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Ich bin nicht der richtige Partner für ihn, obwohl alle unsere Freunde und sogar seine Eltern etwas anderes behaupten. Mir ist unbegreiflich, wie sie darauf kommen, denn ich bin ein grobschlächtiger Russe ohne Manieren und er ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Außerdem ist er sanft, höflich, ein guter Mensch. Weibisch, hat sein Ex-Freund ihn immer abfällig genannt, bevor er ihn grün und blau schlug. Was für ein Mistkerl. Danny ist nicht weibisch. Er ist feminin. Und es passt perfekt zu ihm. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich bin ein Türsteher, ein Schläger, ein ungebildeter Dummkopf. Was sollte jemand wie Danny mit einem Mann wie mir schon anfangen?
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Mathilda Grace
EIN AUGENBLICK VON LIEBE
Ein Augenblick von Liebe
1. Auflage, August 2021
Impressum
© 2021 Mathilda Grace
Am Chursbusch 12, 44879 Bochum
Text: Mathilda Grace 2019
Foto: AquilaSol; Pixabay
Coverdesign: Mathilda Grace
Korrektorat: Corina Ponta
Web: www.mathilda-grace.de
Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.
Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.
Ein Augenblick von Liebe enthält homoerotische Handlungen.
Danksagung
Mein Dank geht an Frau Mag. rer. nat. Corina Ponta, die mir in allen Fragen rund um die Themen Misshandlung und Traumabewältigung mit ihrer fachlichen Kompetenz beratend zur Seite stand.
Sidestory zu »Blind für die Wahrheit«
- Drama -
Liebe Leserin, Lieber Leser,
ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.
Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.
Dankeschön.
Liebe Grüße
Mathilda Grace
Ich bin nicht der richtige Partner für ihn, obwohl alle unsere Freunde und sogar seine Eltern etwas anderes behaupten. Mir ist unbegreiflich, wie sie darauf kommen, denn ich bin ein grobschlächtiger Russe ohne Manieren und er ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Außerdem ist er sanft, höflich, ein guter Mensch. Weibisch, hat sein Ex-Freund ihn immer abfällig genannt, bevor er ihn grün und blau schlug. Was für ein Mistkerl. Danny ist nicht weibisch. Er ist feminin. Und es passt perfekt zu ihm. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich bin ein Türsteher, ein Schläger, ein ungebildeter Dummkopf. Was sollte jemand wie Danny mit einem Mann wie mir schon anfangen?
Prolog 1
Danny
Frühjahr 2016
»Kannst du dich nicht wenigstens ein einziges Mal wie ein richtiger Mann benehmen, wenn wir mit meinen Freunden in der Stadt unterwegs sind?«
Mein Kopf fliegt zur Seite, als seine Faust hart auf meinen Wangenknochen prallt, und im ersten Augenblick bin ich nicht sicher, ob ich mir das Knacken in meiner Nase nur eingebildet habe, weil plötzlich Millionen von Sternen vor meinen Augen tanzen, aber dann trifft seine Faust erneut und dieses Mal weiß ich, dass er mir irgendetwas gebrochen hat.
Genauso wie mir plötzlich klar wird, dass ich gehen muss, weil er mich sonst totschlägt.
In all den Jahren hat er niemals in mein Gesicht geschlagen. Nicht einmal. Er hat mich getreten, gepackt, mir einige Rippen gebrochen, mich einmal fast vergewaltigt und ein paar Mal hat er mir Haare ausgerissen, als er mich am Kopf gepackt hat.
Aber er hat niemals zuvor einfach seine Faust geballt und zugeschlagen.
Bis heute. Bis jetzt.
Und das nur, weil ich vorhin mit seinen Freunden gelacht und Brandon dabei eine Hand auf die Schulter gelegt habe, so wie ich es im 'Black Shine' ständig mache, denn dort kümmert es niemanden und keiner nennt mich deswegen weibisch. Was ist an dieser Geste überhaupt weibisch? Ich weiß es nicht, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ausgerechnet darüber nachzudenken. Jetzt geht es nur darum, am Leben zu bleiben, damit ich hinterher gehen kann.
Wenn ich bleibe, tötet er mich.
Obwohl er sich morgen garantiert wortreich entschuldigen und mir versprechen würde, dass es nie wieder vorkommt.
Ich habe ihm geglaubt.
Immer.
Selbst als Connor mich mit Alan in der Stadt sah und sofort erkannte, was zwischen uns läuft.
Selbst als Darren mir seine Hilfe anbot.
Selbst als Adrian mir zuflüsterte, dass ich jederzeit anrufen kann, wenn ich jemanden zum Reden brauche.
Selbst als Nikos Blicke immer besorgter wurden, nachdem er, weil ich Idiot nicht aufgepasst hatte, die blauen Flecken auf meinem Unterarm gesehen hat.
Ich habe ihnen gesagt, dass sie falsch liegen.
Ich habe ihnen gesagt, dass Alan kein böser Mensch ist und dass sie sich irren.
Tja, es sieht momentan ganz so aus, als wäre ich derjenige, der sich geirrt hat und der sich über unzählige Jahre hinweg in die eigene Tasche gelogen hat, wie man immer so schön sagt. Und das nur, damit ich mir nicht eingestehen muss, dass ich misshandelt werde und, was das Schlimmste daran ist, es auch noch zulasse.
Sein nächster Schlag trifft meinen Magen und er tut so weh, dass ich stöhnend zu Boden gehe.
Doch nicht mal das hält ihn heute auf.
Oh Gott, er bringt mich um.
Blut läuft aus meiner Nase und aus meinem Mund auf den Dielenboden, den er selbst verlegt hat und auf den er so stolz ist. Doch heute scheint ihm egal zu sein, ob ich ihn mit meinem Blut dreckig mache, denn selbst als ich mich so gut ich kann zusammenkrümme, damit er in seiner Wut nicht aus Versehen ein Organ verletzt, schlägt und tritt Alan weiter zu, bis ihm am Ende die Luft ausgeht.
»Du bist so weibisch. Ich verstehe gar nicht, wieso ich mich überhaupt noch mit dir abgebe«, murrt er, spuckt auf mich und wendet sich mit einem angewiderten Geräusch ab. »Mach hier gefälligst wieder sauber. Ich gehe ein Bier trinken. Wehe, wenn ich auch nur einen Tropfen Blut auf dem Boden finde, sobald ich nach Hause komme.«
Die Tür fällt mit einem Knall hinter ihm zu und ich brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich wieder ausreichend atmen kann, dass ich es schaffe mich aufzusetzen.
Mir ist schlecht und alles dreht sich, deshalb kneife ich die Augen zu, in der Hoffnung, dass es hilft. Tut es auch. Es reicht nur nicht um aufzustehen, weshalb ich am Ende jeden Rest an Stolz hinter mir lasse und durch den Flur krieche, bis ich meine Jacke erreiche, die er mir nach unserem Eintreffen vorhin aus der Hand gerissen und rabiat zur Seite geschleudert hat, bevor er zuschlug.
Meine Hände zittern mittlerweile so sehr, dass ich mehrere Versuche brauche, bis ich endlich mein Handy und danach den Wagenschlüssel an mich nehmen kann. Ich weiß, dass ich nicht fahren sollte, aber bis ein Taxi hier ist, ist er vielleicht zurück und das kann ich nicht riskieren.
Nicht, wenn ich überleben will, und das will ich.
Unbedingt.
Darum muss ich jetzt aufstehen und das Haus verlassen.
Es dauert unglaublich lange, diesen simplen Satz in die Tat umzusetzen, aber am Ende schaffe ich es, obwohl ich dabei den Flur, die Einfahrt, mich selbst und auch den kleinen Käfer vollblute, den ich mir vor langer Zeit von meinem ersten selbst verdienten Geld gekauft habe. Er ist kanariengelb und aus dem Grund liebe ich ihn abgöttisch. Nicht mal Alan hat mich in all den Jahren dazu überreden können, ihn zu verkaufen und mir ein besseres Auto anzuschaffen.
Wie lange ich unterwegs bin, weiß ich nicht, aber ich muss dreimal rechts ranfahren und mir Tränen und Blut mit dem Shirt und schlussendlich, als das nichts mehr aufnehmen kann, mit der Hand wegwischen, weil die Sicht vor meinen Augen so stark verschwimmt, dass ich die Straße vor mir nur noch mit Mühe erkennen kann. Als ich langsam anfange, nicht mehr daran zu glauben, sein Haus zu finden, taucht es plötzlich vor mir auf. Es ist ein altes, zweistöckiges Gebäude und das Beste daran ist, es steht auf einem großen Grundstück, umgeben von einem zwei Meter hohen Zaun und man kommt ohne nötigen Zugangscode nicht durch das zweiflüglige Eisentor, das oben spitze Zinken hat und damit hoffentlich Alan aufhält, falls er beschließt, mich zu suchen.
Ich stöhne schmerzerfüllt, weil es wehtut, meinen Arm aus dem Fenster zu strecken und den Rufknopf der Sprechanlage zu drücken, in der Hoffnung, dass er heute Nacht zu Hause ist, denn ich weiß nicht, zu wem ich sonst gehen soll.
Meine Eltern? Auf gar keinen Fall.
Darren und Adrian? Kommt nicht infrage.
Connor? Damit er sagen kann, dass er von Anfang an recht hatte? Nicht, dass er das jemals tun würde, aber trotzdem.
Niko? Eher springe ich von einer Brücke.
Es bleibt nur er übrig, denn wenn ich jetzt Ben oder einen von den anderen Jungs im Club belästige, weiß morgen jeder Bescheid und das will ich nicht. Jedenfalls noch nicht.
Im Moment ist er der Einzige, der mich nicht mit Mitleid überschütten wird, und genau das brauche ich jetzt.
»Was ist?«, kommt knurrig aus dem Lautsprecher.
Gott sei Dank, er ist zu Hause. »Ich bin´s, Danny.«
Schweigen. Was mich nicht wundert, so ist er eben.
»Wenn du mich nicht reinlässt, Maxwell, wird mein Freund mich bis morgen früh totschlagen.«
Prolog 2
Niko
Irgendetwas stimmt nicht.
Darren behauptet zwar, es wäre nichts, aber ich weiß, wann er lügt und dass Danny seit zwei Wochen krankgeschrieben ist, sich aber nicht einmal im Club hat blicken lassen, ist nicht nur mir bereits aufgefallen.
Er war schon ein paar Mal krank, aber selbst damals, wo er diese fürchterliche Erkältung hatte und fast drei Wochen lang den Verbrauch von Taschentüchern in unserer wunderschönen Stadt in schwindelerregende Höhen getrieben hat, kam er alle paar Tage im 'Black Shine' vorbei, um nachzusehen, was wir so treiben, weil ihm zu Hause langweilig war.
Doch dieses Mal kommt absolut nichts von ihm, nicht mal eine Nachricht über WhatsApp. Noch dazu telefoniert Darren in letzter Zeit entschieden zu oft und meistens auch noch mit vorgehaltener Hand mit Maxwell, der ebenfalls schon seit zwei Wochen nicht mehr hier war.
Da kann man ja nur misstrauisch werden, und als sich an die zweite Woche dann eine dritte reiht, ohne dass sich etwas geändert hätte, wird es mir zu bunt.
Ich will endlich wissen, was mit Danny los ist, und darum fange ich Darren am Abend kurzerhand in seinem Büro ab. Er versteckt sich hinter einem Berg an Papieren, wie so oft, wovon ich mich aber nicht aufhalten lassen werde. Der hübsche Mann auf seinem Schoß könnte das schon eher schaffen und da beide sich gerade weltvergessen küssen, brauche ich wahrscheinlich eine Bombe, damit sie auf mich aufmerksam werden.
Eine Weile sehe ich ihnen schmunzelnd zu, aber als Adrian droht, sein körperbetontes Shirt zu verlieren, räuspere ich mich schließlich. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, ihnen länger zuzusehen, immerhin macht Connor das auch ganz gerne, aber ich mache mir wirklich Sorgen um Danny und die gehen nicht davon weg, meinem besten Freund und meinem Boss beim Sex zuzusehen.
Dieses Privileg gehört Connor.
Ausschließlich Connor, soweit ich weiß, auch wenn Adrian in den letzten Jahren recht offen geworden ist, was Sex angeht. Kein Wunder, bei einem Ehemann wie Darren, der ihm absolut jeden Wunsch erfüllt.
Die beiden sind wirklich ein Traumpaar und mich hat nicht eine Sekunde lang überrascht, dass Darren um Adrians Hand angehalten hat, nachdem die Stadt Chicago vor ein paar Jahren gleichgeschlechtliche Partnerschaften erlaubt hatte. Heute sind sie offiziell mit Urkunde, je einem Ring am Finger und allem Pipapo, der zu einer Ehe so dazugehört, verheiratet. Darren hat Adrian zur Hochzeit sogar eine Hälfte des Clubs geschenkt – und damit prompt ihren allerersten Ehekrach ausgelöst –, und Adrians Werbefirma platzt aus allen Nähten, seit er letztes Jahr den lukrativen Werbeauftrag für die Chicago Pride Parade an Land gezogen hat.
Traumpaar, wie schon gesagt, und besagtes Paar sieht mich jetzt unwirsch an, weil ich sie gestört habe, was mich allerdings grinsen lässt. »Soll ich in fünf Minuten noch mal reinkommen? Bis dahin hast du Adrian bestimmt nackig gemacht.«
»Niko!«, empören sich beide und Darren schnaubt, weil ich mich kurzerhand mit dem Rücken gegen die Tür lehne, anstatt ein braver Mitarbeiter zu sein und zu gehen, woraufhin Adrian kopfschüttelnd, aber zugleich glucksend, von Darrens Schoß klettert, sein verrutschtes T-Shirt gerade zieht und mir kurz darauf einen feuchten Schmatzer aufdrückt, ehe er sich, Darren dabei einen Handkuss zuwerfend, an mir vorbei aus dem Büro drängelt.
»Mein Kerl«, grollt Darren und sieht ziemlich zufrieden mit sich selbst aus, als er sich auf seinem Stuhl zurücklehnt. »Und da du mich nun schon darum gebracht hast, grandiosen Sex in meinem Büro zu haben, kannst du mir genauso gut sagen, was du willst, bevor ich dich rauswerfe.«
Eine haltlose Drohung, was wir auch beide wissen, darum lasse ich mich höflich lächelnd vor seinem Schreibtisch in einen Stuhl sinken, schlage die Beine übereinander, die heute in einer schlichten, schwarzen Jeans stecken, und lege meine Hände in einer ebenso höflichen Geste auf meinem Oberschenkel ab. Ich lasse mir dabei so viel Zeit, bis Darren schließlich misstrauisch und irritiert zugleich die Stirn runzelt, und genau auf diesen Moment habe ich gewartet.
»Wo ist Danny?« Darren zuckt heftig zusammen und verrät sich damit, ich lasse jedoch nicht zu, dass er sich in eine neue Ausrede flüchtet. »Versuch es gar nicht erst. Sag mir endlich die Wahrheit, Darren, sonst fahre ich zu Maxwell und finde es selbst heraus.«
»Woher weißt du, dass Maxwell involviert ist?«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Ich mache diesen Job schon einige Jahre und ich weiß, wann du lügst.«
Darren seufzt und grinst anschließend schief. »Du hast eine Woche länger durchgehalten, als ich gedacht habe. Was heißt, ich schulde meinem Ehemann einhundert Dollar.«
Warum wundert mich das nicht mal? »Darren ...«
Er nickt, wird wieder ernst. »Du hast recht, Danny ist seit zwei Wochen bei Maxwell, wo er sich von seiner gebrochenen Nase, zwei angeknacksten Rippen und unzähligen Prellungen erholt, die ihm sein Freund verpasst hat.« Als ich erbost nach Luft schnappe, hebt Darren die Hand. »Schluck es runter, denn glaub mir, ich habe nicht anders reagiert. Maxwell lässt ihn bei sich wohnen, da Danny erstens nicht weiß, wo er hin soll, und zweitens in Maxwells Haus sicher ist. Ich suche im Augenblick eine bezahlbare Wohnung für ihn, denn, und das ist das Gute an allem, er hat seinen Freund endlich verlassen. Nicht, dass er ihn anzeigen will, aber Connor hat die Hoffnung, dass Danny seine Meinung dazu irgendwann ändert. Noch weiß übrigens keiner der Jungs hier im Club Bescheid, belass es dabei. Sobald er wieder arbeiten kann, soll Danny selbst entscheiden, ob und was er ihnen erzählt. Kein Druck, verstanden?«
Ist das sein Ernst? »Aber ...«
»Nein!«, unterbricht Darren mich sofort. »Ich habe das alles mit Connor bereits durchgekaut. Es ist Dannys Entscheidung. Punkt. Wir sorgen nur dafür, dass sein Job hier auf ihn wartet, dass er bald eine neue Wohnung bekommt – und zwar eine mit einem verflucht guten Schloss an der Tür – und dass er seine Sachen aus der Wohnung seines Ex' bekommt. Er ist vor zwei Wochen nur mit dem Auto, seinem Handy und dem, was er an dem Abend am Leib trug, bei Maxwell aufgetaucht.«
»Ich kümmere mich darum«, biete ich prompt an, weil das die perfekte Gelegenheit ist, diesem prügelnden Arschloch mal ein bisschen auf den Zahn zu fühlen.
Darren verdreht die Augen. »Das hättest du gerne, aber das habe ich bereits in Declans Hände gegeben. Als Anwalt wird er das Arschloch mit ein paar gewählten Worten in die Schranken weisen und das ist allemal besser, als ihn zu verprügeln, auch wenn ich das genauso gerne tun würde wie du.«
Kein Wunder.
Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen und das Ganze ein bisschen sacken zu lassen, was nicht einfach ist. Ich wusste ja schon länger, dass Danny mit seinem Freund Probleme hat, seit ich vor ein paar Monaten zufällig die blauen Flecken auf seinem Unterarm gesehen habe, die eindeutig die Form von Fingern hatten, aber ich wusste nicht, dass es so schlimm ist, dass er freiwillig zu Maxwell Stone flüchtet. Er hätte jeden von uns um Hilfe bitten können, stattdessen wählt er diesen furchteinflößenden Kerl, dem nicht mal ich im Dunkeln über den Weg laufen möchte, dabei bin ich größer und breiter als Stone. Dennoch, Stone hat etwas an sich, das nicht nur mich im Club jedes Mal nervös macht, sobald er dort auftaucht.
Danny hat er damit allerdings nie beeindruckt, fällt mir ein. Im Gegenteil, er hat es sogar immer wieder gewagt, ihm seine mitunter merkwürdigen Cocktail-Kreationen anzubieten, dabei trinkt Maxwell Stone seit jeher immer dasselbe – Wein. Und selbst davon im Normalfall nicht mehr als zwei Gläser. Seinen ersten Besuch im 'Black Shine' zähle ich jetzt mal nicht mit. In der Nacht hat Stone sich so sehr betrunken, dass die Barkeeper erst uns Türsteher und wir danach Darren auf ihn aufmerksam gemacht haben, weil wir wirklich Angst hatten, er könnte sich zu Tode saufen.
Heute ist Stone Stammgast im Club und bei den Subs sehr beliebt. Und offensichtlich auch bei Danny, denn Angst hatte er vor diesem Mann nie und irgendeine Art von Kontakt scheinen sie offenbar auch gehabt zu haben, woher wüsste Danny sonst, wo Stone wohnt?
Sekunde … Nicht mal Darren weiß, wo Maxwell Stone lebt.
Ich runzle die Stirn und er lacht leise.
»So ging es mir auch, als mir klar wurde, dass Danny mehr über Maxwell weiß als ich, inklusive seiner Adresse. Aber, und das weiß ich von Maxwell persönlich, der darüber not amused war, unser lieber Danny hat offensichtlich ein kleines Faible für illegale und damit böse Hackeraktivitäten und über Maxwells Kreditkartendaten rausgefunden, wo er lebt.« Ich starre Darren verblüfft an und er zuckt die Schultern. »Ja, ja, ja, ich weiß. Sag nichts. Und frag mich auch nicht. Ich wusste nicht mal, dass so etwas überhaupt möglich ist, was meinen Ehemann übrigens sehr erheitert hat.«
Das wiederum überrascht mich nicht im Geringsten, doch im Augenblick interessiert mich etwas anderes weit mehr, als Dannys Fähigkeiten mit dem Computer.
»Wie geht es ihm?«
Darren fängt an zu grinsen. »Genau das hat er Maxwell, in Bezug auf dich, gestern auch gefragt.«
Kapitel 1
Danny
Februar 2019
»Niemand verlässt mich, Danny. Niemand.«
Wieder und wieder hallen mir Alans wütende Worte in den Ohren, während sich die Tränen in meinem Gesicht langsam mit dem Blut vermischen, das von einer Platzwunde am Kinn in einem Rinnsal ins Waschbecken tropft. Mein Auge verfärbt sich bereits, ich werde ein Mordsveilchen bekommen, und falls ich Darrens Blick vorhin auch nur ansatzweise richtig gedeutet habe, steht mir außerdem eine Menge Ärger ins Haus.
Ich weiß nicht mal, wie er mich gefunden hat. Alan, meine ich. Dreimal bin ich jetzt in genauso vielen Jahren umgezogen, und obwohl ich immer darauf achte, wann ich wo hingehe, seit ich Alan verlassen habe, schafft er es trotzdem immer wieder mir irgendwo aufzulauern. Dass er es direkt hinter dem Club versucht, ist allerdings neu, denn er weiß, was ihm blüht, wenn Niko oder einer der anderen Türsteher ihn in die Finger kriegt. Das hat ihm Ty in recht direkten Worten klargemacht, als Alan es einen Monat nach meiner Flucht zu Maxwell tatsächlich gewagt hat, vor dem 'Black Shine' aufzutauchen, um nach mir zu suchen.
Ich hatte genau an dem Tag wieder angefangen zu arbeiten und war am Wochenende zuvor aus Maxwells Gästezimmer in eine neue Wohnung gezogen, die in einer von einem privaten Sicherheitsdienst bewachten Anlage lag.
Lange hat es nicht gedauert, bis er einen der Leute von der Security bestochen hatte, nachdem er mir eines nachts heimlich von der Arbeit nach Hause gefolgt war, und so läuft es seither immer. Egal wie viele Umwege ich fahre, wie oft ich, statt des Käfers, Bens Auto nehme oder gleich bei Maxwell übernachte, weil ich das komische Gefühl habe, verfolgt zu werden – Alan hört einfach nicht auf.
Connor hat mich davor gewarnt, nachdem es das erste Mal passiert war. Dass solche psychisch auffälligen Männer – wobei natürlich auch Frauen zu Stalkern werden können – freiwillig niemals damit aufhören und dass sie ihr Opfer, mich in diesem Fall, früher oder später angreifen und vielleicht sogar töten. Er hat mich mehrmals gewarnt, das haben sie alle, doch ich wollte es nicht hören. Ich will es auch jetzt nicht hören.
Wäre ich nicht so jämmerlich und würde mich nicht immer wie eine Tussi aufführen, wären Alan und ich vielleicht sogar glücklich geworden.
Weibisch, das bin ich. Und ich mag nun mal schöne Sachen, enge Sachen, farbige Sachen. Alan hat das nie verstanden und ihm stehen dreiteilige Anzüge auch ganz wunderbar. Aber ich bin ein Barkeeper und ich mag es, mir die Haare zu blondieren und sie wie einen stachligen Igel hoch zu frisieren. Ich mag es, enge Jeans zu tragen, unter die keine Unterwäsche mehr passt, genauso wie Netzshirts, durch die jeder meine Brustwarzen sehen kann. Ich bin schlank, das war ich schon immer, genau wie Mum, und wenn sie erfährt, dass es heute wieder passiert ist, wird sie sich erneut Sorgen machen und mich bitten, zu ihr und Dad nach Hause zu ziehen, doch das kommt nicht infrage.
Alan weiß, wo sie leben, und wenn er über sie versucht, an mich heranzukommen – ich will nicht darüber nachdenken, ich will es vergessen.
Ich will, dass alles wieder so wird, wie es früher war, als er mich geliebt hat und es toll fand, mich aus meinen engen Jeans zu schälen und schamlos über mich herzufallen. Ich will, dass Alan wieder jener Mann wird, in den ich mich verliebt habe, und der so perfekt zu mir passte.
Bis er mich zum ersten Mal schlug, weil mir aus Versehen seine Lieblingstasse beim Abwaschen heruntergefallen war.
Die Tür geht hinter mir auf und ich sehe auf. Vor mir hängt ein Spiegel und als ich erkenne, dass jetzt nicht Darren zu mir in die Toilettenräume tritt, ziehe ich schockiert die Luft ein. Oh nein, ausgerechnet Connor. Ich muss hier weg. Nur hat er wohl leider genau diese Reaktion erwartet, denn er fängt mich direkt vor der Tür zu einer der Kabinen ab.
»Nein, Danny.«
»Connor ...«
»Komm her.«
Es ist mehr Befehl als Bitte und das reicht völlig aus, um in mir auch noch den letzten Schutzwall einbrechen zu lassen. Ich breche in Tränen aus und wehre mich trotzdem gegen ihn, weil ich mich für mein Verhalten schäme, obwohl er mir gesagt hat, dass ich das nicht muss, aber ich habe alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, sonst würde Alan mich noch lieben und mich nicht immer wieder verprügeln.
Ich bin nichts wert, absolut gar nichts.
Connor hält mich fest und umarmt mich vorsichtig, als ich schließlich aufgebe und mich gegen ihn lehne. Er ist so groß, so stark und so warm. Genau wie Darren. Wie Niko. Wie Garrett oder Ty. Wie Maxwell … Wie Alan.
So liebe ich meine Männer und trotzdem konnte Alan mich nicht genauso lieben, dabei habe ich einfach alles für ihn getan. Ich habe sogar versucht, mich zu verändern, um perfekt für ihn zu werden. Ich trug Anzüge, obwohl ich diese Teile nicht mag, ich aß Dinge, die er gern isst, obwohl ich sie nicht mag, und ich kaufte uns Karten für ein Baseballspiel oder lud ihn zu einem Horrorfilm ins Kino ein, weil er beides liebt, während ich mit nichts davon etwas anfangen kann.
Aber es hat trotzdem nicht gereicht. Egal, was ich auch für ihn tat, es war nie genug.
Weil ich nicht genug bin.
Weil ich nie genug sein werde, für niemanden.
Männer wie Alan wollen eben keine Frau im Körper eines Mannes, sie wollen echte Kerle. Männer, die sich neben ihnen behaupten können. So wie Adrian, der sogar ein Unternehmen gegründet hat. Er ist nicht nur ein kleiner Barkeeper mit einem Faible für bunte Cocktails. Er ist jemand.
So wie alle Männer in diesem Club jemand sind.
Alle, außer mir.
»Tut mir leid«, murmle ich irgendwann an Connors Brust, woraufhin er mir sanft durchs Haar streichelt. Er sagt nichts, obwohl ich mir denken kann, dass er mir eine ganze Menge zu sagen hätte. Aber vielleicht hat er es mittlerweile aufgegeben.
Ich würde es verstehen.
Ich schätze, ich bin wirklich ein hoffnungsloser Fall.
»Wir gehen jetzt hoch ins Büro und ich sehe mir mal dein Gesicht an.«
Nein! Ich zucke zurück, doch Connor legt seine Arme fester um meinen Rücken und lässt mich nicht weg.
»Keine Widerrede. Sonst rufe ich Niko an und lasse ihn das übernehmen.«
Oh mein Gott, meint er das ernst? Ich schnappe fassungslos nach Luft und stelle sofort jede Gegenwehr ein. Alles, nur nicht das. Niko war so sauer, als ich mich damals lieber zu Maxwell geflüchtet habe, anstatt ihn oder sonst jemanden aus dem Club um Hilfe zu bitten, aber das konnte ich einfach nicht.
Maxwell war in jener Nacht kalt, pragmatisch und hat mir nicht einen Funken Mitleid gegönnt. Er war einfach so perfekt, weil er mir nie das Gefühl gegeben hat, ein jämmerliches Etwas zu sein, sondern weil er mir knallhart ins Gesicht warf, dass ich ein Idiot wäre, mich mit einem Schläger einzulassen und dann auch noch verletzt Auto zu fahren, und dass er mir kurzerhand in den Hintern treten würde, sollte ich es wagen, ihm je wieder einen Cocktail zu servieren. Dann hat er mir einen Erste-Hilfe-Kasten in den Schoß geworfen und mir erklärt, dass das nicht ausreichen würde, aber wenn ich lieber mit einer schiefen Nase leben wolle, bitte sehr. Am Ende, weil meine Nase einfach nicht aufhören wollte zu bluten, bat ich ihn schließlich doch, mich ins nächste Krankenhaus zu fahren.
Maxwell hat mich stattdessen zu einem Arzt gebracht, der, wie er selbst auch, nur die nötigsten Fragen gestellt und mich in seiner Privatklinik zusammengeflickt hat.
Ich wünschte, Connor wäre genauso, aber das ist er nicht. Er kann genauso pragmatisch sein, das weiß ich, denn ich habe es miterlebt, als er Darren und Adrian geholfen hat, ein Paar zu werden, und ich war oft genug dabei, wenn es Ärger im Club gab und er mit seiner Ruhe und Geduld schlichten oder helfen konnte. Irgendwann wird er bestimmt einen Mann finden, der genauso perfekt zu ihm passt, wie Niko vielleicht zu …
Stopp! Schluss! Das wird nie passieren.
Mit hängendem Kopf steige ich neben Connor die schmale Treppe hoch, die uns in Darrens Büro führen wird und von wo aus man durch riesige, verspiegelte Fenster einen grandiosen Blick auf den Clubraum unten hat. Laut Gerüchteküche haben Connor, Adrian und Darren in dessen Büro wohl schon einige Nächte zu dritt verbracht, ich gönne es ihnen von Herzen. Und wenn man Nikos süffisantem Grinsen Glauben schenken kann, der die drei von uns allen im Club am besten kennt, hatten sie dabei jede Menge Spaß.
Es gibt unzählige Gerüchte, was dieses Quartett angeht, ich für meinen Teil glaube nicht viele davon, denn ich sehe ständig wie sanft Niko mit Adrian umgeht, und ich sehe ebenfalls, wie Connor mit ihm umgeht.
Dass Adrian von Darrens verrücktem Bruder fast ermordet worden ist, hat die vier verdammt fest zusammengeschweißt und ich glaube, sie werden immer Freunde bleiben. Und wenn diese Freunde sich ab und zu ein paar intime Extras gönnen – warum sollen sie das auch nicht tun?
In diesem Land, in diesem Jahrhundert, ist alles möglich.
Ich wünschte nur, ich hätte den Mut, selbst danach zu leben und endlich das Richtige zu tun, um Alan Einhalt zu gebieten. Immerhin hätte ich sogar einen Anwalt an der Hand, der mich umgehend und natürlich kostenlos vertreten würde, ich muss Declan Melarge nur anrufen.
Connor öffnet das Büro über das Codeschloss mit der 1105, die Darren mir vor drei Jahren anvertraut hat, wenn ich mal einen Schlafplatz für die Nacht brauche, und drückt mich kurz darauf auf einen Zweisitzer, der in der linken Ecke steht. Dann geht er in das dem Büro angeschlossene Bad und kommt mit feuchtem Toilettenpapier und einem ebenso feucht gemachten, kleinen Handtuch zurück.
Letzteres gibt er mir für mein Auge, bevor er langsam und sehr behutsam das Blut von meinem Kinn wischt, um sich die Platzwunde anzusehen, die von Alans Handschuh stammt. Er trägt im Winter immer diese harten, gefütterten Handschuhe aus teurem Leder, und wenn er mit denen zuschlägt – ich habe diesen Dingern mehr als eine Platzwunde zu verdanken, und sie tun höllisch weh, weshalb ich auch schmerzerfüllt die Luft einziehe, als Connor den Rest der Toilettenpapierrolle holt und sie kurzerhand auf mein Kinn drückt.
Ich sage kein Wort, ich sehe Connor nicht einmal an. Er hat mir schon oft geholfen, na ja, er hat es zumindest versucht, und ich will sein Mitleid einfach nicht sehen. Er hat so viel Gefühl in sich, das braucht er auch für seinen Job, aber ich hasse es, wenn er dieses Mitgefühl auf mich richtet. Das tun sie alle, und zwar ständig, und das hasse ich noch mehr. Ich weiß, dass ich ein bedauernswerter Waschlappen bin, ich muss es nicht noch in ihren Gesichtern sehen.
Der arme Danny.
Jahrelang verprügelt vom eigenen Freund, aber trotz allem immer noch zu feige, sich gegen ihn zu wehren.
»Er wird nicht aufhören, Danny.«
Das weiß ich. Das weiß ich nur zu gut, immerhin habe ich es eben nur mit Mühe und Not geschafft, mich vor Alan durch die Hintertür in den Club zu flüchten. Du musst mir nicht jedes Mal sagen, was ich längst weiß, Connor, ich bin kein Vollidiot. Doch statt ihm das offen und ehrlich ins Gesicht zu sagen, zucke ich wieder einmal zusammen und ducke mich vor ihm, weil ich es wirklich leid bin, immer wieder dasselbe zu hören.
Es ändert doch ohnehin nichts. Selbst wenn ich ihn anzeige, wird er nicht aufhören. Nicht Alan. Selbst wenn ich ein viertes Mal umziehe oder meinen Namen ändere, er findet mich doch früher oder später erneut, und was dann? Wie oft kann ich ihm noch entkommen? Wie lange wird es dauern, bis er mich eines Tages an einem Ort erwischt, der keine Hintertür hat oder wo niemand in der Nähe ist, der mich hört, wenn ich panisch nach Hilfe schreie, so wie Weihnachten, als er mir beim Kaufen der Weihnachtsgeschenke für meine Eltern im Shoppingcenter auflauerte und ich es nur dem Mut einer Mutter verdankte, die sich aufs Herrenklo wagte, als ich um Hilfe rief.
Alan ist ruckzuck abgehauen, als sie ihm wortstark drohte, den Sicherheitsdienst zu holen, und ich brachte sie dann davon ab, die Polizei und einen Krankenwagen zu rufen, obwohl mir ihr Blick deutlich verriet, dass sie genau wusste, was los war.
Mitleid. Wieder einmal.
Scheiße.
»Eines Tages«, beginnt Connor plötzlich zu sprechen, »wird ein Cop an die Tür deiner Eltern klopfen und ihnen sagen, dass es ihm leidtut, ihnen mitteilen zu müssen, dass du tot bist. Er wird nicht die richtigen Worte finden, denn die gibt es einfach nicht, aber er hat keine Wahl, denn es ist sein Job. Und dann, wenn er gegangen ist, werden deine Mum und dein Dad zum Telefon greifen und Darren anrufen, um ihm zu sagen, dass du leider nie mehr zur Arbeit kommen kannst, weil du von einem Unbekannten in irgendeiner dreckigen Gasse überfallen und totgeschlagen worden bist.«
Was? Ich erstarre auf der Couch förmlich zu einer Salzsäule und bin unfähig, mich zu rühren. Wie meint er das?
»Wir werden an deinem Grab stehen, wir werden um dich trauern, und wir werden deinen Ex-freund verfluchen, denn er wird mit dem Mord an dir davonkommen, so wie er es schon seit Jahren mit diesen Überfällen auf dich tut. Wahrscheinlich wird er sogar die Frechheit besitzen, auf deiner Beerdigung zu erscheinen. Er wird eine Rose auf deinen Sarg legen und um dich trauern. Ernsthaft trauern, denn auf eine völlig verdrehte Art und Weise liebt er dich wirklich.«
Nein. Das ist nicht … Aber … Ich kann nicht … Connor irrt sich, ganz sicher. Er liegt falsch.
Alan ist nicht so.
Ich meine, er hat sich doch immer entschuldigt.
Warum bist du dann weggerannt? Wieso rennst du jetzt seit drei Jahren vor ihm weg, wenn er doch nicht so ist?, will meine innere Stimme auf einmal knallhart von mir wissen und beschert mir damit eine dicke Gänsehaut.
»Er wird auch seinen nächsten Mann ehrlich lieben, bis der sich von ihm trennt, weil er die Prügel nicht mehr aushält, und dein Ex ihm anschließend das Leben zur Hölle macht. Und so geht es weiter, Danny. Immer weiter. Bis er vielleicht doch noch erwischt wird. Es stellt sich nur die Frage, wie viele Eltern und Freunde bis zu jenem Tag an den Gräbern geliebter Menschen stehen werden.«
Oh mein Gott.
Andere Männer. Wieso habe ich darüber noch kein einziges Mal nachgedacht? Ich bin nicht der Einzige. Ich war es nie und ich werde es auch nie sein. Da waren bestimmt schon andere vor mir, aber selbst wenn nicht, wird es irgendwann garantiert jemanden geben. Was, wenn Alan mich eines Tages tatsächlich aufgibt und jemand Neues findet? Was, wenn er diesem Mann dann dasselbe antut wie mir?
Dann wird es meine Schuld sein.
Wenn Alan einen neuen Partner findet und ihn liebt, bis er ihn dann nicht mehr liebt, sondern ihn schlägt.
Und wenn er ihn wirklich umbringt?
Wenn er bei dem neuen Mann in seinem Leben eines Tages so weit geht, wie ich es im allerletzten Augenblick verhindern konnte?
Ich schaffe es kaum, den Kopf zu heben, so schwer fühlt er sich an. Oder sollte ich besser sagen, so schwer fühlen sich die Schuldgefühle tief in mir an? Ich fühle frisches Blut an meinem Kinn hinablaufen und so besorgt, wie Connor mich auf einmal anschaut, muss ich wirklich furchtbar aussehen, und ich sollte jetzt vielleicht irgendetwas sagen, aber ich weiß nicht was.
»Danny …« Connor hockt sich vor mir hin. »Ich weiß, dass du Angst hast. Panische Angst. Und dazu hast du jedes Recht. Aber du bist nicht allein. Du glaubst das und denkst, dass es deine Schuld ist, doch das ist es nicht. Das war es nie und wird es auch niemals sein. Wir sind immer für dich da. Ich, Darren, Adrian … Niko.«
Muss er ausgerechnet …?
Ich schaue zur Seite und kann doch nicht verhindern, dass Hitze in meinen Wangen aufsteigt, die er mit Sicherheit sehen kann. Wieso tun sie das eigentlich ständig? Ist es wirklich so offensichtlich, dass ich angefangen habe, nach Niko Ausschau zu halten? Er hat, nachdem ich aus Maxwells Gästezimmer in meine neue Wohnung gezogen war, wochenlang ständig auf mich aufgepasst und mich nach Feierabend häufig nach Hause gefahren. Darren zuliebe habe ich nichts dazu gesagt und mich ziemlich schnell an Nikos Gesellschaft gewöhnt. Und dann hat er mir langsam wieder Luft zum Atmen gelassen, was auch gut war, bis auf die leider nicht zu leugnende Tatsache, dass ich ihn vermisse und seine Schichten im Club genau kenne. Meine Kollegen, allen voran Ben, der einen Narren an Maxwell Stone gefressen hat, ziehen mich schon seit Monaten immer wieder damit auf, aber ich …
»Er liebt dich, Danny.«
Nein! Nein! Nein!
Das darf er nicht. Ich bin nur ein Niemand und er ist etwas Besonderes. Er verdient jemand Besseren.
Ganz egal, was ich für ihn empfinde, vielleicht empfinde, er hat einen Mann verdient, der sich nicht ängstlich in die nächste Ecke duckt, sobald sein Ex auf der Bildfläche erscheint.
Ich schüttle heftig den Kopf.
»Doch, das tut er«, hält Connor ruhig dagegen. »Genau wie du ihn liebst«, lässt er dann die sprichwörtliche Bombe platzen und mir entweicht alle Luft aus den Lungen, weil er das nicht wissen kann. Nicht wissen darf. Er hat bestimmt nur geraten, ja, ganz sicher. Er weiß nicht Bescheid. »Und er würde gut auf dich aufpassen, wenn du ihn bloß lassen würdest. Aber ohne ein Zeichen von dir, dass du das willst, wird er sich nie an dich herantrauen, weil er genauso große Angst hat wie du.«
Er hat was? Aber warum denn? Ich schlucke schwer. »Niko hat Angst?«
»Ja«, antwortet Connor und sieht mich eindringlich an. »Er liebt dich so sehr, Danny, und weil er weiß, was dir passiert ist, hat er Angst.«
»Wovor?«, frage ich kaum hörbar.
»Dich zu erschrecken. Dir wehzutun. Du siehst seine Blicke nicht, wann immer er dich beobachtet, aber ich sehe sie. Niko liebt dich schon eine halbe Ewigkeit.«
Moment, was? Niko tut was? Aber … Das kann doch nicht … Wirklich? Nein. Oder vielleicht doch? Ich meine, woher soll ich das überhaupt wissen? Niko hat sich immer anständig mir gegenüber benommen und ich habe die ganze Zeit nur an Alan gedacht.
»Ich ...« Scheiße, was sage ich denn jetzt nur? Ich balle eine Hand so fest zur Faust, dass die Fingerknöchel schließlich weiß werden. »Ich … Ich ...« Mein Gott, wieso ist das nur so schwer? Connor legt eine Hand über meine Finger und drückt sanft zu. Sein leises und bittendes »Sag es.« wirkt wie ein Startschuss für meinen Körper, oder eher für meinen Verstand, denn ich sacke wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa zusammen. »Ich habe solche Angst, Connor.«
»Sieh mich mal bitte an«, murmelt er und wartet geduldig ab, weil ich einige Minuten brauche, um den nötigen Mut dazu zu finden. Connor lächelt sanft und nickt dabei. »Ich weiß und das ist nicht schlimm. Im Gegenteil, es ist normal, Danny. Der Trick ist, mit dieser Angst umzugehen und ihr im richtigen Augenblick mit ordentlich Anlauf in ihren verdammt lästigen Arsch zu treten.«
Ich pruste ungewollt los. Das ist so typisch Connor. Gleich darauf muss ich aber stockend die Luft einziehen, weil meiner Platzwunde am Kinn das Lachen gar nicht gefällt. Wieder läuft Blut über meine Haut, den Hals hinunter und Connor verzieht betroffen das Gesicht.
»Lass mich mal sehen«, sagt er und zieht, nachdem ich den Kopf etwas gehoben habe, vorsichtig das Toilettenpapier von der Wunde. Die Blutung wird sofort stärker, das spüre ich, und auch Connor ist dieser Meinung, denn er meint nur »Das muss sich ein Arzt ansehen.« und zieht sein Handy aus der Tasche.
Oha. »Was hast du vor?«, frage ich alarmiert und als er mir daraufhin ein beruhigendes Lächeln schenkt, weiß ich wieder, dass ich bei ihm genauso sicher bin wie bei Niko.
»Darren fragen, wo er den Erste-Hilfe-Kasten versteckt hat, damit wir die Wunde vernünftig abdecken können, bevor wir ins Krankenhaus fahren.« Er lacht leise, als ich umgehend mit dem Kopf schüttle, obwohl das eigentlich mehr Automatismus ist als irgendetwas anderes. »Du bist so ein Sturkopf. Aber ich bin kein Arzt, Danny, und ich glaube, die Wunde muss genäht oder geklebt werden … Wir brauchen hier oben Verbandszeug, einen verdammt guten Schnaps, einen gewissen Türsteher und die Telefonnummer von dem Polizisten im Revier um die Ecke … Du weißt schon, dem, der damals gegen dich ermittelt hat, nachdem du diesem Dom mit den Fäusten klar gemacht hast, dass das Safeword seines Subs heilig ist.«
Oh Gott, diese schlimme Geschichte. Das war wochenlang ein gefundenes Fressen für die Besucher im Club, weil der Kerl es verdient hatte und es hinterher Monate dauerte, bis Michael sich wieder an einen Dom herangetraut hat. Mittlerweile ist er glücklich verheiratet und hat mit seinem Henry sogar zwei von einer Leihmutter ausgetragene Kinder.
Und vielleicht kann ich das irgendwann auch schaffen. So wie es Michael gelungen ist, nur bitte ohne Kinder. Auch wenn meine Eltern gern Enkel gehabt hätten, will ich kein Vater sein. Höchstens für ein Haustier.
»Will er endlich Anzeige erstatten?«, fragt Darren plötzlich und seine Stimme ist laut genug, dass ich ihn gut hören kann.
Na danke sehr. Aber Gott sei Dank hat Connor ausreichend Feingefühl und wartet einfach ab, bis ich schließlich die einzig richtige Entscheidung treffe und nicke, denn ich darf einfach nicht zulassen, dass Alan eines Tages aus angeblicher Liebe heraus wirklich einen Mord begeht.
»Ja, ich zeige ihn an.«
»Gehört?«, fragt Connor und Darren brummt zustimmend.
»Ich mache den Anruf und bringe euch hinterher meinen besten Whisky, den Verbandskasten und einen sehr verliebten Russen hoch. Soll ich Niko vorher einweihen?«
»Ja«, antwortet Connor für mich, weil ich verlegen seinem Blick ausweiche und zusätzlich auch noch rot anlaufe – wieder einmal. »Danny braucht heute Abend seinen möglichen neuen Partner. Keinen Neandertaler, der auf blutige Rache aus ist.«
Kapitel 2
Niko
Ich benehme mich in den nächsten Stunden wirklich mehr als vorbildlich.
Zumindest rede ich mir das die ganze Zeit ein, während ich auf die grünen Wände der Notaufnahme starre, immer wieder meine Fäuste balle und mir dabei vorstelle, wie ich sie in Alan Dornans Gesicht schlage, so wie ich es damals bei Logan getan habe, als der versucht hat, Adrian zu ermorden, um Darren zu schaden. Bis zu jenem Tag war ich eigentlich der Meinung, die Gewalt in meinem Leben hinter mir gelassen zu haben, aber es reicht offensichtlich völlig aus, jemanden zu verletzen, der mir viel bedeutet, um sie wieder an die Oberfläche zu holen.
Meine Eltern würden sich sehr für mich schämen, wenn sie davon wüssten. Sie haben alles versucht, mich von den Gangs, den Drogen, den Waffen – dieser furchtbaren Gewalt, die so oft ohne jeden Sinn und Verstand daherkam, fernzuhalten. Aber dann sind sie gestorben und ohne sie hätte ich wohl jeden Halt verloren, wäre Darren nicht gewesen.
Er weiß nichts von früher. Niemand weiß das.
Wobei ich mir damit vermutlich selbst etwas vorlüge, denn sowohl Darren als auch Adrian und Connor haben die Narben gesehen und denken sich dazu vermutlich ihren Teil, aber noch haben sie keine Fragen gestellt, was mit Sicherheit daran liegt, dass ich Darren damals eine verpasst habe, als er es tat. Er hat das nicht vergessen und es wahrscheinlich Adrian erzählt. Und Connor ist ohnehin nicht der Typ für Fragen. Er wartet immer, bis man von selbst zu ihm kommt.
Wir hätten nicht miteinander schlafen sollen, das weiß ich, aber ich werde deswegen jetzt keine Krise bekommen, denn es hat mächtig Spaß gemacht, sich mit ihm um die Vorherrschaft im Bett zu zanken. Ein Streit, den wir schlussendlich mit dem Wurf einer Münze lösen mussten und der zudem dafür gesorgt hat, dass er jetzt von meinem geheimen Hobby weiß und mit Sicherheit Darren davon erzählt hat.
Sobald Dannys Verletzungen versorgt und seine Eltern hier sind, werde ich einen Abstecher in mein Atelier machen, um zu zeichnen. Ein paar Stunden mit meinen Gemälden verbringen, dem Geruch nach Farben, dem leichten Kratzen eines Bleistifts auf der Leinwand, dem Duft des Strauchs frischer, lilafarbener Tulpen, die ich erst gestern gekauft habe – schon immer haben meine Zeichnungen es geschafft, mich zu beruhigen, und ich werde Mum und Dad niemals vergessen, dass sie mir damals das Zeichnen als Ausgleich vorschlugen. Um abzuschalten und alles um mich herum für eine Weile zu vergessen.
Es war das Beste, was ich je versucht habe.
Es ist das Beste, das ich heute tue.
So sehr ich meinen Job als Türsteher im 'Black Shine' liebe, zu zeichnen gibt mir so viel inneren Frieden – ich könnte nicht darauf verzichten.
Ich könnte umziehen, einen neuen Job finden und mir neue Freunde suchen. All das wäre möglich, aber aufhören Gemälde zu zeichnen, käme für mich niemals infrage. Durch die Kunst habe ich den Absprung von der Gewalt geschafft.
Wenn auch nicht komplett, korrigiere ich mich selbst, als sich die Fahrstuhltüren öffnen und dieser Polizist heraustritt, mit dem Darren lose befreundet ist und der Dannys Aussage gegen Alan aufnehmen soll. Ich hoffe inständig, dass er heute dabei bleibt und es wirklich tut. Diesem Mistkerl muss Einhalt geboten werden, und zwar dringend. Seit drei Jahren geht das jetzt schon so und wir können weder im Club noch außerhalb rund um die Uhr auf Danny aufpassen. Er würde es auch nicht zulassen, dabei wäre es nötig.
Was passiert, wenn keiner ein Auge auf ihn hat, kann man ja an seinem Gesicht gerade recht gut erkennen.
Alan Dornan. Was für ein Mistkerl.
Wie kann man nur seinen eigenen Freund schlagen? Mir ist unbegreiflich, wie man so etwas tun kann. Egal ob der Partner ein Mann oder eine Frau ist. Jemanden zu verprügeln, nur um sich Macht über ihn zu verschaffen, das geht gar nicht. Und ich weiß verdammt gut, wovon ich da rede, weil ich das als junger Teenager immer wieder getan und daraus schlussendlich jedes Mal eine derartig große Befriedigung gezogen habe, dass mir die Erinnerung daran heute noch Angst macht.
Ich war schon mit elf Jahren ein verdammter Schläger.
Hätten meine Eltern am Ende nicht die Reißleine gezogen und wären mit mir von New York nach Chicago umgezogen, damit ich aus diesem Umfeld komplett rauskomme, wäre ich heute mit Sicherheit im Knast oder tot.
Mein Blick schweift den Flur entlang, über Darren hinweg, der Adrian im Arm hält, weiter zu Connor, der mich anschaut und die Stirn runzelt, als sich unsere Blicke treffen, während es im Behandlungszimmer plötzlich laut wird. Ich verstehe nicht, worum es geht, aber es hört sich an, als wäre Danny sauer.
Eine ältere Schwester tritt eilig zu uns in den Flur. »Ist einer von Ihnen Niko?«
Ich trete einen Schritt nach vorne. »Ja, ich.«
Sie deutet hinter sich. »Kommen Sie bitte mit. Er möchte Sie sehen und er regt sich zu sehr auf. Das ist nicht gut.«
»Wie oft soll ich Ihnen noch erzählen, dass mein Ex-Freund mir aufgelauert hat, um das hier zu tun?«, schimpft Danny, als ich das Zimmer betrete, und deutet dabei auf sein Gesicht. »Sie können meinen Boss und jeden auf der Arbeit fragen, weil das schon seit drei Jahren so geht. Wenn Sie mir nicht glauben, was wollen Sie dann überhaupt hier? Hauen Sie einfach wieder ab, ich komme auch allein klar. Wie immer.«
Er steigert sich immer mehr rein und wird kurzatmig, was den Geräten, an den sie ihn angeschlossen haben, nicht gefällt, wenn ich das Piepkonzert richtig einordne, und noch während der Arzt mit dem Polizisten flüstert, eile ich zu Danny ans Bett und greife nach seiner Hand. Er muss sich beruhigen, bevor er hyperventiliert, und er hatte für diesen Abend wahrlich schon mehr als genug Aufregung.
»Hey«, murmle ich und streiche behutsam über seine Stirn, die sich viel zu warm anfühlt für meinen Geschmack, aber das ist hoffentlich nur die Aufregung. Es dauert etwas, bis sich sein Blick auf mich richtet und die dunkelgrünen Augen sich etwas weiten, so als würde er mich jetzt erst richtig erkennen. Danny hat Angst, denn ich erkenne Angst, sobald ich sie vor mir sehe, vor allem weil er versucht, sie mit Ärger zu überspielen, was er nicht gut kann. »Mann, ist dir eigentlich klar, wie sehr sich das Veilchen mit deiner Augenfarbe beißt?«
Danny blinzelt einmal, dann fängt er an zu lachen und legt die Arme um mich. Ich drücke ihn behutsam an mich, um ihm ein wenig Sicherheit zu geben, denn aus dem Lachen wird sehr schnell ein Schluchzen und das ist mehr als genug für heute.
Sein Arzt ist derselben Meinung, denn ich höre, wie er dem Polizisten ruhig erklärt, dass er seine Befragung ein andermal fortsetzen muss, weil sein Patient jetzt Ruhe braucht.
Und er braucht auch ein Gespräch mit einem Psychologen, denke ich, aber ob sich Danny darauf einlassen wird, wage ich zu bezweifeln. Er steckt schließlich schon seit drei Jahren, ach was, viel länger, den Kopf in den Sand, was seinen prügelnden Ex-Freund angeht, aber Connor hat es heute Abend immerhin geschafft, ihn endlich dazu zu bringen, Alan anzuzeigen.
Was das bringt und ob es überhaupt etwas bringt, wird sich allerdings erst zeigen müssen. Häusliche Gewalt ist ein Thema, das immer noch zu gern totgeschwiegen oder heruntergespielt wird, und wenn dann noch ein Mann das Opfer ist … Ich habe von Fällen gehört, in denen Cops sich im Revier über die Opfer lustig gemacht und ihnen, anstatt eine Anzeige aufzunehmen, geraten haben, in Zukunft besser weniger zu saufen, bevor sie ihre kleine, zarte Freundin eines Verbrechens beschuldigen.
Es gibt Polizisten, die sind definitiv falsch in ihrem Job, und leider gibt es davon viel zu viele in diesem Land.
»Danny!«
Der besorgte Ausruf bringt ihn zum Zusammenzucken und mich zum Lächeln, denn die weibliche Stimme kenne ich und sie wird ihm guttun. Dannys Mutter Sally ist ein herzensguter Mensch, genauso wie sein Vater Burt, und beide lieben ihren einzigen Sohn abgöttisch. Dass er jahrelang geschlagen worden ist, hat beide schwer getroffen, obwohl Sally mir mal in einem unbeobachteten Moment zugeflüstert hat, dass sie es eigentlich hätte wissen müssen, denn im Gegensatz zu mir, Darren oder all den anderen Arbeitskollegen im Club, konnte sie Alan vom ersten Moment an nicht leiden. Sie war ihm gegenüber niemals unhöflich, aber sie sagte mir mal, sie hätte ein ungutes Gefühl bei dem Mann gehabt, doch da Danny so verliebt war, hätte sie natürlich nichts gesagt. Was ich verstehen kann, denn Darren – uns allen – ging es genauso. Jeder ahnte schnell, dass Danny privat nicht glücklich ist, aber wie furchtbar es tatsächlich war, kam erst raus, als Danny vor drei Jahren im letzten Moment zu Maxwell geflüchtet ist und ein paar Wochen später, nachdem seine Verletzungen verheilt waren, im 'Black Shine' schließlich reinen Tisch gemacht hat.
Ich überlasse ihn seinen Eltern und geselle mich wieder auf den Flur, wo Darren, Adrian und Connor gerade überlegen, ob sie aufbrechen sollen, um Danny ein bisschen Raum zu geben, den er wohl auch gut brauchen kann.
Schlussendlich verabschieden sie sich von ihm, er soll nicht denken, dass sie ihn einfach hierlassen, und auch ich bekomme eine Umarmung von Adrian, samt frechem Kuss, der Darren amüsiert die Augen verdrehen lässt, bevor er und Connor mir kumpelhaft auf die Schultern klopfen, so als wüssten sie, dass mir noch eine Umarmung gerade zu viel wäre.
Ich schaue ihnen nach, wie sie die Notaufnahme verlassen und lasse mich dann seufzend auf einen der Stühle sinken, die im Flur für Wartende bereitstehen. Ein Bett wäre jetzt toll oder erst mal ein Bier und anschließend das Bett. Am liebsten wären mir allerdings meine Pinsel und Farben, wenn ich ehrlich bin, doch ich werde Danny nicht einfach hier alleinlassen, obwohl seine Eltern bei ihm sind. Sally und Burt würden mir dazu mit Sicherheit ein paar Takte erzählen, denn wir kennen uns schon ewig und ich weiß, dass sie mich mögen. So wie ich sie.
Ich weiß gar nicht mehr, wie es ursprünglich dazu kam. Ich kann mich nur noch erinnern, dass Danny mal eine Autopanne hatte und ich ihm nach der Arbeit anbot, ihn nach Hause zu bringen, weil sein toller Freund bereits schlief und er ihn nicht aufwecken wollte. Das hätte mir eigentlich zu denken geben müssen, aber zu der Zeit kannte ich Danny noch nicht sehr gut. Gelandet sind wir dann im Haus seiner Eltern, spätnachts an einem Freitag. Ich muss grinsen, als mir wieder einfällt, dass Sally uns erst für Einbrecher hielt und mit der Pfanne fast auf uns losgegangen wäre.
Eine knappe Stunde später hatte sie uns ein spätnächtliches Abendessen gezaubert und fragte mir Löcher über meinen Job als Türsteher in den Bauch, während Burt für uns ein Bier nach dem anderen öffnete.
Am nächsten Morgen hatte ich einen dicken Kater – sowohl im Kopf als auch auf mir zu liegen, denn Hauskater Cake hatte es sich auf meiner Brust gemütlich gemacht, weil Sally darauf bestanden hatte, dass ich auf ihrer Couch übernachte –, bekam ein tolles Frühstück serviert und habe mich hinterher mit Burt um Dannys gelben Käfer gekümmert, da Danny zwar wirklich tolle Cocktails mixen kann, von Autos aber, ganz im Gegensatz zu seinem Vater, der sein Leben lang als Mechaniker gearbeitet hat, nicht die geringste Ahnung hat.
Daran hat sich bis heute nichts geändert und den Käfer hat Danny immer noch.
Keine Ahnung, was er so sehr an diesem Auto liebt, allein die grelle, gelbe Farbe ist ein grausames Verbrechen gegen die Natur und meine armen Augen, aber irgendwie passt die Kiste zu ihm. Beide sind klein und schlank – feminin, sagt Adrian immer dazu, wobei Danny mit geschätzt 1,80 m gar nicht klein ist in meinen Augen. Egal. Ich mag ihn jedenfalls wie er ist, mit seinen bunten, engen Klamotten, den blondierten Haaren, die er immer wie stachlige Spitzen nach oben stylt, und natürlich diesen wunderschönen, grünen Augen. Moosgrün. Oder eher Smaragdgrün. Sie haben eine wirklich unglaublich satte, grüne Farbe. Ich habe noch nie so ein kräftiges Grün gesehen, und ich sehe viele Augen, wenn ich an der Tür des Clubs stehe. Braun ist dabei die häufigste Farbe, aber auch Blau und Grau sehe ich oft. Connor hat hellgrüne Augen und Adrians besitzen ein sehr tiefes, faszinierendes Blau, doch nichts kommt für mich gegen das Grün von Danny an.
Vielleicht liegt es daran, dass Grüntöne seit jeher zu meinen Lieblingsfarben zählen. Kein Wunder, ich zeichne am liebsten Motive aus der Natur und da kommt man ohne Grün nun mal nicht aus. Und auch bei meinen Tulpenbildern geht es nie ohne Grün, sei es in Form von Blättern oder im Hintergrund. Ja, ich habe eindeutig ein Faible für Grün und wenn ich dürfte, würde ich Dannys Augen von morgens bis abends studieren, um nach und nach alle Akzente und Sprenkel zu finden, denn ab und zu habe ich das Gefühl, dass sich die Schattierung in seinen Iriden in Richtung Gold ändert, es kommt immer aufs Licht an.
»Niko?« Ich sehe auf und Sally setzt sich lächelnd zu mir. »Er ist gerade eingeschlafen. Willst du nicht auch nach Hause fahren und ein bisschen schlafen? Wir passen heute Nacht auf ihn auf, versprochen.«
»Hat er seine Meinung geändert?«, frage ich und als Sally seufzt, bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen. Er darf nicht wieder einen Rückzieher machen, sonst findet das Drama um ihn und diesen Verrückten, der ihn angeblich liebt, niemals ein Ende. Jedenfalls kein gutes.
»Ich hoffe nicht«, antwortet Sally schließlich und lehnt sich gegen die Rücklehne des Stuhls. »Er schämt sich so sehr, dabei muss er das doch nicht. Aber egal, was wir sagen, er hört nicht damit auf, und wir wissen längst nicht mehr, was wir noch zu ihm sagen können.« Sie sieht mich resigniert an. »Es war doch nicht seine Schuld.«
Natürlich ist es nicht Dannys Schuld. Ich nicke. »Das weiß er, wir haben es ihm alle gesagt, aber solange er es nicht selbst glaubt ...«
Ich breche ab und zucke ratlos die Schultern, da wir dieses Gespräch nicht zum ersten Mal führen. Wir können nur nichts ändern, solange Danny nicht damit aufhört, die Schuld bei sich und seinem Verhalten zu suchen. Er tut zwar immer so, als täte er das gar nicht, aber ich kenne ihn zu gut. Ich beobachte ihn einfach schon zu lange, um nicht zu wissen, wie oft er, obwohl es nach außen hin nicht den Anschein hat, sich heimlich fragt, ob dieses Hemd oder jene Hose angemessen ist.
Selbst bei seiner Arbeitskleidung macht er das mittlerweile, dabei stellt Darren die allen im Club kostenlos zur Verfügung. Schwarzes T-Shirt, schwarze Stoffhose, schwarze Schuhe. Jeder hat auf dem Shirt in Brusthöhe das Logo des 'Black Shine' mit silbernem Faden gestickt stehen – eine Idee von Adrian – und damit sieht jeder von uns grundsätzlich gleich aus, aber Danny scheint mir manchmal derartig fixiert darauf zu sein, aus sich jemanden zu machen, der er gar nicht ist, dass er das vielleicht nicht mal mehr wahrnimmt, und das ist alles die Schuld seines idiotischen Ex-Freundes.