekratzt.«

Samos schaute mich an. Für mich ergab der Spruch wenig Sinn.

»In der Nähe des Steines«, so der Händler weiter, »lag ein toter Mann, sonnenverbrannt, ausgetrocknet und Blasen schlagend. Er wog kaum mehr als ein Kind oder eine Frau, hatte sich die Kleider vom Leib gerissen und Sand getrunken.«

Ein grausamer Tod. Sehr wahrscheinlich war er im Wahnsinn gestorben und hatte geglaubt, er sei auf Wasser gestoßen.

»Seine Kleider«, meinte Ibn Saran, »deuteten darauf hin, dass es sich um einen Plünderer handelte.«

»Er war aber nicht beritten?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete Ibn Saran.

»Woher kam er?«, argwöhnte ich. »Wie lange war er in der Wüste gewesen?«

»Das weiß ich nicht«, betonte Ibn Saran. »Wie gut kannte er sich in der Gegend aus, und wie viel Wasser hatte er mitgenommen?«

Der Mann mochte Tausende von Pasangs zurückgelegt haben, bevor das Kaiila gestorben oder entflohen war.

»Wie lange war er schon tot?«, drängte ich weiter.

Ibn Saran lächelte schwach. »Seit einem Monat«, schätzte er, »oder einem Jahr?«

Der Verwesungsprozess gestaltet sich in der Wüste sehr langwierig. Man hat schon außergewöhnlich gut erhaltene Leichname von Menschen entdeckt, die schon ein Jahrhundert früher getötet wurden. Skelette findet man in diesen Gebieten höchst selten, außer denen, die von Vögeln oder anderen Tieren abgefressen wurden.

»Hüte dich vor dem stählernen Turm«, wiederholte ich.

»Dies stand dort in Stein gekratzt«, rekapitulierte Ibn Saran.

»Gab es einen Hinweis darauf, aus welcher Richtung der Mann gekommen war?«, fragte ich.

»Nein«, erwiderte der Händler.

»Hüte dich vor dem stählernen Turm«, murmelte Samos. Ich zog abermals die Schultern hoch. Samos stand auf und ging, nachdem er sich zweimal mit einer Berührung des Handballens von Ibn Saran verabschiedet hatte. Mir fiel auf, dass der Salzhändler beim Essen nur die rechte Hand benutzte. Es war die Hand, mit der er speiste und sein Scimitar führte; Nahrung nahm er also nur mit der Hand zu sich, die auch den Stahl schwang und Bluttaten anrichtete.

Die Tänzerin wirbelte dicht an uns vorbei und hüllte mich einstweilen in ihren Schleier. Verdeckt unter dem Stoff, der uns nunmehr vereinte, bewegte sie sich langsam vor mir und stöhnte mit leicht geöffnetem Mund. Ich umarmte sie; sie bog den Kopf nach hinten und schloss die Augen, da gab ich ihr einen Kuss und biss ihr die Lippen blutig. So kosteten wir gemeinsam ihren Lebenssaft und das Rot ihres Lippenstiftes, die Farbe der Unterwerfung. Sie entzog sich ein Stück weit, auf einer Seite ihres Mundwinkels war Blut. Indem ich den Stoff bedachtsam mit der Faust packte und ihr die andere Hand in den herrlich zarten Nacken legte, um sie am Fliehen zu hindern, lüftete ich den Schleier und warf ihn zur Seite. Während ich sie weiter mit der linken Hand festhielt, setzte sie ihren Tanz fort, und ich durchschnitt den Träger ihres Büstenhalters am Rücken mit dem Quiva der Tuchuks. Schließlich stieß ich sie von mir vor die Tische, auf dass sie den Gästen von Samos, dem führenden Sklavenhändler von Port Kar, besser aufwartete. Vorwurfsvoll sah sie mich an, hielt meinem Blick jedoch nicht stand, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und wandte sich ab, um den Männern zu dienen. Bis dahin hatte sie natürlich zu keinem Augenblick den Faden der Musik verloren. Die Männer staunten nicht schlecht ob ihrer Schönheit.

»Die Botin ist bereit«, kündigte der Mann im Grün der Ärzte an und wandte sich seinem Begleiter zu, um das Rasiermesser in die Schale zu legen. Dann trocknete er seine Hände an einem Handtuch ab.

Das Mädchen kniete nach wie vor gefesselt zwischen den beiden Wächtern. Tränen standen in ihren Augen, denn der Arzt hatte ihr den Kopf gründlich rasiert. Was auf ihrer Kopfhaut stand, wusste sie nicht. Außerdem zieht man zur Überbringung solcher Nachrichten Frauen heran, die nicht lesen und schreiben können. Sie war schon einmal geschoren worden, woraufhin man die Worte auf den Kopf tätowiert hatte. Die Haare mussten dann über mehrere Monate hinweg nachwachsen; niemand außer dem Mädchen wusste um die Botschaft. Der Inhalt blieb ihr verborgen, während sie auch jenen, die sie gegen Vergütung zu Samos’ Haus gebracht hatten, wie eine von vielen Sklavinnen vorgekommen war, ein bloßes Besitzstück.

Ich las den Satz, der nur aus drei Wörtern bestand: »Obacht vor Abdul.« Wir hatten keine Ahnung, woher oder von wem die Warnung stammte.

»Bringt das Mädchen in die Gehege!«, befahl Samos den Wächtern. »Entfernt die Nachricht auf ihrer Kopfhaut mit Nadeln.«

Sie zwangen die Sklavin zum Aufstehen.

Sie schaute Samos an.

»Danach«, fuhr er fort, »dürft ihr sie für niedere Arbeiten im Gehege einspannen, bevorzugt zum Saubermachen. Einen Monat, bevor ihre Haare wieder ganz nachgewachsen sind, mag man sie verkaufen; dann werdet ihr sie waschen, in einen Reizkäfig sperren und ihre Lust intensiv schüren.«

Das Mädchen betrachtete ihn gequält.

»Ja, verkauft sie«, schloss Samos.

Ein Reizkäfig zeichnet sich durch aufwendig verzierte Gitter und eine niedrige Höhe von nur fünf Fuß aus. Abgesehen davon ist er jedoch recht geräumig, obgleich kein Mädchen darin stehen kann, ohne den Kopf demutsvoll zu senken. Ein Mädchen, das sich in einem solchen Käfig oder in Ausbildung befindet, darf nicht unmittelbar in die Augen eines Mannes schauen, nicht einmal in jene eines männlichen Leibeigenen. Dies hat insofern psychologische Bewandtnis, als die Frau dem anderen Geschlecht umso größere Aufmerksamkeit schenkt. Erst wenn sie verkauft ist, mag der Herr nach Gutdünken zu ihr sagen: »Du darfst deinem Herrn in die Augen schauen.« Blickt sie dann verängstigt und sanftmütig schüchtern zu ihm auf, was er mit einem Lächeln quittiert, wenn er sich dazu bewogen fühlt, fällt sie nicht selten voller Dankbarkeit und Freude darüber, dass sie sich auf einen anderen Menschen beziehen kann, vor ihm auf die Knie, wie es einer Sklavin geziemt. Schon den nächsten Blick aber mag er streng erwidern, sodass sie flugs furchtsam unter sich schaut. »Ich will versuchen, dir wohl zu dienen, Herr«, wird sie dabei flüstern. Die Ausstattungen in Reizkäfigen sind außerdem mit Rücksicht auf ihre Wirkung auf die Sklavin gewählt. Man stattet sie mit Bürsten, Parfüms und Kosmetika aus, legt ihr Edelsteine und schwere Colliers an, Armfesseln, Schellen und Armreife, aber keinerlei Kleidung. Sie darf sich auf Kissen betten, aus Kupferschalen essen und mit Messinglampen umgeben, aber besonders wichtig erscheinen mir die verschiedenen Stoffe und ihre Beschaffenheit, etwa Langhaarteppiche, Satin und unterschiedliche Arten von Seide, Stoff aus grob gewebtem Kaiilahaar, Brokat und Repkleidung, hier eine geflieste Ecke und dort ein Sleenfell, Gewebe mit eingearbeiteten Perlen, Lederumhänge, Matten aus Schilfrohr und so weiter. Dies alles wendet man vor dem Hintergrund auf, die Sinne und den bis auf Halsreif und Brandmal entblößten Leib einer Sklavin mit Leben zu füllen, auf dass sie die Welt mit größtem Einfühlungsvermögen wahrnimmt und spürt, egal welche Parfüms, Pflegemittel oder Schmucksteine sie unter der Ägide ihres Ausbilders erhält. Die Sinnesorgane und nicht zuletzt die Haut vieler Menschen sind praktisch abgestumpft, leblos und nicht empfangsbereit für zahllose subtile Nuancen, seien es Temperaturunterschiede, atmosphärische Schwankungen, mehr oder weniger starke Feuchtigkeit, verschiedene Oberflächen und dergleichen. Ein Mädchen mit wachem Geist und Körper zeigt sich natürlich weit leidenschaftlicher als eines, dessen Sinne und Leib schlafen. Die Haut an sich wird bei einer ausgebildeten Sklavin zu einem umfassenden, prächtigen und verblüffend feinfühligen Organ. Ist sie trefflich erzogen worden, blüht sie mit jeder Faser ihres Seins auf. Gewiss doch: Dies erfolgt vornehmlich, um sie noch hilfloser zu machen, sobald der Herr sie anfasst. Gibt sie sich ihm hin, während sie sich vor Liebe nach ihm verzehrt, erweist sie sich logischerweise als noch befriedigendere Dienerin. Freien Frauen bleibt eine derart unwürdige Behandlung erspart, damit sie sozusagen halb blind durchs Leben tappen. Auf diese Weise bewahren sie sich zumindest ihre Selbstachtung. Zuweilen brausen freie, geschätzte und unauffällige Goreanerinnen erzürnt auf, da sie nicht verstehen, weshalb ihr Gefährte eines Abends ausgeht, um eine Pagataverne aufzusuchen. Dort darf er, wie wir wissen, für den Preis eines Bechers Hand an ein mit Glöckchen behangenes Seidenmädchen, eine Sklavin, legen. Eine Freie kommt nicht umhin, ihren Partner lautstark für seine Begierden zu verurteilen; die süßen, sinnlichen, dunkeläugigen Pagamädchen hingegen sind dafür zu beschäftigt. Sie haben keine Zeit, die Gelüste der Kundschaft ihrer Herren zu verdammen, weil sie dienen und ihnen nachkommen müssen. Ein Ausbilder weist sein Mädchen im Käfig oder während der Übungen an, leitet und beobachtet es, erteilt Vorschriften und veredelt es sachkundig zu einer schmackhaften, ansprechenden Sklavin – einer goreanischen Sklavin, gefesselt, mit Halsreif versehen und darauf ausgerichtet, einen Mann vor Verlangen in den Wahnsinn zu treiben, bevor sie dieses Verlangen befriedigt: verletzlich zwar, aber immer wieder und im vollen Umfang.

Die Wächter stießen das Mädchen vor sich her durch die Tür. Ich fragte mich, was der Ausbilder für sie vorgesehen hatte. So verschieden die Mädchen sind, so drastisch heben sich auch ihre Betreuer voneinander ab. Ich zog das blonde Mädchen, die ehemalige Miss Priscilla Blake-Allen, in Betracht, die abseits kniete. Wäre ich ihr Ausbilder gewesen, hätte ich ihr wohl regelmäßig – wenigstens zu Anfang und später zur Belehrung einen Sklavenharnisch aus Seilen angelegt. Nach einer Nacht mit diesem am Leib, in dem ihre Hände am Rücken fixiert sind, damit sie ihn nicht ausziehen kann, könnte man annehmen, dass Miss Blake-Allen gefügsam und eifrig darauf bedacht sei, ihre Lektionen zu erhalten.

Nachdem man das Mädchen durch die Tür getrieben hatte, um es zum Gehege zu geleiten, drehte ich mich zu Samos um.

»Wer ist Abdul?«, fragte ich.

Verwirrt schaute er mich an.

»Wer ist Abdul?«, wiederholte ich.

»Das weiß ich nicht«, erwiderte er. Damit wandte er sich ab und kehrte auf seinen Platz hinter der niedrigen Tafel zurück.

Die übrigen Männer im Saal schenkten uns wenig Aufmerksamkeit, da alle Augen auf die dunkelhaarige Tänzerin gerichtet waren, deren kräftig roter, aber durchsichtiger Rock weit heruntergerutscht war. Ihre Handbewegungen – als pflücke sie Blumen, die an einer Gartenmauer wuchsen – deuteten darauf hin, dass sie krank vor Sehnsucht war. Man sah geradezu die Stängel, von welchen sie die Blüten zupfte, um sie an ihre Lippen zu führen, und gelegentlich schien sie sich gegen die Wand zu schmiegen, hinter der sie gefangen war. Letztlich drehte sie sich um, als sei niemand zugegen, und drückte ihre Drangsal im Tanz vor den Männern aus.

»Im Moment ergibt einiges hier so gut wie keinen Sinn«, sagte Samos. »Trotzdem muss es etwas zu bedeuten haben, einem bestimmten Muster entsprechen.« Er klopfte mit einer Esszange turianischer Herkunft, wie man sie heute häufiger in den nördlichen Breiten antrifft als damals, vor sich auf die Tischplatte. Dabei schaute er mich an. »In letzter Zeit herrscht weitgehend Ruhe im Konflikt zwischen den Priesterkönigen und den Anderen.«

»Hüte dich vor einem lautlosen Feind«, sagte ich abermals.

Samos schenkte mir ein Lächeln. »Wahr gesprochen«, befand er und zeigte mit dem Essbesteck auf die ehemalige Amerikanerin im Lederzeug, die nackt, von zwei Speerträgern bewacht, auf den Fliesen zu unserer Rechten kniete. Die dicken, stumpfen Enden der Waffen waren jeweils links und rechts von ihr auf den Boden gestützt worden. Sie ballte die Hände zu Fäusten in den Lederfesseln des Geschirrs, die mit Schnallen verschlossen waren. Der Hüftgürtel zwang sie dazu, die Hände an den Oberschenkeln zu halten. »Von dieser Sklavin haben wir erfahren«, äußerte Samos mit Verweis auf die frühere Miss Blake-Allen, »dass die Sklaventransporte von der Erde nach Gor bis auf Weiteres unterbunden worden sind.«

»Ja«, entgegnete ich.

»Warum?«, fragte er.

»Informationen aus dem Sardar«, sprach er weiter, »bestätigen, dass diese Unternehmungen abgebrochen worden sind. Seit drei Wochen schon hat man keine Kandidatin mehr ausgemacht, geschweige denn eine Verfolgung in die Wege geleitet.«

Die goreanische Woche dauert fünf Tage, und jeder Monat, derer es zwölf gibt, besteht aus fünf solchen Wochen. Auf jeden Monat folgt zur Trennung eine Passage Hand, wie man es nennt, von erneut fünf Tagen. Der Zwölften Passage Hand folgt eine ebenso lange Wartende Hand, welche der frühjährlichen Tagundnachtgleiche vorausgeht. Diese markiert zugleich den Neujahrstag. Zu jener Zeit war es Winter; man schrieb das Jahr 3 der Amtszeit des Kapitänsrates von Port Kar beziehungsweise das Jahr 10,122 C.A. oder Contasta Ar, also seit der Gründung von Ar. Zwei Monate zuvor war ich aus Torvaldsland zurückgekehrt, wo ich eine gewisse Angelegenheit mit dem Schwert zu begleichen hatte.

»Ferner«, erörterte ich weiter, »ist dir ein Ungeheuer, ein Kur ohne Zweifel, in die Hände gefallen.«

»Er scheint sich irrational zu verhalten«, schob Samos dazwischen, »und ist tatsächlich nur ein Tier.«

»Ich halte ihn für durchaus verständig«, beharrte ich. »Hinsichtlich seiner Intelligenz steht er uns in nichts nach, wie ich glaube – falls er uns nicht sogar voraus ist.«

Samos starrte mich an.

»Er ist wohl außerstande, Goreanisch zu sprechen. Dies vermögen nur wenige Kurii. Es gestaltet sich für sie äußerst schwierig.«

»Du erinnerst dich daran, wohin er unterwegs war?«, fragte Samos.

»Ja«, versicherte ich.

»Merkwürdig«, sann er.

Wie erwähnt, hatte man den Kur südöstlich von Ar gefangen, während er weiter in diese Richtung vorzustoßen gedachte. Auf dem Weg wäre er unter die östlichen Ausläufer des Voltai nach Süden gelangt, was unglaublich anmutete.

»Wen würde es an einen solchen Ort verschlagen?« wunderte sich Samos.

»Karawanen auf der Durchreise«, zog ich in Erwägung. »Nomaden, die ihre Herden auf den Stoppeln der Verrwiesen grasen lassen.«

»Wen noch?«, fragte er.

»Verrückte?« Ich grinste.

»Oder jemanden mit einer bestimmten Absicht«, ergänzte Samos, »einer Aufgabe und einem genauen Begriff von dem, was er zu tun hat.«

»Könnte sein«, gab ich zu.

»Jemanden mit einer Mission, der eindeutig weiß, wonach er sucht?«

»Bloß gibt es dort nichts«, hielt ich dagegen, »und tief in diesem Gebiet weichen nur Verrückte von den ausgewiesenen Routen der Karawanen ab, die von Oase zu Oase ziehen.«

»Ein Kaiilatreiber, ein Junge auf Irrwegen abseits seines Lagers, fand einen Steinbrocken«, resümierte Samos. »Darauf stand: Hüte dich vor dem stählernen Turm.«

»Und die Botin«, hängte ich an. »Ich gehe davon aus, dass niemand von uns weiß, wer dieser Abdul ist, dessentwegen wir Obacht geben sollen.«

»Nein«, bestätigte Samos nachdenklich. »Ich kenne keinen Abdul.«

»Wer würde uns eine solche Nachricht zukommen lassen und weshalb?«

»Ich habe keine Ahnung«, stöhnte Samos.