Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 760 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 760 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Als Sven von Eschenwald unerwartet einen Einschreibebrief Brief aus dem Ausland erhält, ahnt er nicht, dass dieser sein Leben für immer verändern wird. Sein verschollen geglaubter Bruder Eberhard ist verstorben - und hinterlässt ihm nicht nur einen letzten Brief voller Reue, sondern auch ein Vermächtnis: seine kleine Tochter Monika, die in Deutschland eine neue Heimat finden soll. Sven steht vor einer schweren Entscheidung. Wie soll er sich um ein Kind kümmern, wenn er doch selbst mit den Schatten der Familiengeschichte kämpft? Seine Verlobte Grit reagiert mit Ablehnung, und die strengen Regeln des alten Adelsgeschlechts drohen ihn in einen Konflikt zu stürzen. Doch als die kleine Monika zusammen mit ihrer bezaubernden Nanny Julia schließlich auf Gut Eschenwald eintrifft, wird schnell klar: Die beiden bringen nicht nur Unruhe, sondern endlich auch Wärme in das alte Herrenhaus ...

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Ein Herz voller Zärtlichkeit

Vorschau

Impressum

Ein Herz voller Zärtlichkeit

Julias heimliche Liebe

Als Sven von Eschenwald unerwartet einen Einschreibebrief Brief aus dem Ausland erhält, ahnt er nicht, dass dieser sein Leben für immer verändern wird. Sein verschollen geglaubter Bruder Eberhard ist verstorben – und hinterlässt ihm nicht nur einen letzten Brief voller Reue, sondern auch ein Vermächtnis: seine kleine Tochter Monika, die in Deutschland eine neue Heimat finden soll.

Sven steht vor einer schweren Entscheidung. Wie soll er sich um ein Kind kümmern, wenn er doch selbst mit den Schatten der Familiengeschichte kämpft? Seine Verlobte Grit reagiert mit Ablehnung, und die strengen Regeln des alten Adelsgeschlechts drohen ihn in einen Konflikt zu stürzen.

Doch als die kleine Monika zusammen mit ihrer bezaubernden Nanny Julia schließlich auf Gut Eschenwald eintrifft, wird schnell klar: Die beiden bringen nicht nur Unruhe, sondern endlich auch Wärme und Lachen in das alte Herrenhaus ...

»Herr, es ist ein Einschreibebrief gekommen«, berichtete Grete eifrig, als Sven von Eschenwald, noch gespornt und gestiefelt, das Herrenhaus betrat. »Der alte Kaldeweit wollte ihn mir erst gar nicht aushändigen, wegen der Gewichtigkeit. Der Brief kommt nämlich aus dem Ausland. Kaldeweit und ich haben den Stempel entziffert.«

Der junge Gutsherr schmunzelte. Für Grete war die Ankunft des Briefes offenbar eine Staatsaktion.

»Nun reich mir den Schrieb einmal, Grete, dann werden wir ja feststellen, was er enthält.« Sven nickte seiner guten, treuen Küchenfee freundlich zu und nahm den Umschlag entgegen.

Er las zunächst den Absender. Ein gewisser Notar Mike Smith hatte ihm geschrieben. Den Namen hatte er nie zuvor gehört.

»Grete, ich könnte wohl eine gute Tasse Kaffee gebrauchen«, meinte Sven.

Wenn es darum ging, ihrem Herrn irgendwie zu dienen, war die Gute sofort dazu bereit und vergaß ihre Neugier.

»Gewiss, Herr, ich koche sie sofort und so, wie Sie sie immer gern trinken.«

Sie entfernte sich trotz ihrer Fülle wieselflink. Sven ging in sein Arbeitszimmer und setzte sich in den Sessel hinter dem mächtigen Schreibtisch. Dann ritzte er das Schreiben auf.

Ihm fielen allerhand Papiere in die Hände, Geburts-‍, Heirats- und Sterbeurkunden.

Einen Moment lang saß er wie erstarrt da und blickte auf den immer wiederkehrenden Namen, der ihm direkt ins Auge sprang.

»Eberhard«, murmelte er dann erschüttert. Mein Gott, er hatte in den letzten Jahren tatsächlich kaum noch an seinen Bruder gedacht, der verschollen war.

Damals, als sich das Drama abgespielt hatte, war er gerade achtzehn Jahre alt gewesen. Eberhard und er waren altersmäßig zu weit auseinander, um wirklich je eine innige Beziehung zueinander gehabt zu haben. Eberhard war fünfzehn Jahre älter als er gewesen.

Sven schloss die Augen und atmete tief. Die Vergangenheit stand vor ihm auf, jene unselige Vergangenheit.

Er erinnerte sich an die schrecklichen Auseinandersetzungen zwischen seinem Vater und Eberhard. Obwohl sich die beiden jedes Mal hier ins Arbeitszimmer zurückgezogen hatten, hatte er doch ein Großteil davon mitbekommen.

Er wusste, dass Eberhard mit einem jungen Mädchen liiert gewesen war, das in der Stadt in einer Nachtbar auftrat und dort sang. Schließlich hatte er darauf bestanden, jenes Mädchen zu heiraten. Er, ein Freiherr von Eschenwald auf Eschenwald, der Ältere und zukünftige Erbe.

Das hatte natürlich den Skandal auf die Spitze getrieben.

Was sich hier im Zimmer abgespielt hatte, hatte Sven niemals bis in die Einzelheiten hinein erfahren. Am nächsten Morgen war Eberhard jedoch verschwunden gewesen und mit ihm das gesamte Bargeld aus dem Safe.

Sein Vater war damals einem Schlaganfall nahe gewesen. Seine Mutter hatte verweinte, rot verquollene Augen gehabt. Eberhards Name durfte nicht wieder erwähnt werden.

»Er ist für uns alle gestorben«, hatte damals sein Vater diktatorisch bestimmt.

»Und nun ist er wirklich tot«, murmelte Sven erschüttert. Eberhard war immerhin sein Bruder gewesen. Aber nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Frau lag eine Sterbeurkunde auf dem Tisch. Diese Frau besaß einen deutschen Mädchennamen: Liane Meier. Sven vermutete, dass es sich um jene Barsängerin handelte.

Sven zuckte zusammen, als es an die Tür klopfte. Grete brachte den Kaffee persönlich.

»Wissen Sie jetzt, von wem der dicke Brief geschickt worden ist?« Gretes Neugier war noch genauso brennend wie vor zehn Minuten.

Sven nickte. »Ja, von einem gewissen Notar Smith. Er teilt mir mit, dass mein Bruder verstorben ist.«

»Mein Gott, der Herr Eberhard«, murmelte Grete sichtlich bestürzt. »Ist er bereits beerdigt worden?«, wollte sie nun wissen, während in ihrer Kehle ein Schluchzen saß.

»Ja, das ist anzunehmen, Grete.«

»Mein Gott«, schluchzte sie auf. »So in fremder Erde zu ruhen, das ist eine schlimme Sache. Ich bin nur gespannt, wie die gnädige Frau diese furchtbare Nachricht aufnimmt. Sie hat den gnädigen Herrn noch lange nicht vergessen.«

»Das stimmt«, gab Sven ihr Recht. Wenn seine Mutter eine klare Periode haben würde, musste er ihr wohl oder übel von Eberhards Tod berichten, selbst auf die Gefahr hin, dass sich ihr Geist anschließend wieder verwirrte.

Grete ging, als sie merkte, dass der Herr ihre Anwesenheit nicht mehr zur Kenntnis nahm, sondern düster vor sich hinstarrte.

Nach einer Weile entschloss sich Sven, jene Papiere weiter durchzusehen, die in dem großen Umschlag enthalten waren. Dabei fiel ihm ein Brief in die Hände, der an ihn adressiert war und Eberhards Handschrift trug. Ein zweiter Brief stammte offensichtlich von jenem Notar und war auch an ihn gerichtet.

Sven öffnete mit bebenden Händen erst den von seinem Bruder und las:

»Lieber Sven,

wenn Du diese Zeilen liest, weile ich nicht mehr unter den Lebenden. Ich fühle, dass es mit mir zu Ende geht. Darum habe ich nur eine einzige Bitte: Nimm Dich meiner kleinen Tochter an! Sie wird nach meinem Tode schrecklich einsam und verlassen sein. Ich möchte, dass sie in Deutschland erzogen wird. Sie ist im Grunde genommen ja eine Deutsche, auch wenn sie in Afrika geboren wurde.

Gottlob ist es mir gelungen, im Laufe der letzten Jahre hier ein wenig Boden unter den Füßen zu gewinnen, und so schicke ich sie nicht ohne Geld zu Dir. Ihre Erziehung wird Dich also nichts kosten.

Es tut mir schrecklich leid, was ich vor allem den Eltern angetan habe. Du hast mich nicht verstehen können. Ich hätte einen anderen Menschen auch nicht verstanden, bevor ich Liane kennenlernte. Ich konnte nicht ohne sie leben, aber mit ihr zusammen auf Eschenwald wäre es unmöglich gewesen. So musste ich sie mit in das Abenteuer hineinziehen, das ich für sie eingegangen bin.

Bereut habe ich es nie. Bedrückt hat mich in all den Jahren nur, dass ich Vater habe bestehlen müssen, bevor ich verschwand. Ich wollte das Geld zurückzahlen, das schwöre ich. Aber Liane und ich haben uns hier in den ersten Jahren mehr schlecht als recht durchgeschlagen. Mir hat es nichts ausgemacht, aber ihretwegen habe ich unter der Armut sehr gelitten. Dann wurde Monika geboren.

Wir waren glücklich, obwohl wir damals in einer Wohnung hausten, von deren Schäbigkeit Du Dir kein Bild machen kannst.

Liane war stets tapfer. Sie war damals, als ich sie kennenlernte, Musikstudentin und finanzierte sich ihr Studium durch die Auftritte in der Bar. Hier, in unserer neuen Heimat, hielt sie uns durch Klavierstunden mitunter über Wasser. Ach, ich kann Dir nicht sagen, wie schrecklich es ist, wenn man Frau und Kind darben sieht und nichts dagegen tun kann!

Als es mit uns endlich bergauf ging, befiel sie eine heimtückische Krankheit. Sie war bis zuletzt tapfer und frohen Mutes. Dabei bin ich überzeugt, dass sie genau gewusst hat, wie es um sie stand.

Ihre Sorge galt nur Monika und mir. Meine gilt jetzt unserer kleinen Tochter, die bald ganz allein in der Welt steht. Gottlob habe ich vor Kurzem eine junge Deutsche eingestellt, die Monika betreut. Sie macht auf mich einen guten Eindruck. Ich hoffe nur, Monika gewöhnt sich an sie. Wenn dem so ist, möchte ich Dich bitten, Julia Hoffmann neben Monika etliche Monate bei dir mit aufzunehmen. Monika hätte dann durch sie ein Stückchen Heimat bei sich.

Ich habe vor Kurzem erfahren, dass unser Vater schon etliche Jahre tot ist. Ich habe ihn zutiefst enttäuscht, vielleicht bin ich nicht ganz unschuldig an seinem verhältnismäßig frühen Tod.

Außerdem weiß ich von der Krankheit unserer Mutter. Ich hätte sie so gern einmal wiedergesehen und von ihr vielleicht ein Verzeihen erlangt. Aber selbst das soll nicht sein. Ich liege im Krankenhaus und werde es sicher nicht wieder verlassen.

Bitte, erfülle meine letzte Bitte, lieber Sven! Werde Monika ein guter Onkel. Sie ist ein liebes, aufgewecktes Kind, an dem Du hoffentlich Deine Freude haben wirst. Lass es sie nicht entgelten, was ich der Familie angetan habe.

Dein Bruder Eberhard«

Sven las den Brief zweimal langsam und nachdenklich. Dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht.

»Mein Gott«, murmelte er hilflos. Eberhard schickte ihm seine Tochter! Was sollte er mit einem Kind anfangen? Er hatte so gar keine Beziehungen zu Kindern. Wenn es wenigstens ein Junge gewesen wäre!

Seine Hände zitterten, als er dann den Brief des Notars öffnete und ihn las.

»Sehr geehrter Baron von Eschenwald,

Ihr Bruder ist inzwischen verschieden. Nehmen Sie mein tief empfundenes Beileid entgegen. Ich habe Ihren Bruder im Laufe der letzten Jahre sehr schätzen gelernt und weiß, was für ein wertvoller Mensch er gewesen ist. Er lebte nur für seine kleine Familie, später für sein Töchterchen.

Als Testamentsvollstrecker des Verstorbenen habe ich inzwischen sein Anwesen verkauft und überweise den Erlös zusammen mit dem vorhandenen kleinen Vermögen auf eine Bank in Deutschland.

Ich bin im Namen Ihres verstorbenen Bruders froh, dass die kleine Monika nun nicht mit leeren Händen zu Ihnen kommt und Sie ihr eine gute Ausbildung angedeihen lassen können. Sie ist wie ihre Mutter hochmusikalisch, außerdem sehr tierlieb. Vielleicht könnte sie aus einer der Anlagen einst einen Beruf machen.

Mit großer Freude habe ich in letzter Zeit bemerkt, dass sich Monika an ihre Betreuerin, Fräulein Hoffmann, besonders eng angeschlossen hat. Sie bedeutet ihr nach dem Tod ihres Vaters noch mehr. Darum gebe ich die Bitte Ihres verstorbenen Bruders weiter. Ich schicke Fräulein Hoffmann mit dem Kind auf Reisen und hoffe, dass Sie Monikas Betreuerin noch etliche Monate beschäftigen. Dann fällt Monika das Einleben gewiss leichter.

Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich an mich. Ich schicke Ihnen außer den amtlichen Papieren, die Monika später sicher einmal nötig haben wird, auch die Aufstellung des Vermögens des Verstorbenen.

Monika und Fräulein Hoffmann treffen am Freitag ...«

Jetzt ließ Sven erschrocken den Brief sinken und starrte auf den Kalender.

»Meine Güte, das ist ja in drei Tagen«, murmelte er, von leichter Panik gepackt.

Er sprang auf und lief etliche Male im Raum hin und her. Sven war sich darüber im Klaren, dass ein Kind im Haus eine große Belastung war. Aber diese kleine Monika war schon unterwegs und zudem die einzige Tochter seines verstorbenen Bruders, die er ihm als Vermächtnis ans Herz gelegt hatte. Er musste sie selbstverständlich aufnehmen.

Irgendwie würde er sich schon an die Kleine gewöhnen. Vor allem war ja gottlob auch noch Grit da. Frauen konnten mit Kindern besser fertig werden. Seine Verlobte würde sich Monikas annehmen.

Irgendwie beruhigte ihn der Gedanke. Im nächsten Moment hob er bereits den Telefonhörer auf.

»Könnte ich Grit sprechen, Frau von Schoten«, sagte er.

Seine Verlobte kam sogleich ans Telefon.

»Hallo, Sven«, rief sie ihm durch den Draht zu.

»Ich muss dich unbedingt sprechen, Liebling. Willst du zu mir kommen, oder soll ich dich aufsuchen?«

»Himmel, was ist passiert? Du bist ja ganz aufgeregt. Hat deine Mutter wieder eine schlimme Phase? Dann stecke sie doch endlich in ein gutes Pflegeheim.«

Sven runzelte ärgerlich die Stirn. Dieser Punkt war zwischen ihnen ein ewiges Streitobjekt.

Grit war der Meinung, seine demente Mutter sei in einem Pflegeheim unter anderen Patienten am besten aufgehoben und fühle sich bestimmt wohler als auf Eschenbach, wo sie doch recht isoliert lebe.

Er dagegen vertrat die Ansicht, in den wenigen klaren Phasen ihres Lebens sei sie bestimmt glücklich, in der vertrauten Umgebung leben zu können.

»Mutter geht es verhältnismäßig gut«, entgegnete er knapp. »Allerdings ist etwas anderes eingetreten.«

»Erzähle.«

»Das möchte ich am Telefon nicht.«

»Gut, dann bin ich in einer halben Stunde bei dir«, versprach seine Verlobte.

Sven suchte kurz darauf seine Mutter auf. Die alte Dame bewohnte mit ihrer ehemaligen Zofe Mina einen Teil des Westflügels. Als Sven an die Tür pochte, öffnete Mina, ein älteres Weiblein, das sich jedoch noch immer aufputzte. Ihr ganzer Kopf war mit Locken bedeckt, die beim Gehen wie kleinen Glöckchen wackelten.

»Ach, der Herr«, flüsterte Mina und strahlte.

»Wie geht es Mutter?«

»Noch so gut wie am Morgen, als Sie mit ihr sprachen. Aber jetzt schläft sie leider. Sie wird untröstlich sein, wenn sie erfährt, dass Sie sie besuchen wollten.«

»Vielleicht kann sie ja mit am Familientisch essen? Meine Verlobte wird auch da sein.«

Minas Gesicht verdunkelte sich. Sie wurde recht verlegen.

»Ach, besser nicht, gnädiger Herr. Sie wissen ja, zuweilen ist Ihre Frau Mutter unberechenbar. Ihr Wohlbefinden kann sich von einer Minute zur anderen ändern.«

Sven nickte düster. Grit erregte sich dann jedes Mal sehr, wenn sie seine Mutter in einer ihrer schlimmen Phasen erlebte.

»Ich möchte nur einen Blick auf sie werfen«, sagte er, folgte Mina auf Zehenspitzen und blieb für einen Moment sinnend an der Tür stehen. Wie friedlich seine Mutter schlief!

Sven erinnerte sich jener Jahre, als seine Mutter noch ein gesunder, lebhafter und warmherziger Mensch gewesen war – die beste Mutter, die er sich nur hatte wünschen können!

»Danke, Mina«, flüsterte er, nickte ihr zu und ging wieder.

♥♥♥

Wenig später fuhr ein Wagen mit quietschenden Rädern auf den Hof. Sven schüttelte verärgert den Kopf. Warum musste Grit nur immer so unvernünftig fahren? Er hatte ihr schon so häufig ans Herz gelegt, sich eine gemäßigtere Fahrweise zuzulegen.

Allerdings war sein Ärger schon wieder verschwunden, als sie aus dem Wagen stieg und ihm entgegeneilte. Es gab wahrlich kein rassigeres Geschöpf als Grit. Sie war groß, schlank und schön. Vor allem gefielen ihm ihr kupferfarbenes Haar und ihr sprühendes Temperament.

»Sven!« Sie lief auf ihn zu und hätte sich fast vor den Augen einiger Bediensteter in seine Arme geworfen. Er umging im letzten Moment diese zärtliche Begrüßung, indem er sich über ihre Hand beugte und sie küsste.

Grit lachte girrend. »Fürchtest du schon wieder um deinen guten Ruf? Aber wir sind doch offiziell verlobt und haben das Recht auf Zärtlichkeiten.«

»Wenn wir allein sind, Liebste! Darum komm schnell.« Sie strebten dem Haus zu. Sven führte seine Verlobte in sein Arbeitszimmer. Hier nahm er sie in seine Arme, allerdings hielt sie es nicht lange an seiner Brust aus.

»Was ist nun, Sven?«, fragte sie ungeduldig und machte sich von ihm los.

»Setz dich, Liebes. Ich gebe dir am besten die gesamte Post, die ich erhalten habe. Dann kannst du selbst lesen und erfährst es besser als durch meinen Mund.«

Grit sank in einen der tiefen und bequemen Ledersessel. Dann las sie und schüttelte mehrmals den Kopf.

»Unerhört«, murmelte sie. Endlich ließ sie die Briefe und Unterlagen auf dem Tisch liegen. »Das nenne ich wirklich unverschämt.«

»Wie meinst du das?«, fragte Sven irritiert.

»Na, höre einmal: Halst dir dein lieber Bruder sein Kind auf, nachdem er vorher der Familie einen nicht gerade kleinen Streich gespielt hat!«

Sven runzelte ärgerlich die Stirn. Wie Grit die Dinge betrachtete, gefiel ihm ganz und gar nicht. Fast bereute er schon, ihr kurz nach der Verlobung von der Familientragödie erzählt zu haben.

»Aber die kleine Monika steht doch als Vollwaise mutterseelenallein auf der Welt.«

»Na und?« Grit zuckte die Schultern. »Gibt es in Afrika keine guten Kinderheime, zumal ja wohl Geld vorhanden ist?«

»Monika ist aber eine Deutsche, Grit, und Eberhard hat gewollt, dass die Kleine hier in Deutschland erzogen wird.«

»Wenn er so viel Wert darauf legt, hätte er ja nicht auszuwandern brauchen. Aber letzten Endes kann er wohl schwerlich verlangen, dass du diese Halbwilde aufnimmst, zumal sie eine Mutter hat ...« Sie machte eine sprechende Pause.

»Werde nicht geschmacklos«, fuhr Sven sie jetzt an. »Ich meine, Vater hat Eberhard damals bitter Unrecht getan. Du hast ja schließlich gelesen, mit welch warmen Worten Eberhard von seiner verstorbenen Frau schreibt. Sie kann auf keinen Fall irgendein Flittchen gewesen sein, wie Vater sie damals wohl eingestuft haben mochte.«

»Na gut«, lenkte jetzt auch sie ein. »Es geht ja wohl um dieses Kind, das bereits auf dem Weg hierher ist. Gottlob hat es eine Art Gouvernante bei sich. So brauchst du dich nicht um sie zu kümmern. Lass sie etliche Wochen hier wohnen, in der Zeit suchen wir ein gutes Internat für sie.«

»Nein«, entgegnete Sven kurz und bestimmt.