Magie mit Herz - Mathilda Grace - E-Book

Magie mit Herz E-Book

Mathilda Grace

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Beschreibung

Finn Henderson ist der Träumer in seiner Familie und alles, was er sich für die Zukunft wünscht, ist ein liebevoller Partner, mit dem er alt werden und der über die Narben an seinem Körper hinwegsehen kann. Nur ist so ein Traumkerl schwer zu finden oder hat Finn bisher einfach an den falschen Orten gesucht? Wie soll er es sich sonst erklären, dass der neue Türsteher in der Bar seines Bruders, wo Finn als Bedienung arbeitet, immer wieder seine Nähe sucht?

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Mathilda Grace

MAGIE MIT HERZ

 

 

Magie mit Herz

1. Auflage, November 2022

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

© 2022 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2021

Fotos: GDJ, ractapoulous, geralt; Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace

Korrektorat: Corina Ponta

 

Web: www.mathilda-grace.de 

 

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

 

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden. Diese Geschichte handelt von einem fiktiven LGBT-Zentrum in Boston.

 

Magie mit Herz enthält homoerotischen Inhalt.

 

 

 

 

 

Mathilda Grace

 

 

 

 

 

 

Liebesroman

 

 

Liebe Leserin, Lieber Leser,

 

ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.

 

Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.

 

Dankeschön.

 

Liebe Grüße

Mathilda Grace

 

 

Das »Boston Hearts« ist ein privat geführtes LGBT-Zentrum für obdachlose und anderweitig gefährdete Jugendliche in Boston, eröffnet von dem Anwalt Maximilian Endercott vor über fünfundzwanzig Jahren. Heute betreiben er und sein Ehemann Elias, der gleichzeitig Arzt des Zentrums ist, das »Bostons Hearts« gemeinsam und haben seit der Gründung nach und nach acht teils schwer missbrauchte und traumatisierte Jugendliche als Ziehkinder angenommen und sie mit viel Liebe und Geduld großgezogen.

 

Diese Männer erzählen in der »Boston Hearts Reihe« ihre Geschichten.

 

 

Finn Henderson ist der Träumer in seiner Familie und alles, was er sich für die Zukunft wünscht, ist ein liebevoller Partner, mit dem er alt werden und der über die Narben an seinem Körper hinwegsehen kann. Nur ist so ein Traumkerl schwer zu finden oder hat Finn bisher einfach an den falschen Orten gesucht? Wie soll er es sich sonst erklären, dass der neue Türsteher in der Bar seines Bruders, wo Finn als Bedienung arbeitet, immer wieder seine Nähe sucht?

 

 

Prolog

Finn

 

 

 

 

Sie retteten sein Leben, obwohl er versucht hatte, ihnen das Auto zu klauen.

Mit vierzehn Jahren, von der eigenen Mutter verachtet und von seinem Vater halb tot geschlagen, landete er auf der Straße, nachdem er mit einem Schmuddelheft voller nackter Männer erwischt worden war, und nach einer Woche eisiger Nächte in düsteren Ecken oder neben stinkenden Mülltonnen hielt er es für eine sehr gute Idee, sich den teuren Lexus direkt vor einer schicken Anwaltskanzlei unter den Nagel zu reißen, um damit eine Spritztour frontal gegen die nächste Mauer zu machen, da er von seinem Leben die Schnauze gestrichen voll hatte.

Allerdings hatte der Besitzer des Wagens etwas gegen seine Pläne einzuwenden, und Maximilian Endercott war sich nicht zu fein, ihn höchstpersönlich im teuren Zwirn vom Fahrersitz zu zerren, über dem er gerade lag, um an die Verkabelung des Luxusschlittens zu kommen.

Finn Henderson war ein Träumer, aber kein Dummkopf. Er wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte, als der riesige Kerl ihn am Kragen gepackt hielt, aber er hatte solchen Hunger und große Schmerzen von den Wunden, die seinen Körper zierten, weil er gegen die von seinen Eltern geforderte Umerziehung rebelliert hatte, da sie auf gar keinen Fall einen schwulen Sohn haben wollten, dass er gegen den Mann mit den mitfühlenden, grünen Augen ankämpfte, bis ihm schwarz vor Augen wurde.

Im Krankenhaus kam er wieder zu sich, versorgt und in ein schmales, aber sauberes Bett gepackt, auf sich eine wärmende, dicke Decke und neben sich eine Schüssel mit Tomatensuppe und knusprigen Brotstückchen, die er fast einatmete, nachdem ihm dieser Fremde mit den grünen Augen versicherte, dass sie für ihn war. Ebenso wie der Schokoladenpudding, der Tee und die Kekse, die er danach verschlang, aus Angst, dass sie später wieder weg waren, wenn er sie jetzt stehenließ.

Am Abend kam ein weiterer Mann ins Zimmer, der blaue Augen hatte, ein Arzt war und einen Schokoladenkuchen dabei hatte, der so lecker war, dass er Finn die Tränen in die Augen trieb, nachdem er ihn und die zwei Fremden eine halbe Stunde lang misstrauisch gemustert hatte, auf der Suche nach einer Falle, die es nicht gab.

Sie behielten ihn. Einfach so.

Und sie gaben ihm vier Brüder. Einfach so.

Dass es Unmengen an Papierkram kostete und seinen Vater Maximilian außerdem jede Menge Nerven, da seine leiblichen Eltern nicht kampflos auf das Sorgerecht verzichten wollten, erfuhr Finn erst viele Jahre später.

Mit vierzehn war ihm all das jedoch egal.

Für ihn zählte die ersten Monate nur, dass er nicht mehr in der eisigen Winterkälte übernachten musste, dass er jeden Tag saubere Kleidung und regelmäßig etwas zu essen bekam, und dass er auf einmal vier Brüder hatte, mit denen er sich ständig zankte, falls sie nicht gemeinsam damit beschäftigt waren, das nette Hauspersonal in den Wahnsinn zu treiben oder einander über das riesige Endercott-Grundstück zu jagen, das zu einem ebenso riesigen Haus mit Unmengen von Zimmern gehörte.

Dass seine Brüder genauso schwul waren wie die übrigen Kinder in dem Zentrum, das seine Väter führten, und dass das niemanden kümmerte, machte sein neues Leben für Finn umso lebenswerter.

Er versuchte nie wieder, sich das Leben zu nehmen, obwohl es nicht einfach war, mit den Narben zurechtzukommen, die er von der Prügel und den anfangs unversorgten Wunden seines Vaters zurückbehielt. Finn schämte sich lange Zeit für sie, bis Elias irgendwie Lunte roch und ihm wie nebenbei eines Tages Sean Beaumont vorstellte. Dass der Psychologe war und auf so gut wie jede Frage die richtige Antwort hatte, erkannte er erst einige Monate darauf, als Finn innerlich längst begonnen hatte, mit sich und seinem Äußeren Frieden zu schließen.

Mit vierzehn Jahren war Finn Henderson ein Straßenkind ohne jede Perspektive.

Mit fünfzehn wurde er offiziell ein Endercott, auch wenn er seinen Namen behielt – eine Tatsache, die sein Großvater nicht lustig findet und sich, zum Amüsement aller, selbst heute noch regelmäßig darüber beschwert.

Mit achtzehn ließ er das College hinter sich, überlegte eine Weile, ob es sich vielleicht lohnen würde, auf die Uni zu gehen, und fing, nachdem er sich ein paar Jahre mit eher kurzweiligen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hatte, schließlich in der Bar seines ältesten Bruders an zu arbeiten.

Mit zweiundzwanzig war er ein magerer Laufbursche, der für Cole Botengänge erledigte und Regale einräumte.

Mit dreiundzwanzig stand er zum allerersten Mal im Leben hinter einer Bar und versuchte sich als Barkeeper – was leider nur so lange funktionierte, wie er keine Cocktails mixte, weil er ständig die Zutaten durcheinanderbrachte.

Mit vierundzwanzig stellte er dann überraschend fest, dass es ihm richtig gut gefiel, Getränke an Tische zu bringen, locker mit den oftmals männlichen Gästen zu flirten und dabei jeden Abend ein schönes Trinkgeld einzustreichen.

Finn liebte sein Leben – bis sein leiblicher Vater wieder auf der Bildfläche erschien.

 

 

Kapitel 1

Finn

 

 

 

 

»Du bringst Schande über deine Mutter und mich!«

Finn rannte durch die Eingangstür seines Apartmenthauses in den Empfangsbereich, wo Malcolm, der Concierge, eben von seinem Platz aufsprang und mit bösem Blick an ihm vorbeilief, um zu verhindern, dass Carl Henderson auch nur einen Fuß in das Gebäude setzte.

Doch auch wenn sein Erzeuger ein verbohrter, homophober Mistkerl war, ein Dummkopf war er nicht, denn gegen ihn lag aktuell wieder einmal eine einstweilige Verfügung vor, die sein richtiger Vater Maximilian Endercott erst vor zwei Monaten für Finn erwirkt hatte, um ihm damit wenigstens einen Anschein von Privatsphäre zu geben. Viel gebracht hatte es bisher leider nicht, denn nicht mal der dichte Schneefall und das seit Tagen eisige Winterwetter hielten Carl Henderson davon ab, ihm fast jede Nacht vor dem Haus aufzulauern. Selbst wenn er mit den Jungs in der Bar die Schicht tauschte, wartete sein Erzeuger auf ihn, egal wie lange er dafür in der Kälte ausharren musste.

»So ein Idiot«, grollte Malcolm kopfschüttelnd, als er wenig später zurück in den Eingangsbereich trat, und sah ihn danach mitfühlend an. »Wie lange ist er draußen? Drei Monate? Wieso lernen diese Arschlöcher es einfach nicht?«

Finn seufzte. »Frag mich nicht.« Er zog sein Handy aus der Tasche und betätigte nebenbei den Rufknopf für den Fahrstuhl. »Ich rufe Dad an und sage ihm Bescheid. Er hat mich zwar von Anfang gewarnt, dass der Kerl bei mir auftaucht, sobald sie ihn entlassen, aber seit seine Frau tot ist, wird es immer schlimmer mit ihm. Das war jetzt die sechste Nacht in Folge und langsam geht er mir ernsthaft auf die Nerven. Hast du ihn heute Abend draußen gesehen?«

Malcolm schüttelte den Kopf. »Leider nein. Ich hätte sofort die Cops gerufen, wie dein Vater es mir geraten hat. Die sollten den Irren endlich wegsperren, und zwar dauerhaft.« Malcolm stieß verärgert die Luft aus. »Wenn das so weitergeht, brauchst du bald einen Bodyguard, das kann´s doch echt nicht sein.«

Nein, das konnte es wirklich nicht, und Finn war heilfroh, als der Fahrstuhl endlich die Türen öffnete, damit er Malcolm mit einem dankbaren Lächeln zunicken und anschließend nach oben in sein Apartment verschwinden konnte. Er wollte nicht, dass Malcolm bemerkte, wie sehr ihm die Hände zitterten. Von wegen, dass sein Erzeuger ihm langsam auf die Nerven gehen würde. Wenn es doch nur das gewesen wäre.

Stattdessen hatte Finn mittlerweile panische Angst vor dem Mann, der ihn vor zwanzig Jahren fast totgeschlagen hatte, nur weil er Jungs interessanter fand als Mädchen. Er hatte immer Angst vor seinem leiblichen Vater gehabt, obwohl er sich schon viele Jahre ziemliche Mühe gab, sich das vor seinen wirklichen Vätern nicht mehr anmerken zu lassen, weil Finn wusste, dass Elias und Maximilian ihm dann keine Ruhe lassen würden, bis er entweder eine bis an die Zähne bewaffnete Armee zu seinem Schutz akzeptierte oder wieder zu Hause einzog, was für ihn absolut nicht infrage kam.

Finn liebte seine Unabhängigkeit und vor allem das kleine Apartment, das nicht weit weg von dem Haus lag, in dem sein seit Weihnachten verheirateter Bruder sich im Augenblick mit seinem Künstlerehemann darum stritt, ob sie ein eigenes Haus brauchten oder lieber weiter in ihren zwei Apartments wohnen bleiben sollten.

Jack war für die Apartments und da Marc seinem Mann nie etwas abschlagen konnte, sobald der lächelte, setzte Finn ganz auf Jack Parker, was die Wohnfrage anging. Sie würden in dem Apartmenthaus bleiben und irgendwann – wahrscheinlich sehr viel früher, als ihre Väter und vor allem Adrian hofften – damit anfangen, das erste Kinderzimmer einzurichten, denn Jack und auch Marc liebten die Mädchen von Dare und Blake und boten sich alle naselang als Babysitter an.

Sehr zu Finns Belustigung, und nicht nur zu seiner, wie er von Paul, Leon und Luca wusste, die, genauso wie er selbst, bei der Vorstellung zu heiraten und sich danach einen Stall voller Kinder anzuschaffen, jeweils eine dicke Gänsehaut bekamen. Wobei Finn sich nicht sicher war, ob sein Bruder Paul ihnen in der Hinsicht nicht etwas vorflunkerte, denn er sprach in letzter Zeit ziemlich häufig von seinem angeblich nervigen Boss, doch er tat das in einer Art und Weise, die Finn misstrauisch machte, weil sie ihn zu sehr daran erinnerte, wie Kade anfangs über Joe gesprochen hatte, und die beiden waren mittlerweile ebenfalls verheiratet und hatten Brody bei sich aufgenommen.

Finn seufzte kopfschüttelnd. »Wenn das so weitergeht, sind wir in spätestens fünf Jahren allesamt verheiratet«, nörgelte er, während sich die Fahrstuhltüren auf seiner Etage öffneten, und schloss kurz darauf seine Wohnungstür auf. Dass er in der Zeit bereits sein Handy ans Ohr gehoben hatte, fiel Finn allerdings erst auf, als sein Vater am anderen Ende auf einmal leise lachte. »Oha … Äh … Hey, Dad.«

»Adrian wird begeistert sein, wenn ich ihm erzähle, was du gerade zu mir gesagt hast.«

Finn stöhnte auf. »Oh Gott, bitte tu mir das nicht an.«

Maximilian gluckste. »Aber nur weil du es bist. Hallo, mein Sohn. Du rufst mitten in der Nacht deine armen Väter an, das kann nichts Gutes bedeuten. Muss ich dich und deine Brüder etwa schon wieder aus dem Gefängnis holen?«

Finn kicherte, während er seine Schlüssel auf den Esstisch warf und sich hinterher die Schuhe und die dicke Winterjacke auszog, wobei er eine Ladung Schnee auf dem Boden verteilte und darüber resigniert die Augen verdrehte. Er sollte sich für den schmalen Flur wirklich endlich eine Garderobe oder etwas Ähnliches anschaffen, damit er nicht ständig Dreck von seinen Schuhen oder eben Schnee wegräumen musste.

»Das war nur ein einziges Mal, was du sicher noch sehr gut weißt, denn immerhin hast du die Kaution für uns dich ständig furchtbar nervende Bande, was übrigens ein Zitat von dir ist, wie ich dich erinnern möchte, ohne mit der Wimper zu zucken bezahlt.«

»Und du kannst von Glück reden, dass wir Adrian davon bis heute nichts erzählt haben. Also? Was ist los? Hat Cole dich geärgert und du rufst an, um dich über ihn zu beschweren?«

»Schön wär´s«, murmelte Finn und als sein Vater daraufhin schwieg, seufzte er – zum wiederholten Mal heute, bevor er in die kleine, aber dafür offene Küchenzeile ging und sich ein Bier aus dem Kühlschrank nahm. »Rate mal, wer mir gerade unten vor dem Haus aufgelauert hat?«

»Schon wieder?« Maximilian fluchte unflätig. »Hat er …?«

»Keine Sorge, mir geht’s gut, Dad, und Malcolm hat dafür gesorgt, dass er nicht ins Haus kommt«, wehrte Finn sofort ab, obwohl ihn ein Blick auf seine immer noch zitternde Hand eine Grimasse ziehen ließ.

Vielleicht sollte er sich vor dem Schlafen gehen anstatt des Biers lieber einen hochprozentigen Absacker genehmigen. In den vergangenen Nächten hatte das ganz gut funktioniert, aber Finn wollte daraus eigentlich keine Gewohnheit machen. Das fehlte ihm jetzt noch, dass er wegen seines Erzeugers zu einem Problemtrinker mutierte, wie es sein Bruder Paul als Teenager gewesen war. In diese Spirale wollte Finn auf gar keinen Fall abrutschen, denn aus ihr kam man ohne professionelle Hilfe in den meisten Fällen nicht mehr heraus, selbst mit bestem Willen nicht. Paul hatte heute noch Probleme mit seiner Sucht, die ihn nie komplett aus ihren Klauen gelassen hatte, und das, obwohl er bereits seit Jahren trocken war.

»Ich werde noch mal mit Sean reden und mich erkundigen, was aus dem Antrag auf Einweisung geworden ist. Der Mann wird langsam zu aufdringlich für meinen Geschmack.«

Dem konnte er schlecht widersprechen. »Wie lange gilt die Verfügung noch?«, fragte Finn, obwohl er es wusste. Sie hatten Februar und spätestens zum ersten März würde sie verlängert werden müssen.

»Diesen Monat, aber ich habe bereits eine Verlängerung bei Gericht beantragt. Sie wird durchkommen, was bloß nicht viel bringt, solange er dir trotzdem ständig auflauert.« Maximilian überlegte einen Moment. »Ich werde mich zu Präzedenzfällen schlaumachen. Es muss doch möglich sein, ihn irgendwie dran zu kriegen, so lange, wie er dich trotz Verfügung stalkt. Und du wirst gefälligst noch einmal mit deinem Bruder darüber reden. Gleich morgen, hörst du? Die Jungs in der Bar sollen sämtliche Augen offenhalten, damit er nicht noch dort auftaucht.«

Das konnte Finn sich sparen, denn Cole war längst im Bilde und fuchsteufelswild, was Carl Henderson anging. »Der Mann wird keinen Fuß in die Bar setzen. Du weißt, dass Cole ihn auf die schwarze Liste gesetzt hat und jeder Türsteher, Barkeeper und selbst die Putztruppe in seinen Bars Carls Bild kennen. In der Bar bin ich sicher.«

»Ich mache mir trotzdem Sorgen.«

Damit war Maximilian nicht allein, doch Finn würde ihn in seiner Beunruhigung nicht noch zusätzlich unterstützen. Dann stand nämlich ruckzuck wieder der vorübergehende Einzug in das Haus seiner Jugendzeit auf dem Trapez und diese Debatte wollte er definitiv nicht noch einmal führen müssen.

»Dad ...«

»Elias will mit dir sprechen.«

»Dad!«, schimpfte Finn, aber da hörte er bereits Elias leise lachen und musste unwillkürlich lächeln, denn wo Maximilian in seinem Auftreten, seiner Stimme, einfach in allem, meistens hart war, war Elias sanft, ruhig und sehr geduldig. Die beiden ergänzten sich auf eine Art und Weise, die ihn neidisch machte, weil er so eine Beziehung auch für sich wollte.

»Wie geht es dir, Finn?«, fragte sein Vater und Finn ging zu seiner Couchecke hinüber, stellte das Bier ungeöffnet auf dem Tisch ab und ließ sich danach in die weichen Polster der Couch sinken, die ihn ein kleines Vermögen gekostet hatte, aber jeden Penny wert war, so oft wie er nach einer langen Schicht auf ihr einschlief, weil er es nicht mehr ins Bett schaffte.

»Ich weiß nicht, ob ich mir Sorgen machen oder einfach nur sauer sein soll. Wieso kann er mich nicht in Ruhe lassen?«

»Carl Henderson ist sehr krank«, sagte Elias besonnen. »Ich weiß, dass es leichter wäre, wütend auf ihn zu sein, aber das ist keine Lösung. Er braucht Hilfe.«

Das war Finn durchaus klar, es änderte nur nichts daran, dass sein Erzeuger ihn nicht in Ruhe ließ. Wenn er wenigstens einen verständlichen Grund für diese Hartnäckigkeit von Carl Henderson gehabt hätte. Der Mann hatte ihn als Jugendlichen zuerst halb tot geprügelt und dann auf die Straße gesetzt, und jetzt, wo er seine Ehefrau verloren hatte, Finns leibliche Mutter, an die er nur noch wenige, vage Erinnerungen besaß, heftete er sich, kaum dass er aus dem Gefängnis entlassen worden war, sofort an seine Fersen.

Warum? Um ihm sein Schwulsein vorzuwerfen? Tja, wenn es das wirklich war, würde der arme Mann aber eine mehr als herbe Enttäuschung erleben, denn Finn dachte nicht im Traum daran, irgendwas an der Tatsache zu ändern, dass er auf große, muskulöse Typen stand, die ordentlich zupacken konnten und im allerbesten Fall einen Dreitagebart trugen.

Also genau wie Cory Wilson.

Finn zuckte ertappt zusammen, schüttelte dabei heftig den Kopf und konzentrierte sich hinterher wieder auf das Telefonat mit seinem Vater. »Tja, das zu wissen, hilft mir leider nicht viel weiter.«

»Ich weiß.« Elias schwieg kurz. »Lass das Bier heute stehen und iss lieber noch eine Kleinigkeit, bevor du ins Bett gehst.«

Finn richtete sich auf. »Woher …?«

»Ich kenne meine Söhne«, antwortete sein Vater mit einem Lächeln in der Stimme, das Finn ächzend die Augen verdrehen ließ, während er gleichzeitig gegen ein Grinsen ankämpfte. »Es tut dir nicht weh, jetzt zu lachen, glaub´s mir.«

»Dad!« Finn prustete los.

»Ich hab dich lieb, mein Junge.«

Auf einmal war Finns Welt wieder in Ordnung. Zumindest für heute Nacht. »Ich liebe euch auch.«

 

»Finn, du Traum meiner schlaflosen Nächte. Wann brennst du endlich mit mir durch?«

Diese Frage war nicht neu und sie kam von einer Finn sehr wohlbekannten Stimme, deswegen legte er auch einen völlig übertriebenen Schmollmund auf, der die sechs Männer an dem Tisch, denen er gerade Getränke gebracht hatte, loslachen ließ, bevor er sich mit Schwung umdrehte und den älteren Mann im perfekt sitzenden, dreiteiligen Anzug musterte, der sich hinter ihm aufgebaut hatte und ihm jetzt eine lilafarbene Rose reichte. Finn nahm sie mit einer nonchalanten Geste.

»Danke.« Die Rose duftete herrlich, aber sie überzeugte ihn nicht. Das tat sie nie. »Und? Hast du dich endlich von deinem Ehemann scheiden lassen? Du kennst meine Bedingung. Kein Direktflug nach Vegas, um zu heiraten, solange du verheiratet bist. Und wehe, du bestehst auf einem Ehevertrag. Ich vergrabe dich tief in der Wüste und reiße dein Vermögen an mich, wenn du es wagen solltest, mir so ein schändliches Schriftstück unter die Nase zu halten, statt mir voller Liebe zu vertrauen, dass ich dich nicht aus Versehen mit der Pfanne erschlage.«

Ein tiefes, resigniertes Seufzen war zu hören, während um sie herum bereits unzählige Gäste grinsten, die ihnen zuhörten und auf das warteten, was da bald kam, denn so war es immer, wenn Barney Masterson in die Bar kam, um mit ihm zu flirten. Er war einer der ältesten Gäste hier und seit Jahren Stammgast. Noch viel länger war er mit Robert zusammen und Finn liebte das Paar, das nie müde wurde, ihn in ihr Bett einzuladen, auch wenn er diese Einladung niemals annehmen würde. Er mochte die beiden Männer viel zu sehr, um ihre Freundschaft mit Sex zu verkomplizieren, und beide wussten das. Trotzdem neckten sie ihn bei jedem Besuch und Barney brachte ihm zudem gerne eine Rose mit.

»Du bist so streng zu mir, geliebter Finn. Und natürlich bin ich immer noch verheiratet. Du weißt doch, wie gerne Robert zusieht. Vor allem dir.«

»Und wo ist er dann heute Abend?«, fragte Finn amüsiert.

Sein Gegenüber seufzte erneut. »Im Büro, wo sonst? Eines Tages werde ich ihn noch von seinem Schreibtisch abschneiden müssen.«

Finn lachte und trat zu Barney, um ihn zu umarmen, wobei er sehr wohl bemerkte, wie gut der Mann roch und wie perfekt er seinen Anzug ausfüllte. Dennoch würde zwischen ihnen nie mehr sein als ein lockerer Flirt, denn Barney und Robert waren auf der Suche nach einem dritten Mann und er selbst war nicht bereit, eine feste Beziehung zu dritt zu führen. Finn wollte den einen, ganz besonderen Mann in seinem Leben, damit der ihn heiraten und nie mehr loslassen würde.

»Du hast mir gefehlt, Barney«, sagte Finn, nachdem er sich von ihm gelöst hatte, und nahm das Tablett mit leeren Gläsern an sich, das noch auf dem Tisch der Männertruppe stand. »Ich gebe dir einen aus, wenn du mir erzählst, was ich alles verpasst habe. Ich wette, es gab einen flotten Dreier.« Finn grinste, weil Barney nach seinen Worten rote Wangen bekam. Das war noch etwas, das er an dem alten Mann liebte, dessen Schüchternheit, wenn es um Sex ging, dabei stand das Paar auf Spiele, die Finn nicht mal besoffen freiwillig spielen würde. »Ha! Ich wusste es. Erzähl mir jedes schmutzige Detail.«

»Er war umwerfend, aber er wollte leider nicht bleiben.«

Finn winkte ab, legte die Rose zwischen die Gläser auf das Tablett, damit sie keinen Schaden nahm, und begann sich einen sicheren Weg zwischen den Tischen hindurch Richtung Tresen zu bahnen. »Dann hat er euch nicht verdient.«

»Was ist denn mit eurem heißen Türsteher? Glaubst du, er lässt sich zu einem flotten Dreier überreden und bleibt danach in unserem Bett?«

Bei der Frage überfiel Finn eine sehr dicke und verdammt unangenehme Gänsehaut, denn die Vorstellung, dass Corey im Bett von Barney und Robert landete und dabei feststellte, dass es ihm gefiel dort zu sein – nein, darüber wollte er lieber nicht weiter nachdenken. Ganz und gar nicht. Finn stoppte und hob tadelnd eine Hand, während er über seine Schulter sah.

»Du kennst meine oberste Regel und Corey ist immer noch der Neue bei uns.« Finn setzte ein überhebliches Grinsen auf, weil das so von ihm erwartet wurde, und erhob hinterher seine Stimme. »Und ihr alle hier wisst genau, was passiert, wenn ihr mir die neuen, sexy Jungs im Team vor der Nase wegschnappt, nicht wahr?«

»Du vergräbst uns im Garten deines Großvaters, unter den geliebten Rosenbüschen deiner Großmutter«, schallte ein Chor unzähliger Stimmen zu ihm, ehe alle in Gelächter ausbrachen und sein Bruder Cole, der an einem der Tische im Moment die Dienstpläne für nächsten Monat durchging, hob den Kopf und verdrehte grinsend die Augen.

Finn zwinkerte ihm zu und sah zu Barney. »Da hast du es. Und jetzt folge mir gefälligst. Ich spendiere dir ein Bier und du lässt kein unanständiges Detail aus, verstanden?«

Barney grinste. »Das würde ich mich nie wagen.«

»Braver Junge«, murmelte Finn und lachte leise, als Barney prompt wieder rot wurde, bevor er sich abwandte, weil bereits ein weiterer Tisch auf neue Getränke wartete und die Männer am Tisch hinter Cole hatten ihm mit einem erhobenen Arm zu verstehen gegeben, dass sie zahlen wollten.

 

»Hast du mal wieder Corey für dich beansprucht?«, fragte sein Bruder ein paar Stunden später belustigt, als er an die Bar trat, wo Finn eben mit Branson, der heute als letzter Barkeeper noch hier war, die Vorräte wieder auffüllte, damit sie das nicht vor der nächsten Schicht machen mussten.

Eigentlich gehörte das gar nicht zu seiner Jobbeschreibung, doch damit nahm es niemand in den Bars so genau. Selbst Cole schleppte beinahe täglich Kisten voll mit Bierflaschen aus dem Lager, weil er genauso half, wie es jeder andere tat, sobald Hilfe gebraucht wurde. Und er konnte Branson schlecht alles alleine machen lassen, wo der Rest des Teams mittlerweile Feierabend gemacht hatte. Die Bar hatte zwar offiziell noch zwei Stunden geöffnet, doch mitten in der Woche und noch dazu im Winter war ab elf Uhr abends nie viel los, darum hatten Branson und er die Gelegenheit genutzt und schon damit angefangen, leere Getränkekisten ins Lager und volle nach vorne zu holen.

»Natürlich. Die heißesten Männer behalte ich ganz für mich alleine«, antwortete Finn belustigt und grinste, als Branson das mit einem Lachen kommentierte, bevor er anfing, Salzcracker und Chips einzuräumen.

»Lass das nur nicht Grandpa hören«, stichelte Cole amüsiert und gluckste heiter, als Finn unwillkürlich schauderte, bevor er seinen Bruder finster ansah.

»Wenn du auch nur ein einziges Wort in der Richtung ihm gegenüber fallen lässt, werde ich Grandpa erzählen, dass dein Verlobter gerne im Sommer heiraten würde, aber du hältst ihn davon ab, einen Termin festzulegen.«

Cole zog eine ertappte Grimasse, bedrohte ihn danach mit der geballten Faust und dann lachten sie beide, während Cole sich auf einen Barhocker schob und eine Liste über den Tresen zu Branson schob, der diese Woche die Oberaufsicht über ihre Barkeeper hatte, was bedeutete, er kam abends als erster und ging in der Nacht als letzter.

»Der Plan für nächsten Monat steht. Lass die Jungs bitte im Laufe der Woche draufgucken, damit ich Änderungswünsche rechtzeitig einbauen kann.«

Branson nickte und steckte die Liste ein. »Geht klar, Boss.«

Cole nickte dankbar und sah ihn danach an. »Kannst du für die letzten beiden Stunden alleine die Stellung halten? Ich will den anderen Bars einen Besuch abstatten, anschließend meinen Kerl anrufen und ihn zu schnellem Telefonsex überreden, aber ich werde pünktlich zum Abschließen wieder hier sein.«

Finn stöhnte auf, weil er wusste, was das hieß. »Cole ...«

»Vergiss es. Dad hat es mir heute Morgen erzählt. Den Rest der Woche fahre ich dich nach Hause und die nächste Woche übernimmt Corey. Danach sehen wir weiter. Basta!«

Finn schnappte empört nach Luft, hatte aber keine Chance, seinem Bruder die Leviten zu lesen, denn der machte sich mit langen Schritten aus dem Staub und als er wütend zu Branson sah, schürzte der nachdenklich die Lippen.

»Was?«, knurrte Finn missmutig.

»Er hat recht, Finn. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber wir machen uns alle Sorgen wegen deines Alten. Dieser Kerl ist nicht ganz richtig im Kopf und es bringt keinen von uns um, dich abwechselnd daheim abzusetzen, damit du nicht den Bus nehmen musst.«

»Ich könnte mir ein Auto zulegen«, schlug er vor, obwohl es das letzte war, was er wollte. Im Gegensatz zu fast all seinen Brüdern hatte er nie viel Interesse daran gehabt, jeden Tag mit dem Auto zu fahren, geschweige denn, eins zu besitzen. Finn hatte zwar vor Jahren den Führerschein gemacht, wer wusste schon, wofür man den mal brauchte, aber im Normalfall, wenn seine Brüder ihn nicht mitnahmen, fuhr er mit der Bahn, nahm den Bus oder rief sich ein Taxi.

»Das er dir dann zerkratzt oder lieber die Reifen zersticht? Oder noch schlimmer, was, wenn er dir früher oder später den Bremsschlauch durchschneidet?« Branson sah ihn ernst an. »Er ist krank, Finn, und ich denke, es wäre klug, das lieber nicht zu vergessen.«

»Hältst du mich wirklich für so naiv?«, fragte Finn verblüfft und auch ein wenig verärgert.

»Nein, im Gegenteil. Du hast genauso große Angst wie wir, aber du spielst sie herunter.« Branson wandte sich ab und griff nach dem Geschirrtuch. »Ein Freund von mir hat das auch mal gemacht und war am Ende tot.«

»Was?«, fragte Finn entsetzt.

»Sein Ex hat ihn erst gestalkt und dann ermordet. Deshalb habe ich Chicago verlassen und bin hergezogen. Ich hab´s dort nicht mehr ausgehalten, weil mich alles an ihn erinnert hat.«

»Du hast ihn geliebt, oder?«, flüsterte Finn und als Branson nickte, verzog er das Gesicht. »Es tut mir leid, Branson.«

Branson sah ihn wieder an. »Muss es nicht. So lange arbeite ich hier noch nicht, dass wir uns derart Privates erzählen. Aber ich fand es richtig, dir das zu sagen. Ich will dir damit nicht zusätzlich Angst machen, ich will nur, dass du vorsichtig bist, okay? Lieber einmal zu viel und umsonst die Cops rufen, als in der Leichenhalle enden.«

Und weil er dagegen kaum argumentieren konnte, tat Finn es auch nicht, sondern schnappte sich stattdessen ein zweites Geschirrtuch, um Branson dabei zu helfen, die letzten Gläser zu spülen, bevor sie noch den Tresen sauber machten, hinterher den Vorder- und Hintereingang abschlossen, nachdem sie Sam, der heute an der Tür stand, nach Hause geschickt hatten, und dann nach hinten in ihre Umkleide gingen.

Für die Reinigung der Tische und des großen Barraums mit der Bühne für die Tänzer war ihre Putztruppe zuständig, die immer am frühen Morgen kam, wenn Finn üblicherweise noch im Bett lag und schlief. Sein Handy vibrierte, als er sich gerade seinen Pullover aus dem Spind nahm und nach einem kurzen Blick aufs Display lachte er kopfschüttelnd.

»Der Boss?«, fragte Branson, der sich eben die Jacke anzog.

»Ja. Er braucht etwas länger, weil sein, Zitat, frecher Mann ihn am Telefon aufgehalten hat, Zitat Ende.«

Branson lachte und setzte sich auf die Bank neben ihm. »Ich warte so lange.«

Finn winkte ab. »Brauchst du nicht. Wir haben doch schon alles abgeschlossen und mein sturer Bruder wird sich hinten reinlassen, so wie immer. Hau ruhig ab.«

»Sicher?«, fragte Branson mit zweifelndem Blick und Finn nickte grinsend.

»Ich nehme mir noch was zu trinken, futtere eine Chipstüte leer und klaue Cole dann eine von den edlen Whiskyflaschen, um sie Grandpa zu schenken. Du weißt, er steht auf das teure Zeug. Besonders wenn es geklaut ist.«

Branson lachte und Finn brachte ihn nach vorne, wo sie mit prüfendem Blick rasch die Umgebung vor der Tür ausspähten, bevor Branson sich auf den Weg machte. Jedoch erst, nachdem Finn abgeschlossen und Branson draußen versucht hatte, die Tür zu öffnen. Eine Sicherung, die allerdings nichts mit seinem Erzeuger zu tun hatte, sondern für alle galt, wenn sie abends mit abschließen dran waren. So wurde sichergestellt, dass die Tür wirklich verschlossen war, denn in dieser Hinsicht wollte Cole auf Nummer sicher gehen, weil der letzte in der Bar auch dafür zuständig war, die Einnahmen des Tages zu zählen und in Coles Büro im Safe einzuschließen.

Heute würde Finn diese Aufgabe zufallen und er erledigte sie so gewissenhaft wie immer, wenn er abends der letzte war. Danach holte er seine Jacke aus der Umkleide, steckte Handy, Schlüssel und Geldbörse ein und zog sein Handy im nächsten Moment stöhnend aus der Hose, weil es klingelte. Cole, verriet ihm der Blick aufs Display.

»Hey, ich bin´s«, meldete sich Cole und fluchte leise. »Alles okay bei euch?«

Finn runzelte die Stirn. »Ja, wieso? Ich habe eben das Geld eingeschlossen und klaue dir gleich eine von den neuen Basil Hayden's Flaschen für Grandpa.«

Cole stöhnte auf. »Nicht den Basil. Weißt du eigentlich, wie lange ich suchen musste, um die drei Flaschen zu finden? Der Jahrgang ist fast ausverkauft.«

»Grandpa wird deinen edlen Whisky-Geschmack wirklich sehr zu schätzen wissen«, stichelte Finn auf dem Weg zur Bar, um sich eine Flasche aus dem Regal zu nehmen. »Aber weil ich ein netter Kerl bin, darfst du mir den Preis natürlich jederzeit vom Gehalt abziehen.« Sein Bruder fluchte unflätig, was Finn heiter glucksen ließ, ehe er fragte: »Warum hast du überhaupt angerufen?«

»Hier gab´s einen Auffahrunfall, deshalb stehe ich im Stau und brauche etwas länger. Passiert ist wohl nicht viel, doch die Wagen sind so blöd verkeilt, dass das Aufräumen dauert.«

Na wenn es weiter nichts war. Finn ließ sich amüsiert auf einen Barhocker sinken. »Kein Problem. Ich warte hier brav auf dich und futtere derweil Chips.«

»Langsam wirst du aber teuer im Unterhalt«, nörgelte sein Bruder, obwohl sie beide wussten, dass das nicht ernst gemeint war. Darum kicherte Finn auch nur darüber.

»Sagt der Mann mit zwei Söhnen zu Hause, die ihm, wie er nicht müde wird, beinahe täglich zu verkünden, angeblich das eh schon lichter werdende Haar vom Kopf fressen.«

»Finn!«

»Bis gleich, Bruderherz«, konterte er in einem lächerlichen Singsang und legte lachend auf, als Cole anfing zu fluchen. Im nächsten Moment hatte er schon das Telefonbuch geöffnet und eine Nummer rausgesucht, die einem alten Mann gehörte, den er von ganzem Herzen liebte. »Ich habe heute Abend etwas für dich geklaut«, erklärte er, als besagte Person seinen Anruf nach dem dritten Klingeln annahm.

»Wäre ich ein anständiger Bürger, würde ich jetzt die Cops rufen und dich verpfeifen, aber vorher will ich wissen, was du mir geklaut hast und ob dein Bruder, der übrigens immer noch nicht verheiratet ist, sich bereits sehr wortgewaltig über diese Schändlichkeit ereifert hat.«

»Und ob er das hat, da er anscheinend ewig gebraucht hat, um diesen edlen und sehr teuren Whisky zu finden, den ich dir erfolgreich gestohlen habe.«

»Du bist ein richtig toller Bursche«, erklärte sein Großvater Adrian Endercott daraufhin mit einem breiten Grinsen in der Stimme und Finn lachte. »Und du rufst mit Sicherheit nicht um diese Uhrzeit bei mir an, nur um mir von deiner erstklassigen Diebesbeute zu erzählen. Ist in eurer Bar heute Abend etwa so wenig los, dass du vor lauter Langeweile soeben beschlossen hast, deinen armen, uralten Großvater von seinem verdienten Schönheitsschlaf abzuhalten?«, wurde er gleich darauf gefragt und Adrian schnaubte prompt empört, als er daraufhin heiter gluckste. »Du bist und bleibst ein viel zu frecher Bursche, der dringend übers Knie gelegt gehört.«

Wie er diese immer so liebevoll hervorgebrachte Drohung doch liebte. Finn grinste. »Eben war ich noch ein richtig toller Bursche.«

»Das war eben und nicht jetzt«, konterte Adrian prompt.

Finn verbot sich ein weiteres Lachen. »Ich wollte eigentlich bloß mal hören, was deine geheimen Pläne bezüglich meines baldigen Ehemannes so machen?«

»Du willst doch gar keinen«, grollte es prompt und äußerst entrüstet an sein Ohr und Finn lachte leise, da das mittlerweile Adrians Standardantwort war, sobald er seinem Großvater die Frage stellte, dabei wussten sie beide, dass das den alten Mann nie und nimmer vom Kuppeln abhalten würde.

»Hat dich das je aufgehalten?«

»Natürlich nicht … Pah!«, schimpfte Adrian, weil Finn jetzt doch loslachte. »Warte es nur ab, ich finde den perfekten Mann für dich, und ich wette mit dir, du wirst ihn lieben und sogar vom Fleck weg heiraten.«

Und die Chance, dass das genau so passierte, stand leider mehr als nur gut, deswegen entschied Finn, Adrians Worte fürs Erste besser zu ignorieren. Er hatte seinen Großvater ohnehin aus einem bestimmten Grund angerufen. Der geklaute Whisky und die alberne Plänkelei waren nur ein Vorwand und weil er dieses Gespräch nicht mit Cole in der Nähe führen wollte, kam er jetzt besser schnell zur Sache.

»Grandpa, ich brauche deinen Rat.«

»Inwiefern?«, fragte Adrian sofort ernst und das liebte Finn an seinem Großvater, denn wenn es darauf ankam, war auf ihn zu jeder Zeit Verlass. Ganz egal, ob es mitten in der Nacht war oder er gerade unter der Dusche stand.

»Mein leiblicher Vater. Ich nehme an, du weißt Bescheid?«

»Worüber? Dass er dir ständig zu Hause auflauert? Dass er die Frechheit besitzt, dir zu drohen? Dass er trotz gerichtlicher Verfügung keinerlei Abstand zu dir hält?« Adrian stieß abfällig die Luft aus. »Wenn du das meinst, Bursche, dann ja, ich weiß sehr genau über all diese Dinge Bescheid, und ich bin gar nicht glücklich über deine Entscheidung, weiterhin allein in deinem Apartment wohnen zu bleiben, solange dieser gestörte Mensch nicht hinter Schloss und Riegel sitzt und du dadurch endlich wieder vor ihm sicher bist.«

Finn seufzte leise. »Dad?«

»Wer sonst? Er macht sich Sorgen. Das tun beide. Aber das lassen sie sich möglichst nicht anmerken, weil du ein Sturkopf bist und nichts von einem Personenschützer wissen willst.«

Jetzt stöhnte Finn. Nicht das Thema wieder. Sie hatten über die Weihnachtstage lang und breit darüber diskutiert, seitdem hing ihm die Debatte sprichwörtlich zum Hals raus, weil Finn wirklich keinen Bodyguard an seiner Seite wollte. Er war nicht berühmt und er wollte seinen leiblichen Vater auch nicht noch zusätzlich aufstacheln.

»Grandpa, ich bin doch kein Promi.«

»Na und? Du bist in Gefahr oder etwa nicht? Und Cole hat nicht immer Zeit, dich nach Hause zu fahren und danach auch sicherzustellen, dass du es unbeschadet ins Haus schaffst.«

»Er hat Corey für nächste Woche mit ins Boot geholt«, sagte Finn, ohne darüber nachzudenken, und verfluchte sich gleich darauf, weil sein Großvater schwieg. »Denk nicht mal dran. Ich kenne dich zu gut, Grandpa.«

»Du magst euren neuen Türsteher. Außerdem ist er ein sehr guter Bursche, der deinem Bruder das Leben gerettet hat.«

»Deshalb muss ich ihn nicht gleich heiraten«, nörgelte Finn und murmelte einen Fluch, als sein Großvater lachte. »Du bist unmöglich und ich werde den Whisky selbst trinken, wenn du es wagst, mich mit Corey zu verkuppeln.«

»Ich hab dich lieb, Bursche.«

Finn lächelte besänftigt. »Ich dich auch.«

»Also? Welchen Rat kann ich dir geben?«, fragte Adrian im nächsten Moment und Finn schürzte die Lippen, denn er ahnte bereits jetzt, dass ihm die Antwort seines Großvaters auf seine nächste Frage nicht gefallen würde.

»Mache ich einen Fehler? Weil ich Elias' und Maximilians Vorschlag wegen eines Bodyguards abgelehnt habe?«

Adrian antwortete nicht sofort und das ließ Finn Zeit, noch einmal zurück in die Umkleide zu gehen und seine schmutzige Arbeitskleidung in den Wäschekorb zu werfen, weil Cole einen Wäscheservice für sämtliche Mitarbeiter anbot, bevor er einen prüfenden Blick auf seinen Spind warf und genervt die Augen verdrehte, weil ihm auffiel, dass er vorhin vergessen hatte, ihn zu verriegeln. Nachdem das erledigt war, ließ Finn sich auf die Bank sinken, um seinen schmerzenden Füßen zumindest etwas Erholung zu gönnen, bis Cole kam.

»Wenn du mich fragst, muss es nicht unbedingt gleich ein professioneller Personenschützer sein. Ja, ich fände es gut, das streite ich nicht ab, aber das könnte deinen leiblichen Vater nur noch mehr aufbringen. Außerdem ist es unauffälliger, wenn du von Cole oder auch Corey nach Hause begleitet wirst.« Adrian schwieg kurz. »Andererseits besteht die Gefahr, dass sich dein Erzeuger früher oder später auf uns als deine Familie oder auf Corey konzentriert.«

Finn wurde eiskalt, als ihm abrupt bewusst wurde, dass er daran bisher überhaupt nicht gedacht hatte. »Oh mein Gott, ich bringe euch in Gefahr.«

»Nicht unbedingt. Dein Bruder kann sich selbst verteidigen und Corey Wilson ist ein Riesenkerl mit Bergen von Muskeln. Daher stellt sich für mich eher die Frage, ob dein Erzeuger sich an diesen Mann überhaupt herantraut. Dennoch, du hast mich um Rat gebeten und mein Rat ist, akzeptiere Personenschutz. All diese Männer und Frauen werden speziell für solche Jobs ausgebildet und können dadurch viel schneller auf gefährliche Situationen reagieren als du oder ich.«

Das stimmte allerdings und es war vermutlich besser, wenn sein Erzeuger sich auf einen Bodyguard stürzte, statt auf Corey oder seinen Bruder. Wobei Cole das mit Sicherheit ausnutzen würde, um ihm eine Abreibung zu verpassen. Angedroht hatte er es Carl Henderson bereits, nachdem der zum ersten Mal vor seinem Apartmenthaus aufgetaucht war und Cole ihn an dem Abend zufällig heimgefahren hatte, damit er die Großpackung Windeln für die Zwillinge, die Finn spontan im Ausverkauf für Dare und Blake gekauft hatte, nicht eigenhändig nach Hause schleppen musste.

»Na schön«, gab Finn nach, denn der Logik konnte er nicht das Geringste entgegensetzen. »Ich rufe gleich morgen Dad an und sage ihm, dass er sich darum kümmern soll.«

»Du bist ein guter Bursche«, erklärte Adrian zufrieden und Finn verdrehte die Augen.

»Der nicht verheiratet werden will. Auch nicht mit einem hoffentlich verdammt gut aussehenden Bodyguard«, erinnerte er seinen Großvater sicherheitshalber noch mal, allerdings war Finn über dessen darauffolgendes Lachen nicht im Mindesten überrascht. »Grandpa, wehe ...«

»Ich wasche meine Hände natürlich in Unschuld«, erklärte Adrian mit einem Feixen in der Stimme und Finn stöhnte auf. »Was? Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich lüge? Ich sage ja immer noch, dass du und Corey Wilson bei unserem Barbecue zu Ehren von Marcs Lebensretter eindeutig geflirtet habt. Was du ausgerechnet an einem Bodybuilder findest, ist mir zwar ein Rätsel, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Wobei mir einfällt, hat er lange Daumen? Ich habe erst neulich etwas interessantes gelesen. Über einen Vergleich zwischen Daumen und dem männlichen ...«

Ach du lieber Gott. »Gute Nacht, Grandpa«, verabschiedete sich Finn hastig und musste trotzdem grinsen, weil Adrian am anderen Ende der Leitung in schallendes Gelächter ausbrach.

Kopfschüttelnd steckte er das Handy in seine Jackentasche und machte sich auf den Weg zurück in den Barraum. Bis auf die Lampen über dem Tresen war bereits alles in Dunkelheit gehüllt und obwohl Finn es nicht wollte, blieb er abrupt am Türrahmen stehen, der den hinteren Bereich für die Mitarbeiter vom Rest abtrennte, um einen genauen Blick durch den Raum zu werfen. Er hatte seit jeher Angst gehabt, dass sein Erzeuger eines Tages wieder freikam und ihn belästigte, doch seit dieser Fremde, denn mehr war der Mann für ihn nicht, das wirklich tat, wurde er Tag um Tag nervöser und schreckte mittlerweile sogar nachts des öfteren aus dem Schlaf, weil Finn glaubte, in seiner Wohnung etwas gehört zu haben.

Plötzlich fiel hinter ihm eine Tür zu und Finn zuckte heftig zusammen, während er gleichzeitig herumfuhr und die Hand zur Faust ballte, um auszuholen. Coles »Ach, hier steckst du.« ging in einem Schmerzenslaut unter, weil Finn zuschlug, ohne nachzudenken, genauso wie sein Bruder es ihm vor einer Weile für den Notfall beigebracht hatte. Allerdings war es nicht Cole, der hinterher aufjaulte und lästerlich fluchte.

»Scheiße! Fuck, fuck, fuck!« Seine Hand schmerzte wie die sprichwörtliche Hölle und Finn hielt sie mit der anderen Hand fest, während Cole sich lachend die blutende Nase zuhielt. »So lustig ist das nun auch wieder nicht.«

»Oh doch, das ist es. Ich habe dir gesagt, nicht ins Gesicht. Da kannst du auch gleich auf 'nen Ziegelstein draufhauen. Oh Gott, Derrick bringt uns um, sobald er meine Nase sieht.« Sein Bruder kramte nach einer Packung Taschentücher, zerriss eines und stopfte es sich in die Nasenlöcher, bevor er kopfschüttelnd nach seiner Hand griff. »Zeig mal her.«

»Aua!« Finn zischte schmerzerfüllt, denn es tat richtig weh, als Cole sich jeden einzelnen seiner Finger vornahm und am Ende zufrieden schien.

»Nichts gebrochen. Und bevor du fragst, ja, ich kenne den Unterschied. Allerdings wirst du für den Rest der Woche keine vollen Tabletts mehr durch die Gegend schleppen.« Coles Blick wurde ernst. »Und bevor ich dich gleich nach Hause fahre und wir diesen Vorfall hier besser vergessen werden, zumindest in Hinsicht auf unsere Väter und unseren nervigen Großvater … Wir sollten reden, Finn. Dringend.«

Finn seufzte, denn er wusste, was sein Bruder wollte, und nachdem er ihm eben eine verpasst hatte, konnte er kaum noch länger so tun, als würde ihn nicht sonderlich kümmern, dass er von seinem Erzeuger verfolgt wurde. Nicht, dass Cole oder der Rest seiner Familie ihm seine gleichgültige Haltung abgekauft hätten, aber das stand auf einem anderen Blatt.

»Ich weiß. Ich habe mit Grandpa telefoniert, als ich auf dich gewartet habe. Gleich morgen früh rufe ich Dad an, damit er mir Personenschutz organisiert.«

Cole verschränkte die Arme vor der Brust und begann mit einem Schuh auf den Boden zu tippen. Da Finn keine Ahnung hatte, was das sollte, zuckte er ratlos die Schultern, was seinen Bruder resigniert stöhnen ließ.

»Derrick hat mich vorgewarnt, dass du nicht kapierst, was ich meine. Schön, dann eben in direkten Worten. Ich will, dass du bist auf Weiteres bei uns einziehst.«

»Was?«, fragte Finn verblüfft, weil er sich eindeutig verhört haben musste.

»Zieh bei uns ein«, bekräftigte Cole seinen Vorschlag noch einmal. »Wenigstens so lange, bis dieser Wahnsinnige wieder hinter Schloss und Riegel sitzt.«

Oh nein. Auf gar keinen Fall. Finn schüttelte entschieden den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht infrage.«

»Finn ...«

»Nein!« Er tippte sich vielsagend gegen die Stirn. »Ich habe mich damals bewusst für dieses Apartmenthaus mit Concierge entschieden, weil ich wusste, dass sich unsere Väter sonst rund um die Uhr Sorgen machen würden. Malcolm wird ihn nie ins Haus lassen, das weißt du. Ich ziehe garantiert nicht zu Derrick und dir. Ihr habt zwei Teenager im Haus, du Idiot.«

Cole murmelte einen Fluch. »Dann ziehst du eben zurück nach Hause.«

Herrje, langsam drehte seine Familie genauso durch wie er selbst. Zuerst Bodyguards, dann ein vorübergehender Umzug zurück nach Hause und jetzt Coles Angebot. Was kam wohl als nächstes? Eine Fußfessel? Oder lieber gleich ein GPS-Sender im Schuh? Irgendwann würde er sich in Finn Bond umbenennen müssen, weil er genauso durch die Weltgeschichte schlich, wie der berühmte Geheimagent ihrer Majestät.

»Vergiss es. Maria bringt immer wieder ihre Enkel mit und wie dir nicht entgangen sein dürfte, gibt es in unserer Familie seit letztem November zwei süße Babys. Von Lilly und Brody will ich gar nicht erst anfangen. Ich bleibe in meiner Wohnung und damit basta!«

»Finn!«

»Keine Widerrede. Er kann sich an mir vergreifen, aber ich bringe garantiert nicht unsere Familie in Gefahr. So weit kommt es noch.« Finn grinste böse, als ihm ein Gedanke kam. »Hey, ich könnte mir eine Waffe kaufen.«

Cole sah ihn finster an. »Nur zu, wenn du mit dem Konter von Großvater leben kannst. Oder wäre dir Emma lieber? Ach, nein, warte, ich rufe mal schnell Elias an und erzähle ihm von deinem grandiosen Waffenplan. Er ist bestimmt so begeistert, dass er sofort aus dem Bett klettert, herkommt und dich übers Knie legt.

---ENDE DER LESEPROBE---