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Firmenanwalt Declan Melarge hat bereits alles gesehen und noch mehr erlebt, inklusive eines Ausflugs in die Welt des homosexuellen Sex, der auch genau das bleiben soll – einmalig. Declan hat sich vor langer Zeit bewusst dafür entschieden, allein durchs Leben zu gehen, und jetzt, mit Anfang Fünfzig, ist er mit dieser Wahl immer noch sehr zufrieden und liebt sein Leben wie es ist. Ruhig und vorhersehbar. Daher ist er auch nicht im Geringsten auf die Türsteher Ty und Garrett vorbereitet, die wie gewaltige Tornados in seine Wohlfühlzone stürmen und nicht bereit sind, selbige zu verlassen, bevor sie nicht alles kräftig durcheinandergewirbelt haben. Declan ist schwer genervt von den Männern und fühlt sich dennoch zu ihnen hingezogen. Und das irritiert ihn bedeutend mehr als die Tatsache, dass sie Männer sind. Kann man wirklich zwei Menschen auf einmal lieben?
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Mathilda Grace
LIEBE HAT VIELE FACETTEN
Liebe hat viele Facetten
1. Auflage, Dezember 2024
Impressum
© 2024 Mathilda Grace
Am Chursbusch 12, 44879 Bochum
Text: Mathilda Grace 2022
Foto: jplenio; Pixabay
Coverdesign: Mathilda Grace
Korrektorat: Corina Ponta
Web: www.mathilda-grace.de
Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.
Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.
Liebe hat viele Facetten enthält homoerotische Szenen.
Danksagung
Mein Dank geht an Frau Mag. rer. nat. Corina Ponta, die mir in allen Fragen rund um die Themen Posttraumatische Belastungsstörung und Vergangenheitsbewältigung mit ihrer fachlichen Kompetenz beratend zur Seite stand.
Mathilda Grace
Sidestory zu »Aus der Asche geboren«
- Drama -
Mein lieber Leser,
mit deinem Kauf dieses Buches schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.
Ohne deine Unterstützung und Wertschätzung könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.
Dankeschön.
Liebe Grüße
Mathilda Grace
Firmenanwalt Declan Melarge hat bereits alles gesehen und noch mehr erlebt, inklusive eines Ausflugs in die Welt des homosexuellen Sex, der auch genau das bleiben soll – einmalig. Declan hat sich vor langer Zeit bewusst dafür entschieden, allein durchs Leben zu gehen, und jetzt, mit Anfang Fünfzig, ist er mit dieser Wahl immer noch sehr zufrieden und liebt sein Leben wie es ist. Ruhig und vorhersehbar. Daher ist er auch nicht im Geringsten auf die Türsteher Ty und Garrett vorbereitet, die wie gewaltige Tornados in seine Wohlfühlzone stürmen und nicht bereit sind, selbige zu verlassen, bevor sie nicht alles kräftig durcheinandergewirbelt haben. Declan ist schwer genervt von den Männern und fühlt sich dennoch zu ihnen hingezogen. Und das irritiert ihn bedeutend mehr als die Tatsache, dass sie Männer sind. Kann man wirklich zwei Menschen auf einmal lieben?
Prolog
Declan
»Das ist eine absolut dumme Idee.«
Die weichen Lippen, die über meinen Hals schmusen, sehen das offensichtlich anders. Sie wandern hoch bis zum Ohr und knabbern sanft am Ohrläppchen, was in mir eine Saite zum klingen bringt, an die ich mich schon nicht mehr erinnere, da es lange her ist, dass es jemanden gab, der sie angestimmt hat.
Mein Körper will das hier, es zu leugnen ist sinnlos, denn es war doch ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis es dazu kommt. Trotzdem. Ich muss die Stimme der Vernunft bleiben.
»Wir müssen wirklich damit aufhören.«
»Warum? Mich stört nicht, dass du keine Ahnung vom Sex zwischen Männern hast. Ich weiß genug für uns beide.«
Ich schnaube, was ihn an meinem Hals lachen lässt, bevor er mit seinen verführerischen Lippen betont langsam in Richtung Schlüsselbein wandert. Moment. Wo ist mein Jackett geblieben? Und wann hat er sich um meinen Schlips gekümmert und die obersten Knöpfe meines Hemds geöffnet? Herrje.
»Dass ich keine Ahnung habe, ist mir völlig egal.«
»Warum sollten wir dann keinen umwerfenden Sex haben? Du bist so geil, dass du bald deine Hose sprengst, und mir geht es nicht anders. Wir lauern beide seit Wochen, ach was, es sind garantiert schon Monate, darauf, Declan.«
»Du bist mein Klient und ich bin dein Anwalt, darum sollte das hier enden, bevor wir … Fuck!«
Mein lästerlicher Fluch, als er einfach seine Hand zwischen meine Beine schiebt und fest zupackt, lässt ihn an meiner Haut grinsen, ehe er über sie leckt und mich gleich darauf unerwartet beißt. Ich fluche erneut, er beißt mich ein weiteres Mal. Sanfter diesmal. Ich murre darüber, was für ihn offenbar eine Erlaubnis ist, denn jetzt leckt und beißt er sich genüsslich mein rechtes Schlüsselbein entlang, massiert dabei die ganze Zeit ungerührt meinen Ständer und ich kann nichts anderes tun, als mich an ihm festzuhalten, weil ich sonst umkippe.
»Wehe«, drohe ich, als seine zweite Hand mein Hemd packt. »Wenn du dieses Hemd zerreißt, verklage ich dich.«
Er hält tatsächlich inne, ich bin begeistert. Doch seine Hand bleibt, wo sie ist, als er meinen Adamsapfel küsst und hinterher meinen Blick sucht. »Ist es ein besonderes Hemd?«
»Es ist ein fünfhundert Dollar teures Hemd, auf das ich drei Monate gespart habe.« Und das weiß er, immerhin kennen wir uns schon eine gefühlte Ewigkeit. Sein unschuldiges Lächeln ist daher nicht sehr glaubwürdig. »Darren ...«
»Was?« Er gluckst heiter, als ich ihn tadelnd ansehe. »Dabei dachte ich immer, Anwälte wären überbezahlt.«
»Sind sie auch, sobald sie einen festen und dabei möglichst finanzkräftigen Kundenstamm haben. Aber als ich dieses Hemd gekauft habe, fing ich gerade erst damit an, mir geduldig einen aufzubauen, was du verdammt gut weißt, immerhin gehörst du selbst zu diesen finanzkräftigen Kunden.«
Sein folgendes Grinsen als frech zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung, doch bevor ich mein Hemd retten kann, hat er es mit beiden Händen gegriffen und im nächsten Augenblick fliegen die Knöpfe in alle Richtungen davon.
»Darren!«
Lachend packt er meine Handgelenke, als ich ihm instinktiv eine verpassen will. Das war mein Lieblingshemd. Gut, es ist alt und ich trage es nur noch selten, denn mittlerweile habe ich den Schrank voll mit teuren Hemden, aber es hat mir trotzdem eine Menge bedeutet. Es ist, nein, es war, für mich schon immer das Sinnbild meiner erfolgreichen Karriere, an der ich lang und hart gearbeitet habe.
»Es ist alt, du hast viel schickere Hemden im Schrank.«
»Darum geht es nicht.«
»Doch, das tut es. Wir hören jetzt auf, an der Vergangenheit festzuhalten, und zwar wir beide.«
»So einfach ist das nicht«, widerspreche ich, denn gerade er weiß, dass einen die Vergangenheit mitunter niemals loslassen kann. Aber ich hoffe dennoch für ihn, dass sich das eines Tages ändert, denn sonst dürfte er für immer in Angst leben und sich Sorgen machen, und das verdient niemand.
Darren schon mal gar nicht.
Ich übrigens auch nicht, aber das ist ein anderes Thema und gehört definitiv nicht hierher.
»Schick mir die Rechnung«, flüstert er und verschlingt dann meinen Mund, als wäre dieser eine köstliche Praline, auf die zu essen er jahrelang warten musste.
In gewisser Weise stimmt das sogar, denn dass es zwischen uns eine gegenseitige Anziehung gibt, ist weder ihm noch mir entgangen. Wir haben ihr nur nie nachgegeben. Bis heute. Und ich weiß nicht mal, warum ausgerechnet heute. Wir haben uns in seinem Apartment getroffen, um Geschäftliches zu bereden, wie wir das schon oft getan haben, seit er mein Klient ist, doch irgendetwas war von der ersten Sekunde an anders als sonst. Den Finger darauf legen kann ich aber nicht, wobei er definitiv keine Probleme hat, seine Finger auf mich zu legen.
Ein letztes Mal versuche ich es mit Vernunft. »Darren, wenn das schiefgeht ...«
»Wird es nicht«, unterbricht er mich und schaut mich an. Er ist so erregt, dass sich seine Augen verdunkelt haben, und sein Blick verrät mir, dass das die letzte Chance ist, die er mir geben wird, um wirklich Nein zu sagen, und damit sind nicht die eher halbherzigen Versuche gemeint, die ich bislang gestartet habe, ohne sie wirklich ernst zu meinen.
In meinen Augen ist Darren Walker ein bildschöner Mann und wenn ich jetzt nicht Nein sage, werde ich heute das erste Mal Sex mit einem tollen Kerl haben. Ich habe keine Ahnung, wo das am Ende hinführt, weil ich Beziehungen aus dem Weg gehe, seit meine erste und gleichzeitig letzte so unschön endete, aber ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass er mich nicht anmacht. Mir war vor meiner Freundschaft zu ihm nicht einmal bewusst, dass ich auf beide Geschlechter abfahre, und nur, weil wir Sex haben, bedeutet das nicht, dass daraus mehr werden muss. Dafür sind wir beide zu gern Einzelgänger. Dennoch, die Anziehungskraft war immer vorhanden, wir hätten beide blind und taub sein müssen, das nicht zu bemerken, und was spricht schon dagegen, ihr ein einziges Mal nachzugeben?
Morgen werden wir wieder bloß gute Freunde und er wird weiterhin mein Klient sein, so wie ich sein Anwalt sein werde. Und als der habe ich jetzt eine klare Ansage zu machen.
»Also gut.« Ich hebe die Hand, als er sich vorbeugt. »Träum weiter. Mir das Hemd zerreißen und selbst immer noch bis zum Hals zugeknöpft dastehen. Runter mit den Klamotten, Walker. Wenn ich mich darauf einlasse, in dein Bett zu steigen, will ich vorher wenigstens sichergehen, dass es sich für mich lohnt.«
Den letzten Satz hätte mir sparen sollen, denn er grinst nach meinen Worten dermaßen arrogant, dass ich aufstöhne, was ihn wiederum lachen lässt. Dann ist er bei mir und packt mit seinen Händen meine Arschbacken. Ich lege automatisch meine Beine um seine Hüften, als er mich hochhebt.
»Es wird sich für uns beide lohnen, dafür sorge ich.«
Kapitel 1
Declan
»Wovon träumst zu gerade?«, flüstert mir eine tiefe Stimme ins Ohr, bevor sie kurz am Ohrläppchen knabbert, was mich ins Hier und Heute zurückholt. Darren gluckst, als ich ihm einen unwirschen Blick zuwerfe. »Ah, ich ahne es. Du wirst nur dann an deinen Ohren so verräterisch rot, wenn du an unsere einzige, aber zugleich wundervolle Nacht denkst.«
»Es war helllichter Tag«, grolle ich und ärgere mich, dass er mich ertappt hat, weil ich nicht erwartet hatte, ihn heute Abend im 'Black Shine' anzutreffen, denn der Montag gehört seit einer Weile ihm und Adrian – sprich, sie haben Dates, die allgemein zu Hause im Bett enden, nicht hier im Club.
»Und es dauerte bis tief in die Nacht«, kontert Darren frech und kichert, als ich resigniert aufstöhne, ehe ich ihm, als er den Barhocker neben mir in Beschlag nimmt, einen Ellbogen in die Rippen boxe. »Aua. Brutaler Kerl.«
»Gib nicht so an, sonst frage ich Adrian, ob du immer noch so fit und gelenkig bist wie damals.«
Darren lacht, er hat eindeutig gute Laune heute. »Du kannst so eine Miesmuschel sein. Wer ist dir denn im Büro auf diesen hübschen Schlips getreten?« Er beugt sich verschwörerisch zu mir. »Ich wette, es waren nicht die Türsteher, deren Namen wir nicht nennen wollen und die dich mit ihren Blicken jedes Mal förmlich auffressen, sobald du herkommst.« Er schweigt einen Moment, dann zwinkert er mir zu. »Oh, ich weiß. Du bist heute Abend hergekommen, damit sie dich ablenken, nicht wahr? Ty hat übrigens in fünf Minuten Pause.«
Als wäre ich deswegen hergekommen. »Und?«
»Ich wollte es nur erwähnt haben.« Er winkt einem von den neuen Barkeepern, um sich ein Wasser reichen zu lassen. »Also? Wer hat dich heute geärgert?«
»Ein gewisser US-Marshal«, murre ich, denn obwohl mir im Grunde klar ist, dass er nur seinen Job macht, versuche ich seit Monaten regelmäßig eine Statusmeldung von Lukas Hobbs zu bekommen, wie es Ben und Maxwell geht. Aber der Mistkerl ist zu keiner Aussage bereit und mittlerweile drückt er mich sogar weg, sobald ich ihn anrufe. Verdammter Dickschädel. Wäre ich nicht so anständig und wüsste nicht, wie gefährlich das für Ben und Maxwell ist, hätte ich ihm längst ein offizielles Anschreiben ins Büro geschickt, aber ich schätze, das wäre ein Schritt zu viel und ich will es mir mit ihm nicht völlig verderben. Dafür ist mir die Möglichkeit, Hobbs vielleicht doch eine kleine Information für Darren und Connor zu entlocken, viel zu wichtig.
Darren seufzt leise und sieht mich dann schief grinsend an. »Du musst damit aufhören, Declan.«
Jetzt seufze ich. »Darren ...«
»Ich weiß«, unterbricht er mich und trinkt einen Schluck aus der Flasche, ehe er weiterspricht. »Und ich würde dir unzählige Male danken, wenn du etwas erreichst, aber das wirst du nicht, und das wissen wir doch beide. Dieser Marshal und auch Agent Wicked haben mehr als deutlich klar gemacht, dass Maxwell und Ben weg sind und dass wir sie nicht wiedersehen werden, und das muss auch so sein, um sie zu schützen. Vergiss nicht, sie haben sie dafür sogar sterben lassen, auch wenn ich das mit dem tödlichen Unfall keine Sekunde geglaubt habe.«
Das hat keiner von uns, darum bin ich ja auch so hartnäckig, was eine kurze Statusmeldung von den zwei angeht. »Er würde sich garantiert keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn er uns wenigstens sagt, dass es ihnen gut geht«, kontere ich, weil mir einerseits klar ist, dass Darren recht hat, aber ich sehe eben auch, wie sehr ihm Maxwell fehlt und welche Sorgen er sich um seinen Freund macht.
»Stimmt, aber er ist US-Marshal, Declan. So wie ich diesen Mann einschätze, wird er sich eher erschießen, als irgendetwas preiszugeben. Und ich glaube nicht, dass sein Ehemann, dieser finster aussehende Staatsanwalt, das lustig fände.«
Ich sehe Darren verblüfft an. »Du hast herumgeschnüffelt?«
»Sicher«, gibt er unumwunden zu. »Es hat mich ein kleines Vermögen gekostet, aber ich kenne da einen Hacker ...«
»Darren!«, fluche ich, als mir abrupt klar wird, wen er in die Sache reingezogen hat.
Er zieht eine ertappte Grimasse. »Ich weiß, ich weiß. Es war auch nur einmal, weil er es hinterher Niko gestanden hat.« Sein empörtes Schnauben lässt mich feixen. »Lach nicht. Ja, ich habe es verdient, dass er mir danach verbal den Marsch geblasen hat, aber immerhin habe ich ein paar Informationen bekommen.« Er sieht so schuldig aus, dass ich misstrauisch werde. »Spar dir die Frage«, kommt Darren mir allerdings zuvor und fängt an, mit dem Deckel der Wasserflasche zu spielen. »Drei Tage später hat ein Staatsanwalt aus Detroit bei mir im Büro angerufen und mir in sehr blumigen Worten erklärt, was er mit meinem Arsch tut, falls ich noch einmal wage, ihm hinterherzuspionieren.«
Ich pruste los.
»Sehr komisch. Danke, Declan«, knurrt Darren, muss wegen meines Gelächters dann aber selbst lachen. »Ich hatte fast eine Gänsehaut, aber nur fast. Der Mann hat eine drohende Stimme und sie wurde fast tödlich, als ich ihm im Gegenzug androhte, dasselbe mit dem Arsch seines Mannes zu tun, was er natürlich nicht lustig fand. Wir wurden uns einig, die jeweiligen Ärsche, sprich unsere eigenen und die unserer Ehemänner, in Ruhe zu lassen, und im Gegenzug hat er mir verraten, dass sie einen Teil dieses Snuff-Clubs ausgehoben haben, an dem Gruber beteiligt war. Und zwar für immer.« Er schürzt die Lippen. »Um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht getraut, ihn zu fragen, was er damit genau meint.«
Ich schätze, ich weiß es, aber ich werde mich hüten, darüber auch nur ein Wort verlauten zu lassen. Es ist kein Geheimnis, dass Recht und Gesetz manchmal nicht greifen oder sie tun es leider nur auf eine Art und Weise, die man im besten Falle noch befriedigend nennen kann. Darum gibt es – wobei das offiziell bloß eine Legende ist – gewisse Unterbereiche in den hiesigen Behörden, die jenseits von Gesetzen oder von irgendeiner Form von Rechtsstaatlichkeit ermitteln, und die sich angeblich nicht scheuen, dieselbe Gewalt anzuwenden, wie die Monster, die sie jagen. Ich weiß nicht, ob US-Marshal Hobbs zu diesen Männern gehört, aber ich würde es ihm und seinem Ehemann zutrauen, da kann der Staatsanwalt von Detroit sein und ein, zumindest in meinen Augen, perfektes Image haben, soviel er will.
Um ehrlich zu sein, würde ich Lukas Hobbs ohne zu zögern einen Mord zutrauen. Ich kann nicht genau sagen, woher dieses Gefühl kommt, denn ich habe ihn bloß ein einziges Mal aus der Entfernung gesehen, als ich damals ins Krankenhaus gefahren bin, während Ben ungeduldig darauf wartete, dass ihm endlich jemand sagt, wie es Maxwell geht, aber ich bin mir sicher, mich nicht in ihm getäuscht zu haben. Dieser US-Marshal würde für seine Schutzbedürftigen in ein Land einmarschieren und es im Notfall sogar erobern, aber genauso würde er ohne das kleinste Zögern seine Waffe ziehen und jemanden töten.
»Na sieh mal, wer da kommt«, murmelt Darren und kichert wie ein kleiner Junge, als ich mich an meiner Cola verschlucke, weil ich längst weg sein wollte, bis er Pause hat.
Eine schwere Hand legt sich auf meine Schulter. »Brauchst du vielleicht eine Mund-zu-Mund-Beatmung? Es wäre äußerst unschön, wenn der Superanwalt meines Bosses in seinem Club an einem Schluck Cola erstickt.«
»Nein, danke«, krächze ich leise, obwohl Ty, eigentlich Tyler William Langdon – nein, ich habe mir keine Akte von ihm und Garrett Samuel Thompson angelegt –, ganz sicher wahnsinnig gut darin wäre. »Es geht schon.«
»Immer gerne, Declan«, erklärt Ty und nimmt eine Flasche Wasser von Jonathan entgegen, der nur grinst, ehe er sich einem anderen Gast zuwendet. »Darren, hast du einen Moment?«
»Sicher. Lass uns ins Büro gehen«, antwortet Darren, erhebt sich vom Barhocker und sofort ist alle Belustigung aus seinem Blick verschwunden. Er ist ein großartiger Chef, deswegen hat er auch nie Probleme, neue Leute zu finden, so wie den blonden Schönling zu meiner Rechten, der heute Jonathan hinter der Bar unterstützt. Er heißt Christian und ist so verdammt jung, dass ich mich insgeheim frage, wo eigentlich die letzten Jahre meines Lebens geblieben sind.
Dabei liebe ich mein Leben, wie es ist, gar keine Frage, aber seit um mich herum nach und nach sämtliche guten Männer in die Ehehäfen eingelaufen sind, kommt mir ab und zu doch der Gedanke, dass ich vielleicht mehr haben könnte als eine Arbeit, die ich gerne tue und die mich ausfüllt, und ein Apartment, das ich als gemütlich und als mein Zuhause ansehe. Ich hatte früher ein paar Mal darüber nachgedacht, mir ein Haus zu kaufen, nur wozu? Was soll ich allein in einem Haus mit fünf Zimmern und zwei Bädern? Oder einem gewaltigen Garten, um den ich mich dann kümmern müsste.
Ty und Garrett haben sich erst vor Kurzem in genau diese Verpflichtung gestürzt und sich ein Haus gekauft. Das weiß ich von Darren, der ihnen mit einem Kredit geholfen hat, denn als Türsteher verdient man im 'Black Shine' zwar nicht schlecht, für ein großes, zweistöckiges Haus mit Garten in einer der sicheren Gegenden von Chicago reicht es aber trotzdem nicht. Es ist eine alte viktorianische Villa, die sie renovieren müssen. Sehr chic, laut Adrian, und ich glaube ihm, denn der Mann versteht etwas von Design und weiß, was gut aussieht.
Vielleicht sehe ich sie mir irgendwann mal aus der Ferne an, um meine Neugier auf das Haus zu befriedigen, immerhin habe ich für Darren den Vertrag aufgesetzt und ihre Adresse daher in meinen Unterlagen.
Aber jetzt ist es Zeit zu verschwinden, bevor Ty wieder nach unten kommt und beschließt, charmant zu sein, denn das kann er ganz ausgezeichnet. Vor allem wenn er seinen Schmollmund nutzt, dem nicht mal Darren widerstehen kann. Ich weiß nicht, wie Garrett das macht, der dagegen immun zu sein scheint, ihm will ich heute allerdings auch nicht mehr über den Weg laufen, deswegen nehme ich den Hinterausgang vom Club, was Darren gar nicht gerne sieht, seit Niko im Hinterhof beinahe ermordet worden ist, doch da er beschäftigt ist, wird er es nie erfahren.
Das Mehrfamilienhaus, in dem ich ein Apartment gemietet habe, ist so dunkel wie die heutige Nacht und wirkt nach außen hin auf den ersten Blick wenig einladend. Innen jedoch kann ich mich nicht beklagen, denn alle Leitungen sind neu, die Fenster dicht und wenn es Probleme mit Wasser und Heizung gibt, ist unser Vermieter sofort zur Stelle. Dafür bezahle ich auch gerne mehr Miete, als in der Gegend normalerweise üblich wäre. Mir ist ein privater Vermieter, dem sein Objekt wichtig ist, lieber als einer von diesen gewissenlosen Mistkerlen, die zwar pünktlich jeden Monat die Miete einstecken, sich aber ansonsten nicht um ihr Objekt kümmern. Von solchen Typen habe ich für Darren so einige verklagt und zum Teil um ihre Häuser, beziehungsweise sie selbst gleich ins Gefängnis gebracht.
Seufzend nehme ich heute den Fahrstuhl, statt der Treppe, obwohl letzteres besser wäre, wenn ich an meinen Anblick vom Morgen im Spiegel denke, nur bin ich schlicht zu müde, um mir heute Nacht noch Gedanken darüber zu machen, dass ich einen Bauch ansetze und mein Haar langsam dünner wird. Für mein Alter sehe ich ansonsten nämlich noch ganz manierlich aus, das weiß ich, sonst würden mir die Doms und Tops im Club nicht regelmäßig interessierte Blicke zuwerfen.
Sie wissen, dass sie keine Chance bei mir haben, trotzdem versuchen sie es immer wieder. Genau wie Ben es bei Maxwell versucht hat, und wie das endete, weiß ich nur zu gut. Genauso wie ich weiß, dass ich nur einmal die Hand nach Garrett und Ty ausstrecken müsste, sie würden sofort zugreifen. Das haben die beiden mehr als einmal deutlich gemacht und wäre ich nicht so feige, würde ich den Sprung in ihr Bett vielleicht wagen, denn was Darren und ich damals hatten, war schön und es hat mir mehr als gut gefallen.
Ein heißer Dreier mit Ty und Garrett – ich bekomme prompt eine Gänsehaut bei der Vorstellung, und ich werde hart, was ich mit einem frustrierten Stöhnen kommentiere, denn das kann ich heute wirklich nicht mehr gebrauchen. Ich will nur noch unter die Dusche und dann ins Bett und schlafen, denn ich bin längst zu alt dafür, um die Nacht zum Tag zu machen.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen, als im Wohnzimmer ein leises Seufzen zu hören ist. »Wer ist da?«, frage ich automatisch und überlege gleichzeitig, ob ich zur Tür raus oder in die Küche flüchten soll, wo ein Messerblock voller scharfer Klingen steht, den ich im Notfall durchaus zu benutzen weiß, dafür haben ein Selbstverteidigungs- und Überlebenskurs gesorgt.
Als Anwalt in einem so großen Unternehmen wie Darren es leitet, macht man sich früher oder später Feinde, und obwohl es bislang nie zu Drohungen oder einem Übergriff auf mich kam, war und bin ich lieber vorbereitet, denn ich weiß, was es heißt, sich hilflos zu fühlen. Hintergangen zu werden und schließlich nur noch die Scherben auffegen zu können. Nie wieder will ich mich fühlen wie damals, als meine kleine, naive Welt um mich herum zusammenbrach, und wenn ich das verhindern kann, in dem ich lerne zu kämpfen und mich zu verteidigen, dann tue ich es oder besser gesagt, ich habe es bereits getan.
Im Wohnzimmer lacht jemand. »Das fragen Sie jetzt, wo ich längst im Haus bin? In Ihrer Wohnung? Ich hätte Sie umlegen und Ihre Leiche hinterher auf Nimmerwiedersehen entsorgen können, während Sie dastehen und überlegen, was Sie jetzt tun sollen. Und verdient hätten Sie es, Declan Melarge, weil Sie eine verdammte Nervensäge sind.«
Jetzt erkenne ich ihn endlich und bin überrascht, denn dass er höchstpersönlich bei mir auftaucht, sogar in mein Apartment einbricht – ich hatte eher damit gerechnet, dass er mir ein oder zwei finster dreinblickende Marshals mit ein paar sehr direkten Worten ins Haus schickt.
»Sie hätten nicht persönlich kommen müssen«, sage ich und atme tief durch, denn ich bin nicht in Gefahr. Noch nicht, sollte ich besser sagen, denn bei diesem Mann kann man nie wissen. Es dürfte wohl darauf ankommen, wie sich unser Gespräch in den nächsten Minuten entwickelt.
»Doch, das musste ich, Melarge, denn wir zwei werden uns jetzt darüber unterhalten, wie man Zeugen nicht gefährdet. Da Sie offenbar nur wissen, wie man es tut«, grollt er und schaltet die kleine Lampe neben meiner Couch an, als ich das Zimmer betrete, immer noch in Jacke und Schuhen, obwohl ich es kaum aus der Wohnungstür schaffen würde, wäre er ernsthaft hinter mir her und nicht bloß stinksauer. Trotzdem. Ich bin niemand, der nachgibt, schon gar nicht in diesem Fall.
»Haben Sie wirklich geglaubt, dass wir Ihnen die Geschichte mit dem fingierten Autounfall abkaufen? Sagen Sie mir einfach, ob es den zwei gut geht, mehr will ich doch gar nicht wissen«, fordere ich ihn daher unverblümt auf und im ersten Moment ist er so überrascht, dass er schweigt.
»Nein!«, knurrt er kurz darauf und ich verdrehe die Augen, während ich kehrtmache, um meine Halbschuhe ins Regal zu stellen, wo sie hingehören, und meine Jacke aufzuhängen.
Ich mag keine Unordnung. Sie macht mich nervös und stört mich beim Denken. Bei mir hat alles seinen Platz, bloß auf dem Schreibtisch herrscht oft Chaos, den ich mir im Wohnzimmer eingerichtet habe, weil es einfach viel praktischer ist, nebenbei die Nachrichten zu schauen, statt es danach zu machen. Ich bin gern effizient und habe keine Zeit zu verschwenden.
Mein Gast augenscheinlich schon, obwohl ich mich hüten werde, ihn zu fragen, wie lange er hier schon sitzt, denn gerade schält US-Marshal Lukas Hobbs seinen schätzungsweise an die zwei Meter großen Körper aus meinem für ihn eindeutig viel zu kleinen Sessel, streckt sich ausgiebig, und behält mich dabei die ganze Zeit im Auge, während mein Blick irgendwie an seinem Bauchnabel hängenbleibt, da sein Shirt entweder eingelaufen ist oder er absichtlich derart kurze Oberbekleidung trägt. Erst sein heiteres Lachen reißt mich aus der Betrachtung einer dunklen, verführerischen Haarlinie, die gleich unterhalb des Bauchnabels beginnt, und weil ich eine gute Vorstellungskraft besitze, habe ich keine Probleme damit, mir im Detail auszumalen, wo diese Linie krauser Haare endet.
»Sie brauchen dringend Sex, Melarge, und soweit ich weiß, haben zwei interessante Herren diesbezüglich schon vor einiger Zeit ein mehr als ernsthaftes Interesse angemeldet, welches Sie ignorieren, obwohl Sie nichts lieber täten, als das Angebot von beiden anzunehmen.«
Woher …? Nein, ich werde nicht fragen. »Toll, was Sie alles wissen, Hobbs. Sagen Sie mir jetzt, was ich wissen will?«
»Nein!«
»Herrgott noch mal!« Die Beleidigung mithilfe graufelliger Huftiere erspare ich mir, da ich nicht sonderlich scharf darauf bin, von dem Mann gegen eine Wand gedrückt oder verhauen zu werden, weil ich ihn als Esel betitelt habe. Oder auch beides, wer weiß das schon. »So schwer kann es nicht sein, diese Frage mit Ja oder Nein zu beantworten.«
»Und wenn ich mit Nein antworte?«, kontert er gehässig.
Meine Brauen ziehen sich verärgert zusammen, denn es ist unverkennbar, dass er das nicht ernst meint, sondern mich jetzt absichtlich provozieren will. »Dann komme ich über Sie wie ein Tornado der Stärke 5, Hobbs. Es gibt andere Möglichkeiten, Sie zu nerven, statt mit Anrufen, die Sie nicht mehr annehmen.«
»Warum wohl?«, murmelt er und lacht, als ich fluche. »Was mich übrigens zu der Frage führt, woher Sie meine Durchwahl haben, Melarge«, sagt er und verschränkt die muskulösen Arme vor der Brust, was ihn wie den sprichwörtlichen Hulk aussehen lässt, nur ohne die grüne Farbe, aber auch das behalte ich lieber für mich. Ich hänge nämlich an meinem Leben.
»Das geht Sie kaum etwas an«, grolle ich und ahme derweil seine Geste mit den verschränkten Armen nach. Nicht, dass ihn das beeindruckt. Ich schätze, es gibt nicht viel, was einen Mann wie ihn beeindruckt, und ein kleiner Anwalt, der so nervig wie eine Klette ist, dürfte für ihn kaum mehr Bedeutung haben als ein juckender Mückenstich.
»Ja, das dachte ich mir schon«, kontert er und atmet einmal tief durch, bevor er sein Handy aus der Hosentasche zieht. »Ich werde Ihnen niemals sagen, was Sie wissen wollen. Stattdessen werde ich es Ihnen zeigen. Ein einziges Mal. Danach werde ich gehen und wir sehen uns im besten Fall nie wieder, haben wir uns verstanden?«
Und dazu fällt mir erst mal nichts ein. Muss es auch nicht, denn Marshal Hobbs ist eindeutig ein Mann der Tat, als er mit langen Schritten zu mir kommt und mir kurz darauf das Handy unter die Nase hält. Ich sehe ein Bild. Es ist aus der Entfernung aufgenommen, aber als er es mit einem Wisch vergrößert, kann ich Maxwell und Ben eindeutig erkennen. Und das, was neben ihnen steht.
»Ist das ein dreibeiniger Hund?«, frage ich verblüfft, worauf Hobbs lacht und dabei nickt.
»Ja, und der Köter sabbert, da kriege ich Gänsehaut bei der Vorstellung, so ein Tier daheim zu haben«, erklärt er und steckt sein Handy wieder weg, nachdem der Bildschirm erloschen ist. »So. Ihre Frage wäre damit geklärt. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Melarge?«
Ich sollte eindeutig nicht grinsen, ich weiß das, aber so eine Frage darf mir dieser arrogante Mistkerl nicht in einem derart spöttischen Tonfall stellen, dass die Herausforderung in seiner Stimme unüberhörbar ist. Und ich sollte auch nicht antworten, weil er gar keine Antwort erwartet. Er bekommt sie trotzdem.
Hobbs lacht losgelöst. »Träumen Sie schön weiter, Melarge. Ihre dreckigen Fenster können Sie gefälligst selbst putzen.«
»Sie haben gefragt«, kontere ich trocken und er reagiert, wie ich es mir erhofft hatte.
»Das war ein Scherz!«
»Und seit wann kümmert mich das? Wir spielen dieses Spiel seit Monaten, Hobbs, und langsam müssten Sie wissen, dass ich für meine Freunde eine Menge tun würde.«
So wie er auch, wird mir im nächsten Augenblick klar, denn sein Blick ist unmissverständlich. So wie die Drohung darin, es nicht zu weit zu treiben. Aber wie immer ist mein Mundwerk schneller als mein Verstand.
Komisch, dass mir das nur bei ihm so geht.
Und bei Ty und Garrett. Verflixt.
»Also? Wann soll ich Sie das nächste Mal anrufen?«, will ich als nächstes wissen und Hobbs knurrt vor Ärger.
»Wenn Sie mich noch ein einziges Mal kontaktieren, Declan, lasse ich Sie einsperren.«
»Das möchte ich sehen«, stichele ich weiter und frage mich gleichzeitig, wo ich den Mut dafür hernehme. Aber dieser Kerl – US-Marshal hin oder her – hat irgendetwas an sich, das mich so unvernünftig handeln lässt. Seltsamerweise kenne ich noch zwei mitunter sehr lästige Kerle, für die dasselbe gilt.
Manchmal jedenfalls. Herrje.
»Verdammt noch mal, Declan, es geht hier um die Sicherheit zweier Menschen, die mir anvertraut wurden. Einen hätte ich fast verloren und ich werde alles tun, um zu verhindern, dass das noch mal passiert, solange wir den Sumpf nicht ausgehoben haben, in dem Stone damals gefangen war.«
Aus einem Scherz meinerseits ist auf einmal tödlicher Ernst geworden. Hobbs wird handeln, das ist mir klar, und er würde für Maxwell und Ben im schlimmsten Fall sein Leben riskieren. Und irgendwie ist mir das entgangen. Wahrscheinlich weil ich zu sehr damit beschäftigt war, mich über ihn zu ärgern, seit er dazu übergegangen ist, meine Anrufe zu ignorieren, anstatt sie mit brüsken Worten abzubügeln. Ich sollte dringend über mein Verhalten nachdenken und das sehr gründlich, denn Hobbs hat recht. Ich hielt es für recht sicher, ihn zu kontaktieren, eben weil er US-Marshal ist. Wenn jemand weiß, wie er sich und andere schützen kann, dann er. Doch möglicherweise gibt es sogar bei ihm, in seiner Behörde, Leute, die für Filme, wie Gruber sie von Maxwell gedreht hat, Unsummen zahlen würden.
Kinderschänder sind perfekt darin, ihre Spuren nach außen hin zu verwischen, das zeigen die vielen Fälle, in denen solche Perversen nur zufällig in den Blick der Behörden geraten und es oft genug nicht einmal zum Prozess schaffen, weil sie sich das Leben nehmen oder in Untersuchungshaft Unfälle erleiden, die leider tödlich enden.
Ich habe mich schon oft gefragt, wie viele dieser Unfälle von Stellen angeordnet wurden, die entweder nicht wollen, dass der Täter aussagt oder aber, dass er jemals wieder auf freien Fuß kommt. Es gibt Auftragskiller, die darauf spezialisiert sind, dass sie solche Verbrecher töten, und häufig bekommen sie den Tipp dazu von Polizisten oder Staatsanwälten, die frustriert sind, da sie wissen, dass sie nicht genug Beweise für eine Verurteilung haben. Das mag moralisch verwerflich und zudem illegal sein, aber verstehen kann ich es trotz allem. Jeder lebende Mörder, Folterer oder Kinderschänder ist einer zu viel auf der Welt.
Mir kommt ein Gedanke. »Sagen Sie mir, dass Sie den Snuff-Club, für den Gruber diese widerwärtigen Filme von Maxwell gemacht hat, endlich ausgehoben haben, Hobbs.«
»Ich wünschte, das könnte ich«, antwortet er und schnaubt, als ich ihn fragend ansehe, weil ich auf weitere Informationen hoffe, die er mir kaum geben wird, aber versuchen muss ich es dennoch. »Keine weiteren Fragen«, bügelt er mich wie erwartet ab. »Dieser Fall ist so groß und zieht derart weite Kreise, dass es noch Jahre dauern wird, um den Kopf der Medusa zu kriegen, falls wir es jemals schaffen. Maxwells Peiniger war kein kleines Rädchen im Getriebe, aber auch nicht groß genug.« Hobbs hebt die Arme und stützt sich mit den Händen links und rechts von mir an der Wand ab. »Ihre Hartnäckigkeit ist bewundernswert, das will ich gar nicht bestreiten, und wenn ich mir nicht sicher wäre, dass Sie dem Druck nicht standhalten können, würde ich Ihnen einen Job anbieten, aber darum geht es jetzt nicht. Es geht um die riskante Tatsache, dass Ihre Hartnäckigkeit früher oder später die falschen Leute wieder auf Stone aufmerksam machen könnte, verstehen Sie das, Declan?«
Was er nicht sagt, ist, dass diese Perversen offenbar so weit oben in den Chefetagen von Firmen oder der Politik sitzen, dass sie für ihn unerreichbar sind.
Zumindest noch.
»Wie hoch geht es?«, will ich leise wissen, da mich plötzlich die Frage umtreibt, ob wir vielleicht abgehört werden, doch als ich ihn das flüsternd frage, schüttelt er den Kopf. »Sicher?«
»Würde ich so offen mit Ihnen reden, wäre ich es nicht?«
Gut, der Punkt geht an ihn. »Was ist mit meiner Frage?«
Hobbs verdreht die Augen, schmunzelt dabei aber. »Sie sind schlimmer als ein Hund mit seinem Knochen. Und es geht sehr hoch. Ich mache mir keinerlei Illusionen darüber, dass wir es jemals ganz herauszufinden. Aber ich kenne jemanden, der so unorthodox arbeitet, dass jeder Cop ihn dafür ohne zu zögern abknallen würde, und es dadurch vielleicht doch schaffen kann, irgendetwas zu erreichen. Und ich werde dafür sorgen, dass er auch die Chance dazu erhält, selbst wenn das bedeutet, dass ich Sie dafür aus dem Weg räumen, beziehungsweise an die Wand klatschen muss, damit Sie Ruhe geben. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Deutlicher geht es kaum. Und das war nicht nur auf Hobbs' Worte bezogen, denn er ist, während er gesprochen hat, dichter an mich herangerückt, und was ich da an meinem Bauch fühle, ist so deutlich, dass mir heiß und kalt zugleich wird. Das kann dieser Mistkerl unmöglich ernst meinen. Aber er tut es, denn als ich den Kopf schüttle, grinst er plötzlich spöttisch und reibt sich nebenbei kurz an mir.
Ich muss träumen. »Sie sind verheiratet, Hobbs.«
»Das hat Sie vorhin nicht gestört, als Sie meinen Bauchnabel mit Blicken aufgefressen haben.«
Dass er mich das nicht vergessen lassen wird, hätte ich mir ja eigentlich denken können. Ich schnaube abfällig. »Ein Fehler meinerseits, der sich nicht wiederholen wird.«
»Ach nein?«, kontert er, löst sich von der Wand und streicht mit den Händen zärtlicher, als ich es ihm zugetraut hätte, über meine Seiten nach unten bis zu meinen Hüften, wo er dann mit der Kraft zupackt, die er ausstrahlt und die ihm jeder ohne den Funken eines Beweises zutrauen dürfte.
Wer so aussieht wie Lukas Hobbs, nun, ich sage es mal so, ein Arnold Schwarzenegger ist nichts dagegen und früher, ehe ich mit Darren im Bett war und ehe ich Ty und Garrett kannte, wäre mir im Traum nicht eingefallen, auf so einen Typ Mann zu stehen. Da mein Körper weit weniger Probleme hat als ich, zu zeigen, was er will, versuche ich es noch mal mit Vernunft.
Nicht, dass es bei Darren damals etwas gebracht hätte, aber egal. Versuch macht klug. Oder so ähnlich.
»Hobbs, Sie haben einen Ehemann zu Hause.«
»Und er wird bis ins Detail erfahren, was ich hier getrieben habe, denn darauf fährt er ab, so wie Sie auf muskulöse Kerle.«
Den letzten Halbsatz lasse ich unkommentiert, doch was er davor gesagt hat, macht mich ziemlich neugierig. »Führt ihr so etwas wie eine offene Ehe?«
»Ist das für Sie von Belang, Declan?«
Eigentlich nicht. Andererseits bin ich kein Fan davon, mich in Beziehungen einzumischen. Als Anwalt ist es mit der Moral oft nicht weit her, besonders wenn man böse Buben verteidigt, aber ein wenig davon habe ich mir bewahrt, und auch wenn ich nie aufgehört habe, Darren Walker umwerfend zu finden, wäre ich nicht so weit gegangen, ihn Adrian streitig zu machen. Mal ganz davon zu schweigen, dass Darren ein Beziehungsmensch ist und ich nicht. Was mich zu Hobbs Frage zurückführt, denn er hat recht. Es ist nicht von Belang, wenn er ficken will, obwohl er einen Ehemann in Detroit hat.
Jedenfalls nicht für mich.
Was wohl eine Menge über meinen Charakter aussagt, denn wir sollten das wirklich nicht tun. Aber da sein Mann Bescheid weiß und vielleicht dasselbe tut, wann immer Hobbs unterwegs ist, zerstöre ich mit ein bisschen Sex, den ich wirklich seit einer Ewigkeit nicht hatte, weil es mir zu mühsam war, mich in Clubs oder sonst wo nach einem Partner oder einer Partnerin für eine Nacht umzusehen, immerhin keine Ehe.
Der Rest geht mich nichts an, das muss dieses Paar für sich klären, finde ich. Eines wäre vorher jedoch definitiv zu klären, und zwar am besten gleich. »Ich bin nicht gerade scharf darauf, morgen deinen wütenden Ehemann vor der Tür zu haben, weil er das anders sieht als du.«
Jetzt wird der Griff an meinen Hüften schmerzhaft und ich zische auf, woraufhin er sofort locker lässt. Ihm zu unterstellen, ein Lügner zu sein, war offensichtlich keine Glanzleistung von mir, nur habe ich leider die Erfahrung gemacht, dass so gut wie jeder bereit ist, zu lügen, sofern der Preis stimmt oder etwas für ihn dabei herausspringt. Warum sollte er also anders sein? Und das sage ich ihm auch, woraufhin Hobbs nickt.
»Wir haben beide Berufe, die uns tagtäglich daran zweifeln lassen, ob die Menschheit es wert ist, zu überleben«, sagt er und lehnt seine Stirn gegen meine. »Aber das heißt nicht, dass ich in meinem Privatleben ein Lügner oder Fremdgeher wäre. Du hast gefragt, ob wir eine offene Ehe führen, und die Antwort darauf ist Ja. Er fickt jetzt vermutlich einen niedlichen, süßen Twink in einem Club, und wenn ich heimkomme, wird er mir jedes noch so kleine Detail davon erzählen, genauso wie ich das tun werde. Er wäre nicht wütend, weil ich dich gefickt habe, im Gegenteil, er würde mitmachen wollen.«
Wow, okay. Das war deutlich. Sogar sehr deutlich. Und es ist etwas, das mich definitiv nichts angeht. Wobei die Vorstellung, einen Dreier zu haben, nicht uninteressant ist, besonders wenn ich an Ty und Garrett denke, was ich den Rest der Nacht besser nicht tue, denn wenn ein Mann wie ich ein Angebot von einem Kerl wie Lukas Hobbs bekommt – ich sage es mal so: Ich wäre bescheuert, es abzulehnen, und wenn ich eines definitiv nicht bin, dann bescheuert.
»Okay, wären nur noch zwei Dinge zu klären«, sage ich und packe ihn im Nacken, als er sich zurückziehen will. Sein leises »Was?« lässt mich grinsen. »Erstens, ich bestehe auf Kondome, und zweitens … Wer liegt oben?«
Sein lautes Lachen habe ich noch eine halbe Stunde später im Ohr, da haben wir die letzte Frage längst geklärt, die nie zur Debatte stand, und ich hatte sie ohnehin nur gestellt, um ihn zu ärgern. Die Strafe dafür folgte auf dem Fuße, weshalb jetzt mein Arsch brennt, allerdings ist es ein sehr gutes Brennen, das nicht davon rührt, dass er grob gewesen wäre. Jedenfalls nicht mehr, als ich es von ihm verlangt habe.
Nein, mein Arsch brennt, weil er trotz aller Vorbereitung ein großer Kerl ist, was auch seinen Schwanz betrifft, doch er lässt mir Zeit und bewegt sich nur langsam in mir, während er mich mit Küssen und Bissen ablenkt, und seine Hände dabei ständig überall und nirgends zu sein scheinen.
Lukas Hobbs genießt mit seinem ganzen Körper und er hat mir mit ein paar verdammt harten Schlägen auf den Arsch klar gemacht, wer das Sagen hat, als ich versuchte, das Kommando für eine Weile zu übernehmen.
Er gibt mir, was ich will, sobald ich mehr von ihm fordere, aber damit hört seine Kooperation auch schon auf, und so kann ich nichts weiter tun, als mit weit gespreizten Beinen auf dem Bauch zu liegen und ihn machen zu lassen, wie er es von der ersten Sekunde an getan hat, und was sein heißer Mund vorhin begann, wird sein harter Schwanz schon bald zu einem für uns beide genüsslichen Ende bringen, denn er trifft seit drei Stößen direkt meine Prostata, und als mein Keuchen daher lauter wird, packt er meine Handgelenke, um mich fest unter sich zu halten, denn ich will nicht, dass es schon bald vorbei ist, während mir gleichzeitig zwei andere Männer im Kopf herumschwirren, die das hier mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gar nicht gutheißen würden, im Gegensatz zu Hobbs' Ehemann.
»Du kannst sie haben, du musst nur zugreifen«, sagt Hobbs plötzlich und vergräbt sich bis zum Anschlag in mir, wobei sein Schwanz wiederholt sein Ziel trifft, und als er mich dann auch noch unerwartet und hart in den Nacken beißt, als wäre ich sein Eigentum, kann ich meinen Höhepunkt nicht zurückhalten und komme mit den Namen der beiden Männer auf den Lippen, die ich wirklich will.
Vielleicht sollte ich mich entschuldigen, doch als Hobbs sich aus mir zurückzieht, kurz ins Badezimmer verschwindet, bevor er mich und danach sich selbst säubert, schweige ich und sehe ihn einfach nur an, wie er sich danach anzieht. Sein Holster mit der Waffe ist das letzte, was er anlegt, bevor er noch mal zu mir kommt und sich zu mir beugt, bis wir Nase an Nase sind.
»Keine Anrufe mehr. Keine Bilder. Kein gar nichts. Es endet heute Nacht, Declan, denn das muss es. Wir haben mit diesem Autounfall alles riskiert, damit sie für die Welt tot sind, und das müssen sie unbedingt bleiben, hast du das verstanden?«, erklärt er eindringlich und ich seufze leise, bevor ich nicke, denn alles andere wäre falsch von mir und ihm gegenüber unfair. Hobbs grinst zufrieden, dann drückt er mir einen albernen Schmatzer auf die Nase. »Ich meinte übrigens ernst, was ich zuvor gesagt habe. Sie gehören dir. Du musst nur endlich mal ein bisschen Mut in dir finden und zugreifen.«
»Das ist nicht so einfach.«
Er schnaubt. »Das ist Liebe nie, Melarge. Aber weißt du was, sie ist es trotzdem wert. Also lass dir die beiden nicht durch die Lappen gehen, nur weil du Schiss hast, dass sie herausfinden könnten, wer du einmal warst.« Ich will hochfahren, damit ich ihn anschnauzen kann, doch Lukas hält mich davon ab. »Nein! Ich habe dich genauso gründlich überprüft wie alle anderen in eurer Runde. Leb damit. Und lass deine Vergangenheit endlich hinter dir. Vor dir wartet die Zukunft darauf, gelebt zu werden. Vermassel sie nicht.«
»Arschloch!«
Hobbs lacht abfällig. »Ja, das höre ich ständig.« Er steht auf und sieht mir zu, wie ich mich aufsetze, um dann stinksauer zu ihm aufzusehen. »Was? Kein weiteres Schimpfwort?«
»Fick dich!«
Und schon grinst er wieder. »Du verstehst ja sicher, dass ich damit warte, bis ich wieder zu Hause bei meinem Staatsanwalt bin.« Er wendet sich ab. »Leb wohl, Melarge.«
»Lukas?«
Er hält an der Tür inne, sieht aber nicht zu mir. »Was?«
»Wie lange hast du gebraucht, um ihn zu lieben?«
Es dauert ein paar Sekunden, aber dann dreht er sich doch wieder zu mir um. »Geliebt habe ich ihn vom ersten Moment an. Doch mir das einzugestehen und zu begreifen, dass ich ihm mein Herz genauso anvertrauen muss, wie er mir zuvor seines anvertraut hat, da es sonst niemals funktionieren und uns eines Tages wieder auseinanderreißen würde, hat Jahre gedauert.«
Kapitel 2
Garrett
»Das ist die dümmste Idee, die wir in letzter Zeit hatten.«
Das sagt Ty jetzt zum dritten Mal in der letzten Stunde und langsam fange ich an, ihm recht zu geben, denn es war eine mehr als dumme Idee, nach Feierabend zu Declans Apartment zu fahren und nach dem Rechten zu sehen. Gut, ich hätte Nein sagen und Ty nach Hause ins Bett schleifen können, aber als er mir erzählt hat, wie seltsam Declan im 'Black Shine' heute war, bin ich neugierig geworden. Und darum stehen wir jetzt hier im Dunkeln herum und beobachten Declans Wohnzimmerfenster, in dem immer noch Licht brennt, was es um zwei Uhr morgens definitiv nicht mehr tun sollte, immerhin muss Declan früh raus und ist ohnehin nicht der Typ Mensch, der sich die Nächte um die Ohren schlägt. Ich bezweifle, dass er das jemals war, dafür ist er viel zu ernst, aber das gehört nicht hierher.
»Ich dachte, der Hauskauf war die dümmste Idee, nachdem wir uns ausgerechnet in eine Villa verliebten, die wir uns ohne Darren niemals hätten leisten können.«
Daran haben auch die Entschädigungszahlen nach unserem letzten Einsatz nichts geändert. Eine Villa ist eine Villa und hat einen entsprechenden Preis. So sparsam kann man gar nicht im Alltag sein, um solche Kosten aus der Portokasse stemmen zu können. Aber dank Darren müssen wir uns deshalb jetzt keine Sorgen mehr machen, denn die Kreditraten sind moderat und den laufenden Unterhalt, wenn erst mal alles fertig ist, können wir mit unseren Gehältern problemlos finanzieren. Und notfalls schieben wir halt ein paar Überstunden und arbeiten möglichst an jedem Feiertag, denn solche Schichten bezahlt Darren mehr als gut, um sie attraktiv genug zu machen. Nicht, dass er jemals ernsthafte Probleme gehabt hätte, genug Leute für Halloween, Thanksgiving oder Weihnachten zu finden. Gerade Singles, die sonst nichts vorhaben, arbeiten gerne in diesen Nächten, denn wann wird man schon doppelt fürs Arbeiten bezahlt und kann gleichzeitig mittendrin in einer Party sein. Selbst als Türsteher sind wir nie wirklich außen vor an den Feiertagen, dafür sorgen Adrian, Darren und die Gäste schon.
Ty schnaubt. »Du weißt genau, wie ungern ich Schulden bei irgendwem habe.«
Oh ja, das weiß ich sehr gut. Schließlich haben wir wegen der Villa eine gefühlte Ewigkeit diskutiert, die uns nur deshalb keiner vor der Nase weggeschnappt hat, weil sie erstens eine Bruchbude war und zweitens der Makler, der sie im Portfolio hatte, ein Freund von Darren ist.
»Ich habe lieber einen Kredit bei Darren als bei einer Bank«, kontere ich und grinse, als Ty grummelnd wieder um die Ecke sieht. »Na? Immer noch Licht an?«, frage ich und lehne mich an die Mauer, was zwar nicht sonderlich bequem ist, aber nach stundenlangem Stehen und Frieren an der Tür wenigstens ein bisschen abstützt. Ich will dringend unter die heiße Dusche und dann ins Bett. Mir tun die Füße weh. Und mir ist kalt.
»Ja. Was treibt er da bloß so lange?«, will Ty wissen. Er ist so ungeduldig in Bezug auf Declan, versucht aber immer, sich das vor dem Mann nicht anmerken zu lassen. Ich bin gespannt, wie lange es ihm noch gelingt.
»Vielleicht hat er jemanden über Nacht bei sich?«, überlege ich, denn die Möglichkeit besteht. Nur weil er uns noch nicht in sein Bett eingeladen hat, heißt das ja nicht, dass er niemanden in sein Bett einlädt. Und auch wenn mir die Vorstellung, dass er genau das tut, nicht sonderlich gefällt, wir sind alle erwachsen. Solange er nicht zu Ty und mir gehört, kann Declan darum tun und lassen, was er will.
Nichts gegen offene Beziehungen, aber für uns ist das nichts und wird es auch nie sein. Wir wollen einen Dritten in unserem Leben. Schon sehr lange. Und ein paar Mal dachten wir bereits, diesen besonderen Menschen gefunden zu haben. Allerdings ist es schwer, in den Kopf von Leuten hineinzusehen, und bisher ist jede unserer Beziehungen daran gescheitert, wer wir einst in der Sektion waren. Dabei haben wir unseren Ex-Typen nicht mal die schlimmen Details erzählt. Dazu kam es nie, weil sie schon vorher die Grenze zogen und sich aus dem Staub machten.
Was uns vermutlich weniger verletzt hätte, hätte wenigstens einer von ihnen den Mut gehabt, ehrlich mit uns zu reden, statt einfach unsere Telefonnummern zu blockieren und schweigend die Straßenseite zu wechseln, wenn wir uns zufällig irgendwo über den Weg liefen.
Mir ist klar, dass wir damals nicht gerade einen alltäglichen Job hatten, nur ist mir leider auch klar, dass wir einem Partner unser früheres Leben nicht verschweigen dürfen, da selbst jetzt noch, nach all den Jahren, eine kleine Möglichkeit besteht, dass uns jemand von einem der Undercover-Fälle erkennt, und dann sind wir und alle um uns herum in Gefahr. Wir haben den US-Marshal-Service zwar verlassen, aber wir werden immer unsere Notfallkontakte aktuell halten müssen, sollten wir, wie Maxwell Stone, eines Tages gezwungen sein, Chicago in einer Nacht- und Nebelaktion hinter uns zu lassen.
Hoffentlich tritt dieser Fall niemals ein. Ich will weder diese Stadt noch das Haus aufgeben. Und ich will auf gar keinen Fall Declan Melarge aufgeben.
»Und sitzt mit ihm mitten in der Nacht Kaffee trinkend im Wohnzimmer?«, hält Ty dagegen und da ich diesem Argument nicht widersprechen kann, zucke ich nur die Schultern.
Im nächsten Moment fällt mir etwas ein und ich verkneife mir ein Lachen. »Was, wenn es eine Sie ist?«
Ty erstarrt neben mir, dreht seinen Kopf in meine Richtung und schluckt hörbar. »Eine Frau?«
Er klingt derart schockiert, dass ich darüber erst mal lachen muss, was ihn vor Ärger knurren lässt. »Das war ein Witz, Ty.«
»Aber ...«
»Nein!«, unterbreche ich ihn ruppig, denn obwohl Declan uns auf Abstand hält, bin ich mir sicher, was sein Interesse für Ty und mich angeht. »Seine Blicke sind eindeutig und du weißt, wie gut ich Menschen anhand ihrer Blicke einschätzen kann. Er hat keine Frau da oben.«
»Was treibt er dann bloß?«
Tja, wenn Ty das wissen will, gibt es nur eine Möglichkeit, um es herauszufinden. »Du wirst wohl klingeln müssen, wenn du das wissen willst.«
»Bist du verrückt?« Ty tippt sich vielsagend an die Stirn und stößt gleich darauf die Luft aus, als ich wiederholt lache, weil er in Bezug auf Declan leider genauso feige ist wie ich. »Nächstes Mal bin ich nicht so dämlich und bezahle den Sprit mit deiner Kreditkarte«, murmelt er auf einmal und sieht ein weiteres Mal verstohlen um die Hausecke.
Ich verdrehe die Augen. »Ich hätte dir den Arsch versohlen sollen. Von wegen, es gäbe da ein Angebot im Baumarkt.«
Nur eine der Ausreden, die er mir aufgetischt hat, während er schon wochenlang Declan hinterherspionierte, um nach und nach geduldig herauszufinden, wie dessen Gewohnheiten und Tagespläne aussehen. Und vermutlich hätte er dieses Spiel noch für eine ganze Weile unbehelligt weitertreiben können, wäre ich ihm nicht aufgrund der unplanmäßigen Tankstopps außerhalb unseres normalen Wohn- und Arbeitsumfeldes auf die Schliche gekommen.
»Wann sind wir diesem Mann eigentlich so verfallen?«, will ich wissen, obwohl mir die Antwort darauf klar ist, seit wir ihn damals in Dannys Wohnung das erste Mal privat erlebt haben. Um genau zu sein, seit er über irgendetwas, das Darren gesagt hat, lachen musste. Danach war Dannys Umzug für uns prompt zur Nebensache geworden und Declan Melarge zu einer feinen Obsession, die wir seither nicht mehr losgeworden sind. Nicht, dass wir das überhaupt wollen.
»Seit er gelacht hat«, murmelt Ty und wieder grinse ich.
Bis mir dann abrupt auffällt, dass wir uns gerade wie zwei verrückte Stalker aufführen. Ich stoße mich von der Wand ab. »Schluss jetzt. Ab nach Hause. Ich will ins Bett. Übrigens wird sich das hier nicht wiederholen, Ty.«
Ich versuche böse zu klingen, was ich nicht bin, aber wenn ich Ty jetzt keinen Einhalt gebiete, hört er nicht auf und das bringt uns in Teufels Küche, sollte Declan herausfinden, dass er von meinem Mann verfolgt und beobachtet wird. Ty kann das verdammt gut, gar keine Frage, aber so lernt man nun mal nicht den zukünftigen zweiten Ehemann kennen. Denn dass Declan das eines Tages sein wird, darauf hoffen wir sehnlichst.
Außerdem bin eigentlich ich derjenige von uns beiden, der den ersten Schritt macht, sobald uns jemand gefällt. Nur leider hat Declan Melarge alle unsere Regeln völlig über den Haufen geworfen, weil er so kratzbürstig und stur ist, wie kein anderer Mann vor ihm. Er will uns, darauf hätte ich sogar unser frisch gekauftes Haus gewettet, aber da gibt es etwas ganz Gewaltiges in seinem Leben oder aber in seiner Vergangenheit – ich tippe auf Letzteres, weil es uns genauso geht –, das ihn vor Ty und mir, überhaupt vor Beziehungen, zurückschrecken lässt.
Geduld, spreche ich mir stumm Mut zu und greife nach Tys Hand, um ihn nach Hause zu bugsieren, als er plötzlich scharf einatmet und kaum hörbar »Das gibt’s doch nicht.« flucht.
Ich bin sofort alarmiert, als er sich anspannt, und schaue um ihn herum Richtung Apartmenthaus. »Fuck«, schimpfe ich leise und kann kaum glauben, wen ich da drüben sehe, aber er ist es, und dem Grinsen nach zu urteilen, das wir dank einer Laterne perfekt sehen können, war er bei Declan – und zwar nicht, um mit ihm um halb drei Uhr morgens Kaffee zu trinken.
»Ich bringe ihn um.«
»Nein!« Ich halte Ty entschieden zurück. »Lass uns erst mal hören, was er hier macht. Umbringen kannst du ihn später.« Ich suche Tys Blick. »Vielleicht.«
Er erkennt die Warnung und er akzeptiert sie, weil er weiß, dass seine Wut gefährlich ist. Wir sind nicht mehr im Training, seit Jahren aus dem Team raus, und der arrogante Mistkerl da drüben war uns erstens schon immer haushoch überlegen und ist zweitens garantiert nicht allein gekommen. Wir hätten den Wagen längst bemerken müssen und dass wir das nicht getan haben, verrät nicht nur mir eine Menge.
Damit Declans Gast uns nicht durch die Lappen geht, stoße ich im nächsten Moment einen Pfiff aus. Er reagiert umgehend. Seine Hand zuckt zu seiner Hüfte, was mich leise lachen lässt, während Ty aus dem Schatten auf den breiten Gehweg tritt und ihm erklärt: »Die brauchst du nicht.