Dragon Love - Feuer und Flamme für diesen Mann - Katie MacAlister - E-Book
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Dragon Love - Feuer und Flamme für diesen Mann E-Book

Katie MacAlister

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Beschreibung

Die junge Amerikanerin Aisling Grey reist im Auftrag ihres Onkels als Kurier nach Europa: Sie soll eine wertvolle Antiquität an eine reiche Sammlerin in Paris liefern. Doch zu ihrem Entsetzen findet sie die Frau tot in ihrer Wohnung vor. Die Umstände weisen auf Mord hin, und zwar auf einen nicht ganz alltäglichen - rund um die Leiche finden sich geheimnisvolle Symbole. Da taucht unvermutet ein gut aussehender Mann am Tatort auf, der sich als Interpol-Inspektor Drake Vireo vorstellt. Aisling ist fasziniert von seiner Ausstrahlung, doch sie muss schon bald erfahren, dass der Schein trügt. Denn Drake gehört zu einem uralten Geschlecht von Drachen, die menschliche Gestalt annehmen können ... Auftakt einer neuen Fantasy-Romance-Serie von Erfolgsautorin Katie MacAlister. "Katie McAlisters Romane sind irre witzig und super sexy." Booklist.

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Seitenzahl: 444

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KATIE MACALISTER

DRAGON LOVE

FEUER UND FLAMME FÜR DIESEN MANN

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Margarethe van Pée

1

„Esling.“

„Nein, Aisling.“

„Ashlee?“

„Aisling. Das ist Irisch.“

Der Mann an der Passkontrolle in Orly blickte mich über den Rand meines Passes misstrauisch an. „In Ihrem Pass steht aber, Sie sind Amerikanerin.“

Ich rang mir ein Lächeln ab, obwohl ich am liebsten vor Ärger laut geschrien hätte. „Das bin ich auch. Meine Mutter war Irin, und deshalb heiße ich Aisling.“

Stirnrunzelnd widmete er sich wieder meinem Pass. „A-sling.“

Ich versuchte, nicht zu offensichtlich zu seufzen. Ich war zwar brandneu im Kuriergeschäft, aber ich wusste instinktiv, dass Antoine, der Passbeamte, seine Befragung ausdehnen würde, wenn ich auch nur das leiseste Zeichen von Ungeduld erkennen ließ, weil er mich mit der Aussprache meines Namens nervte. Also lächelte ich noch eine Spur süßer, schluckte tapfer die Sorge hinunter, dass mit dem Job etwas schiefgehen könnte, und sagte ganz langsam: „Es wird Äsch-ling ausgesprochen.“

„Äsch-leen“, wiederholte Antoine und kniff konzentriert die Augen zusammen.

Ich nickte. Er war ganz nahe dran.

„Bon, sehen wir weiter“, sagte er und blätterte in meinem Pass. „Sie sind einsfünfundsiebzig groß, haben graue Augen, sind einunddreißig Jahre alt, unverheiratet und leben in Seattle im Staat Washington in Amerika. Das ist alles korrekt, ja?“

„Ja, schon, obwohl meine Augen eigentlich ein bisschen mehr haselnussbraun als grau sind, aber der Typ im Passamt wollte unbedingt ‚grau‘ schreiben. Haselnussbraun klingt viel exotischer, finden Sie nicht auch?“

Antoine zog die Augenbrauen hoch, überflog das Visum, das mich als Kurierin von Bell & Sons auswies, und wandte dann seine Aufmerksamkeit den Dokumenten für das Aquamanile zu.

Ich blickte mich rasch um, weil mir Onkel Damians Sicherheitsanweisungen durch den Kopf gingen: Du bist für deine persönliche Sicherheit selbst verantwortlich; sie liegt nicht in der Verantwortung der Polizei, der Regierung oder sonstiger Behörden – du bist selbst deine erste und letzte Sicherheitsvorkehrung. Sei wachsam und achte aufmerksam auf deine Umgebung. Du musst Selbstbewusstsein ausstrahlen. Tu niemals etwas, das auf dich als Beute aufmerksam machen könnte.

Leichter gesagt als getan, dachte ich, während ich die vielen Menschen betrachtete, die durch die Flughafenhallen strömten. Zum Glück achtete niemand auf mich und meinen Koffer. Ich atmete erleichtert auf und hob das Kinn, um selbstbewusst und überlegen auszusehen, auf jeden Fall nicht wie eine Kurierin mit einer sechshundert Jahre alten, kleinen goldenen Statue in Form eines Drachen, die wesentlich mehr wert war, als ich in den letzten zehn Jahren insgesamt verdient hatte.

Antoines Blick schweifte zu dem kleinen schwarzen Hartschalenkoffer aus Plastik, den ich fest mit der rechten Hand umklammert hielt. „Haben Sie das Inventaire detaillé?“

„Selbstverständlich.“ Ich reichte ihm die Blätter, auf denen das goldene Aquamanile auf Französisch bis ins Kleinste beschrieben war. Das Dokument war vom französischen Konsulat in San Francisco abgestempelt und enthielt sowohl ein Echtheitszertifikat als auch eine Kopie der Rechnung über den Verkauf an Mme Aurora Deauxville, französische Staatsbürgerin und wohnhaft in Paris.

Antoine tippte mit dem Finger auf das Dokument. „Was ist das … ein Aquamanile?“

Ich nahm den Koffer in die linke Hand und bog die Finger meiner rechten Hand, wobei ich sorgfältig darauf achtete, den Koffer zwischen mich und den Zolltisch zu halten, damit ihn niemand sah. „Ein Aquamanile ist eine Art Krug, zumeist aus Metall, ein Gefäß für die rituelle Handwaschung des Priesters oder einer anderen kirchlichen Person. Im Mittelalter wurde es sehr häufig benutzt.“

Antoine riss die Augen auf. „Sie haben ein religiöses Artefakt dabei?“

Ich lächelte ihn ein wenig schief an. „Nein, eigentlich nicht. Es heißt, dass Aquamaniles manchmal auch für … äh … dunkle Praktiken verwendet wurden.“

Er starrte mich an. „Dunkle Praktiken?“

Ich schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. „Dämonen“, erwiderte ich lakonisch. „Aquamaniles, so wie dieses hier, sollen angeblich von mächtigen Magiern benutzt worden sein, um Dämonenfürsten zu beschwören.“

Ich hatte geglaubt, er könnte seine Augen nicht weiter aufreißen, aber bei dem Wort Dämon traten sie ihm fast aus dem Kopf. „Dämonenfürsten?“, fragte er. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.

Ich nahm den Koffer wieder in die andere Hand und beugte mich vor. Leise Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit, als ich erwiderte: „Sie wissen schon, Satans Abgesandte. Die großen Tiere aus der Hölle. Die Dämonenfürsten eben. Jeder kann einen Dämon rufen, aber um einen Fürsten zu beschwören, braucht man schon besondere Kräfte.“

Antoine blinzelte verwirrt.

„Ja, ich weiß, ich halte es ja auch für ein bisschen daneben, aber Sie würden sich wundern, was die Leute so alles glauben. Trotzdem, es ist ein faszinierendes Thema. Ich habe alles Mögliche über Dämonen gelesen – nicht dass ich glaube, dass sie tatsächlich existieren – und herausgefunden, dass es sogar richtige Kulte um Dämonen und die Macht, die sie über Sterbliche haben, gibt. In San Francisco soll es zum Beispiel eine Gruppe geben, die versucht, einen Dämon in ein öffentliches Amt wählen zu lassen. Ha, ha, als ob das einer merken würde!“

Das Blinzeln hörte auf, und Antoine sah mich mit ausdrucksloser Miene an. Wahrscheinlich hatte mein kleiner Ausflug ins Land der Witze die anglo-französischen Grenzen überschritten. Ganz zu schweigen von den Minuten, die mit rasender Geschwindigkeit dahintickten. „Ja nun, ich gebe keine Garantie für die Nützlichkeit derartiger Gegenstände. Ich bin nur die Kurierin. Also, meinen Sie, ich könnte dann gehen? Ich soll dieses Aquamanile um fünf bei seiner Besitzerin abgeben, und es ist schon nach drei. Das ist mein erster Auftrag als Kurierin, wissen Sie, und mein Onkel – er ist mein Chef – hat mir gesagt, wenn ich es nicht pünktlich abliefere, dann wirft er mich raus, und da ein äußerst dummer Richter in Kalifornien mich dazu verdonnert hat, meinem Exmann Unterhalt zu zahlen, weil Alan, das ist mein Ex, ein fauler Hund ist, der lieber am Strand rumhängt und den Mädchen auf den operierten Busen glotzt, anstatt seinen Surfer-Arsch hochzukriegen und wie wir alle zu arbeiten, um Geld zu verdienen, ist es ziemlich wichtig, dass ich diesen Job behalte, und wenn ich ihn behalten will, muss ich das Aquamanile bei der Frau abliefern, die es von Onkel Damian gekauft hat.“

Antoine wirkte ein wenig erschöpft, als ich sanft gegen seine Hand klopfte, in der er meine Dokumente hielt. Er warf mir einen vernichtenden Blick zu und wies unbeirrt mit dem Kinn auf meinen Koffer. „Sie müssen ihn öffnen. Ich muss das Objekt in Augenschein nehmen und mich vergewissern, dass es mit den Fotos übereinstimmt.“

Ich unterdrückte einen weiteren Seufzer und kramte den Schlüssel aus meinem Brustbeutel, um den Koffer aufzuschließen. Antoine blieb der Mund vor Staunen offen stehen, als ich die schützende Schaumstoffhülle zurückschlug und das weiche Leinentuch enthüllte, das um das Aquamanile gewickelt war. „Sacre futur du bordel de Dieu!“

„Ja, ganz schön beeindruckend, was?“ Stolz blickte ich auf den Drachen. Er war ungefähr fünfzehn Zentimeter hoch und bestand hauptsächlich aus einem geringelten Schwanz, glänzenden Schuppen und blitzenden Smaragdaugen. Es war einer der seltenen Drachen ohne Flügel.

Antoine streckte die Hand aus, um den goldenen Drachen zu berühren, aber ich schlug hastig wieder das Tuch darüber. „Tut mir leid – Sie dürfen ihn anschauen, aber nicht berühren.“ Seine Nüstern blähten sich dramatisch, und ich sprach schnell weiter. „Noch nicht einmal die Typen an der Röntgenkontrolle durften ihn berühren. Wenn Sie mal einen Blick auf das Echtheitszertifikat werfen, dann sehen Sie auch, warum Sie es lieber lassen sollten.“

Er sah auf das Zertifikat und stieß einen leisen Fluch aus, bevor er seinen Stempel auf meinen Pass und die Dokumente des Drachen drückte. „Alles in Ordnung. Sie können gehen.“

Ich schloss den Koffer, sperrte ihn ab, steckte den Schlüssel wieder in den Beutel zurück und schenkte Antoine ein fröhliches Lächeln, während ich die Reisetasche mit meinen Kleidern wieder über die Schulter warf. „Danke.“

„Einen Moment …“, sagte er und hob die Hand. Ich hielt den Atem an. Hoffentlich fiel ihm nicht noch etwas ein, das mich von meiner Verabredung mit Madame Deauxville abhielt. Bei meinem Glück bestand er jetzt sicher noch auf einer Leibesvisitation.

Ich versuchte unschuldig und freundlich dreinzuschauen und auf keinen Fall wie jemand, der etwas in einer Körperöffnung in ein Land schmuggelt.

Antoine blickte sich rasch um, dann trat er dichter an mich heran und fragte leise: „Sie sind Expertin für Dämonen, glauben aber nicht daran?“

Ich schüttelte den Kopf. An einer philosophischen Unterhaltung hatte ich jetzt absolut kein Interesse. „Ich bin keine wirkliche Expertin – ich habe nur ein paar mittelalterliche Texte studiert.“

„Dämonen sind sehr böse.“

Ich zuckte mit den Schultern und ging einen Schritt zur Seite. „Eigentlich nicht. In den Texten stand, dass sie an sich ziemlich dumm sind. Ich glaube, die Leute fürchten sich nur vor ihnen, weil sie nicht wissen, wie sie sie in Schach halten sollen.“

Er beugte sich noch dichter zu mir. Der abgestandene Geruch von Zigarettenrauch streifte mich, und ich rümpfte die Nase. „Und Sie haben keine Angst vor ihnen?“

Ich schüttelte erneut den Kopf und wich noch einen Schritt weiter zurück.

Seine dunklen Augen leuchteten einen Moment lang tiefrot auf, wodurch er auf einmal viel unheimlicher wirkte als ein einfacher Zollbeamter. „Das sollten Sie aber“, sagte er. Dann wandte er sich ab und winkte den Nächsten aus der Warteschlange an seinen Tisch.

„Puh, es gibt wohl überall auf der Welt komische Typen“, murmelte ich vor mich hin, während ich mich durch die Menge zum Ausgang drängte. Meinen Koffer hielt ich dabei mit beiden Händen umklammert. Ich konnte es mir zwar leisten, meine Kleider und meine persönlichen Gegenstände zu verlieren, aber dieser Job war meine Chance – meine einzigeChance zu überleben, da das Unternehmen, für das ich gearbeitet hatte, pleitegegangen war. Wenn ich den Auftrag vermasselte, würde ich wieder arbeitslos sein. Da ich kein Arbeitslosengeld bekam und einen Strandheini am Bein hatte, musste ich arbeiten, damit mir auch noch was zum Leben übrig blieb, während ich Alan den Riesenbatzen Geld in den Rachen warf, den das Gericht für angemessen gehalten hatte.

Männer!

Es dauerte fünfzehn Minuten, bis ich die Schilder verstanden und herausgefunden hatte, wo sich die Taxis befanden. Beth, Onkel Damians Sekretärin, hatte behauptet, in Orly seien die Beschilderungen auch in englischer Sprache, aber sie hatte gelogen – sie waren nicht nur nicht auf Englisch, sondern was daraufstand, passte auch überhaupt nicht zu den praktischen kleinen Sätzen in dem Buch French for Francophobes, das ich mir gekauft hatte, um die nächsten anderthalb Tage zu überstehen.

„Äh …bonjour“, sagte ich zu einem gelangweilt aussehenden Taxifahrer, der an seinem Auto lehnte und sich in den Zähnen herumstocherte. „Parlez-vous anglais?“

„Non“, erwiderte er, ohne den Zahnstocher herauszunehmen.

„Oh. Hm. Wissen Sie zufällig, ob einer der anderen Taxifahrer parlez anglais? Wissen vous, ob le Taxifahrer parlez anglais?“

Er warf mir einen Blick zu, der mir die Schamesröte ins Gesicht hätte treiben müssen, aber ich hatte keine Lust, mich zu schämen, weil ich nach Frankreich gefahren war, ohne ein einziges Wort Französisch zu sprechen, abgesehen von dem, was ich in meinem Reiseführer fand. Ich hatte einen Job zu erledigen – ich wollte ihn nur schnell hinter mich bringen.

„Hören Sie, ich tue mein Bestes, okay? Ich möchte in die Rue … Oh, warten Sie mal – lassen Sie mich mal nachschauen …“ Mit einem Arm drückte ich den schwarzen Koffer an die Brust, während ich in meiner Tasche nach dem Reiseführer kramte. „Je veux aller à la Rue Sang des Innocents.“

Der Taxifahrer hörte auf, in seinen Zähnen herumzustochern, und verzog das Gesicht. „Das ist das schlechteste Französisch, das ich je gehört habe, und ich habe schon viel schlechtes Französisch gehört.“

„Sie sprechen ja dochEnglisch“, sagte ich empört und schlug den Reiseführer zu. „Ich kann nichts dafür, wenn ich etwas Falsches gesagt habe. So steht es im Buch.“

„Es war nicht falsch, aber Ihr Akzent …“ Er schauderte, dann verbeugte er sich schwungvoll und öffnete die Wagentür. „Nun gut, ich werde Sie in die Rue Sang des Innocents bringen, aber es wird Sie einiges kosten.“

„Wie viel?“, fragte ich und nahm auf dem Rücksitz Platz. Meinen Koffer hielt ich fest umklammert.

Onkel Damian hatte mir zwar Euro mitgegeben, aber ich wusste, dass sie gerade reichten, um die Hotelrechnung für die Nacht, zwei Mahlzeiten und kleinere Ausgaben wie Taxifahrten zu bestreiten.

Der Taxifahrer warf meine Reisetasche auf die andere Seite des Rücksitzes und setzte sich ans Steuer. „Die Fahrt kostet Sie sechsunddreißig Euro, aber die Fahrt mit mir kostet Sie mehr.“

„Was?“

Er lächelte mich im Rückspiegel an. „Bis wir in der Rue Sang des Innocents ankommen, können Sie drei Sätze auf Französisch sagen. Mit den drei Sätzen kommen Sie in Paris überall durch.“

Ich war einverstanden, und da mir noch Zeit blieb bis zu meinem Termin mit Madame Deauxville, ließ ich ihn warten, während ich rasch in das Hotel ging, in dem Beth mir ein Zimmer reserviert hatte. Ich checkte ein, warf meine Tasche aufs Bett, fuhr mir in Windeseile mit dem Kamm durchs Haar, sodass ich weniger wie eine Verrückte und eher wie eine Kurierin aussah, und stürmte wieder nach unten, wo René und sein Taxi auf mich warteten.

Um fünf vor fünf hielt das Taxi vor einem sechsstöckigen, mattweißen Gebäude mit hohen Tür- und Fensterbögen, vor denen sich ziselierte schwarze Metallgitter befanden.

„Unglaublich!“, hauchte ich und beugte mich aus dem Seitenfenster, um das Haus zu betrachten. „Was für ein tolles Gebäude. Es sieht so … so französisch aus!“

René griff durch sein Fenster nach hinten und öffnete mir die Tür. Ich nahm meine Sachen, stieg aus und stand auf altem Kopfsteinpflaster. Mir stand immer noch der Mund offen, als ich zu dem Haus emporblickte.

„Hier stehen nur herrschaftliche Häuser. Es ist eine sehr vornehme Gegend. Die Île Saint-Louis ist nur sechs Häuserreihen lang und zwei breit. Und jetzt geben Sie mir genau sechsunddreißig Euro und sagen mir bitte noch einmal die Sätze, die ich Ihnen beigebracht habe.“

Ich riss meinen Blick von dem Haus los und reichte René lächelnd seinen Lohn. „Wenn jemand mich ärgert, sage ich: Voulez-vous cesser de me cracher dessus pendant que vous parlez.“

„Hören Sie auf, mich beim Reden anzuspucken“, übersetzte René und nickte.

„Und wenn ich bei irgendetwas Hilfe brauche, sage ich: J’ai une grenouille dans mon bidet.“

„Ich habe einen Frosch im Bidet. Ja, sehr gut. Und der letzte?“

„Den letzten Satz sollte ich mir für jeden Typen aufheben, der mich anmacht, wenn ich es nicht will: Tu as une tête àfaire sauter les plaques des égouts.“

„Du hast ein Gesicht, mit dem man Kanaldeckel sprengen könnte. Oui, très bon. Das müsste eigentlich reichen. Und für Ihr Treffen mit der wichtigen Dame: bonne chance!“

„Danke, René. Ich weiß die Lektion sehr zu schätzen. Man sollte schließlich jederzeit in der Lage sein, jemandem zu sagen, dass sich eine Amphibie im Bidet befindet.“

„Einen Moment, ich habe noch etwas für Sie.“ Er kramte in einer kleinen braunen Tasche und zog eine zerknitterte Visitenkarte heraus, die er mir mit großartiger Geste, als handele es sich um ein wertvolles Objekt, überreichte. „Sie können mich als Fahrer mieten. Sie bezahlen mich, und ich fahre Sie durch Paris und zeige Ihnen alles, was Sie sehen müssen. Sie können mich jederzeit auf dem Handy erreichen.“

„Danke. Ich werde leider keine Zeit zum Besichtigen haben, aber wenn ich jemals einen Fahrer brauchen sollte, rufe ich natürlich Sie an.“ Ich salutierte mit der Karte und steckte sie in meine Brieftasche.

Freundlich winkend fuhr er in einer schwarzen Auspuffgaswolke davon. Ich wandte mich wieder dem eindrucksvollen Gebäude zu und straffte die Schultern. Nachdem ich mich mit einem raschen Blick vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, trat ich zur Tür, um auf den Klingelknopf zu drücken, unter dem „Deauxville“ stand.

„Ich bin selbstbewusst“, murmelte ich vor mich hin. „Ich bin ein Profi. Ich weiß genau, was ich tue. Ich habe überhaupt keine Angst, weil ich mich in einem fremden Land befinde, in dem ich mich lediglich über Frösche beschweren und Leute beleidigen kann. Ich bin ganz ruhig und konzentriert. Ich bin … Da macht ja keiner auf.“

Ich läutete erneut. Nichts passierte. Ein rascher Blick auf meine Armbanduhr bestätigte mir, dass ich zwei Minuten zu früh war. Aber Madame Deauxville war doch bestimmt zu Hause.

Ich läutete noch einmal, dieses Mal länger und nachdrücklicher. Ich legte auch das Ohr an die Tür, konnte aber nichts hören. Ein Blick auf die Fenster zeigte mir auch, warum – die Wände des Hauses waren mindestens einen Meter dick.

„Verdammt“, fluchte ich und trat einen Schritt zurück, damit ich hinaufsehen konnte. Onkel Damian hatte mir gesagt, Madame Deauxville wohne im ersten Stock. Die roten und beigefarbenen Vorhänge, die durch das geöffnete Fenster sichtbar waren, bewegten sich überhaupt nicht. Nichts bewegte sich im ersten Stock … und in den anderen Stockwerken auch nicht. Da es ein schöner Juninachmittag war, hatte ich eigentlich erwartet, dass die Leute jetzt nach Hause kommen, ihre Abendeinkäufe erledigen, durch die Straßen und an der Seine entlangschlendern würden und so weiter, aber hier war es völlig still.

Ich blickte die Straße hinunter, und so langsam richteten sich die Härchen in meinem Nacken auf. Die Straße war ebenfalls ganz still. Keine Menschen, keine Autos, keine Vögel … nichts. Noch nicht einmal eine Blüte wippte in der leichten Brise, die vom Fluss her kam. Die Straße gegenüber war die Rue Saint-Louis en l’Île, eine belebte Straße mit Geschäften und Restaurants. René hatte zehn Minuten für zwei Straßen gebraucht, weil es von Autos und Menschen nur so gewimmelt hatte, aber hier klang der Lärm auf einmal seltsam gefiltert, als ob die gesamte Rue Sang des Innocents in Baumwolle gehüllt und mitten in der Stadt eine Oase der Stille entstanden wäre.

„Das hier unheimlich zu finden wäre noch untertrieben“, sagte ich laut, um wenigstens meine Stimme zu hören. Ich packte meinen Koffer fester und läutete erneut bei Madame Deauxville. Ich bekam Gänsehaut, als ich feststellte, dass die Haustür gar nicht richtig verschlossen war.

„Anscheinend hat jemand heute früh das Haus hastig verlassen“, sagte ich zu der Tür, um die Angstschauer zu vertreiben, die mir die stille Straße einjagte. „Und um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen, hat er die Tür nicht richtig zugemacht. Mehr nicht. Es ist doch nicht schlimm, wenn eine Tür nicht ganz zu ist. Und es ist auch nichts Unheimliches an einer Straße … ach, Quatsch. Hallo?“ Ich stieß die Tür auf und machte einen Schritt vorwärts in eine kleine Eingangshalle, die sich zu einem dunklen Gang verengte, von dem aus eine Treppe an brauner Holztäfelung entlang nach oben führte. „Ist hier jemand? Ich möchte zu Madame Deauxville. Halllooo?“

Fast erwartete ich das Echo meiner Stimme zu hören, aber seltsamerweise klangen meine Worte gedämpft, als ob die Wände sie verschluckten und mit dem gleichen merkwürdigen Effekt aufsaugten, der die Straße draußen so still wie ein Grab machte.

„Mir fällt mal wieder nichts anderes als ein Grab ein“, grummelte ich vor mich hin, während ich sorgfältig die Tür hinter mir schloss und begann, die Treppe zum ersten Stock hinaufzusteigen. „Manchmal zahlt es sich absolut nicht aus, viel Fantasie zu haben.“

Von dem schmalen Flur im ersten Stock gingen zwei Türen ab. Eine davon trug ein silbernes Schild mit dem Schriftzug „Deauxville“, der so verschnörkelt und verziert war, dass er sehr edel wirkte. Die andere Tür war wahrscheinlich ein zweiter Eingang zu der Wohnung. Den Koffer fest an die Brust gedrückt, trat ich vor die Haupttür und hob die Hand, um zu klopfen. Gerade als meine Knöchel die polierte Eiche der Tür berühren wollten, überkam mich eine Welle von Furcht und Vorahnung, ein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Empfindung war so stark, dass ich rückwärts an das Wandpaneel des Ganges zurückwich. Ich umklammerte den Koffer und rang nach Luft. Ein Gefühl der Angst und des Unbehagens hatte schon in dem Moment eingesetzt, als René davongefahren war, und sich in der Zwischenzeit noch verstärkt. Ich hatte Gänsehaut auf den Armen bekommen, und eine warnende Stimme in meinem Kopf hatte gerufen, ich solle sofort das Gebäude verlassen.

In der Wohnung war etwas Schreckliches geschehen. Etwas … Unnatürliches.

„Jetzt stell dich nicht so an“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zwang mich, auf die Tür zuzugehen. „Hier gibt es nur eine exzentrische Sammlerin, nichts Böses. Nichts, wovor du Angst haben müsstest. Du bist ein Profi. Du schaffst das.“

Ich hatte die Tür noch nicht richtig berührt, da schwang sie schon auf.

Wie erstarrt stand ich auf der Schwelle, und es lief mir kalt den Rücken hinunter, als ich durch die kleine Diele in ein Zimmer blickte, das wahrscheinlich der Wohnraum war. Winzige Staubflocken tanzten träge in der Nachmittagssonne, die durch die hohen Bogenfenster drang und den dunkelroten Teppich zum Leuchten brachte. Ein Strauß frischer Blumen stand auf einem antiken Tisch zwischen zwei Fenstern. Ich konnte ihren köstlichen Duft sogar von der Tür aus riechen. Die Decken waren hoch, in gebrochenem Weiß, und die Wände so blau wie die Eier des Zaunkönigs, mit Stuck in den Ecken. An einer Wand stand ein auf Hochglanz polierter ehrwürdiger alter Schreibtisch mit einem dazu passenden rot gepolsterten Sessel, der zurückgeschoben war, als habe sich gerade jemand daraus erhoben.

Alles war wundervoll, schön und kostbar, genauso, wie man es in der Wohnung einer reichen Frau, die in einer exklusiven Gegend von Paris lebt, erwartete.

Alles, bis auf die Leiche. An einem Kronleuchter hing die Leiche einer Frau, aufgeknüpft an ihren auf dem Rücken gefesselten Händen. Der Körper schaukelte leicht hin und her, über einem schwarzen Kreis aus Asche, der auf dem hübschen dunkelroten Teppich gezogen worden war, ein Kreis mit zwölf Symbolen. Die tote Frau war Madame Deauxville, daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel.

„J’ai une grenouille dans mon bidet“, sagte ich, wobei ich mir glühend wünschte, dass Frösche mein größtes Problem wären.

2

Ich hoffe, ich bekomme ordentlich Bonuspunkte, weil ich nicht schreiend aus dem Haus gerast bin, als mein Blick auf die tote Frau fiel, deretwegen ich um die halbe Welt geflogen war. Wer auch immer für das Karma zuständig ist, belohnt mich hoffentlich dafür, dass ich nicht Fersengeld gegeben habe, solange ich noch die Möglichkeit dazu hatte, denn Madame Deauxvilles Wohnung zu betreten, obwohl ihre Leiche sanft in der warmen Nachmittagssonne hin und her schaukelte, hat mich so viel Kraft gekostet wie nichts sonst in meinem Leben.

Okay, ich gebe es zu, ich habe leise vor mich hingewimmert, und ich habe die Tür angelehnt gelassen, weil etwas in meinem Hinterkopf darauf bestand, einen Fluchtweg offen zu lassen, falls die Tote auf einmal wieder lebendig würde und mich packen wollte (in bester Horrorfilm-Manier), aber das Wimmern war nur leise, und als ich merkte, dass es aus meinem eigenen Mund kam, hörte ich sofort auf.

„Reiß dich zusammen“, sagte ich streng zu mir. Der Klang meiner Stimme in der stillen Wohnung ließ mich zusammenzucken. „Wenn sie tatsächlich tot ist, kann sie dir nichts tun. Oh, Mist, wenn sie tot ist … du liebes bisschen. Am besten, ich prüfe das mal nach.“

Mir kam es so vor, als ob ich für die sieben Schritte, die nötig waren, um die kleine Diele zu durchqueren, Stunden brauchte. Ich trat um den Aschekreis herum, um ihn nicht zu zerstören und auch, um den Körper nicht anfassen zu müssen. Die Frau konnte doch nicht mehr am Leben sein, wenn sie so aufgeknüpft worden war, nicht wahr? Und es war doch auch sicher ein Zeichen für ihren Tod, dass sie sich so gar nicht bewegte. Ich brauchte bestimmt gar nicht nachzuprüfen, ob sie wirklich tot war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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