Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 754 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 754 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Simone lebt allein mit ihrem Großvater, dem treuen Verwalter von Gut Diepenau, im Verwalterhaus. Ihre Großmutter ist seit vielen Jahren tot, und über ihre Eltern weiß sie so gut wie nichts. Als sie zu einer bildhübschen Frau heranwächst, verliert sie ihr Herz an Thorsten, den jungen Herrn von Diepenau, wohl wissend, dass sie als Enkeltochter des Gutsverwalters gewiss keine angemessene Partie für ihn ist. Und doch geschieht das Unfassbare: Auf einem Fest entspinnen sich zarte Liebesbande zwischen ihnen. Simone schwebt im siebten Himmel, da schlägt das Schicksal unerbittlich zu. Ihr geliebter Großvater, ihr Fels im Leben, stirbt. Simone ist untröstlich, nun ist sie ganz allein. Denn der junge Gutsherr, der ihr in einer lauen Sommernacht ewige Liebe schwor, hat Gut Diepenau verlassen und kehrt nicht einmal zur Beerdigung seines treuen Verwalters zurück ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Die Zukunft strahlt hell

Vorschau

Impressum

Die Zukunft strahlt hell

Berührend erzählter Roman um ein Mädchen ohne Heimat

Simone lebt allein mit ihrem Großvater, dem treuen Verwalter von Gut Diepenau, im Verwalterhaus. Ihre Großmutter ist seit vielen Jahren tot, und über ihre Eltern weiß sie so gut wie nichts.

Als sie zu einer bildhübschen Frau heranwächst, verliert sie ihr Herz an Thorsten, den jungen Herrn von Diepenau, wohl wissend, dass sie als Enkeltochter des Gutsverwalters gewiss keine angemessene Partie für ihn ist. Und doch geschieht das Unfassbare: Auf einem Fest entspinnen sich zarte Liebesbande zwischen ihnen. Simone schwebt im siebten Himmel, da schlägt das Schicksal unerbittlich zu. Ihr geliebter Großvater, ihr Fels im Leben, stirbt. Simone ist untröstlich, nun ist sie ganz allein. Denn der junge Gutsherr, der ihr in einer lauen Sommernacht ewige Liebe schwor, hat Gut Diepenau verlassen und kehrt nicht einmal zur Beerdigung seines treuen Verwalters zurück ...

»Unser Herr lässt sich wahrlich selten genug bei uns sehen«, stellte die Köchin Marthchen missbilligend fest.

Marthchen hätte so gern wieder einmal für alle gekocht. Aber da die Herrschaften meist durch ihre Abwesenheit glänzten, brauchte sie nur für das leibliche Wohl des Gesindes zu sorgen. Das bekam kräftige Hausmannskost vorgesetzt.

»Wenn er Urlaub macht, wird er sich schon einstellen. Er ist eben ein Stadtmensch, Marthchen. Außerdem hat er dort eine riesige Fabrik, die muss ja schließlich auch geleitet werden.«

»Fabrik hin und her.« Die Gute schüttelte missbilligend den Kopf. »Hier liegt Diepenau, ein großes Gut ...«

»Das gottlob von einem tüchtigen Verwalter bewirtschaftet wird«, fiel ihr der Großknecht ins Wort.

»Sicher, Verwalter Nansen ist ein umsichtiger, korrekter und tüchtiger Mann, aber er ist schließlich nicht mehr der Jüngste.« Sie seufzte. »Er mutet sich zu viel zu und sollte sich längst zur Ruhe gesetzt haben.«

»Wer wird ihn ersetzen, he?«, erhitzte sich der Großknecht. »Er weiß genau, dass er unentbehrlich ist, und er hängt an Diepenau wie an seiner eigenen Scholle. Ich nehme an, er will noch so lange durchhalten, bis der junge Herr das Studium absolviert hat. Dann geht er bestimmt in Rente.«

»Ach ja, der junge Herr ...« Marthchens Augen leuchteten hell auf. »Der ist in Ordnung. Er ist immer so freundlich und kommt oft nach Diepenau.«

»Schließlich wird er das Gut ja auch einmal erben. Und er ist nicht so ein Hallodri wie der Erbe vom Nachbargut.«

»Ja, mit dem Jungen hat unser Herr wirklich Glück gehabt.«

»Ich nehme an, dass Herr von Diepenau das Gut vor zehn Jahren seiner Schwägerin abgekauft hat, weil der Sohn lieber Landwirt zu werden schien als etwa Chemiker.«

»Daran hat er gut getan. Es ist doch viel besser, die eigene Scholle zu bewirtschaften, als in einem stinkenden Chemielabor zu sitzen.«

»Wobei es ja hier auch zuweilen recht stark duftet«, meinte Paul und grinste.

»Das ist doch etwas ganz anderes«, ereiferte Marthchen sich und tat so, als wollte sie ihren Kochlöffel auf Paul sausen lassen. Der wich lachend zurück.

»Heute scheinst du besonders in Form zu sein. Ich ziehe mich besser zurück, sonst trifft mich deine Waffe doch noch.«

Er prallte fast mit einem lieblichen jungen Geschöpf zusammen, das einen Henkelkorb in der Hand hielt.

»Sie sind heute aber stürmisch, Paul«, sagte Simone. Sie trug ein hübsches Baumwollkleid. Am auffallendsten waren ihre dicken blonden Zöpfe, die schwer über ihren Schultern lagen.

»Nichts für ungut«, stammelte der große, breitschultrige Paul und erglühte, bevor er endgültig die Küche verließ.

Alle Männer auf Diepenau wurden zahm und höflich, wenn sie der schönen Enkelin des Verwalters begegneten. Simone war immer gleichbleibend freundlich. Man musste sie einfach gernhaben, und jeden beglückte ihr sonniges Lächeln.

Die blauen Augensterne des Mädchens strahlten die Küchenfee jetzt an.

»Guten Tag, Marthchen.«

»Guten Tag, Fräulein Simone. Na, was gibt es denn?«, fragte Marthchen herzlich. »Setzen Sie sich doch.« Sie wischte mit einem Küchenhandtuch den Stuhl ab, obwohl er blitzsauber war.

»Ich bringe Ihnen ein Stückchen von dem Kuchen, den ich gestern gebacken habe. Neulich sprachen wir über das Rezept, das ich in der Zeitung entdeckt hatte.«

Simone nahm einen Teller mit dem Probierkuchen aus ihrem Korb.

Marthchen betrachtete die beiden Stückchen etwas argwöhnisch. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand anderes als sie es vermochte, einen guten Käsekuchen zu backen.

Dann nahm sie einen Teelöffel und aß einen Bissen.

»Hm«, meinte sie nach einer Weile, »ausgezeichnet, wirklich erstklassig! Das Rezept ist gut.«

»Ich hoffte, dass der Kuchen Ihnen schmeckt. Hier ist auch gleich das Rezept.« Simone reichte ihr ein Blatt Papier, auf dem sie es fein säuberlich mit der Schreibmaschine abgetippt hatte.

»Schreibmaschine schreiben können Sie auch?«, fragte Marthchen prompt und staunte.

Simone lachte ihr helles Glöckchenlachen.

»Das habe ich auf der Schule gelernt. Ich habe einen Sonderkursus belegt.«

»Ach, freilich, Sie sind ja in die Stadtschule gegangen«, meinte Marthchen anerkennend.

»Ja.« Simone seufzte.

»Ist etwas?«

Das junge Mädchen wurde ein wenig verlegen.

»Eigentlich nicht. Ich musste nur gerade daran denken, wie gern ich noch weitergelernt hätte. Großvater wollte nicht, dass ich ganz und gar aus dem Haus gehe, und das hätte ich ja wohl gemusst, wenn ich eine Universität besucht hätte.«

»Da muss ich ihm beipflichten«, trumpfte Marthchen auf. »In der Stadt lauern für ein junges Mädchen tausend Gefahren, zumal es dort ganz allein auf sich angewiesen ist.«

»Aber Marthchen, welche Gefahren wohl?«

»Die größte Gefahr kommt von den Männern her. Die meisten Männer reden schöne Worte, verdrehen den Mädchen den Kopf und lassen sie dann im Unglück sitzen.«

Simone fragte sich, ob Marthchen in der Beziehung wohl ihre Erfahrungen gemacht hatte oder ob sie wie ein Blinder von der Farbe redete.

»Na ja, nun bin ich bei Großvater und führe ihm den Haushalt«, lenkte Simone vom Thema ab.

»Der alte Herr hat es auch verdient, ein wenig verwöhnt zu werden. Er gefällt mir in letzter Zeit nicht so recht.«

»Ihnen auch nicht, Marthchen?«, fragte Simone ängstlich. »Mein Gott, die Arbeit wird ihm allmählich zu viel. Er ist nicht mehr der Jüngste, will es sich aber durchaus nicht sagen lassen. In manchen Dingen ist er ein rechter Dickkopf.«

»Das sind die meisten Männer«, stellte Marthchen darauf tiefsinnig fest. »Wenn unser junger Herr kommt, unterstützt er Ihren Großvater sicher wieder.« Marthchen setzte sich nun auch.

»Wissen Sie, wann er hier eintrifft?« Simone sah Marthchen erwartungsvoll an.

»Das nicht. Er kommt und ist da. Er muss freilich erst Ferien haben.«

»Bleibt er nach Abschluss seines Studiums für immer auf Diepenau?«, fragte Simone zögernd.

»Das hoffen wir alle. Was soll er in der Stadt bei seinem Vater?«, erwiderte Marthchen.

»Dann will ich mal wieder gehen«, murmelte Simone und erhob sich.

Marthchen geleitete sie noch bis zur Küchentür.

»Kommen Sie bald einmal wieder, ich würde mich freuen«, gab sie dem jungen Geschöpf mit auf den Weg.

♥♥♥

Das Verwalterhaus lag ein gutes Stück vom Herrenhaus entfernt. Simone schritt leichtfüßig aus.

»Großvater!« Sie lief dem alten Herrn entgegen. Er umfing ihre gertenschlanke Gestalt.

»Na, mein kleines Mädchen«, sagte er zärtlich und tätschelte ihre Wange.

»Komm, setz dich, ich ziehe dir deine Reitstiefel aus«, sagte Simone eifrig. »Ich hole dir auch deine bequemen Pantoffeln. Willst du baden, duschen oder dich nur waschen?«

»So alt und gebrechlich bin ich noch nicht, dass ich ein Kindermädchen benötige«, wehrte er ab, ließ sich Simones Fürsorge auf der anderen Seite aber gern gefallen.

»Großvater, du solltest einmal einen Arzt aufsuchen«, bat sie inständig.

»Unsinn, was soll ich da wohl? Ich fühle mich wohl und sitze nicht aus Spaß lange in dem überfüllten Wartezimmer herum. Dazu habe ich keine Zeit.«

»Keine Zeit, keine Zeit«, erhitzte sich Simone. »Wenn du nachher krank im Bett liegst, musst du dafür auch Zeit haben.«

»Im Sommer kommt der junge Herr, der entlastet mich«, vertröstete Wilhelm Nansen Simone.

»Weißt du den genauen Termin?«, wollte das Mädchen nun auch von ihm wissen.

»Nein, ich habe keine Ahnung. Ich nehme jedoch an, dass die Semesterferien wie immer Mitte Juli beginnen. Bis dahin ist es nicht mehr lange.«

»Nein«, sagte Simone und unterdrückte schnell ihre aufsteigende Freude. »Wie lange bist du nun eigentlich schon auf Diepenau Verwalter?«, wollte sie dann wissen.

»Einundzwanzig Jahre.«

»Fast so lange, wie ich auf der Welt bin«, stellte Simone überrascht fest. »Wenn ich es mir recht überlege, hast du niemals über deine vorherige Tätigkeit gesprochen«, sinnierte das Mädchen. »Verwalter warst du ja gewiss, aber wo?«

»In Süddeutschland«, gab der alte Mann widerstrebend zu.

»Und warum hast du die Stellung gewechselt? Ist dir gekündigt worden?«

»Nein«, sagte Wilhelm Nansen. »Ich hatte auch eine sehr gute Stellung, obwohl ich nicht wie hier völlig freie Hand hatte. Darum liebe ich Diepenau sicher auch so.«

»Hängt dein Stellungswechsel etwa mit mir zusammen, Großvater?«

»In gewissem Sinne ja«, sagte Wilhelm Nansen kurz, sodass Simone nicht wagte, noch weiter in ihn zu dringen. Aber sie glaubte auch so, genug erfahren zu haben.

Wahrscheinlich hatte es damals ihre Großeltern nicht mehr an dem Ort gehalten, wo ihre einzige Tochter verschollen war.

Simone war damals noch ein Baby gewesen und hatte an jene Zeit keinerlei Erinnerungen mehr. An ihre Großmutter erinnerte sie sich gut, und sie wurde heute noch traurig, wenn sie an deren frühen Tod dachte. Sie war gestorben, als Simone gerade zehn Jahre alt gewesen war.

Bald darauf hatte der jetzige Besitzer, Albert von Diepenau, das Gut gekauft.

»Ich muss gerade an Frau von Diepenau denken, Großvater, die ehemalige Besitzerin des Gutes. Sie war immer so freundlich zu mir. Warum hat sie sich eigentlich von ihrem Besitz getrennt?«

»Gott, wie es halt im Leben so geht«, sinnierte der alte Mann. »Im Grunde genommen war sie nur Miterbin. Nach dem Tod ihres Gatten war wohl der größte Teil des Erbes ihrer Tochter zugefallen. Die hatte sich inzwischen aber längst in der Stadt verheiratet. Und Frau von Diepenau zog es zu ihrer Tochter, dem Schwiegersohn und vor allem zu ihren Enkeln hin. Sie war ja ohnehin die Hälfte des Jahres dort.«

»Ja, ich erinnere mich«, sagte Simone.

»Die alte Dame wurde immer gebrechlicher, und ihre Kinder wirkten auf sie ein, zu ihnen zu ziehen. Sie besaßen eine große Villa am Rande einer großen Stadt. Der Schwiegersohn wollte wohl gern seine eigene Klinik vergrößern und moderne Untersuchungsgeräte anschaffen. Und Albert von Diepenau trug sich zu jener Zeit mit dem Gedanken, Landbesitz zu erwerben. Da veräußerte sie das Gut an ihren Schwager, und damit blieb es Familienbesitz. Leicht ist ihr der Entschluss nicht gefallen.«

»Hast du die alte Dame später noch mal gesehen?«

»Aber ja, du warst mit deiner Klasse im Landschulheim, da weilte sie einige Tage hier zu Besuch. Kurz darauf ist sie dann gestorben.«

»Leider, sie war so ein lieber, guter Mensch.«

»Das ist Herr von Diepenau auch«, setzte sich Simone spontan für den Gutsbesitzer ein.

»Das wollte ich damit nicht gesagt haben. Er kümmert sich ja leider nur herzlich wenig um Diepenau. Seine Arbeit in seinen Werken lässt ihn nicht los.«

»Ich frage mich, warum er das Gut gekauft hat, wenn er so wenig Interesse daran hat.«

»Ab und zu kommt er ja zum Jagen her und versucht auch wohl, seinen Urlaub hier zu verbringen, aber oft genug wird er ins Werk zurückgerufen, weil dort irgendetwas schiefläuft.«

»Ich muss gerade daran denken, Großvater, dass der junge Herr von Diepenau seine Mutter wohl auch sehr früh verloren haben muss. Als sein Vater das Gut gekauft hat, lebte sie doch schon nicht mehr, nicht wahr?«

»Ich habe sie noch niemals gesehen und auch noch nie etwas über sie gehört«, gab der alte Herr nachdenklich zurück.

»Sie ist ganz gewiss gestorben«, meinte Simone. Irgendwie widerstrebte es ihr zu glauben, dass die Gatten getrennt lebten.

♥♥♥

Der Sommer kam, und auf weiten Flächen wogte bereits hoch das Korn.

Eines Tages sah Simone Thorsten von Diepenau hoch zu Ross. Es war noch früh am Morgen. Auf den Wiesen lag der Tau, und die Vögel jubilierten um die Wette.

Simone verhielt unwillkürlich ihren Schritt und starrte dem Reiter nach. Sie war froh, allein zu sein. Die Begegnung war so urplötzlich erfolgt, dass sie sich nicht darauf hatte vorbereiten können.

Sie starrte Thorsten nach, bis er in der Ferne entschwunden war. Dann seufzte sie glücklich auf. Sie sang an diesem Morgen. Ihr war so fröhlich ums Herz!

»Übrigens ist der junge Herr von Diepenau jetzt hier«, meinte ihr Großvater beim Mittagessen.

»Ja, ich habe ihn bereits gesehen«, gab Simone darauf ruhig zurück.

»Ich freue mich, dass er mich nun ein bisschen entlastet.«

»Ich auch. Kommst du denn gut mit ihm aus, Großvater?«

»Aber ja! In manchen Dingen haben wir zwar eine andere Meinung, aber ich muss häufig einsehen, dass die des Herrn von Diepenau nicht immer die schlechteste ist.« Er schmunzelte.

»Dann versteht er etwas vom Gutsbetrieb?«, fragte Simone mit klopfendem Herzen.

»Ja, er kennt sich nicht nur gut aus, sondern bringt für seinen Beruf auch Liebe mit.«

An diesem Nachmittag blickte Simone oftmals in Richtung Park, wusste sie doch hinter ihm das Herrenhaus.

Wenn sie in den nächsten Tagen abends im Bett lag, sah sie immer wieder Thorsten von Diepenaus schmales, ausdrucksvolles, männliches Gesicht vor sich.

Simone seufzte dann und schalt sich eine Närrin.

Heute radelte sie dem Dorf zu, um dort allerhand Einkäufe zu tätigen. Als sie zurückfuhr, hingen an ihrer Lenkstange zwei Taschen. Es kostete sie Mühe, ihr Fahrrad gerade zu lenken, weil die schweren Taschen dabei hinderlich waren.

Plötzlich zischte es, und das Vorderrad klapperte. Sie fuhr auf den Felgen, weil die Luft aus dem Reifen entwichen war.

Simone stieg sofort ab, stellte die beiden schweren Taschen an den Chausseegraben und ging in die Hocke, um den kaputten Reifen zu begutachten. Dabei baumelten die schweren langen Zöpfe bis auf die Erde.

»Was gibt es denn?« Der junge Gutsherr stand plötzlich hinter ihr. Er war an diesem Vormittag auch mit dem Fahrrad unterwegs. Darum konnte er unbemerkt herankommen. Simone hatte ihn nicht gehört.

»Guten Tag«, stammelte Simone.

»Guten Tag, Fräulein Nansen.« Thorsten streckte ihr seine Hände entgegen, und Simone legte schüchtern ihre hinein.

»Wie schön, dass wir uns einmal treffen. Allerdings wünschte ich, es sei bei einer anderen Gelegenheit geschehen. Wie ich sehe, ist Ihr Schlauch kaputt.«

»Ja«, gab Simone zu. »Dummerweise habe ich kein Flickzeug mitgenommen.«

»Wieso, hatten Sie etwa vor, den Reifen wieder zu reparieren?«, staunte Thorsten.

Simone lachte ihr perlend frisches Lachen, das sich sofort in jedes Herz einschmeichelte.

»Aber sicher. Wer sollte es wohl sonst tun? Großvater ist viel zu sehr beschäftigt. Ihm kann ich nicht auch noch solche Kleinigkeiten aufbürden.«

Der intensive Blick des jungen Gutsherrn machte sie verlegen.

»Ich habe Flickzeug bei mir. Fangen wir doch gleich mit dem Reparieren an«, meinte Thorsten munter. Er nahm mit geschicktem Griff Simones Rad und stülpte es auf den Kopf.

»Sie beschmutzen sich Ihre Hände«, sagte Simone erschrocken. Thorsten lachte nur.

»Dafür ist Wasser und Seife da!« Schon kniete er im Straßenstaub. Simone beobachtete seine geschickten Hände, die im Handumdrehen das Rad aus der Verstrebung lösten. Er fand auch sehr schnell das Loch im Schlauch, flickte es und zog den Reifen wieder auf.

»So, nun hoffe ich nur, dass er die Luft hält«, sagte er, als er den Schlauch aufpumpte.

»Danke, Sie waren sehr freundlich«, murmelte Simone und sah ihn wieder mit ihren großen blauen Augen an.

»Keine Ursache!« Der junge Gutsherr hatte es plötzlich sehr eilig weiterzukommen. Er klopfte kurz seine Hose ab und säuberte sich die Hände notdürftig an seinem Taschentuch. Dann schwang er sich auf sein Fahrrad und setzte seinen Weg fort.

♥♥♥

In den nächsten Tagen sah Simone Thorsten nur immer von Weitem und hoch zu Ross. Dann begann eine Schlechtwetterperiode. Es goss in Strömen. An Spaziergänge war nicht zu denken. Selbst die Feldarbeit stockte, die Leute wurden in Ställen und Scheunen eingesetzt.

Simones Großvater erkältete sich bei dem nasskalten Wetter. Starker Husten und Schnupfen quälten ihn. Kurz nach dem Frühstück kam er nach Hause.

»Gottlob«, sagte Simone erleichtert. »Nun hast du also eingesehen, dass es besser ist, dich ein paar Tage ins Bett zu legen, anstatt dich der Gefahr auszusetzen, schwer krank zu werden.«