Die Chroniken von Gor 2: Der Geächtete - John Norman - E-Book

Die Chroniken von Gor 2: Der Geächtete E-Book

John Norman

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Beschreibung

Tarl Cabot, einst mächtigster und stolzester Krieger auf Gor, kehrt nach Jahren des Exils auf die Gegenerde zurück. Doch die Dinge haben sich verändert: Seine Heimatstadt Ko-ro-ba ist zerstört, und seine wunderschöne Gefährtin Talena gilt als vermisst. Cabot selbst hat man zum Geächteten erklärt - ein Mann, den jeder töten darf. Seine einzige Chance besteht darin, die seltsamen Priesterkönige zu finden, die Gor regieren und sich ihnen zu unterwerfen. Aber Tarl Cabot ist nicht gekommen, um sich zu unterwerfen.

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John Norman

Der Geächtete

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Oktober 2023 Titel der amerikanischen Originalausgabe OUTLAW OF GOR © by John Norman Published in agreement with the author, c/o BAROR INTERNATIONAL INC., ARMONK, NEW YORK, USA Deutsche Übersetzung: © 2023 Atlantis Verlag Alle Rechte vorbehalten. Titelbild: Timo Kümmel E-Book: André Piotrowski ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-908-0 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Eine Anmerkung zum Manuskript

Mein Freund Harrison Smith, ein junger Rechtsanwalt aus der Stadt, hat mir kürzlich ein zweites Manuskript gegeben, das angeblich von einem gewissen Tarl Cabot stammt. Es war sein Wunsch, dass ich dieses zweite Dokument einem Verleger zukommen lasse, so wie ich es bereits mit dem ersten getan habe. Diesmal jedoch wegen der zahllosen Behauptungen und Nachforschungen, die das erste Manuskript DER KRIEGER bezüglich verschiedener Themenbereiche ausgelöst hat, die von vorgeblich weitreichender Dokumentation über die Existenz einer Gegenerde bis zu Streitigkeiten über die Urheberschaft des Manuskriptes reichen, habe ich Smith auferlegt, eine Art Vorwort zu diesem zweiten Bericht zu schreiben, das seine eigene Rolle bei diesen Vorkommnissen verdeutlicht und das uns etwas mehr über Tarl Cabot mitteilt, den ich zu meinem Bedauern bisher nicht persönlich kennenlernen durfte.

John Norman

1 Die Erklärung von Harrison Smith

Ich traf Tarl Cabot zum ersten Mal in einem kleinen College für Geisteswissenschaften in New Hampshire, wo wir beide einen Jahresvertrag als Dozenten angenommen hatten. Er war zuständig für englische Geschichte, und ich hatte eine Anstellung für Leibeserziehung angenommen, weil ich gerne drei Jahre lang arbeiten wollte, um Geld für die juristische Fakultät anzusparen. Cabot konnte sich allerdings zu meinem Verdruss nie dazu durchringen, diesem Bereich die Berechtigung einzuräumen, zum Lehrplan einer Bildungseinrichtung zu gehören.

Wir wanderten viel, redeten und fochten – und wir wurden, wie ich hoffe, Freunde. Ich mochte den jungen freundlichen Engländer. Er war ruhig und angenehm, obwohl er manchmal verschlossen oder einsam wirkte, irgendwie unwillig, den Schutzschild der Formalität zu durchbrechen, hinter dem der wohlerzogene Engländer, der in seinem Herzen genauso gefühlvoll und heißblütig sein mochte wie jeder andere Mann, seine Gefühle zu verstecken suchte.

Der junge Cabot war ein ziemlich schlanker, großer und gut gebauter Mann mit einer animalischen Leichtigkeit im Gang, die eher die Herkunft von den Docks seiner Geburtsstadt Bristol verriet als die Klosterzimmer von Oxford, wo er an einer der Universitäten seinen Abschluss erworben hatte. Seine Augen waren klar und blau, offen und ehrlich. Er war ziemlich hellhäutig. Sein Haar war, obwohl manche von uns ihn dafür liebten, auf eine vielleicht beklagenswerte Weise rot, aber nicht nur einfach rot – eher ein lodernder, verworrener Affront gegen die gepflegte Anständigkeit des Akademikers. Ich bezweifle, dass er je einen Kamm besessen hat und falls doch, würde ich beschwören, dass er ihn niemals benutzt hat. Zusammengefasst schien Tarl Cabot für uns ein junger, ruhiger und höflicher Gentleman aus Oxford zu sein, bis auf sein Haar. Aber dann wurden wir unsicher.

Zu meiner Bestürzung und zum Entsetzen des Colleges verschwand Cabot kurz nach Abschluss des ersten Semesters. Ich bin sicher, dass es nicht aus seinem eigenen Antrieb heraus geschah. Cabot ist ein Mann, der seine Verpflichtungen in Ehren hält.

Am Ende des Semesters war Cabot wie auch der Rest von uns der akademischen Gleichförmigkeit überdrüssig geworden, und er suchte Zerstreuung. Er entschloss sich, einen Campingausflug zu machen – allein – in die nahe gelegenen White Mountains, die damals, in der weißen spröden Pracht des Februars in New Hampshire, einfach wunderschön waren.

Ich lieh ihm meine Campingausrüstung, fuhr ihn in die Berge und setzte ihn an einer Hauptstraße ab. Er bat mich, ihn in drei Tagen am selben Platz wieder abzuholen, und ich war mir sicher, dass es ernst gemeint war. Ich kehrte zur festgesetzten Zeit zurück, aber er ließ das Treffen platzen. Ich wartete mehrere Stunden und kam zur gleichen Zeit des nächsten Tages wieder dorthin. Noch immer tauchte er nicht auf. Folglich informierte ich die Behörden, weil ich beunruhigt war, und am Nachmittag war bereits eine groß angelegte Suche unterwegs.

Schließlich fanden wir nahe bei einem flachen Felsen, etwa neun Stunden Kletterei von der Hauptstraße entfernt, das, was vermutlich die Asche seines Lagerfeuers war. Darüber hinaus blieb unsere Suche fruchtlos. Dennoch, mehrere Monate später erfuhr ich, dass Tarl Cabot aus genau diesen Bergen gestolpert kam, wohlbehalten und gesund, aber offensichtlich unter dem Einfluss eines emotionalen Schocks, der zu einer Amnesie geführt hatte – zumindest für die Zeit, während der er vermisst wurde.

Zur Erleichterung mehrerer älterer Kollegen, die jetzt zugaben, dass sie nie geglaubt hatten, Cabot habe hierher gepasst, kehrte er nie mehr ans College zurück, um dort zu unterrichten. Kurz danach stellte ich fest, dass ich ebenfalls nicht dorthin passte und verließ das College. Ich erhielt einen Scheck von Cabot, um die Kosten für meine Campingausrüstung zu ersetzen, die er offensichtlich verloren hatte. Es war eine fürsorgliche Geste, aber ich hätte mir gewünscht, dass er mich besucht hätte, um mit mir zu reden. Ich hätte seine Hand genommen und ihn gezwungen, mit mir zu sprechen, mir zu erzählen, was geschehen war.

Irgendwie fand ich im Gegensatz zu meinen Kollegen am College die Geschichte mit der Amnesie zu einfach. Es war keine angemessene Erklärung, es konnte nicht stimmen. Wie hatte er diese Monate überlebt, wo war er gewesen und was hatte er getan?

Es waren fast sieben Jahre vergangen, seit ich Tarl Cabot auf dem College kennengelernt hatte, als ich ihn in den Straßen von Manhattan wiedersah. Zu dieser Zeit hatte ich längst das Geld zusammengespart, das ich für die juristische Fakultät gebraucht hatte und hatte schon drei Jahre nicht mehr unterrichtet. Stattdessen war ich dabei, mein Studium an der juristischen Fakultät, einer der renommiertesten privaten Universitäten von New York, abzuschließen.

Er hatte sich, wenn überhaupt, nur sehr wenig verändert. Ich eilte zu ihm hin und ergriff ihn, ohne nachzudenken, an der Schulter. Was dann geschah, war fast zu unglaublich, um es zu verstehen. Mit einem Wutschrei in einer fremden Sprache fuhr er wie ein Tiger herum; ich wurde von Händen ergriffen, die aus Stahl zu sein schienen und mit großer Kraft über sein Knie geworfen, sodass mein Rückgrat fast wie Brennholz zersplittert wäre.

Beinahe sofort ließ er mich wieder los, entschuldigte sich ausführlich, noch ehe er mich erkannt hatte. Voller Entsetzen wurde mir klar, dass das, was er getan hatte, nur ein Reflex gewesen war, ein Reflex wie das Blinzeln eines Auges oder das Zucken des Knies unter dem Hammer des Arztes. Es war der Reflex eines Tieres, dessen Instinkte dafür sorgen, dass es vernichtet, bevor es vernichtet wird oder eines Menschen, der in solch ein Tier verwandelt worden war; ein Mensch, der darauf abgerichtet war, schnell und kompromisslos zu töten oder genauso getötet zu werden. Ich war schweißbedeckt. Ich wusste, dass ich ganz knapp dem Tode entgangen war. War dies der freundliche Cabot, den ich gekannt hatte?

»Harrison!«, rief er aus. »Harrison Smith!« Er hob mich mit Leichtigkeit auf die Füße, seine Worte kamen schnell und stolpernd, versuchten, mich wieder zu beruhigen. »Es tut mir leid«, fuhr er fort. »Vergib mir! Vergib mir, alter Mann!«

Wir sahen uns an.

Er streckte seine Hand aus, spontan, entschuldigend. Ich ergriff sie, und wir schüttelten unsere Hände. Ich fürchte, mein Griff war etwas weich, und meine Hand zitterte etwas. »Es tut mir wirklich furchtbar leid«, sagte er.

Ein Menschenauflauf hatte sich gebildet, der in sicherem Abstand auf dem Bürgersteig stand.

Er lächelte dasselbe unverdorbene Jungenlächeln, an das ich mich aus New Hampshire noch erinnerte. »Möchtest du einen Drink?«, fragte er.

Auch ich lächelte. »Ich könnte einen gebrauchen«, erwiderte ich.

In einer kleinen Bar mitten in Manhattan, kaum größer als ein Korridor mit einem Eingang, erneuerten Tarl Cabot und ich unsere Freundschaft. Wir sprachen über Dutzende von Dingen, aber keiner von uns erwähnte die abrupte Reaktion auf meine Begrüßung, und wir sprachen auch nicht über die geheimnisvollen Monate, in denen er in den Bergen von New Hampshire verschwunden gewesen war.

In den folgenden Monaten sahen wir einander ziemlich häufig, so weit es meine Studien erlaubten. Ich schien ein verzweifeltes Bedürfnis nach menschlicher Begleitung in diesem einsamen Mann zu befriedigen, und ich war, meinerseits, mehr als glücklich, mich zu seinen Freunden zählen zu dürfen, leider vielleicht als sein einziger Freund.

Ich spürte, dass die Zeit kommen würde, in der Cabot mit mir über die Berge sprechen würde, aber dass er selbst den Zeitpunkt dafür wählen musste. Ich war nicht versessen darauf, mich in seine Angelegenheiten zu drängen oder in seine Geheimnisse, wie es aussah. Es genügte mir, wieder sein Freund zu sein. Ich fragte mich gelegentlich, warum Cabot nicht offener über bestimmte Dinge mit mir sprach, warum er so eifersüchtig das Geheimnis dieser Monate bewachte, in denen er dem College ferngeblieben war. Jetzt weiß ich, warum er nicht schon früher davon gesprochen hatte. Er fürchtete, dass ich ihn für verrückt halten würde.

Es war spät in der Nacht, Anfang Februar, und wir tranken wieder einmal in der kleinen Bar, in der wir unseren ersten gemeinsamen Drink an diesem unglaublich sonnigen Nachmittag vor einigen Monaten genommen hatten. Draußen war leichter Schneefall, weich wie farbiger Filz im einsamen Neonlicht der Straßen. Cabot schaute zwischen den Schlucken von Scotch den Schneeflocken zu. Er schien griesgrämig, mürrisch zu sein. Ich erinnerte mich, dass es Februar gewesen war, als er vor vielen Jahren das College verlassen hatte.

»Vielleicht sollten wir lieber nach Hause gehen«, sagte ich.

Cabot starrte weiter aus dem Fenster auf den Neonschnee, der ziellos auf den ausgetretenen grauen Gehsteig fiel.

»Ich liebe sie«, sagte Cabot, ohne mich direkt anzusprechen.

»Wen?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und beobachtete weiter den Schnee.

»Lass uns nach Hause gehen«, sagte ich. »Es ist spät.«

»Wo ist zu Hause?«, fragte Cabot und starrte in sein halb leeres Glas.

»Dein Appartement, ein paar Blocks von hier«, antwortete ich und wollte, dass er ging, wollte ihn hier raus haben. Seine Stimmung war fremder als alles andere, was ich von ihm kannte. Irgendwie hatte ich Angst.

Er ließ sich nicht bewegen. Er zog seinen Arm von meiner Hand weg. »Es ist spät«, sagte er und schien mir zuzustimmen, aber er beabsichtigte vielleicht mehr. »Es muss noch nicht zu spät sein«, fügte er hinzu, als hätte er sich zu etwas entschlossen, als wolle er nur mit der Macht seines Willens den Fluss der Zeit anhalten, den zufälligen Ablauf der Ereignisse.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Cabot würde gehen, wenn er fertig war. Nicht früher. Mir fiel sein Schweigen auf und das leicht gedämpfte Gesprächsmuster an der Bar, das Klirren von Gläsern, die Geräusche von Schuhen und von Flüssigkeiten, die in kleinen schweren Gläsern geschwenkt wurden.

Cabot hob erneut seinen Scotch, hielt ihn vor sich, ohne zu trinken. Dann, zeremoniell, bitter, goss er ein klein wenig davon auf den Tisch, wo es auseinanderspritzte und eine Serviette tränkte. Während er diese Geste ausführte, sprach er eine Formel in diesem seltsamen Dialekt, den ich schon einmal vorher gehört hatte – als ich fast von seinen Händen getötet worden war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er sei plötzlich gefährlich geworden. Ich war unsicher.

»Was tust du?«, fragte ich.

»Ich bringe ein Trankopfer dar«, sagte er. »Ta-Sardar-Gor.«

»Was bedeutet das?«, wollte ich wissen; meine Worte stolperten etwas, verschwommen durch den Schnaps, unsicher geworden durch meine Angst.

»Es bedeutet«, sagte Cabot mit einem freudlosen Lachen, »… auf die Priesterkönige von Gor!«

Er erhob sich unsicher. Er schien groß, fremd, fast aus einer anderen Welt zu sein, in diesem gedämpften Licht, in dieser ruhigen Atmosphäre kleiner, herzlicher, zivilisierter Geräusche.

Dann, ohne Vorwarnung, mit einem bitteren Lachen, gleichzeitig bittere Klage und Schrei der Wut, schleuderte er das Glas zornig an die Wand. Es zerbrach in eine Million unregelmäßig funkelnder Teilchen, schockte den Raum für einen Moment vorherrschender Stille. Und in diesem plötzlichen Augenblick verwirrter, entsetzter Stille hörte ich ihn mit einem heiseren Flüstern, klar und deutlich, diesen seltsamen Satz wiederholen: »Ta-Sardar-Gor!«

Der Barmann, ein schwerer, schwammiger Mann, watschelte an unseren Tisch. Eine seiner fetten Hände klammerte sich nervös um einen kurzen Lederknüppel, der mit Schrotkugeln gefüllt war. Der Barmann deutete mit seinem Daumen auf die Tür. Er wiederholte die Geste. Cabot überragte ihn und schien ihn nicht zu verstehen. Der Barmann hob mit einer drohenden Geste den Knüppel. Cabot nahm die Waffe an sich, schien sie ganz leicht aus dem verschreckten Griff des fetten Mannes zu ziehen. Er sah auf das schwitzende, verängstigte, fette Gesicht herab.

»Du hast eine Waffe gegen mich erhoben«, sagte Cabot. »Meine Kodizes erlauben mir, dich zu töten.«

Der Barmann und ich sahen erschrocken zu, wie Cabots riesige feste Hand den Knüppel zerquetschte, die Nähte aufplatzen ließ, genauso wie ich eine Rolle aus Pappe zerdrückt hätte. Einige Schrotkugeln fielen zu Boden und rollten unter die Tische.

»Er ist betrunken«, sagte ich zu dem Barmann. Ich ergriff Cabot fest am Arm. Er schien nicht länger wütend zu sein, und ich konnte sehen, dass er niemandem mehr schaden wollte. Mein Griff schien ihn aus der seltsamen Stimmung zu reißen. Er gab den zerquetschten Knüppel dem Barmann verlegen zurück.

»Es tut mir leid«, sagte Cabot. »Wirklich.« Er griff in seine Börse und drückte dem Barmann einen Geldschein in die Hand. Es war eine Hundertdollarnote.

Wir zogen unsere Mäntel an und traten hinaus in den Februarabend, in den leichten Schneefall.

Wir standen vor der Bar im Schnee, ohne zu sprechen.

Cabot, noch immer halb betrunken, schaute sich um, sah die brutale elektrische Geometrie dieser großartigen Stadt, sah die dunklen, einsamen Gestalten, die sich im fahl leuchtenden Scheinwerferlicht der Autos durch den dünnen Schnee bewegten.

»Dies ist eine großartige Stadt«, sagte Cabot, »und trotzdem wird sie nicht geliebt. Wie viele hier würden für ihre Stadt sterben? Wie viele würden die Stadtgrenzen mit ihrem Leben verteidigen? Wie viele würden sich für ihre Interessen foltern lassen?«

»Du bist betrunken«, sagte ich lächelnd.

»Diese Stadt wird nicht geliebt«, wiederholte er. »Sonst würde man sie nicht so missbrauchen, sonst wäre sie nicht so vernachlässigt.«

Er ging traurig davon.

Irgendwie wusste ich, dass dies die Nacht sein würde, in der ich das Geheimnis von Tarl Cabot erfahren sollte.

»Warte!«, rief ich ihm plötzlich nach.

Er drehte sich um, und ich hatte den Eindruck, dass er froh war, dass ich ihn gerufen hatte, dass meine Gegenwart ihm in dieser Nacht sehr wichtig war.

Ich trat zu ihm, und gemeinsam gingen wir in sein Appartement. Zuerst braute er einen Topf starken Kaffee, ein Akt, für den meine wirbelnden Sinne mehr als dankbar waren. Dann ging er wortlos zu einem Schrank und kam mit einer Kassette zurück. Er schloss sie mit einem Schlüssel auf, den er am Körper trug, und entnahm ihr ein Manuskript, geschrieben in seiner eigenen, klaren, festen Handschrift und mit einer Schnur zusammengebunden. Er legte mir das Manuskript in die Hände.

Es war ein Dokument, das sich mit dem beschäftigte, was Cabot die Gegenerde nannte, die Geschichte eines Kriegers, der Belagerung einer Stadt und mit der Liebe eines Mädchens. Sie kennen es vielleicht unter dem Namen DER KRIEGER.

Als ich kurz nach Sonnenaufgang den Bericht zu Ende gelesen hatte, sah ich Cabot an, der während der ganzen Zeit am Fenster gesessen hatte, das Kinn in die Hände gestützt und dem Schnee zusehend, verloren in etwas, das ich kaum einschätzen konnte.

Er drehte sich um und sah mich an.

»Es ist wahr«, sagte er, »aber du brauchst es nicht zu glauben.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es konnte natürlich nicht wahr sein, obwohl ich glaubte, dass Cabot zu den ehrlichsten Männern gehörte, die ich je kennengelernt hatte.

Dann bemerkte ich den Ring, fast zum ersten Mal, obwohl ich ihn schon tausendmal gesehen hatte. Er war in dem Bericht erwähnt worden, dieser einfache Ring aus rotem Metall, der das Wappen der Cabots trug.

»Ja«, sagte Cabot und streckte die Hand aus, »dies ist der Ring.«

Ich deutete auf das Manuskript. »Warum hast du mir das gezeigt?«, fragte ich.

»Ich möchte, dass jemand von diesen Dingen weiß«, sagte Cabot schlicht.

Ich stand auf, ich spürte zum ersten Mal die durchwachte Nacht, den Effekt des Alkohols und der etlichen Tassen bitteren Kaffees. Ich lächelte verkniffen. »Ich glaube, ich gehe besser nach Hause«, sagte ich.

»Natürlich«, antwortete Cabot und half mir in den Mantel. In der Tür hielt er mir seine Hand hin. »Auf Wiedersehen«, sagte er.

»Wir sehen uns morgen«, verabschiedete ich mich.

»Nein«, antwortete er. »Ich gehe wieder in die Berge.«

Es war zu dieser Zeit im Februar, als er vor sieben Jahren verschwunden war.

Ich war schlagartig hellwach. »Geh nicht«, bat ich ihn.

»Ich werde gehen«, sagte er.

»Lass mich mitkommen«, schlug ich vor.

»Nein«, sagte er, »es könnte sein, dass ich nicht zurückkomme.«

Wir schüttelten die Hände, und ich hatte das seltsame Gefühl, dass ich Tarl Cabot nie mehr wiedersehen würde. Meine Hand umklammerte fest die seine und umgekehrt. Ich hatte ihm etwas bedeutet und er mir, und jetzt schien es, als könnten Freunde sich so ganz einfach für immer trennen, um nie wieder miteinander zu sprechen oder sich wiederzusehen.

Ich stand plötzlich im kahlen weißen Korridor vor seinem Appartement und blinzelte zur hervorstehenden Glühlampe an der Decke. Ich wanderte einige Stunden umher, trotz meiner Müdigkeit, und dachte nach, verwirrt durch die seltsamen Dinge, die ich gehört hatte. Dann plötzlich drehte ich mich um und rannte buchstäblich zurück zu seinem Appartement. Ich hatte ihn verlassen, ihn, meinen Freund. Ich hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde. Ich stürzte zur Tür des Appartements und hämmerte mit meinen Fäusten dagegen. Es gab keine Antwort. Ich trat gegen die Tür, sodass das Schloss aus dem Türrahmen flog. Ich betrat das Appartement. Tarl Cabot war verschwunden!

Auf dem Tisch in dem kleinen möblierten Appartement lag das Manuskript, das ich in dieser langen Nacht gelesen hatte – daran befestigt steckte ein Umschlag unter der Schnur, mit der das Manuskript verschnürt war. Der Umschlag trug meinen Namen und meine Adresse. Darin war eine einfache Notiz: »An Harrison Smith, wenn er es haben möchte.« Bedrückt verließ ich das Appartement und nahm das Manuskript mit, das anschließend als DER KRIEGER veröffentlicht wurde. Das und meine Erinnerungen waren alles, was ich von meinem Freund Tarl Cabot behalten konnte.

Meine Prüfungen kamen und wurden erfolgreich abgeschlossen. Später nach einer weiteren Prüfung wurde ich im Staate New York zugelassen und trat einer der riesigen Anwaltskanzleien der Stadt bei, in der Hoffnung einmal genug Geld und Erfahrung zu sammeln, um eine eigene kleine Praxis zu eröffnen. In der Flut an Arbeit, im langwierigen, anstrengenden Dschungel an Details, den mein Beruf erfordert, wurde die Erinnerung an Tarl Cabot aus meinem Bewusstsein gedrängt. Es gibt dazu nicht mehr viel zu sagen, außer der Tatsache, dass ich ihn nie wieder gesehen habe. Obwohl ich Grund habe anzunehmen, dass er noch lebt.

Spät an einem Nachmittag nach der Arbeit kehrte ich in meine Wohnung zurück. Dort – trotz verschlossener Türen und Fenster – war ein zweites Manuskript auf einem Couchtisch vor der Sitzgruppe. Es war der Text, der nun gleich folgen wird. Es gab keine Notiz, keine Erklärung. Vielleicht stimmt es, was Tarl Cabot einmal angemerkt hatte: »Die Agenten der Priesterkönige sind unter uns.«

2 Die Rückkehr nach Gor

Wieder einmal schritt ich, Tarl Cabot, über die grünen Ebenen von Gor. Ich erwachte nackt im windgebeugten Gras, unter dem strahlenden Stern, der die gemeinsame Sonne meiner zwei Welten ist, meines Heimatplaneten Erde und seiner verborgenen Schwester, der Gegenerde Gor.

Ich stand langsam auf, meine Nerven lebendig im Wind, der an meinen Haaren zerrte. Meine Muskeln schmerzten und jubilierten gleichzeitig bei dieser ersten Bewegung seit Wochen. Ich hatte wieder die Silberscheibe in den White Mountains betreten, das Schiff der Priesterkönige, das für die Beschaffungsreisen benutzt wurde und war, als ich eintrat, bewusstlos geworden. In diesem Zustand war ich, wie schon einmal vor langer Zeit, auf diese Welt gekommen.

Für einige Minuten blieb ich so stehen, um jedem Sinn und jedem Nerv Gelegenheit zu geben, das Wunder meiner Rückkehr aufzusaugen.

Wieder spürte ich die etwas verringerte Schwerkraft des Planeten, aber diese Wahrnehmung würde natürlich im selben Maße schwinden, wie mein Körper sich an die neue Umgebung anpasste. Durch die geringere Schwerkraft waren alle möglichen Heldentaten, die auf der Erde übermenschlich gewesen wären, auf Gor nichts Besonderes. Die Sonne schien, wie in meiner Erinnerung, ein klein wenig größer zu sein, als von der Erde aus betrachtet, doch wie beim ersten Mal war es schwer, das alles genau zu beurteilen.

In der Ferne konnte ich einige gelbe Flecken sehen, die Ka-la-na-Haine, die zwischen die goreanischen Felder eingestreut sind. Weiter links von mir sah ich ein herrliches Sa-Tarna-Feld, dessen Halme sich anmutig im Wind beugten, das hohe gelbe Getreide, das einen wesentlichen Teil des goreanischen Speisezettels bestimmt. Rechts, in sehr weiter Ferne, sah ich den dunklen Umriss von Bergen. So weit ich das nach ihrer Ausdehnung und Höhe beurteilen konnte, vermutete ich, dass es die Berge von Thentis sein mussten. Wenn es stimmte, würde ich von dort aus den Weg nach Ko-ro-ba nehmen, zur Stadt der Zylinder, der ich vor vielen Jahren mein Schwert geweiht hatte.

Während ich dort stand und die Sonne auf meine Haut schien, erhob ich, ohne nachzudenken, die Arme wie in einem heidnischen Gebet in Anerkennung der Macht der Priesterkönige, die mich noch einmal von der Erde auf diese Welt gebracht hatten. Dieselbe Macht, die mich einst von Gor fortgerissen hatte, nachdem sie mit mir fertig waren, die mich aus der Stadt gerissen hatte, die meine Wahlheimat geworden war, fort von meinem Vater, meinen Freunden und von dem Mädchen, das ich liebte, der wunderschönen dunkelhaarigen Talena, der Tochter von Marlenus, der einst Ubar von Ar, der größten Stadt des bekannten Gor, gewesen war.

In meinem Herzen hegte ich keine Liebe gegenüber den Priesterkönigen, den mysteriösen Bewohnern des Sardargebirges, wer auch immer sie sein mochten, aber in meinem Herzen war Dankbarkeit, entweder ihnen gegenüber oder den seltsamen Kräften, die sie antrieben. Dass man mich nach Gor zurückgeholt hatte, um erneut meiner Stadt und meiner Liebe nachzuspüren, war, da war ich ganz sicher, kein Akt der Großzügigkeit oder der Gerechtigkeit, auch wenn es so aussehen sollte. Die Priesterkönige, die Hüter der heiligen Stätten im Sardargebirge, die offensichtlich alles wussten, was auf Gor geschah, die Herren des furchtbaren Flammentodes, der mit verzehrender Flamme alles zerstören konnte, was auch immer sie wann auch immer zerstören wollten, waren nicht so oberflächlich motiviert wie die Menschen, waren nicht so anfällig für die Gebote des Anstands und des Respekts wie die Menschen, deren Handlungen durch solche Vorbehalte mitunter verwässert werden. Ihre Sorge galt ihren eigenen verborgenen und geheimnisvollen Zielen, und um diese Ziele zu erreichen, wurden menschliche Wesen als untergeordnete Instrumente betrachtet. Es gab Gerüchte, dass Menschen benutzt würden wie Figuren in einem Spiel und wenn eine Figur nicht mehr gebraucht würde, konnte man sie wegwerfen – oder wie in meinem Fall, konnte sie vom Brett genommen werden, bis es den Priesterkönigen gefiel, ein neues Spiel zu beginnen.

Ich bemerkte, dass einige Fuß neben mir ein Helm, ein Schild und ein Speer im Gras lagen, zusammen mit einem Lederbündel. Ich kniete nieder, um die Gegenstände zu untersuchen.

Der Helm war aus Bronze, auf griechische Art gearbeitet, mit einer einzigen annähernd Y-förmigen Öffnung. Er trug keine Abzeichen, und die Wappenplakette war leer.

Der Rundschild, konzentrische überlappende Schichten gehärteten Leders, zusammengenietet und mit Messingstreifen beschlagen, ausgestattet mit den doppelten Halteriemen, um ihn am linken Arm zu tragen, war ebenfalls nicht gekennzeichnet. Normalerweise ist der goreanische Schild mit verwegenen Motiven bemalt, in denen Hinweise auf die Stadt des Besitzers eingearbeitet sind. Wenn dieser Schild mir zugedacht sein sollte, und ich hatte kaum Zweifel, dass er es war, dann hätte er die Zeichen meiner Stadt Ko-ro-ba tragen müssen.

Der Speer war der typische goreanische Speer, etwa sieben Fuß lang, schwer, mit einem kräftigen Schaft und einer etwa achtzehn Zoll langen, schmal zulaufenden Spitze aus Bronze. Es ist eine furchtbare Waffe, die mit der Unterstützung der etwas geringeren Schwerkraft auf kurze Entfernungen einen Schild durchschlagen oder ihre Spitze einen Fuß tief in solidem Holz versenken kann, wenn sie mit großer Kraft geworfen wird. Mit dieser Waffe jagen Gruppen von Männern selbst den Larl in seinen eigenen Jagdgründen im Voltaimassiv, diesen unglaublichen pantherähnlichen Fleischfresser, der eine Schulterhöhe von sechs bis acht Fuß erreichen kann.

Der goreanische Speer ist eine solch gewaltige Waffe, dass viele Krieger kleinere Fernwaffen wie Langbogen oder Armbrust verspotten, die allerdings beide auf Gor nicht ungewöhnlich sind. Trotzdem bedauerte ich, dass unter den Waffen, die mir zur Verfügung standen, kein Bogen war, da ich bei meinem vorangegangenen Aufenthalt auf Gor größeres Geschick mit solchen Waffen erworben hatte und zugeben musste, sie zu mögen, eine Vorliebe, die meinen früheren Waffenmeister geärgert hatte. Ich erinnerte mich an ihn voller Gefühle, an den älteren Tarl. Tarl ist ein häufiger Name auf Gor. Ich freute mich auf das Wiedersehen mit diesem Wikinger, diesem gigantischen Mann, diesem stolzen, bärtigen, trotz aller Zuneigung streitlustigen Schwertkämpfer, der mich die Waffenkunst, die von goreanischen Kriegern praktiziert wird, gelehrt hatte.

Ich öffnete das Lederbündel. Darin fand ich die scharlachrote Tunika, Sandalen und den Umhang, all das, was die übliche Bekleidung eines Kastenmitgliedes der Kriegerkaste ausmacht. Es war also genauso, wie es sein sollte, denn ich gehörte zu dieser Kaste, seit dem Morgen vor etwa sieben Jahren, als ich in der Kammer des Hohen Kastenrates die Waffen aus der Hand meines Vaters akzeptiert hatte, aus der Hand Matthew Cabots, dem Administrator von Ko-ro-ba, und als ich den Heim-Stein dieser Stadt als meinen angenommen hatte.

Obwohl er selten über solche Dinge spricht, besteht eine Stadt für den Goreaner aus mehr als nur Ziegeln und Marmor, Zylindern und Brücken. Es ist nicht nur einfach ein Ort, ein Platz in der Landschaft, wo es Männern gefallen hat, Häuser zu bauen, eine Ansammlung von Strukturen, wo sie möglichst problemlos ihre Geschäfte tätigen können.

Die Goreaner spüren oder glauben zumindest, dass eine Stadt nicht nur aus den materiellen Substanzen besteht, die eine Umwandlung erleben, so wie die einzelnen Zellen des menschlichen Körpers. Für sie ist eine Stadt fast ein lebendes Wesen, oder sogar noch mehr als ein lebendes Wesen. Sie ist eine Einheit mit einer Geschichte, einem Erbe, Bräuchen, Umgangsformen, Charakter, Plänen und Hoffnungen. Wenn ein Goreaner sagt, er sei aus Ar oder Ko-ro-ba, dann tut er damit viel mehr, als nur seinen Wohnort zu benennen.

Obwohl es Ausnahmen gibt, vor allem bei der Kaste der Eingeweihten, glauben die Goreaner im Allgemeinen nicht an die Unsterblichkeit. Dementsprechend bedeutet die Zugehörigkeit zu einer Stadt in gewissem Sinn, Teil von etwas weniger Vergänglichem zu sein, als man selbst es ist, von etwas Göttlichem, im Sinne von Unsterblichem. Natürlich weiß jeder Goreaner, dass auch Städte sterblich sind, denn auch Städte können wie Menschen vernichtet werden. Und gerade dies führt dazu, dass sie ihre Städte noch intensiver lieben, da sie wissen, dass ihre Stadt, wie sie selbst auch, einer Begrenzung durch den Tod unterworfen ist.

Diese Liebe zu ihrer Stadt bündelt sich in einem Stein, der als Heim-Stein bekannt ist und der normalerweise im höchsten Zylinder der jeweiligen Stadt aufbewahrt wird. Im Heim-Stein erhält die Stadt ein Symbol – manchmal wenig mehr als ein schlichtes Stück bearbeiteten Felsens, das vielleicht mehrere hundert Generationen alt ist, aus einer Zeit, als die Stadt noch eine Ansammlung von Hütten an einem Flussufer war, manchmal aber auch ein wunderbar und eindrucksvoll bearbeiteter, juwelenbesetzter Block aus Marmor oder Granit. Aber von einem Symbol zu sprechen, greift zu kurz. Es ist fast so, als identifizierte sich die Stadt selbst mit diesem Heim-Stein, als wäre dieser Stein für die Stadt das, was das Leben für einen Menschen ist. Zu diesem Mythos gehört der Glaube, dass auch die Stadt überleben wird, solange der Heim-Stein überlebt.

Aber nicht nur jede Stadt hat ihren Heim-Stein, auch das einfachste und niedrigste Dorf und selbst die primitivste Hütte, vielleicht nur ein Unterschlupf aus Stroh, hat einen eigenen Heim-Stein, wie eben auch die gut ausgestatteten Räume des Administrators einer so großen Stadt wie Ar.

Mein Heim-Stein war der Heim-Stein von Ko-ro-ba, der Stadt, der ich sieben Jahre zuvor mein Schwert gewidmet hatte. Ich sehnte mich danach, in meine Stadt zurückzukehren.

In dem Bündel fand ich, eingewickelt in die Tunika und den Mantel, den Schultergürtel, die Scheide und das goreanische Schwert. Ich zog die Klinge aus der Scheide. Sie war gut ausbalanciert, gefährlich, doppelseitig geschliffen und ungefähr zwanzig bis zweiundzwanzig Zoll lang. Ich kannte den Griff, und ich konnte einige Riefen an der Klinge erkennen. Es war die Waffe, die ich bei der Belagerung von Ar getragen hatte. Es war ein seltsames Gefühl, sie erneut in Händen zu halten, ihr Gewicht zu fühlen, den vertrauten Schwertgriff zu spüren. Die Klinge hatte den Weg über die Stufen des Zentralzylinders nach oben freigekämpft, als ich Marlenus gerettet hatte, den umstrittenen Ubar von Ar. Ich hatte sie mit der Klinge von Pa-Kur gekreuzt, dem Meisterattentäter, auf dem Dach des Justizzylinders, wo ich um meine Liebe gekämpft hatte, um Talena. Und jetzt hielt ich sie wieder in meiner Hand. Ich fragte mich warum und wusste nur, dass die Priesterkönige es so gewollt hatten. Es gab zwei weitere Gegenstände, die ich in dem Bündel zu finden gehofft hatte, aber nicht da waren: ein Tarnstab und eine Tarnpfeife. Der Tarnstab ist ein längliches Instrument, ungefähr zwanzig Zoll lang. Er hat einen Schalter am Griff, ähnlich wie eine gewöhnliche Taschenlampe. Wenn der Stab eingeschaltet ist und einen Gegenstand berührt, führt es zu einem massiven Schlag, und ein Schauer gelber Funken wird abgegeben. Er wird zur Kontrolle von Tarnen eingesetzt, den riesigen falkenähnlichen Reitvögeln von Gor. Die Vögel werden im Grunde vom Ausschlüpfen an darauf trainiert, auf den Stab zu reagieren.

Wie leicht zu erraten ist, wird die Tarnpfeife benutzt, um den Vogel anzulocken. Üblicherweise reagieren die am besten ausgebildeten Tarne nur auf einen einzigen Ton, der von der Tarnpfeife ihres Besitzers erzeugt wird. Das ist nicht sehr überraschend, da jeder Vogel von der Kaste der Tarnzüchter dazu ausgebildet wird, auf einen jeweils anderen Ton zu reagieren. Wenn der Tarn einem Krieger angeboten oder an einen Krieger verkauft wird, begleitet die Pfeife den Vogel. Es muss nicht extra betont werden, dass die Pfeife wichtig ist und deshalb sorgfältig aufbewahrt wird, denn wenn sie verloren geht oder in die Hände eines Feindes fällt, hat der Krieger in fast allen Fällen sein Reittier verloren.

Ich kleidete mich also in das scharlachrote Gewand eines Kriegers von Gor. Ich war verwundert, dass die Kleidung, wie schon Helm und Schild, keine Abzeichen trug. Das stand im Widerspruch zu den Bräuchen auf Gor, denn gewöhnlich fehlten nur an der Kleidung von Geächteten oder Verbannten die individuellen Abzeichen, auf die die Goreaner so stolz sind.

Ich setzte den Helm auf, schnallte mir Schild und Schwert über meine linke Schulter. Ich nahm ohne große Mühe den schweren Speer in meine rechte Hand. Mich nach der Sonne richtend und im Wissen, dass Ko-ro-ba nordwestlich der Berge liegen musste, brach ich auf, um meine Stadt zu erreichen.

Mein Schritt war leicht, mein Herz glücklich. Ich war zu Hause, denn wo meine Liebe auf mich wartet, ist mein Zuhause. Wo mein Vater mich nach mehr als zwanzig Jahren Trennung wieder getroffen hatte, wo meine Kriegerkameraden und ich zusammen getrunken und gelacht hatten, wo ich meinen kleinen Freund Torm, den Schreiber, getroffen und von ihm gelernt hatte, da war mein Zuhause.

Ich merkte, dass ich auf goreanisch dachte, so flüssig, als wäre ich nicht sieben Jahre fort gewesen. Mir wurde bewusst, dass ich ein Kriegerlied sang, während ich durch das Gras marschierte.

Ich war nach Gor zurückgekehrt.

3 Zosk

Ich war einige Stunden in Richtung Ko-ro-ba gegangen, als ich erfreut auf eine der engen Straßen zur Stadt traf. Ich erkannte sie wieder, und selbst wenn mir das nicht gelungen wäre, dann hätte ich mich an den zylindrischen Pasangsteinen orientieren können, die ihren Verlauf kennzeichneten, mit dem Zeichen der Stadt und der ungefähren Anzahl an Pasang bis zu ihren Mauern. Ein Pasang entspricht etwa 0,7 Meilen. Die Straße war wie die meisten goreanischen Straßen wie ein Wall aus der Erde gestampft, und sie war gebaut, um Hunderte von Generationen zu überdauern. Der Goreaner, der Fortschritt nach unserem Verständnis nicht kennt, legt großen Wert auf Bauwerke und Handwerkskunst. Er erwartet, dass Dinge, die er gebaut hat, so lange von Menschen benutzt werden sollen, bis die Stürme der Zeit sie zu Staub zermahlen haben. Dennoch, diese Straße, trotz aller Liebe und Handwerkskunst, die die Kaste der Hausbauer großzügig investiert hatte, war nur eine anspruchslose Nebenstraße, kaum breit genug, dass zwei Karren aneinander vorbeifahren konnten. So waren selbst die wichtigsten Straßen von Ko-ro-ba weit entfernt von den großen Hauptstraßen, die von einer Metropole wie Ar ausgingen.

Überraschenderweise wuchsen hartnäckige Grasbüschel zwischen den Steinen, obwohl die Pasangsteine anzeigten, dass ich bereits nahe bei Ko-ro-ba sein musste. Auch brachen gelegentlich Kletterpflanzen aus den Fugen und schoben sich, Ranke für Ranke, über die großen Steinblöcke.

Es war später Nachmittag und nach Beurteilung der Pasangsteine war ich noch immer einige Stunden von der Stadt entfernt. Obwohl es noch hell war, hatten viele der farbenprächtig gefiederten Vögel bereits ihr Nest aufgesucht. Hier und da begannen Wolken von Nachtinsekten zu schwärmen, hoben sich unter die Blätter der Büsche am Straßenrand. Die Schatten der Pasangsteine waren länger geworden, und nach dem Winkel dieser Schatten – die Pasangsteine waren so aufgestellt, dass sie als Sonnenuhren dienen konnten – war es schon nach der vierzehnten goreanischen Ahn oder Stunde. Der goreanische Tag ist in zwanzig Ahn eingeteilt, die fortlaufend durchnummeriert sind. Die zehnte Ahn ist Mittag, die zwanzigste Mitternacht. Jede Ahn besteht aus vierzig Ehn und jede Ehn aus achtzig Ihn oder Sekunden.

Ich überlegte, ob es klug war, meine Reise fortzusetzen. Bald würde die Sonne untergehen, und die goreanische Nacht ist nicht ohne Gefahren, besonders für einen einzelnen Mann zu Fuß.

Nachts jagt der Sleen, das sechsfüßige fleischfressende Säugetier, fast genauso eine Schlange wie ein Tier. Ich hatte noch nie einen gesehen, aber ich sah die Spuren eines Exemplars, damals vor sieben Jahren.

Und auch in der Nacht, vor den leuchtenden Scheiben der drei Monde Gors, kann man gelegentlich den stillen, raublustigen Schatten des Uls sehen, einer gigantischen Flugechse, die sich weit von ihren Geburtssümpfen im Delta des Vosk entfernt hat.

Aber vielleicht am meisten fürchtete ich die Nächte, die erfüllt waren von den schrillen Schreien der Vartrudel, Schwärme fledermausähnlicher Nagetiere in der Größe kleiner Hunde. Sie können einen Kadaver in wenigen Minuten abnagen, und jeder von ihnen würde dann mit im Maul flatternden Fleischfetzen in die Felsspalten oder auch in andere dunkle Höhlen, die der Schwarm sich als Heimstatt ausgesucht hat, zurückkehren. Außerdem waren einige Vartrudel tollwütig.

Eine ganz offensichtliche Gefahr war die Straße selbst und die Tatsache, dass ich kein Licht hatte. Nach Einbruch der Dunkelheit suchen zahlreiche Schlangen die Straße wegen der Wärme dort auf, da die Steine die Hitze des Sonnenlichts länger speichern als die umliegende Landschaft. Zu diesen Schlangen gehörte auch die riesige, breit gestreifte goreanische Python, die Hith. Eine andere, die man noch mehr fürchten sollte, war die zierliche Ost, ein giftiges, leuchtend orange gefärbtes Reptil, nur wenig länger als ein Fuß, dessen Biss einen qualvollen Tod innerhalb weniger Sekunden verhieß.

Aus diesen Gründen entschloss ich mich, trotz meiner Sehnsucht nach Ko-ro-ba, von der Straße zurückzuziehen, in meinen Umhang zu hüllen und die Nacht im Schutz einiger Felsen zu verbringen oder vielleicht in das Geflecht einiger Dornbüsche zu kriechen, wo man in relativer Sicherheit schlafen kann. Jetzt, wo ich eine Unterbrechung meiner Reise in Betracht zog, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich sowohl hungrig als auch durstig war. Im Lederbündel, das ich bei den Waffen gefunden hatte, waren weder Nahrungsrationen noch Wasserflaschen gewesen.

Ich hatte kaum die Steine der Straße verlassen, als ich eine breite gebeugte Gestalt bemerkte, die die Straße herunterkam. Der Mann wählte jeden Schritt sorgfältig und sicher. Er war mit einem gigantischen Bündel an Stöcken beladen, das mit zwei Bändern auf seinem Rücken zusammengehalten wurde, die er vor seinem Körper um die Fäuste gewunden hatte. Seine Statur und seine Last kennzeichneten ihn als ein Mitglied der Kaste der Holzträger oder der Holzmänner, der goreanischen Kaste, die gemeinsam mit der Kaste der Holzkohlemacher für den größten Teil der Brennstoffe in den goreanischen Städten sorgt.

Das Gewicht, das der Mann trug, war erstaunlich und hätte fast jeden der Männer der meisten Kasten zum Taumeln gebracht, selbst einen Krieger. Das Bündel selbst ragte mindestens eine Manneslänge über dem Rücken des Trägers auf und war vielleicht vier Fuß breit. Ich wusste, dass die Handhabung einer solchen Last zum Teil vom geschickten Gebrauch der Trageriemen und des Rückens abhing, aber reine Körperkraft war genauso offensichtlich notwendig, und dieser Mann war wie seine Kastenbrüder über Generationen für diese Aufgabe geformt worden. Schwächere Männer waren geächtet worden oder gestorben. In seltenen Fällen konnte der Rat der hohen Kasten einen Aufstieg im Kastensystem erlauben. Niemand würde natürlich einen Abstieg in eine niedrigere Kaste akzeptieren, obwohl es niedrigere Kasten gab: Die Kaste der Bauern zum Beispiel ist die unterste Kaste auf ganz Gor.

Der Mann kam immer näher. Seine Augen waren von weißen, struppigen, verdrehten Haarbüscheln fast verdeckt, verfilzt mit Zweigen und Blättern. Die Bartstoppeln waren vom Gesicht geschabt, vielleicht mit der Klinge der breiten doppelseitigen Axt, die oben auf das Bündel gebunden war. Er trug die kurze, zerrissene, ärmellose Robe seines Gewerbes mit dem aus Leder gefertigten Rücken- und Schulterteil. Er war barfuß, und seine Füße waren bis zu den Knöcheln schwarz. Ich trat vor ihn auf die Straße.

»Tal«, sagte ich und hob mit nach innen gerichteter Handfläche meine rechte Hand zum üblichen goreanischen Gruß.

Das zottelige Wesen, breit, kraftvoll, monströs in der stolzen Anpassung an sein Handwerk, stand vor mir, beide Füße fest auf der Straße. Sein Kopf war erhoben. Seine großen, eng zusammenstehenden Augen, blass wie Wasser, betrachteten mich durch die wilden Haare, die das Gesicht fast versteckten.

Trotz seiner langsamen Reaktion auf mein Auftauchen, seiner bedächtigen und geduldigen Bewegungen, hielt ich ihn für überrascht. Er hatte offensichtlich nicht erwartet, jemanden auf der Straße zu treffen. Das verwunderte mich.

»Tal«, sagte er mit belegter, fast nicht mehr menschlicher Stimme.

Ich spürte, dass er überlegte, wie schnell er an seine Axt kommen konnte, die auf sein Bündel gebunden war.

»Ich möchte dir nicht schaden«, sagte ich.

»Was willst du?«, fragte der Holzträger, der inzwischen bemerkt haben musste, dass weder mein Schild noch meine Ausrüstung Zeichen trugen, und er würde daraus folgern, dass ich ein Geächteter sei.

»Ich bin kein Geächteter«, sagte ich.

Offensichtlich glaubte er mir nicht.

»Ich bin hungrig«, stellte ich fest. »Ich habe viele Stunden lang nichts mehr gegessen.«

»Ich bin auch hungrig«, erwiderte er, »und habe viele Stunden lang nichts mehr gegessen.«

»Ist deine Hütte in der Nähe?«, fragte ich. Ich wusste wegen der Tageszeit, zu der ich ihn getroffen hatte, dass sie in der Nähe sein musste. Die Sonne bestimmt den Stundenplan der meisten goreanischen Handwerker, und der Holzmann würde jetzt mit dem an diesem Tag geschlagenen Holz heimkehren.

»Nein«, sagte er.

»Ich möchte dir und deinem Heim-Stein nicht schaden«, wiederholte ich. »Ich habe kein Geld und kann dich nicht bezahlen, aber ich bin hungrig.«

»Ein Krieger nimmt sich, was er haben will«, sagte der Mann.

»Ich möchte dir nichts wegnehmen«, sagte ich.

Er schaute mich an, und ich glaubte, dass die Spur eines Lächelns das gegerbte Leder seines breiten Gesichts durchbrach.

»Ich habe keine Tochter«, sagte er. »Ich habe kein Silber und keinen Besitz.«

»Dann wünsche ich dir Wohlstand«, lachte ich, »und werde weitergehen.« Ich trat an ihm vorbei und folgte der Straße weiter.

Ich war kaum ein paar Schritte gegangen, als seine Stimme mich anhielt. Es war schwer, seine Worte zu verstehen, denn die Menschen aus der Kaste der Holzmänner reden nicht oft.

»Ich habe Erbsen und Rüben, Knoblauch und Zwiebeln in meiner Hütte«, stellte der Mann fest, sein Bündel wie ein riesiger Höcker auf seinem Rücken.

»Die Priesterkönige selbst könnten sich nicht mehr wünschen«, antwortete ich.

»Dann, Krieger, teile meinen Kessel«, fuhr der Mann fort, mit der üblichen direkten Einladung der unteren Kasten zu einem Essen.

»Ich fühle mich geehrt«, sagte ich, und es entsprach der Wahrheit.

Obwohl ich von hoher Kaste war und er von niederer, würde er dennoch in seiner eigenen Hütte nach den Gesetzen von Gor ein Prinz und Souverän sein, denn dort wäre er bei seinem Heim-Stein. Tatsächlich erscheint das kriechende Nichts eines Mannes, das nie wagen würde, seinen Blick in der Gegenwart eines Mitglieds der hohen Kasten vom Boden zu erheben als zerlumpter und geistloser Grobian, unseriöser Schurke oder Feigling oder geldgieriger und unterwürfiger Hausierer. Nicht selten jedoch wird er an dem Ort, wo sich sein Heim-Stein befindet, zu einem wahrhaftigen Löwen unter seinen Mitmenschen, stolz und prächtig, großzügig und freigiebig, einem König, wenn auch nur in seiner eigenen Höhle. Und auch häufig genug gab es Geschichten, in denen selbst ein Krieger von einem wütenden Bauern überwältigt wird, in dessen Hütte er eingedrungen ist, denn im Umkreis ihrer Heim-Steine kämpfen Männer mit all ihrem Mut, ihrer Wildheit und dem Einfallsreichtum des Berglarls. Es gibt mehr als ein Feld eines Bauern auf Gor, das mit dem Blut dummer Krieger gedüngt wurde.

Der breitschultrige Holzträger grinste über beide Ohren. Er würde heute Nacht einen Gast haben. Er selbst würde wenig reden, da er in der Sprache ungeübt und zu stolz wäre, Sätze zu bilden, die sehr wahrscheinlich stolpernd und grammatikalisch falsch sein würden. Aber er würde bis zum Morgengrauen am Feuer sitzen, mich vom Schlaf abhalten, weil ich erzählen sollte, Geschichten, Berichte von Abenteuern, Nachrichten bringen, von Orten aus weiter Ferne. Es war nicht so wichtig, was ich erzählen wollte, sondern es ging darum, dass etwas gesagt wurde, damit er sich nicht alleine fühlte.

»Ich bin Zosk«, sagte er.

Ich überlegte, ob es ein Gebrauchsname sei oder sein wirklicher Name. Die Mitglieder der niederen Kasten rufen sich häufig mit einem Gebrauchsnamen und reservieren den wahren Namen für ihre Vertrauten und Freunde, um ihn vor Missbrauch durch Zauberer oder Hexer zu schützen, die ihn benutzen könnten, um dem Träger Schaden zuzufügen. Irgendwie spürte ich, dass Zosk sein wahrer Name war.

»Zosk von welcher Stadt?«, fragte ich.

Sein breiter, kraftvoller Rumpf schien sich zu versteifen. Die Muskeln in seinen Beinen schwollen plötzlich wie Taue an. Die geistige Verbindung zu ihm, die ich gespürt hatte, schien plötzlich verschwunden zu sein wie ein wegfliegender Spatz oder ein Blatt, das von einem Zweig gerissen wird. »Zosk …«, sagte er.

»Aus welcher Stadt?«, beharrte ich.

»Aus keiner Stadt«, sagte er.

»Sicherlich aus Ko-ro-ba«, stellte ich fest.

Der zusammengekauerte, unförmige Gigant schien fast zurückzuprallen, als sei er geschlagen worden, und begann zu zittern. Ich spürte, dass dieser einfache gefühlsarme Primat von Mann plötzlich Angst hatte. Zosk hätte sich einem Larl gestellt, nur mit seiner Axt bewaffnet, aber hier und jetzt war er verängstigt. Die großen Fäuste, die die Bänder seines Holzbündels hielten, wurden weiß, die Stöcke klapperten im Bündel.

»Ich bin Tarl Cabot«, sagte ich. »Tarl von Ko-ro-ba.«

Zosk stieß einen unartikulierten Schrei aus und begann rückwärts zu stolpern. Seine Hände nestelten an den Bändern, das große Holzbündel löste sich auf, und das Holz polterte auf die Steinpflasterung der Straße. Als er sich umwandte, um wegzurennen, stolperte er über einen der Stöcke und fiel. Er fiel fast in die Axt, die auf der Straße lag. Instinktiv, als sei es eine lebensrettende Planke im Strudel seiner Angst, ergriff er die Axt.

Mit der Axt in der Hand schien er sich plötzlich wieder an seine Kaste zu erinnern. Er kauerte sich auf die Straße, in den Staub, wenige Fuß von mir entfernt, wie ein Gorilla, der eine breite Axt umklammert hält, atmete tief, saugte die Luft in seine Lungen und meisterte seine Angst.

Seine Augen starrten mich durch die silbrigen und verfilzten Locken seines Haares an. Ich konnte seine Panik nicht verstehen, aber ich war stolz zu sehen, dass er sie beherrschen konnte, denn die Panik ist der große allgegenwärtige Feind aller lebenden Wesen, und ich fühlte, dass sein Sieg auch ein wenig mein Sieg war. Ich erinnerte mich, wie ich einst in den Bergen von New Hampshire solche Panik gehabt hatte, wie schändlich ich mich ihr hingegeben hatte und weggelaufen war, als Sklave des einzigen entwürdigenden Gefühls des Menschen. Zosk streckte sich, soweit der riesige Buckel seines Rückgrates es ihm erlaubte.

Er hatte nicht länger Angst.

Er sprach langsam. Seine Stimme war schwer, aber völlig unter Kontrolle.

»Sag, dass du nicht Tarl von Ko-ro-ba bist«, verlangte er.

»Aber ich bin es«, antwortete ich.

»Ich erbitte deine Gunst«, sagte Zosk, seine Stimme voller Gefühle. Er bettelte fast. »Sag, dass du nicht Tarl von Ko-ro-ba bist.«

»Ich bin Tarl von Ko-ro-ba«, erwiderte ich fest.

Zosk hob seine Axt.