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Miriam wächst gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Oliver in der liebevollen Obhut ihrer Großmutter auf und erlebt eine unbeschwerte Kindheit. Als sie zu einer bildhübschen jungen Frau heranwächst, wird ihr eine schwere Familienlast bewusst: Sowohl ihre Mutter als auch ihre leibliche Großmutter starben bei der Geburt - beide unverheiratet und von der Gesellschaft geächtet. Aufgrund ihres vermeintlich unstandesgemäßen Hintergrunds waren Eheschließungen in beiden Fällen unmöglich. Von diesem Erbe gezeichnet, empfindet Miriam ihre uneheliche Herkunft als Makel und entwickelt eine tief verwurzelte Angst vor Ablehnung. Fest entschlossen, dem tragischen Schicksal ihrer Vorfahrinnen zu entkommen, trifft sie eine schwerwiegende Entscheidung: Als ein adliger Verehrer ihr seine Liebe gesteht, weist sie ihn barsch zurück - auch wenn es ihr das Herz bricht ...
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Wohin das Schicksal dich führt
Vorschau
Impressum
Wohin das Schicksal dich führt
Berühmter Roman für glückliche Lesestunden
Miriam wächst gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Oliver in der liebevollen Obhut ihrer Großmutter auf und erlebt eine unbeschwerte Kindheit. Als sie zu einer bildhübschen jungen Frau heranreift, wird ihr eine schwere Familienlast bewusst: Sowohl ihre Mutter als auch ihre leibliche Großmutter starben bei der Geburt – beide unverheiratet und von der Gesellschaft geächtet. Aufgrund ihres vermeintlich unstandesgemäßen Hintergrunds waren Eheschließungen in beiden Fällen unmöglich.
Von diesem Erbe gezeichnet, empfindet Miriam ihre uneheliche Herkunft als Makel und entwickelt eine tief verwurzelte Angst vor Ablehnung. Fest entschlossen, dem tragischen Schicksal ihrer Vorfahrinnen zu entkommen, trifft sie eine schwerwiegende Entscheidung: Als ein adliger Verehrer ihr seine Liebe gesteht, weist sie ihn barsch zurück – auch wenn es ihr das Herz bricht ...
Paula Bartel saß häkelnd in ihrem schon reichlich mitgenommenen Lehnstuhl. Die alte Frau ließ von Zeit zu Zeit ihre Handarbeit auf den Schoß sinken und blickte über die Brille hinweg durch die nur angelehnte Tür auf den Flur.
Er war nur sehr schmal und klein, an der Wand hing ein großer Spiegel.
Vor diesem Spiegel stand die grazile blutjunge Hanna und kämmte ihr hübsches blondes Haar. Dabei glänzten ihre Augen, es leuchtete der purpurne Mund.
Das junge Geschöpf strahlte, als es in das kleine, blitzsaubere Wohnzimmer trat. Hanna Bartel trug nur ein einfaches Sommerkleid, aber sie sah darin gut aus.
»Gefalle ich dir, Mutter?«, fragte sie und drehte sich einmal um die eigene Achse.
»Du bist schön, Hannchen, und das weißt du genau«, erwiderte die alte Frau mit Stolz. »Aber es gefällt mir ganz und gar nicht, dass du dich nun schon wieder mit dem Grafen treffen willst, Kind. Dabei kommt nichts Gutes heraus, glaube mir.«
Das Gesicht des empfindsamen Mädchens verdunkelte sich. Hanna kam noch einen Schritt näher und legte den Arm um die Schultern der Mutter.
»Du hast etwas gegen die gräfliche Familie. Mark von Trachtenberg ist sehr nett und höflich zu mir«, sagte sie und errötete dabei.
»Das kann ich mir denken.« Die alte Frau nickte und lächelte grimmig. »Aber er ist ein Herr, Hannchen, und wir sind nur einfache Leute.«
»Aber wir lieben uns doch«, sagte Hanna verzweifelt.
Ihre Mutter zuckte betroffen zusammen.
»So, ihr liebt euch«, sagte sie mit dumpfer Stimme. Dann nickte sie langsam. Sie hatte es geahnt, aber doch nicht glauben wollen. Sie war eine erfahrene alte Frau und wusste genau, dass so eine Verbindung niemals gut gehen würde.
Hanna war ein liebes Mädchen, das ihr niemals Kummer gemacht hatte. Doch nun liebte sie einen Grafen von Trachtenberg, und er gab vor, sie zu lieben.
Das mochte vielleicht sogar stimmen. Aber seine Liebe zu Hanna war gewiss nicht groß genug, um gegen alle Widerstände anzukämpfen, die ihm durch diese Bindung erwachsen würden. Dessen war Frau Paula gewiss.
♥♥♥
Um dieselbe Zeit saßen sich auf Trachtenberg die beiden Grafen von Trachtenberg gegenüber. Vater und Sohn waren von unterschiedlichem Charakter.
Hagen von Trachtenberg, der Ältere, war untersetzt und stämmig.
Sein Sohn Mark überragte ihn um fast einen Kopf. Er war schlank und hatte eine sportliche Figur. Während sich auf den Zügen seines Vaters ein unbeugsamer Wille zeigte, wirkte er nachgiebiger und weicher.
»Hör zu, mein Sohn, das Intermezzo mit der Kleinen aus dem Dorf brichst du auf der Stelle ab. Es wird Zeit, dass du heiratest. Ich bin mit Baron von Radolin einig geworden. Du wirst dessen Tochter heiraten.« Jedes Wort, das er sprach, bekräftigte er noch durch ein Nicken.
»Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein, Vater!«, ereiferte der junge Mann sich. »Du kannst doch nicht über meinen Kopf hinweg Heiratsversprechen geben.«
»Ich habe dich bisher immer gewähren lassen, mein Sohn, doch nun musst du dein Leben endlich in vernünftige Bahnen lenken und dich an deine Pflichten erinnern.«
»Du hast dir nie das Heft aus der Hand nehmen lassen, Vater. Zum Arbeiten haben wir unsere Leute«, verteidigte sich Mark von Trachtenberg.
»Ich fühlte mich noch zu jung, um mich aufs Altenteil zu setzen. Aber nach deiner Heirat überlasse ich dir die Bewirtschaftung der Vorwerke. Zeigst du, dass du dazu imstande bist, werde ich dir ganz Trachtenberg übergeben.« Der alte Graf von Trachtenberg sah seinen Sohn fragend an.
»Ich werde nicht heiraten, zumindest nicht diese Theodora von Radolin«, erklärte der junge Mann.
»Du wirst es müssen, mein Sohn«, sagte sein Vater kalt.
»Was willst du damit andeuten?«, fragte Mark. Er war wachsbleich geworden. »Hast du finanzielle Schwierigkeiten?«
»Genau das«, gab sein Vater seelenruhig zurück. »Es wird Zeit, dass du eine Frau mit Mitgift heiratest. Und die Baronesse von Radolin bringt einen schönen Batzen mit in die Ehe. Mit Hilfe des Geldes werden wir wieder finanziell stark, können Hypotheken ablösen, dringend nötige Maschinen anschaffen und Trachtenberg zu einem rentablen Betrieb machen.«
»Ich habe nicht gewusst ...«, stammelte Graf Mark.
»Ich hoffe, du bist nun einsichtig genug, dich zu der Heirat zu entschließen. Du siehst, dass ich nichts Unbilliges von dir erwarte.« Marks Antwort bestand aus einem dumpfen Stöhnen.
»Ich liebe das Mädchen, Hanna vertraut mir«, sagte er nach einer ganzen Weile.
»Glaubst du, ich hätte einst deine Mutter aus Liebe geheiratet? Nicht die Spur! Und doch haben wir zufrieden miteinander gelebt. Ich habe den Schritt nicht eine Stunde lang bereut.« Graf Hagen ging hinaus und schmetterte die Tür heftig ins Schloss.
Sein Sohn zuckte zusammen und vergrub sein Gesicht in den Händen.
So saß er lange und rührte sich nicht. Er merkte noch nicht einmal, dass sein Jagdhund um seine Beine strich und dann seinen Kopf auf seine Knie legte.
An diesem Abend saß Hanna Bartel wie immer im Schatten der alten Weide am Bach. Aber heute wartete sie vergeblich auf den Grafen von Trachtenberg.
♥♥♥
Am nächsten Morgen war Frau Paula noch immer nicht wieder zu Hause. Hanna wusste, dass die Bäuerin Clasen in diesen Tagen niederkommen musste. Sie bekam ihr erstes Kind, und das ließ offenbar auf sich warten.
Frau Paula Bartel holte man weit und breit zu den Wöchnerinnen. Die alte Frau, die schon so manchen Säugling ans Licht der Welt geholt hatte, konnte sich rühmen, nie am Totenbett einer jungen Mutter gestanden zu haben. Das festigte natürlich ihren Ruf als außerordentlich tüchtige Hebamme.
Lustlos trank Hanna ihren Kaffee und radelte dann etwas später aus dem Dorf. Das Wetter war umgeschlagen. Am Himmel zogen dunkle Wolken auf. Es sah nach Regen aus.
In der Nähe des nächsten Dorfes lag eine große Ziegelei. Hier arbeitete Hanna als Buchhalterin.
Sonst war sie mit Freude bei ihrer Arbeit, doch heute schweiften ihre Gedanken immer wieder zu Mark. Hoffentlich war er nicht erkrankt! Sie schielte immer wieder zum Telefon und hoffte, dass es läuten würde.
Sie hatte Mark zwar gebeten, nicht im Büro anzurufen, aber wenn er wichtige Gründe dafür hatte, würde er es sicher nicht so genau nehmen.
Vergeblich hoffte Hanna auf einen Anruf. Als sie gegen Abend nach Hause radelte, hatte sie noch nichts von Mark gehört.
Jetzt goss es in Strömen. Der Regenmantel schützte sie nur notdürftig vor dem heftigen Regen.
Ihre Mutter stand am Küchenherd, als Hanna heimkam.
»Brrr, ist das ein Wetter«, sagte das junge Mädchen und schüttelte sich.
»Gib mir den Mantel, ich hänge ihn gleich zum Trocknen auf. Mach dir schnell ein Fußbad, Kind, dann erkältest du dich nicht.«
Hanna nickte, entledigte sich des Mantels und umarmte ihre Mutter.
»Wann bist du denn nach Hause gekommen? Und was hat die Bäuerin Clasen bekommen?«, fragte sie.
»Einen Jungen. Die Freude war groß, das kannst du dir denken. Aber die Ärmste hat bis heute Mittag gelitten. Ich war drauf und dran, einen Arzt hinzuzuziehen. Da kam das Kind.«
Sie erzählte von der schweren Geburt. Hanna hörte zu und nickte verständnisvoll.
Seit Kurzem hatte die Hebamme Paula Bartel ein Telefon. Es stand im Wohnzimmer auf einem kleinen Tischchen. Selbst beim Essen blickte das junge Mädchen immer wieder herüber.
»Erwartest du einen Anruf?«, fragte ihre Mutter schließlich.
»Eigentlich nicht«, erwiderte Hanna.
»Jetzt bin ich aber wirklich hundemüde«, sagte Paula am frühen Abend und erhob sich.
Hanna war ein wenig verdutzt.
»Fühlst du dich nicht gut?«, fragte sie besorgt. Sie kannte es gar nicht, dass ihre Mutter einmal vor ihr ins Bett ging.
»Doch, aber ich habe in der vorigen Nacht nicht geschlafen und bin schließlich nicht mehr die Jüngste. Gute Nacht, mein Kind.«
»Gute Nacht, Mutter.« Hanna blieb noch ein Weilchen sitzen. Einige Male umklammerte ihre Rechte den Hörer des Telefons, doch sie ließ ihn immer wieder los. Sie konnte um diese Tageszeit unmöglich bei Mark anrufen. Aber wie gern hätte sie es getan! Die Sehnsucht nach dem Geliebten wurde immer größer und ihre Sorgen um ihn auch.
Um dieselbe Zeit ging der Erbe von Trachtenberg in seinem großen, elegant eingerichteten Zimmer wie ein gefangenes Tier auf und ab.
Einige Male setzte er sich an den Schreibtisch, um einen Brief an Hanna zu schreiben. Doch er sprang immer wieder auf und lief hin und her. Zwischendurch stöhnte er dumpf und schmerzlich.
Es ging bereits auf Mitternacht zu, als er am Schreibtisch sitzen blieb. Mark schrieb und schrieb, als gelte es, dadurch sein Leben zu retten. Er las den Brief gar nicht mehr durch, setzte seinen Namen darunter und steckte ihn in den Umschlag. Er verzichtete auf sein gräfliches Siegel und verklebte den Brief nur.
♥♥♥
Der nächste Tag wurde für Hanna noch quälender als der vorangegangene. Sie konnte sich beim besten Willen nicht auf ihre Arbeit konzentrieren und war von Herzen froh, als endlich Feierabend war.
Heute würde sie Mark anrufen, nahm sie sich ganz fest vor. Ihrer Mutter würde das sicher nicht recht sein. Sie glaubte, Mark spiele nur mit ihr. Aber sie wusste es besser.
In dem kleinen Häuschen schlug Hanna angenehme Wärme entgegen. Ihre Mutter hatte im Wohnzimmer den Ofen geheizt.
»Das kann man heute gebrauchen.« Das Mädchen fröstelte. »Dass das Wetter so plötzlich umschlagen kann, ist mir immer wieder ein Rätsel.«
»Ja, es wird Herbst, das spürt man jetzt ganz deutlich. Ich habe dir heute Knödel gekocht, die isst du doch so gern, Kind.«
Hanna trug die Schüssel mit den Knödeln auf, als sich Frau Paula leicht vor die Stirn schlug.
»Du hast ja Post bekommen, Kind. Das hätte ich fast vergessen.«
»Von wem?«
»Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Die Handschrift ist mir unbekannt, und einen Absender hat der Briefschreiber nicht angegeben.«
»Na, dann wird es wohl nicht allzu wichtig sein.« Das junge Mädchen lachte kurz fröhlich auf. »Wegen des Briefes lasse ich meine Lieblingsspeise nicht kalt werden.«
»Du hast recht, Kind. Iss erst einmal.«
»Keiner kann so gut kochen wie du, Mutsch«, sagte Hanna und nahm sich noch einen Knödel.
»Es freut mich, dass es dir schmeckt.« Frau Paula warf ihrer Tochter einen liebevollen Blick zu.
Als Hanna später ihrer Mutter beim Spülen helfen wollte, winkte diese ab.
»Wir stellen das bisschen Geschirr zusammen. Ich habe morgen den ganzen Tag Zeit. Wenn ich nicht zu einer Wöchnerin gerufen werde, wird mir die Zeit manchmal lang.«
Erst als ihre Mutter wieder zu ihrer Handarbeit gegriffen hatte, erinnerte Hanna sich an den Brief. Sie schlitzte den Umschlag auf, nahm das Blatt heraus und begann zu lesen.
Frau Paula beobachtete Hanna und sah, wie ihr Kind wachsbleich wurde und dann sanft zur Seite kippte.
»Hannchen!«, rief sie und sprang erschrocken auf.
Ihre Tochter war ohnmächtig geworden. Als Frau Paula ihr ein nasses, kühles Tuch auf die Stirn legte, öffnete das junge Mädchen wieder die Augen.
»Kind«, sagte die alte Frau besorgt. Sie beugte sich über das Mädchen und strich ihr das Haar aus der Stirn. »Was hat dich denn nur so erregt, Liebes?«
Der Brief war zu Boden gefallen und lag auf dem Teppich.
Hanna wandte den Kopf zur Seite. Aus ihren Augenwinkeln tropften unaufhörlich Tränen.
Frau Paula war ratlos. Was war nur mit ihrem sonst so fröhlichen Hannchen geschehen? Der Anblick schnitt ihr ins Herz.
»Soll ich dir eine Tasse Kaffee kochen?«, fragte sie.
»Nein, Mutter, das ist nicht nötig.« Hanna nahm sich zusammen und richtete sich auf. Dabei lächelte sie verkrampft. Dann hob sie den Brief vom Boden auf.
»Du hattest recht, Mutter, ich war für den Grafen von Trachtenberg nur ein Spielzeug«, sagte sie mit einer Härte, die Frau Paula erschauern ließ. »Lies.« Sie gab ihrer Mutter das Blatt.
Frau Paula setzte sich und las die wenigen Zeilen.
Meine geliebte Hanna!
Es muss zwischen uns alles aus sein. Ich werde ein reiches Mädchen aus meinen Kreisen heiraten müssen, um das Erbe meiner Väter zu erhalten. Ich kann nur hoffen, dass du mich verstehst, mit deinem Verzeihen rechne ich nicht.
Mark von Trachtenberg
»Das ist wirklich ein starkes Stück«, sagte die Frau grimmig.
»Es ist furchtbar«, murmelte das Mädchen. »Mark muss gewusst haben, dass er mich niemals heiraten kann, Mutter, und dabei hat er immer vom Heiraten gesprochen.« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
♥♥♥
In den nächsten vierzehn Tagen hielt sich Hanna tapfer. Sie fuhr täglich zur Arbeit. Über das Wochenende ruhte sie sich in ihrem kleinen Garten aus. Tagsüber war es jetzt doch noch recht schön.
Frau Paula erwähnte den Grafen von Trachtenberg mit keinem Wort, Hanna tat es auch nicht.
»Auf Trachtenberg wird heute Verlobung gefeiert«, erfuhr Hanna heute im Büro.
Ihre junge Kollegin teilte es ihr arglos mit. Sie wusste nicht, wie Hanna einst zu Mark gestanden hatte.
»Wenn auf Trachtenberg Hochzeit gefeiert wird, gehe ich in die Kirche«, sagte die Kollegin nun. »Ich wette, dann kommen viele Adlige, die man sonst nur in Illustrierten bewundern kann. Die Braut trägt todsicher ein Kleid aus einem Pariser Salon.«
»Mir ist es gleichgültig«, erwiderte Hanna, der das Herz blutete.
Kurz darauf verließ sie den Raum. Sie ließ kaltes Wasser über ihre jagenden Pulse laufen und zog ihre Lippen ein wenig nach. Sie sah doch, wie erschreckend blass sie war.
Mark hatte wahrgemacht, was er ihr angedeutet hatte! Er heiratete schon in Kürze eine Baronesse von Radolin. Kein schönes Mädchen, aber ein Mädchen mit Familie, Namen und Geld.
Zwei Wochen später tauchte zum ersten Mal in Hanna ein schrecklicher Verdacht auf. Ihr war morgens immer so elend. Im Laufe des Tages fühlte sie sich dann wieder wohler.
Nein!, dachte sie, ich will kein Kind haben. Das darf nicht sein!
»Du siehst blass aus«, sagte ihre Mutter am nächsten Tag besorgt. Hanna brachte es nicht fertig, sich ihrer Mutter anzuvertrauen. Sie hoffte noch immer, dass sie sich irrte.
Vielleicht war ihr der Kummer auf den Magen geschlagen.
»Hannchen, du wirst Mutter«, sagte Frau Paula heute, als sie ins Badezimmer kam und Hanna sich erbrach. »Warum hast du dich mir noch nicht längst anvertraut, Kind?« Sie legte fürsorglich den Arm um Hannas Schultern.
Ihr Kind atmete wie erlöst auf und weinte sich an der Mutterbrust aus. Endlich trug sie das furchtbare Wissen nicht mehr allein. Ihre Mutter machte ihr keine Vorwürfe und stand ihr wie immer tröstend zur Seite.
»Du bist so gut«, murmelte Hanna.
»Und du so unglücklich, Kleines«, sagte Frau Paula zärtlich.
Hanna klammerte sich an ihre Hand.
»Vielleicht solltest du dir überlegen, ob du den Grafen nicht über deinen Zustand in Kenntnis setzt, Hannchen«, riet die Mutter ihr.
»Nein, nein, nein!«, stieß das junge Mädchen heftig hervor. »O Mutter, glaubst du etwa, er würde die Verlobung mit der reichen Baronesse von Radolin lösen, um die Mutter seines Kindes zu heiraten? Nimmst du an, er könnte doch noch die Schande tilgen, die er über mich gebracht hat? Niemals!«, schloss sie heftig und zitterte vor Erregung am ganzen Körper.
Frau Paula wartete ab, bis sich Hannas Erregung gelegt hatte.
»Ich glaube nur, ein Vater hat ein Recht darauf zu wissen, wenn er Vater wird«, sagte sie dann.
Doch schon schüttelte Hanna wieder beharrlich den Kopf.
»Er soll es nicht erfahren, Mutter, ich will es nicht. Ich werde mein Kind allein großziehen. Ich habe ja einen guten Beruf.«
♥♥♥
Die Winterstürme brausten längst mit großer Gewalt über die abgeernteten Felder. Kurz vor Weihnachten setzte Frost ein. Hanna sah man ihren Zustand jetzt schon an.
»Du solltest zum Arzt gehen, Kind«, drängte Frau Paula sie.
