Chefarzt Dr. Holl 1836 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1836 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Eltern der achtjährigen Sabine haben sich zuletzt nur noch gestritten, und jetzt ist der Papa von zu Hause ausgezogen.

Für Sabine ist die Trennung ein Schock, der aus dem fröhlichen, ausgeglichenen Mädchen eine Außenseiterin macht. Statt durch gute Noten fällt sie jetzt durch Aggressionen und freches Verhalten auf.

Als sie nach einer Prügelei in der Schule in die Notaufnahme der Berling-Klinik eingeliefert wird, sitzen Mama und Papa plötzlich wieder einträchtig an ihrem Bett. Ganz so wie eine richtige Familie.

Sabine tut es fast leid, als sie noch am selben Tag entlassen wird. Doch jetzt weiß sie, was sie tun muss: Sie muss länger in der Klinik bleiben, damit die Eltern Tag für Tag gemeinsam an ihrem Bett sitzen und sich auf diese Weise wieder näherkommen. Im Kopf des kleinen Mädchens nimmt ein fataler Plan Gestalt an ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 113

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Die kleine Lügnerin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Poike/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6453-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die kleine Lügnerin

Ein Kind braucht dringend Hilfe

Von Katrin Kastell

Die Eltern der achtjährigen Sabine haben sich zuletzt nur noch gestritten, und jetzt ist der Papa von zu Hause ausgezogen.

Für Sabine ist die Trennung ein Schock, der aus dem fröhlichen, ausgeglichenen Mädchen eine Außenseiterin macht. Statt durch gute Noten fällt sie jetzt durch Aggressionen und freches Verhalten auf.

Als sie nach einer Prügelei in der Schule in die Notaufnahme der Berling-Klinik eingeliefert wird, sitzen Mama und Papa plötzlich wieder einträchtig an ihrem Bett. Ganz so wie eine richtige Familie.

Sabine tut es fast leid, als sie noch am selben Tag entlassen wird. Doch jetzt weiß sie, was sie tun muss: Sie muss länger in der Klinik bleiben, damit die Eltern Tag für Tag gemeinsam an ihrem Bett sitzen und sich auf diese Weise wieder näherkommen. Im Kopf des kleinen Mädchens nimmt ein fataler Plan Gestalt an …

„Ich will aber wach bleiben, bis der Papa kommt! Er hat versprochen, mir heute Abend eine Geschichte zu erzählen!“

„Bienchen, der Papa muss länger arbeiten. Wenn er heimkommt, schaut er bei dir rein und gibt dir einen schmatzenden Kuss!“, tröstete Marianne Salamander ihre siebenjährige Tochter.

„Aber er hat es versprochen!“ Sabine schwankte zwischen Tränen und Empörung.

„Schatz, nicht traurig sein! Der Papa macht es wieder gut. Am Wochenende hat er frei, und dann ist er nur für dich da.“

„Hat wieder jemand nicht aufgepasst und einen Autounfall gebaut, und der Papa muss ihm das Leben retten?“, fragte das Kind ein wenig altklug.

Die Mutter nickte.

„Das ist gemein! Warum kann nicht jemand anders Leben retten, und der Papa kommt zu uns?“

„Das weiß ich auch nicht, Bienchen.“ Liebevoll deckte Marianne Salamander ihr Kind zu.

„Singst du für mich?“, bat die Kleine.

„Aber natürlich! Du bist mein größter und einziger Fan. Für dich singe ich immer!“ Marianne stimmte ein Schlaflied an. Ihre Altstimme klang wie Samt und hüllte das Mädchen in einen warmen Kokon ein. Das Lied wiegte es in den Schlaf.

Als ihre Tochter eingeschlafen war, blieb die Mutter noch lange an ihrem Bett sitzen und betrachtete sie zärtlich.

Warum machte Olaf nur alles falsch? Beim Gedanken an ihren Mann wurde sie traurig. Ihm entging so viel. Sabine wurde viel zu schnell groß und würde im Handumdrehen erwachsen sein.

***

Dr. Olaf Salamander arbeitete als Notarzt in der Berling-Klinik in München. Marianne wusste, dass er seine Zeit nicht unnütz verschwendete, sondern anderen Menschen in Not half, wenn er Sabine und sie einmal mehr enttäuschte. Sie wusste, dass er ein guter Mensch war und sich bemühte, in seinem Beruf Gutes zu tun. Ein Trost war das nicht.

Marianne war einsam. Sosehr sie sich gemeinsam mit ihrem Mann auch ein Kind gewünscht hatte, so war es doch nie ihre Absicht gewesen, dieses Kind alleine großzuziehen. Sie hatte von einem lebendigen Familienleben geträumt. Bei den Träumen war es bisher geblieben.

Olaf war einfach nie da. Er arbeitete in der Notaufnahme, übernahm Dienste mit dem Notarztwagen und nahm ständig an Fortbildungen teil, die meist nicht in München stattfanden. Selbst wenn er zu Hause war, zog es ihn magisch zu dem Stapel medizinischer Fachzeitschriften auf seinem Schreibtisch, der nie kleiner werden wollte.

Marianne arbeitete wieder halbtags in einer großen Kanzlei als Steuerberaterin, seitdem Sabine in den Kindergarten gegangen war – inzwischen ging sie schon zur Schule. Ganz ohne Beruf wäre ihr zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen. Auch sie schätzte berufliche Herausforderungen und wurde an die schwierigen Fälle gesetzt.

Ein Stück weit konnte sie ihren Mann daher durchaus verstehen. Dennoch fand sie nicht richtig, wie er seine Familie konsequent auf den zweiten Platz in seinem Leben verwies. In erster Linie war er Ehemann und Vater und erst in zweiter Linie Arzt – so sah sie das zumindest.

Nachdem sie die Küche fertig hatte, machte Marianne sich eine Flasche Rotwein auf und schenkte sich ein Glas ein. Sie machte kein Licht an, sondern saß im Dunkeln im Wohnzimmer und ließ ihre Gedanken schweifen.

War das ihr Leben? Wollte sie, dass es so weiterging? Alles in ihr lehnte sich gegen diese Vorstellung auf. Sie hatte nicht geheiratet und eine Familie gegründet, um letztendlich alleine zu sein. Ihr lag an einer liebevollen Beziehung zu ihrem Partner und an gelebten Gemeinsamkeiten.

Liebte sie Olaf? Die Frage traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich liebte sie ihn. Er war ihr Mann! Seit zehn Jahren waren sie zusammen, und es hatte vor ihm keinen Mann gegeben, der ihr auch nur annähernd so viel bedeutet hatte wie er. Und doch blieb die Frage in ihrem Sinn: Liebte sie ihn noch?

Um neunzehn Uhr hatte er an diesem Donnerstagabend zu Hause sein wollen, und nun ging es auf dreiundzwanzig Uhr zu. Er hatte angerufen und ihr gesagt, dass es später werden würde. Das tat er immer. Im Grunde gab es nichts, was sie ihm vorwerfen konnte, denn bei allem, was er tat, war er bedacht und auf seine Weise rücksichtsvoll. Selbstverständlich tat er es nicht aus egoistischen Motiven, sondern weil er ein guter Mensch war.

Eine grollende Wut stieg in ihr hoch. Nicht einmal böse durfte sie ihm sein, wenn er Tag für Tag seine Versprechen brach und nie da war, wenn sie ihn brauchte. Durfte man einem halben Heiligen, der sich für das Wohl der Menschheit derart ins Zeug legte, böse sein? Durfte man diesem Musterbild eines Retters Vorwürfe machen, wenn er vor Erschöpfung grau im Gesicht dann doch irgendwann aus der Klinik kam?

Marianne war es leid, sich permanent zurückzunehmen und Verständnis aufzubringen. Sabine und sie waren auch noch da, und auch sie wollten gerettet werden. Sie hatte keinen Heiligen geheiratet, sondern einen Mann, um mit ihm zu leben. Gab es für Olaf nur seinen Beruf und die Karriere, dann hätte er keine Familie gründen dürfen, fand sie.

Kurz nach Mitternacht hörte sie, wie sich sein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür drehte. Leise schlich er herein, um niemanden zu wecken – ganz der rücksichtsvolle Ehemann. Als er das Licht im Wohnzimmer anmachte und sie im Sessel entdeckte, fuhr er erschrocken zusammen.

„Um des lieben Himmels willen! Hast du mich erschreckt! Warum sitzt du denn im Dunkeln?“, fragte er erstaunt.

„Da denkt es sich besser, wenn die Gedanken düster sind. Olaf, so geht es nicht weiter!“

Er gähnte, und sie konnte sehen, wie müde und erledigt er war. Das gewohnte Mitgefühl, Fürsorge und Zuneigung bereiteten ihr ein schlechtes Gewissen. Er hatte einen langen Tag gehabt und gehörte ins Bett. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um Probleme zu wälzen, denn am anderen Morgen musste er wieder früh raus.

„Lass uns am Wochenende einmal in aller Ruhe reden, wenn du ausgeschlafen hast!“, ruderte sie zurück und stellte sich und ihre Bedürfnisse wie immer in die zweite Reihe.

„Marianne, es tut mir so leid!“

Die Miene kannte sie. Aus dem gemeinsamen Wochenende würde wieder nichts werden.

„Doktor Krämer ist krank geworden, und sie brauchen dringend jemanden für den Bereitschaftsdienst im Notarztwagen, und da konnte ich doch nicht Nein sagen. Das verstehst du doch? Nächstes Wochenende habe ich regulär Dienst, aber am Wochenende darauf, da habe ich dann frei und …“

Marianne hörte ihm nicht mehr zu. Sie stand auf und ging ins Badezimmer und dann ins Bett. Es hatte keinen Sinn. An alldem würde sich nie etwas ändern. Gegen die Rettung der Menschheit hatte sie als einsame Frau keine Chance.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er besorgt, als er sich neben sie legte.

„Mit mir ist alles in bester Ordnung, Olaf. Du dagegen solltest deine Prioritäten überdenken! Sabine hat heute Abend geweint, weil sie unbedingt auf dich und die versprochene Geschichte warten wollte.“

„Das mache ich wieder gut! Wir holen das nach!“, versprach er.

„Wir sind keine Kinder mehr, Olaf, und irgendwann begreift man im Leben, dass man nichts nachholen kann. Noch weint Sabine, wenn du fortbleibst. Irgendwann wird sie sich daran gewöhnt haben und dich nicht mehr vermissen – genau wie ich.“

„Marianne, sei nicht sauer! Es war eine Massenkarambolage auf der A8, und alle mussten mit anpacken. Drei Tote hat der Unfall gefordert. Da konnten wir nichts mehr tun. Schlimm! Warum fahren die Leute nicht vorsichtiger?“, berichtete Olaf noch ganz benommen von dem Leid, das er gesehen hatte.

„Wenn du darauf wartest, dass die Leute keine Unfälle mehr bauen und gesund bleiben, bis du dich an uns erinnerst, dann wird das nie sein“, unterbrach Marianne ihn spitz.

„Ich bin Arzt und …“

„Ja, du bist Arzt. Das ist es, was du zurzeit bist, Olaf, und ausschließlich das. Vater, Ehemann – das solltest du sein, aber du bist es nicht. Olaf, ich schaffe das nicht alleine. Ich kann unsere Familie nicht ohne dich zusammenhalten. Zu einer Beziehung gehören immer zwei und zu einer intakten Familie Vater und Mutter. Entweder du nimmst deinen Platz ein, oder …“ Sie sprach es nicht aus.

Das musste sie auch nicht, denn sie hörte ihren Mann leise schnarchen. Er war eingeschlafen. Marianne Salamander lag noch sehr lange wach, und ihre Gedanken drehten sich in einem Karussell, das nicht anhalten wollte, sosehr sie sich auch darum bemühte, ihm zu entkommen.

Sie war zutiefst unglücklich und wusste nicht, wie viel Zeit sie Olaf noch geben konnte, um zu erkennen, dass er etwas ändern musste, wenn er sie nicht verlieren wollte. Auf Dauer konnte und wollte sie so nicht weitermachen.

***

„Doktor Salamander, herzlichen Dank, dass Sie so kurzfristig eingesprungen sind!“, bedankte sich Dr. Stefan Holl, der Leiter der Berling-Klinik, bei seinem Kollegen. „Das nächste Mal überlegen Sie sich das bestimmt dreimal nach dem Hölleneinsatz heute.“

„Grippewelle und Wintereinbruch – Doktor Krämer ist ein Glückspilz. Einen besseren Zeitpunkt, um sich zu erkälten, hätte er nicht finden können. Trotzdem ein armer Wicht. Lieber arbeiten und gesund sein, als immerzu die Nase putzen und keine Luft bekommen“, antwortete Olaf und kämpfte vergeblich gegen das Gähnen an.

„Da haben Sie auch wieder recht. Wir brauchen unbedingt noch einen Notarzt, damit es nicht jedes Mal zu so einem Engpass kommt, wenn einer ausfällt. Die Stelle ist von der Verwaltung längst genehmigt, und ich muss nur noch einen passenden Bewerber finden. Leider ist das nicht so einfach, wie ich es mir wünschen würde.“

Die Ärzte standen in der Einfahrt der Rettungswagen und beobachteten müde, wie das nächste Team losfuhr. Es war Samstagabend Ende Januar, und das Notfallteam hatte seit dem frühen Morgen keine Pause gehabt. Der Winter war mit Macht über München und das umliegende Land hereingebrochen, und es wollte nicht mehr aufhören zu schneien. Die Räumfahrzeuge waren hoffnungslos überfordert, und auf den Straßen herrschte Chaos.

Eine Unfallmeldung jagte die andere, und für Olaf, der mit dem Notarztwagen vom Morgen an draußen unterwegs gewesen war, hatte das erste Problem schon darin bestanden, irgendwie an die Unfallstellen heranzukommen. Der Schnee fiel dicht und machte es den Rettern so schwer wie jedem anderen Autofahrer, ihr Ziel zu erreichen.

„Soll ich noch einmal rausfahren?“, bot Olaf dem Klinikleiter an, weil er wusste, dass es nach wie vor eng war und jede Hand gebraucht wurde.

„Nein! Sie gehen heute nur noch heim und genehmigen sich ein warmes Bad“, bestimmte Stefan Holl. „Heute Nacht und in den nächsten Tag soll das Schneetreiben weitergehen. Wir müssen alle Pausen machen. Alles andere hat keinen Sinn. Ich regle noch ein paar Dinge, dann versuche ich auch, irgendwie durchzukommen und zu meiner Familie zu fahren.“

Olaf nickte müde. Er war froh, keinen weiteren Einsatz überstehen zu müssen, denn ihm fielen vor Erschöpfung fast die Augen zu.

„Ich haue mich gleich hier in einem der Bereitschaftszimmer aufs Ohr. Bis ich durch dieses Chaos heimkomme, ist die Nacht rum“, meinte er und gähnte. „Dann bis morgen früh in alter Frische!“

„Das ist weise“, sagte Stefan Holl mit einem Blick auf die Uhr und überlegte, ob er es ihm nachmachen und in der Klinik bleiben sollte.

Es war nach zwanzig Uhr. Selbst wenn er es schaffte, zu seiner Frau und seinen vier Kindern heimzufahren, würde er vor Müdigkeit nur ins Bett fallen und nichts von ihnen haben. Das Risiko, sich bei diesem Wetter ins Auto zu setzen, war das eigentlich nicht wert.

„Besser wäre es wohl, wenn ich auch hier übernachte. Mal sehen, was Julia dazu meint. Ich hatte mich sehr auf dieses Wochenende mit meiner Familie gefreut. Meine zwei Großen, Marc und Dani, wollten eigentlich für den Rest der Familie kochen und die Küche übernehmen. Das haben sie uns zu Weihnachten geschenkt. Natürlich ohne festen Termin, und wir haben einmal zu oft gespöttelt. Dieses Wochenende wollten sie ernst machen.“ Er lächelte ein wenig traurig.

„Und jetzt wird ohne Sie geschlemmt?“, wollte Olaf wissen.

„Na, das wäre das Allerletzte!“ Dr. Holl grinste. „So leicht kommen mir die Zwillinge nicht davon, obwohl ich mir nicht so ganz sicher bin, ob ihre Kochkünste eine wahre Gaumenfreude sind. Wir haben es auf unbestimmte Zeit verschoben.“

„Ist Ihre Familie bei solchen Dingen immer so flexibel?“

„Anders geht es nicht bei unserem Beruf, oder? Ich meine, es gibt genug äußere Termine, an denen sich nichts ändern lässt. Wir verpassen auch so schon viel zu viel. Zum Glück konnte ich gestern Abend absehen, dass ich das Wochenende in der Klinik sein werde.“

„Unser Bienchen ist jetzt sieben“, sagte Olaf.

„Schon? Wie die Zeit vergeht!“, rief Dr. Holl. Seine Fachrichtung war die Gynäkologie, und er hatte Marianne Salamander während ihrer Schwangerschaft betreut und Sabine auf die Welt geholt.