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Mathilda Grace

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Beschreibung

Sich mit einem »Medialen« ein Haus zu teilen, ist wirklich das letzte, was Sebastian Walker je tun wollte, aber er braucht das Geld, das das Verständigungsbündnis jedem anbietet, der sich auf das Experiment, erste Freundschaftsbande zwischen den Spezies zu knüpfen, einlässt. Und so findet er sich mit einem Außerirdischen in einem kleinen Holzhaus mitten auf einer Waldlichtung wieder, der so gefühlskalt zu sein scheint wie ein toter Fisch, aber gleichzeitig die faszinierendsten grünen Augen hat, die Sebastian jemals untergekommen sind. Als zukünftiger König von Alteran hält es Deveron für seine Pflicht, sich für das ausgehandelte Verständigungsprojekt zur Verfügung zu stellen, denn ohne die Hilfe der Menschen ist sein Volk dem Untergang geweiht. Doch der ihm zugeteilte Auserwählte ist gänzlich anders, als er erwartet hat. Wie soll es ihm nur gelingen, mit diesem gefühlsbetonten Menschen Freundschaft zu schließen, der sich mitten im Gesicht dichtes Haar wachsen lässt und zudem ein äußerst merkwürdiges Gestell auf der Nase trägt?

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Mathilda Grace

IM HERZEN DES STERNENLICHTS

 

 

Im Herzen des Sternenlichts

1. Auflage, Februar 2022

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

© 2022 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2020

Foto: Bruno; Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace

Korrektorat: Corina Ponta

 

Web: www.mathilda-grace.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

 

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.

 

Im Herzen des Sternenlichts enthält homoerotische Szenen.

 

 

 

 

 

Mathilda Grace

 

 

 

 

Sci-Fi & Romance

 

 

Liebe Leserin, Lieber Leser,

 

ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.

 

Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.

 

Dankeschön.

 

Liebe Grüße

Mathilda Grace

 

 

Sich mit einem »Medialen« ein Haus zu teilen, ist wirklich das letzte, was Sebastian Walker je tun wollte, aber er braucht das Geld, das das Verständigungsbündnis jedem anbietet, der sich auf das Experiment, erste Freundschaftsbande zwischen den Spezies zu knüpfen, einlässt. Und so findet er sich mit einem Außerirdischen in einem kleinen Holzhaus mitten auf einer Waldlichtung wieder, der so gefühlskalt zu sein scheint wie ein toter Fisch, aber gleichzeitig die faszinierendsten grünen Augen hat, die Sebastian jemals untergekommen sind.

 

Als zukünftiger König von Alteran hält es Deveron für seine Pflicht, sich für das ausgehandelte Verständigungsprojekt zur Verfügung zu stellen, denn ohne die Hilfe der Menschen ist sein Volk dem Untergang geweiht. Doch der ihm zugeteilte Auserwählte ist gänzlich anders, als er erwartet hat. Wie soll es ihm nur gelingen, mit diesem gefühlsbetonten Menschen Freundschaft zu schließen, der sich mitten im Gesicht dichtes Haar wachsen lässt und zudem ein äußerst merkwürdiges Gestell auf der Nase trägt?

 

 

 

 

 

Teil 1

 

Ist da sonst niemand?

Sind wir wirklich allein im Universum?

Und falls wir es nicht sind: Wären wir überhaupt bereit, zu erfahren, dass wir nicht allein sind?

 

 

Mediale

 

 

 

 

Im September 2035 veränderte sich die Welt.

Der Absturz eines Raumschiffes mitten in den kanadischen Wäldern sorgte für einen so raschen Wechsel aller Prioritäten, wie man ihn niemals zuvor für möglich gehalten hatte.

Kriege wurden unwichtig.

Ländergrenzen in aller Welt geöffnet.

Politische Zänkereien auf unbestimmte Zeit verschoben.

Regierungen, die sonst kaum gemeinsam an einen Tisch zu bekommen waren, baten plötzlich freiwillig um diplomatische Zusammenkünfte, um der neuen Wirklichkeit Herr zu werden, denn auf einmal war der Mensch nicht mehr die einzige Spezies im Universum und ihre unbekannten Besucher waren der Menschheit sowohl geistig, als auch in technologischer Hinsicht haushoch überlegen.

Keine Waffe drang durch den unsichtbaren Schild, der ihr beschädigtes Raumschiff umgab.

Kein Soldat gewann eines der wenigen Scharmützel, Mann gegen Außerirdischer, die es in den ersten Tagen gab, während die Besucher jene für sie neue Welt zaghaft erkundeten, bevor sie sich in ihr Schiff zurückzogen.

Keiner der freiwilligen Unterhändler, von denen daraufhin einige zum Raumschiff geschickt wurden, um einen ersten und möglichst friedlichen Kontakt herzustellen, kam nah genug an die Spezies heran, die den Menschen rein äußerlich zwar sehr ähnlich sah, deren telepathische Fähigkeiten bei der normalen Bevölkerung jedoch große Ängste schürten und den Fremden innerhalb kürzester Zeit den Namen »Mediale« einbrachte.

Am Ende war es ein Park Ranger, der zufällig über einen außerirdischen Jäger stolperte, der gerade dabei war, einen der mittlerweile so seltenen und deswegen unter Schutz stehenden Braunbären zu erlegen, und dem Fremden daraufhin verärgert und gleichzeitig furchtlos einen Vortrag über vom Aussterben bedrohte Wildtiere hielt, und damit den lang herbei ersehnten ersten Kontakt herstellte.

 

Heute, ein Jahr später, schwebt das reparierte Raumschiff mit seinen drei Schwesternschiffen im Orbit um die Erde und beide Seiten bemühen sich immer noch um einen anhaltenden Kontakt, der einen dauerhaften Frieden zwischen den Spezies sicherstellen soll, während überall auf der Welt Diskussionen in Gange sind, die für oder gegen das neu gegründete, neutrale Verständigungsbündnis debattieren.

Auch wenn die Weltgemeinschaft durch das Eintreffen der »Medialen« gemeinsam an einem Tisch sitzt, einig ist man sich deswegen noch lange nicht.

Doch das Angebot, ihre technischen Errungenschaften mit den Menschen zu teilen, ist zu verlockend, und so stimmen am Ende sämtliche Regierungen zu, dem Verständigungsbündnis freie Hand zu lassen, das daraufhin vorschlägt, Menschen und Mediale für zwölf Wochen in einer sicheren Umgebung erste, private Bande knüpfen zu lassen.

Ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Doch zugleich ein wichtiger Schritt in eine neue Welt.

 

 

1

 

 

 

 

Was hatte er sich bloß dabei gedacht?

Nun ja, um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte Sebastian Walker überhaupt nicht darüber nachgedacht.

Er hatte einzig und allein das Geld gesehen, das ihm diese dreimonatige Farce einbrachte und das ausgereicht hatte, um sämtliche in den vergangenen paar Jahren von ihm angehäufte Schulden auf einen Schlag zu begleichen und ihn damit davor zu bewahren, von einem brutalen, glatzköpfigen Schläger ein weiteres Mal die Finger gebrochen zu bekommen.

Mit genügend Geld in der Tasche, um nach diesem Irrsinn ganz von vorne anzufangen, ließ sich so einiges ertragen. Auch der gewaltige Kater, der seinen Kopf dröhnen ließ, seit er heute Morgen zu sich gekommen war.

Er hätte die erste Nacht in der Hütte nicht damit zubringen sollen, sich den Verstand aus dem Kopf zu saufen, aber er hatte einfach nichts mit sich anzufangen gewusst, nachdem er mit Sack und Pack, was in seinem Fall eine alte Reisetasche und ein Koffer voller Dellen gewesen war, in dieses voll ausgestattete Holzhaus gezogen war, das in einem idyllischen Waldgebiet, mitten auf einer Lichtung stand. Zusammen mit neun anderen Hütten, einem Schuppen und weiteren neunzehn Freiwilligen, die hier in den kommenden drei Monaten versuchen sollten, untereinander Freundschaften aufzubauen.

Wie das funktionieren sollte und ob es überhaupt klappen würde, wusste niemand. Weder die kanadische Regierung, die als Gastland umgehend die Schirmherrschaft über diese Region übernommen hatte, die der Heimatwelt der »Medialen« wohl am nächsten und deswegen von ihnen ausgewählt worden war, noch der Rest der Welt, der jetzt mit angehaltenem Atem seinen Blick auf sie richtete.

»Schließen Sie neue Freundschaften, wenn möglich. Erklären Sie unseren Gästen die Welt. Bringen Sie ihnen unsere Gesetze, Werte und Gebräuche bei. Seien Sie offen für alles Neue.«

Das hatte die ältere Dame vom Verständigungsbündnis zu ihm und seinen Mitstreitern gesagt, ehe das Finanzielle geklärt worden war und man sie aufgefordert hatte, sich mit maximal zwei Taschen am späten Nachmittag des 30. Septembers 2036 an einem vorher festgelegten Sammelpunkt einzufinden. Von dort waren er und die anderen Männer und Frauen mit einem Bus, bewacht von einer Militäreskorte und verfolgt von Presse und Schaulustigen, bis zur Grenze des komplett eingezäunten Geländes gebracht worden.

Eine Sicherheitsmaßnahme, denn sowohl der Regierung als auch dem neutralen Verständigungsbündnis war bewusst, dass dieses Projekt von Millionen Menschen und auch von mehr als einer Regierung äußerst kritisch gesehen wurde, und indem sie die Lichtung mit elektrischen Zäunen, Soldaten, Kameras und per Satellitenüberwachung sicherten, sollte verhindert werden, dass Unbefugte in das Waldstück eindrangen und damit einen Zwischenfall provozierten, der im schlimmsten Fall zu einem Krieg führte, den die Menschheit nicht gewinnen konnte.

»Aus welchen Gründen habt Ihr dem Kontrakt zu diesem Versuchsprojekt zugestimmt?«

Großer Gott, am frühen Morgen stellt er mir so eine Frage.

Sebastian war noch nicht einmal wach genug, um die Augen offenzuhalten, geschweige denn, seinem Mitbewohner in klaren Worten zu erklären, dass eine Menge Geld der Hauptgrund für sein Hiersein war. Na wenigstens konnte er sich mit dem Mann unterhalten, denn eines musste man den »Medialen« wirklich lassen. Sie hatten sich in der kurzen Zeit, die sie hier waren, schon ziemlich gut auf die Erde eingestellt. Sein Außerirdischer beherrschte insgesamt fünf Weltsprachen fließend, und obwohl Sebastian von diesem Projekt nicht mal ansatzweise überzeugt war, würde es ihr Zusammenleben mit Sicherheit um so einiges leichter machen.

Allerdings ließ ihn die Art und Weise, in der Deveron sich ausdrückte – der Name hatte in einer Broschüre gestanden, die jedem Teilnehmer im Bus überreicht worden war –, jedes Mal die Stirn runzeln, denn der hochgewachsene Alien mit seinen grünen Augen und der auffällig hellen Haut hörte sich immer an, als käme er aus dem vorletzten Jahrhundert.

»Du, nicht Ihr«, korrigierte Sebastian ihn deshalb nicht zum ersten Mal, weil er sich ziemlich albern vorkam, angesprochen zu werden, als wäre er jemand von Bedeutung. »Und es heißt Vertrag, nicht Kontrakt.«

Schweigen.

Es hielt leider nicht lange genug an, um seine gewaltigen Kopfschmerzen zu vertreiben, während er den offenen Wohn- und Küchenbereich durchquerte und zur Kaffeemaschine ging, ohne seinen für die Uhrzeit eindeutig zu wachen Mitbewohner dabei eines Blickes zu würdigen.

»Die Begrifflichkeiten sind einerlei. Beide Worte erklären in ihrer Bedeutung dasselbe, daher sind beide jederzeit einsetzbar und stören nicht im geringsten das gegenseitige Verständnis in unserer Kommunikation.«

Shit, seine Kopfschmerzen würden eher schlimmer werden als nachlassen, wenn dieser Außerirdische weiter so gestochen daherredete. Er drehte sich zu Deveron herum, als der Kaffee in die Kanne zu laufen begann, und bedankte sich innerlich bei allen Göttern, dass man ihnen eine normale Kaffeemaschine in die Küche gestellt hatte und nicht so ein neumodisches Teil, das man ohne seitenlange Bedienungsanleitung oder Studium in Ingenieurwissenschaften nicht benutzen konnte.

»Dann lies den Vertrag lieber noch mal, denn der beinhaltet eine Klausel, die besagt, dass deine Spezies sich den aktuellen, sprachlichen Gewohnheiten auf der Erde anpassen will. Deine Ausdrucksweise ist seit Jahrhunderten überholt.«

»Unsere Recherchen ...«

»Überholt«, unterbrach Sebastian sein Gegenüber ruppig, was den zwar kurz die Stirn runzeln ließ, aber sonst war keine weitere Gefühlsregung erkennbar. »Wenn du in der Zeit einige Jahrhunderte zurückreist, kannst du gerne so reden, wie du es im Moment tust. Hier gelten andere Regeln.«

Die vor allem besagen, dass du mir nicht am frühen Morgen den letzten Nerv rauben darfst.

Sebastian sprach Letzteres nicht aus, das wäre mehr als nur unhöflich gewesen, und er wollte nicht riskieren, bereits nach einer Nacht aus dem Projekt zu fliegen, weil er seine vorlaute Klappe nicht unter Kontrolle hatte. Die war schließlich auch der Grund dafür, dass er jetzt drei Monate mit diesem seltsamen Außerirdischen in einer Hütte festsaß. Man legte sich einfach nicht mit einem reichen Pokerspieler an. Jedenfalls nicht, wenn man nicht genug Geld hatte, um hinterher seine Schulden zu bezahlen.

»Die Fähigkeit der Zeitreise steht uns nicht zur Verfügung. Laut wissenschaftlicher Studien ist ohnehin mehr als fraglich, ob der Einflug in ein schwarzes Loch eine Raumkrümmung zufolge hätte, wie es in Studien Eurer Spezies prophezeit wird. Daher ist eine entsprechende Verkrümmung der Zeitachse, um nach Wunsch zwischen den Jahrhunderten zu reisen, ebenfalls als unwahrscheinlich einzustufen.«

Sebastian gaffte sein Gegenüber einen Moment fassungslos an, dann begann er zu grinsen. »Guck dir 'Star Trek' an, danach reden wir über Zeitreisen.«

»Was ist dieses 'Star Trek'?«

»Finde es raus, dann beantworte ich deine Frage«, erklärte Sebastian und wandte sich der Kaffeemaschine zu, um endlich an seinen starken, schwarzen Muntermacher zu kommen. Dass sein außerirdischer Mitbewohner bereits in sein Tablet vertieft war, nachdem er sich wieder umgedreht hatte, überraschte ihn genauso wenig, wie das interessierte Raunen, das kurz darauf zu hören war.

Laut seiner Broschüre war diese neue Spezies wissbegierig und dem Unbekannten gegenüber äußerst aufgeschlossen, und auf Deveron traf das eindeutig zu, denn der hatte Sebastians Einzug gestern Abend mit interessierten Blicken und mehr als einer neugierigen Frage über seinen Bart, seine Brille und das krause Haar auf seinen Unterarmen begleitet. Kurzsichtigkeit kannten »Mediale« offensichtlich genauso wenig, wie normale Körperbehaarung.

»Faszinierend und zugleich höchst unlogisch. Eure Spezies ist in ihrer technischen Entwicklung weit hinter dem zurück, was möglich ist. Ich wage außerdem zu bezweifeln, dass Euren besten Wissenschaftlern der Durchbruch in Bezug auf einen für lange Reisen nötigen und funktionierenden Antrieb nach dem Prinzip der Überlichtgeschwindigkeit bald gelingen wird. Eure Führer sind dafür zu zerstritten und in den meisten Fällen nur auf ihren eigenen, persönlichen Vorteil bedacht. Es käme wohl den allerwenigsten Menschen überhaupt in den Sinn, derartige Errungenschaften zu teilen.«

Dem konnte Sebastian kaum widersprechen, allerdings war er eindeutig noch nicht wach und auch nicht nüchtern genug, um sich mit Deveron weiter über Warp-Antriebe, Wurmlöcher, Zeitreisen oder die in seinen Augen unfähigen Regierungen in dieser Welt zu unterhalten, die es vor nicht allzu langer Zeit nur mit Mühe und Not geschafft hatten, einen bevorstehenden, dritten Weltkrieg abzuwenden.

»Wie gut, dass deine Anführer teilfreudiger sind, was euren Schutzschild und diesen ganzen Technikkram angeht, der euch im Orbit hält.«

Erneutes Schweigen.

Das diesmal so lange anhielt, bis Sebastian schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, als er sich mit einer Tasse in der Hand an die lange Kücheninsel setzte, die gleichzeitig auch als Esstisch gedacht war.

»Ihr spielt mit Euren Worten auf die Vertragsbedingungen zugunsten dieses Verständigungsbündnisses an.«

Natürlich tat er das. Nur aus dem Grund hatte man dieses Projekt doch gestartet. Das glaubte Sebastian zumindest, auch wenn das Verständigungsbündnis auf den Pressekonferenzen immer etwas anderes behauptete. Offiziell hieß es, dass es um Völkerverständigung, Austausch und echte Freundschaft ginge – von wegen. Sebastian war zu sehr Realist, um die offiziellen Erklärungen für bare Münze zu nehmen. Er hatte zwar keine Ahnung, was die »Medialen« für dieses Projekt bezahlten, aber aus reiner Freundlichkeit war diese Ansammlung von schicken Holzhäusern garantiert nicht innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft worden.

»Hast du etwa gedacht, dass die Menschen so ein Angebot ausschlagen würden? Ihr seid uns in technischer Hinsicht weit überlegen, das weiß jeder, der in den Regierungen irgendetwas zu sagen hat. Selbst wenn wir uns geweigert hätten, ihr hättet euch doch sowieso einfach nehmen können, was ihr wollt. Was hätten wir jemandem, der Gedanken manipulieren kann, schon entgegenzusetzen?« Deveron hob abrupt den Kopf und starrte ihn so eindringlich an, dass Sebastian stutzte. Hatte er da einen wunden Punkt getroffen? »Was?«

»Ihr schließt von Euch auf andere. Eine Eigenschaft, die nur Eurer Spezies zu eigen scheint und auf die Ihr nicht stolz sein solltet. Niemals würden wir mit Gewalt nehmen, was man uns nicht freiwillig zu geben bereit ist.«

Sebastian schnaubte. »Sag das dem Wanderer, der im Wald zufällig über einen eurer Jäger gestolpert und danach mit einer Hirnblutung im Krankenhaus gelandet ist.«

Deveron legte das Tablet hinter sich auf die Arbeitsplatte, an der er lehnte, seit Sebastian in den Wohnraum getreten war, und blickte ihn ernst an. »Ihr wisst, dass dieser unglückselige Vorfall keineswegs mit Absicht geschah. Eure primitive Art der Kommunikation war uns nach unserem Absturz nicht geläufig. Wir haben dem Verletzten sofort unsere Unterstützung bei der Heilung angeboten. Seine Angehörigen lehnten dieses Angebot jedoch vehement ab.«

Okay, das stimmte. Der Fall war tagelang durch die Medien in aller Welt gegangen und er hatte der Menschheit erst in aller Deutlichkeit klar gemacht, wie unterlegen sie wirklich war. Ein undurchdringlicher Schutzschild um ein riesiges Raumschiff, das von einer Spezies geflogen wurde, die normalerweise nicht mittels Lautsprache, sondern per Telepathie kommunizierte.

»Wir kamen in Freundschaft, nicht als Gewalttäter. Darum lernten wir Erdensprachen, um mit der Menschheit in jener Art und Weise zu sprechen, wie sie es gewohnt ist. Wir hätten die Erde in nur wenigen Tagen erobern können, dahingehend gebe ich Euch sogar recht, Sebastian Walker, aber wir haben es nicht getan. Wir sind Forscher, keine Zerstörer.«

Deveron verließ den Raum und verschwand in dem kleinen Flur, der die Verbindung zwischen ihren beiden Zimmern und einem Badezimmer war, das sie sich teilten. Sebastian ließ ihn gehen und lehnte sich dabei auf seinem Stuhl zurück, der mit drei anderen vor der Kücheninsel stand. Er trank einen Schluck Kaffee und ließ seinen Blick dabei durch den Raum schweifen. Es war ein schönes Holzhaus und noch dazu weitaus besser eingerichtet und ausgestattet als alle Wohnungen, in denen er bisher gelebt hatte. Als Hilfsarbeiter auf Baustellen, mit denen er seit Jahren durch die Weltgeschichte zog, je nachdem, wann und wo man Leute wie ihn brauchte, hätte er sich ein Zuhause wie das hier niemals leisten können.

Wenigstens war er jetzt schuldenfrei und nächstes Jahr, mit Beendigung dieses Projekts, konnte er völlig neu anfangen und es mit dem Geld, das das Verständigungsbündnis ihm gezahlt hatte, diesmal hoffentlich besser machen. Sebastian trank noch einen Schluck Kaffee und seufzte leise. Bevor er damit anfing Zukunftspläne zu schmieden, sollte er seinen faulen Arsch von diesem Stuhl hieven und sich bei seinem Alien entschuldigen. Deveron konnte schließlich nichts dafür, dass er ein zynischer und vom Leben enttäuschter Mistkerl war.

Um noch ein bisschen Zeit zu schinden, trank er den Kaffee aus, spülte die Tasse und ging dann zuerst in sein Zimmer, um das Fenster aufzureißen und den alkoholgeschwängerten Mief von letzter Nacht durch frische Luft zu ersetzen. Dann fiel ihm auf, dass er sich wie ein Feigling aufführte und verdrehte die Augen, ehe er mit entschlossenen Schritten den schmalen Flur durchquerte, an der offen stehenden Badezimmertür zu seiner Rechten vorbei, und vor der geschlossenen Tür von Deverons Zimmer stehenblieb.

Sebastian atmete einmal tief durch und klopfte an.

Keine Reaktion.

Das nahm er Deveron nicht übel, aber andererseits wusste der Alien vielleicht gar nicht, dass man auf der Erde höflich an eine Tür klopfte, ehe man ins Zimmer platzte. Oder aber, sein Mitbewohner wusste das sehr wohl und strafte ihn gerade mit Schweigen. Das allerdings passte in Sebastians Augen nicht zu dem logischen und überaus neugierigen E.T., der mit ratlosem Blick zuerst seinen Bartschneider und hinterher die Zahnbürste betrachtet hatte, als Sebastian gestern seine Drogerieartikel ins Badezimmer geräumt hatte.

Statt erneut zu klopfen, öffnete er die Tür ein kleines Stück. »Falls du nackt bist, sag es gleich, dann bleibe ich brav hier an der Tür stehen.«

Es dauerte einen Augenblick, bis Deveron antwortete. »Das verstehe ich nicht. Ist nackt sein für Eure Spezies etwas, das Ihr nicht mit anderen teilt?«

Sebastian lehnte sich leise glucksend gegen die Flurwand. »Nein. Es ist schlichtweg unhöflich, einfach in ein Zimmer zu platzen, während darin jemand nackt ist. Vor allem, wenn man denjenigen nicht näher kennt. Darum klopft man auch an, ehe man einen Raum betritt, in dem sich eine oder sogar mehrere Personen aufhalten. Das nennt sich Höflichkeit.«

»Verstehe … Nun gut, ich bin vollständig bekleidet, darum dürft Ihr eintreten.«

Sebastian tat es und staunte nicht schlecht, denn der Raum glich seinem in der Einrichtung bis ins kleinste Detail, nur dass er penibel aufgeräumt war. Kein Kleidungsstück lag irgendwo herum, das Doppelbett war schon gemacht und die Tagesdecke obenauf faltenfrei. Dagegen war sein Zimmer eine Müllhalde, mit dem halb ausgepackten Koffer, den Klamotten von gestern auf dem Sessel am Fenster und der leeren Whiskyflasche, die noch auf seinem Nachttisch stand. Er würde bei sich klar Schiff machen müssen, und zwar schnell. Sein Blick wanderte zum Fenster, vor dem sein E.T. mit verschränkten Armen stand und nach draußen schaute.

Sebastian räusperte sich. »Geld.« Deveron reagierte, indem er den Kopf etwas in seine Richtung neigte, ihn aber ansonsten ignorierte. Sebastian seufzte innerlich. »Die Antwort auf deine Frage lautet Geld.«

Schweigen.

Und das hatte er jetzt eindeutig verdient. Sebastian wandte sich ab, um Deverons Zimmer wieder zu verlassen. Er würde es in ein paar Stunden noch mal versuchen.

»Ihr glaubt nicht an die Chance, die sich uns hier bietet?«

Deverons leise Stimme ließ Sebastian wieder innehalten. Er drehte sich zurück und konnte seine Zweifel nicht aus seinen nächsten Worten heraushalten. »Ist es das denn wirklich?«

»Euer Misstrauen ist mir unverständlich. Wir haben absolut nichts getan, um es zu verdienen.«

Das hatten die »Medialen« wirklich nicht, musste Sebastian nach kurzer Überlegung eingestehen. Er seufzte resigniert und fuhr sich durchs Haar, das schon wieder viel zu lang war, wie ihm nicht zum ersten Mal auffiel, aber für einen Friseurbesuch war es zu spät, denn wenn möglich, sollten sie das Gelände für die geplanten drei Monate nicht verlassen. Egal. Eine Schere tat es im Notfall auch.

Doch im Augenblick gab es ja wohl bedeutend Wichtigeres als seine Haare, zum Beispiel diesen unschuldigen E.T. vor ihm, der überhaupt nicht verstand, wie negativ viele Menschen auf diesem Planeten dachten. Wie sollte er auch? Mit Logik ließen sich Gefühle nun mal nicht erklären und an letzteren haperte es Deveron gewaltig.

»Ich glaube, wir haben einfach Angst«, sagte Sebastian und lehnte sich gegen den Türrahmen, als Deveron sich daraufhin endlich zu ihm umdrehte und ihn verwundert anschaute.

»Vor uns?«

Sebastian nickte. »Ja.«

Ein Stirnrunzeln folgte auf seine Antwort. »Warum?«

»Menschen haben Angst vor Dingen, die sie nicht verstehen und nicht erklären können. Und dabei ist es vollkommen egal, ob die Angst begründet ist oder nicht.« Sebastian schürzte die Lippen, als ihm etwas einfiel, das dazu wunderbar passte. Ein Gespräch, das er als kleines Kind in einem Science-Fiction-Film gesehen hatte. »Ein Mensch allein ist durchaus intelligent und ein vernünftiges Individuum, mit dem man sprechen kann. Ein Haufen Menschen sind dagegen dumme, hysterische und im allerschlimmsten Fall lebensgefährliche Tiere, die auf alles und jeden losgehen, der sich ihnen in den Weg stellt.«

Deveron dachte einige Minuten über seine Worte nach, bis er schlussendlich nickte. »Diese Erklärung ist logisch. Ihr seid keine intelligente Spezies, obwohl Ihr Euch den Anschein gebt. Ihr führt Kriege um etwas, das Ihr Glauben nennt, tötet Euch gegenseitig im Namen von Göttern, die gar nicht existieren. Ihr tötet einander aus den niedersten Beweggründen und Ihr seid stolz darauf, Profit und Reichtum zu besitzen. Dabei kann Eure Spezies weder von dem einen noch dem anderen leben, sobald Ihr Eure Welt vollkommen ausgebeutet und zerstört habt. Eine Welt, die Ihr nicht ersetzen könnt. Die Ihr wahrscheinlich nie in der Form begreifen werdet, wie wir die unsere begreifen. Wir sind hier, um zu helfen, nicht um zu zerstören oder zu erobern. Wieso könnt Ihr das nicht verstehen?«

Sebastian zuckte mit den Schultern. »Das Problem ist nicht das Verstehen, Deveron, das Problem ist der fehlende Glaube. Die meisten Menschen glauben schon lange nicht mehr daran, dass jemand einfach nur gut ist. Wir leben in einer Welt, in der man nichts umsonst bekommt. Nicht mal ein Lächeln.«

 

 

2

 

 

 

 

Dieser Mensch war … ungewöhnlich.

Er war völlig anders, als alle anderen dieser Spezies, denen Deveron in den ersten Monaten, nach ihrem Absturz auf der Erde, während seiner nächtlichen Streifzüge durch Wälder und Ortschaften, begegnet war, ehe das Verständigungsbündnis auf sie zugekommen war, um mit den ersten Planungen für dieses Projekt zu beginnen. Keiner von den Menschen erinnerte sich daran, ihn gesehen zu haben. Er hatte ihre Erinnerungen daran aus ihrem Gedächtnis getilgt, da sie nicht dazu bereit gewesen waren, ihm gegenüberzustehen und mit ihm zu sprechen.

Aber Sebastian Walker war hier und er war bereit, obwohl er das selbst nicht wusste und Deveron es ihm in nächster Zeit auch nicht sagen würde.

Diese Spezies war seiner eigenen äußerlich so ähnlich und dennoch waren sie in ihrem Verhalten, ihrem Charakter und ihrem Gebaren so verschieden, dass Deveron sich fragte, wie es ihnen bloß gelingen sollte, eine Einigung mit ihnen zu erzielen, um das Gedeihen seines Volkes zu sichern. Vielleicht hätte er auf die Ältesten hören sollen, die ihm wiederholt und energisch davon abgeraten hatten, selbst ein Teil dieses ungewöhnlichen Projekts zu werden, aber Deveron war der Sohn seines Vaters und Archaron hatte äußerst wohlwollend genickt, nachdem er ihm den Vorschlag unterbreitet hatte.

Als zukünftiger König war es wichtig, sich persönlich ein Bild der Lage zu machen, und da die Menschen nichts über die wirklichen Strukturen innerhalb seines Volkes wussten, stand die Frage nach seiner Sicherheit nicht zur Debatte.

Stattdessen stand er nun vor der Frage, wie er auf die letzte Antwort von Sebastian Walker reagieren sollte. Sie war ehrlich gewesen, das hatte er tief in sich gespürt, so wie er viele Dinge spürte, für die er nicht immer die richtigen Begriffe kannte. Die Menschen waren ein Volk voller Gefühle und sie schienen für jedes von ihnen unzählige Worte zu kennen, die es beschrieben und erklärten. Derartiges war Deveron fremd und es irritierte ihn. Sein Volk war stolz auf seine Logik, seine Intelligenz und vor allem die damit einhergehende Möglichkeit weit zu reisen und andere Welten zu entdecken.

Die Menschen waren die erste Spezies, die sich so sehr von ihren Gefühlen und alltäglichen Stimmungslagen leiten ließen, dass sie ihnen bei wohlüberlegten und vor allem vernünftigen Entscheidungen oft im Weg standen, was in der Geschichte der Erde immer wieder zu gewaltigen Problemen geführt hatte und es weiterhin tat, denn die Menschheit stand vor ihrer völligen Ausrottung und begriff das nicht einmal.

Und aus diesem Grund hatten sein Vater und er sich nach Debatten mit den Ältesten und reiflicher Überlegung dagegen entschieden, von Beginn an ehrlich zu sein. Schon das Wissen, dass sein Volk dazu in der Lage war, ohne eine Lautsprache zu kommunizieren, hatte die Menschheit in blanke Angst versetzt und die ersten Gespräche hin zu einer hoffentlich dauerhaften Freundschaft äußerst problematisch gestaltet.

Die Menschheit war nicht bereit zu erfahren, dass sie nicht nur schweigend kommunizieren, sondern sich auch geistig mit anderen verbinden konnten, um sie vor allem in jungen Jahren anzuleiten, bei einer anspruchsvollen Arbeit zu unterstützen, um zu beschützen oder um die eigenen Gefährten immer nahe bei sich zu wissen.

Dabei waren die Menschen zu all dem selbst in der Lage. Es war Deveron vollkommen unverständlich, warum sie diese tief in ihren Gehirnen schlummernde Fähigkeit noch nicht einmal entdeckt hatten. Und dies war dem Wanderer zum Verhängnis geworden. Ein unglückseliger Vorfall, der seinem Volk abrupt klar gemacht hatte, dass die Menschheit geistig zerbrechlicher war, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte, und dass sie auf diese Weise nur äußerst behutsam und mit großer Vorsicht angesprochen werden durfte.

Deveron wünschte, sie würden diese Art Vorsicht auch sich selbst gegenüber walten lassen. Dann wäre die Erde ein ebenso friedlicher Ort, wie es seine Heimat war. Stattdessen schienen sie ihre Tage damit zu verbringen, einander zu misstrauen, sich gegenseitig zu verletzen und völlig sinnlos Profit anzuhäufen, während andere vor Hunger kaum mehr wussten, wie sie den kommenden Tag überstehen sollten. Dazu nutzten Menschen diese unterentwickelte Art der Kommunikation, die sie nach all der Zeit, die ihre Spezies bereits existierte, immer noch nicht vernünftig beherrschten, denn Jahr um Jahr wurden aufgrund von Glaubensfragen und Missverständnissen Kriege geführt und hunderttausende ihrer Art getötet.

Die Menschheit war so simpel gestrickt, wie sie gleichzeitig faszinierend war. Zumindest jener Mensch, der immer noch an der Tür stand und geduldig auf seine Antwort wartete.

»Wenn Ihr nicht an uns glaubt, dann war dieses Projekt von Anfang an zum Scheitern verurteilt«, erklärte Deveron gefasst, während er überlegte, ob er seinen Vater darüber informieren sollte. Wenn dieses Projekt tatsächlich scheiterte, würde das ein herber Rückschlag für sein Volk sein.

»Nicht unbedingt.«

Deveron runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr das?«

»Dieses Projekt wird nur scheitern, wenn wir es scheitern lassen.« Sebastian stieß sich vom Türrahmen ab und zwinkerte ihm zu. Eine Geste, die er nicht zum ersten Mal benutzte und deren Sinn Deveron nicht geläufig war. »Anders ausgedrückt, wir werden beide die Arschbacken zusammenkneifen müssen, um sicherzustellen, dass es funktioniert.«

»Eure Ausdrucksweise ist mir ein ständiges Rätsel. Warum sollen wir unsere Arschbacken zusammenkneifen, um uns …?« Deveron verstummte verblüfft, als Sebastian loslachte und ihn danach einfach stehenließ. »Sebastian?«

»Das ist eine Redewendung«, rief der ihm kurz darauf aus dem Wohnraum zu. »Darüber solltest du recherchieren, E.T.«

»E.T.?«, echote Deveron.

Ein weiteres Lachen war die einzige Antwort, die er erhielt und sie ließ ihn ratlos zurück. Würde er diesen Menschen wohl jemals verstehen lernen, dem dunkles Haar um den Mund und auf dem Kinn wuchs und der mit Gläsern in einem Gestell auf der Nase herumlief? Eine Brille. Gegen die Kurzsichtigkeit, wie er ihm erklärt hatte. Noch etwas, das er unbedingt genauer auf dem Tablet nachforschen musste, das ihren eigenen Datenpads auf Alteran ähnlich genug war, um seine Handhabung beinahe sofort zu verstehen.

Wenn er alles andere nur ebenso leicht verstehen würde. Es gab so vieles auf dieser seltsamen Welt, das ihm immer noch unbegreiflich war, obwohl sie bereits vor einem Jahr im Orbit eingetroffen waren und durch einen Berechnungsfehler in der Anflugphase fast ihr Flaggschiff verloren hatten.

Den für die Raumfahrt spezialisierten Technikern sei Dank war der Absturz in den Wald glimpflich ausgegangen und die Reparatur ihres Schiffes hatte ebenfalls nicht lange gedauert. Alle auf dem Schiff hatten diese Zeit redlich genutzt, um sich über die Menschheit zu informieren, aber dennoch schien ihr angehäuftes Wissen nicht einmal ansatzweise zu genügen.

Eine leider unwiderlegbare Tatsache, die Deveron langsam aber sicher zu überfordern begann. Er brauchte jetzt unbedingt einen intelligenten, unterstützenden Ratschlag und er wusste genau, von wem er selbigen bekommen würde.

Deveron streckte seine geistigen Kräfte aus. Vater? 

Die Antwort folgte prompt. Ja, mein Sohn? 

Die Menschheit ist möglicherweise nicht das, was wir uns von ihr erhofft haben.

Aufgrund welcher Geschehnisse triffst du diese Annahme?

Der Mensch, mit dem ich eine Unterkunft teile, war in unserem letzten Gespräch sehr ehrlich zu mir. Er zweifelt an unseren Motiven und hat seine Zustimmung zu diesem Projekt für den Profit gegeben, doch zugleich ist er gänzlich anders, als ich erwartete. Er spricht von unseren Arschbacken, die wir zusammenkneifen müssen, um nicht zu scheitern. Seine Ausdrucksweise ist mir unverständlich und sie führt seine vorherige Aussage, uns nicht zu trauen, ad absurdum.

Hast du ihm das gesagt?

Ja. Er antwortete mir, es wäre eine Redewendung und ich müsse über selbige recherchieren.

Dann solltest du das tun, mein Sohn. Eine gute Kommunikation ist der oberste Schlüssel zum Gelingen unserer Mission. Wir müssen erst lernen, dieses gefühlsbetonte Volk besser zu verstehen, bevor wir entscheiden können, ob sie dem, was wir in ihnen sehen, entsprechen oder ob sie das nicht tun.

Ein kluger Rat, den er beherzigen würde. Aber für den Fall der Fälle sollten sie dennoch darüber nachdenken, nicht all ihre Hoffnung in die Menschheit zu setzen. Es gab andere Planeten, mit anderen Spezies, die vielleicht geeigneter waren.

Vater? Wir sollten offen dafür sein, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Unser Rat und ich loten diese bereits aus, doch in Anbetracht der großen Entfernung zwischen den Welten mit intelligentem Leben ist die Erde die logischste und vielversprechendste Wahl. Die Menschen sind uns ähnlich und somit ist eine geistige Verbindung, wie wir sie suchen, hoffentlich möglich. Gewinne das Vertrauen dieses Menschen an deiner Seite und lerne von ihm alles Erlernbare. Sie mögen uns fremd und mitunter seltsam erscheinen, aber wenn sie sind, was wir erhoffen, werden sie uns retten, mein Sohn. Und vielleicht werden sie uns in vielen Monden sogar gestatten, sie zu retten. Jedes Leben ist wertvoll, denk immer daran.

Dem war nichts hinzuzufügen, außer eines: Ich werde dich nicht enttäuschen, Vater. 

Zufriedenes Raunen erklang in seinem Kopf. Das hast du niemals getan, mein Sohn. Ich bin sehr stolz auf dich. Soll ich deiner Mutter eine Botschaft übermitteln, sobald wir den nächsten Bericht nach Hause senden? 

Eine Frage, die er erwartet hatte, weil sein Vater sie immer stellte, und doch hatte er auch heute keine Antwort darauf. Die Verbindung zu seiner Mutter war schon seit Langem nur noch rudimentär vorhanden und es gab nichts, was er ihr zu sagen hatte. Aber Deveron wusste um den Wunsch seines Vaters, den Kontakt zu ihr nicht vollständig verstummen zu lassen und er respektierte ihn, auch wenn er ihn selbst nicht teilte.

Manchen Gefährten war es, so selten dies vorkam, einfach nicht gegeben, für den Rest ihres Lebens vereint zu sein, und dass seine Mutter ihr Tal verlassen hatte, um sich anderweitig ein neues Leben aufzubauen, war eine kluge Entscheidung zu seinen und vor allem den Gunsten seines Vaters gewesen, weil sie diese Wahl niemals gehabt hatten.

Dass er manchmal von dieser Frau träumte, die ihm längst fremd war, wusste sein Vater nicht und Deveron würde es ihm auch nicht erzählen. Als zukünftiger König von Alteran konnte er sich etwaige Schwächen nicht erlauben. Besonders keine der geistigen Art, die nur einen einzigen Schluss zuließen, nämlich den, dass er jene Frau, die ihn als kleines Kind verlassen hatte, tief in seinem Herzen offensichtlich vermisste.

Bitte sage ihr, es geht mir gut und ich ergründe im Augenblick die faszinierenden Tiefen menschlicher Sprachgewohnheiten.

Verstanden.

Ihre geistige Verbindung verstummte und Deveron machte sich auf den Weg in den geräumigen Küchenbereich, wo er das Tablet zurückgelassen hatte. Er musste unbedingt nach diesem Begriff 'Redewendung' recherchieren. Hoffentlich würde eine dazugehörige Erklärung ihm dabei helfen zu erkennen, warum er seine Arschbacken zusammenkneifen sollte und was das mit diesem Projekt zu tun hatte.

Und wo er ohnehin schon dabei war, würde er gleich noch nach Informationen über diesen E.T. suchen, um zu erfahren, warum Sebastian ihn nach dieser Person, sofern es eine Person war, benannt hatte.

 

Am Abend war Deveron in Bezug auf diese außerirdische Lebensform namens E.T. um einige Erkenntnisse reicher, und er verstand nun auch, aus welchem Grund Sebastian ihm den Namen dieser filmischen Figur gegeben hatte. Eine Anspielung auf ihr Hiersein, da sie ebenfalls einer für Menschen fremden Spezies angehörten.

Weitere Erkenntnisse in den Bereichen Sprichwörtern und Redewendungen konnte er jedoch nicht vorweisen, obwohl sie von der Menschheit in allen Sprachen und auf jedem einzelnen Kontinent genutzt und geliebt wurden. Der Sinn dahinter ging ihm auch nach genauen Studien unzähliger Informationsseiten in ihrem Internet jedoch weiterhin völlig ab.

Man tat in seinen Augen bedeutend klüger daran, zu sagen, was man meinte, und zu meinen, was man sagte, um auf diese Weise von vornherein Missverständnissen vorzubeugen, die es bei den vielen verschiedenen Sprachen auf der Erde vermutlich tagtäglich gab. Ihn hätte nicht gewundert, wenn eben derartige Sprachgewohnheiten bereits Kriege ausgelöst hatten, denn von selbigen hatte die Menschheit in ihrer Existenz so viele geführt, dass er schnell müde geworden war, sie zu zählen, geschweige denn verstehen zu wollen, aus welchen Gründen jeder einzelne von ihnen geführt worden war.

Warum war ein so altes Volk nicht in der Lage, aus seinen Fehlern zu lernen? Warum hatten sie nicht all die Tage, Monate und Jahre, die sie im Blut ihrer eigenen Spezies gewatet waren, dazu genutzt, einen Frieden auszuhandeln, der ihren Planeten in eine sichere Heimat für jedermann verwandelt hätte? So viel Zeit für diese wichtigen Entscheidungen und sie war ungenutzt verstrichen. Deveron verstand es nicht, so wie er vieles andere ebenfalls nicht verstand.

Zum Beispiel die Erfindung der Zeit.

Noch eine Begrifflichkeit, die Deveron hatte recherchieren müssen, denn die Art und Weise, wie Menschen das, was die Natur ihnen durch Tag und Nacht vorgab, in starre Strukturen pressten, um somit Ordnung in ihr Dasein zu bringen – es war verwirrend und im Grunde unnütz. Andererseits schienen die Menschen diese unflexiblen Strukturen aus einem ihm leider wieder einmal unverständlichen Grund wirklich zu brauchen, um ihr Leben zu leben.

Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre und weitere Worte für Zeit, die am Ende alle ein- und dasselbe beschrieben – den natürlichen Lauf der Dinge.

Ein energisches Klopfen an der Tür seines Zimmers ließ ihn aufsehen und im nächsten Moment schmerzerfüllt das Gesicht verziehen, weil sein vom zu langen Sitzen auf dem Bett steifer Nacken gegen die abrupte Bewegung protestierte. Das Klopfen wiederholte sich und Deveron runzelte die Stirn, da Sebastian die Tür nicht öffnete und ihn fragte, ob er bekleidet war.

»Schläfst du schon?«, wurde er stattdessen gefragt und das irritierte Deveron dann erst so richtig. Er sah aus dem Fenster. Der Himmel zeigte bereits die unübersehbaren Anzeichen für die heraufziehende Nacht, aber es war eindeutig noch zu früh, um sich zur Ruhe zu begeben.

»Nein.«

»Warum antwortest du dann nicht?«

Eine seltsame Frage, fand er, immerhin hatte Sebastian bei ihrem vorherigen Gespräch in diesem Raum ebenfalls nicht auf einer Antwort beharrt. »Warum betretet Ihr nicht mein Zimmer und fragt mich, ob ich bekleidet bin?«

Nach kurzem Schweigen begann Sebastian zu lachen und öffnete dabei die Tür, um einzutreten und sich mit in die Seite gestemmten Händen vor dem Bett aufzubauen.

»Bevor wir uns wieder missverstehen, ich werde dich nicht jedes Mal fragen, ob du nackt bist, aber ich werde weiter an die Tür klopfen und in Zukunft auf deine Zustimmung warten, ob ich dein Zimmer betreten darf. Wie schon gesagt, ist das eine Geste der Höflichkeit unter den Menschen. Völlig unabhängig von deinem Bekleidungszustand.«

Deveron nickte, denn diese Erklärung verstand er und sie ähnelte dem geistigen 'Anklopfen', das in seinem Volk geläufig war, bevor man sich einem Bewohner seines Tales näherte oder dessen private Räumlichkeiten betrat. »Ich verstehe.«

Sebastian stieß seufzend die Luft aus. »Hast du Hunger? Es ist spät und du bist schon seit Stunden hier drin. Ich habe uns etwas zu essen gemacht.«

»Ihr habt für mich gekocht?«, fragte Deveron ungläubig, da er damit absolut nicht gerechnet hatte.

Es fand sich keine spezielle Abmachung in ihrem Kontrakt, der das Zubereiten von Mahlzeiten betraf, darum war er davon ausgegangen, dass sie auch die restlichen Monde jeder für sich bleiben würden, so wie am gestrigen Abend, den Sebastian mit der Flasche dieses sonderbaren Getränks verbracht hatte, nach dem er bei ihrem Gespräch am heutigen Morgen noch äußerst unangenehm gerochen hatte. Deveron hoffte jedoch, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholen würde.

Sebastian zuckte mit den Schultern. »Na ja, kochen würde ich das nicht nennen, davon habe ich nämlich keine Ahnung. Aber ich kann eine Dose öffnen und ihren Inhalt aufwärmen, und ich kann die Hinweise auf Verpackungen zur Zubereitung lesen. Deshalb steht jetzt ein Gemüseauflauf mit Käse für dich in der Küche, ungewürzt, so wie gewünscht, und für mich gibt es Schweinefleisch mit Bohnen.«

Deveron schürzte die Lippen, als er daran erinnert wurde, was alles in den Kontrakt aufgenommen worden war, um von vornherein körperliches Unwohlsein möglichst zu vermeiden. »Eure industriell gefertigte Nahrung ist nicht sehr bekömmlich für uns.«

»Darum bekommst du dein Grünzeug auch ungewürzt. Ich habe die Broschüre durchaus gelesen.« Sebastian schmunzelte. »Obwohl ich ja glaube, dass du etwas verpasst, wenn du nicht wenigstens ein bisschen Salz und Pfeffer drauf tust, aber das ist deine Sache.«

»Wir würzen unsere Speisen durchaus, nur nicht in solchen Mengen, wie Ihr das tut.« Deveron erhob sich, streckte seine vom Sitzen steifen Gliedmaßen, und folgte Sebastian danach in die Küchenzeile, wo der bereits den Tisch gedeckt hatte. Eine sehr umsichtige Geste. »Ich danke Euch.«

»Wofür?«, fragte Sebastian, während er sich setzte.

»Eure Freundlichkeit und Eure Einladung, gemeinsam mit Euch diese Mahlzeit einzunehmen. Auch wir nehmen unsere täglichen Mahlzeiten bis zu einem gewissen Alter meistens mit den übrigen Mitgliedern der Familie ein.«

»Und später? Esst ihr dann immer allein?«, wollte Sebastian interessiert wissen, nachdem Deveron Platz genommen hatte und beide ihr Essen vor sich stehen hatten.

»Nicht ausschließlich«, antwortete Deveron und betrachtete zögerlich den gefüllten Teller. Es roch recht ansprechend, aber war es auch genießbar für ihn? »Situationsbedingt werden die Mahlzeiten durchaus in Gruppen eingenommen, um wichtige Studien oder die aktuelle Arbeit nicht lange zu unterbrechen.«

Sebastian lachte leise. »Wenn du ihn nicht probierst, wirst du nie herausfinden, ob er dir schmeckt.«

Auf eine merkwürdige Weise fühlte sich Deveron in seiner Ehre angesprochen, darum nahm er mit Vorsicht einen ersten Bissen von dem Auflauf. Der Geschmack war ungewohnt, aber zugleich faszinierend. Das Gemüse erinnerte ihn ein wenig an die herzhaften Tulak-Wurzeln von zu Hause, die man ziemlich lange kochen musste, um sie essbar zu machen, denn sie waren im Normalzustand so hart und gleichzeitig biegsam, dass sie, je nach ihrem Alter und der Dicke der Stränge, gern zum Flechten von Körben oder für die grobmaschigen Fangnetze der Fischer verwendet wurden.

Vielleicht konnten sie von den Menschen Samen von dieser und auch von anderen Pflanzen erhalten. Ein Austausch nicht nur von Technologie würde das Verständigungsprojekt für die Menschheit möglicherweise noch ansprechender gestalten.

»Was ist das?«

»Blumenkohl-Brokkoli-Auflauf mit Käse. Zumindest stand das auf der Packung.« Sebastian runzelte die Stirn. »Ist es nicht gut? Verträgst du es nicht?«

Sein Mensch schien besorgt um sein Wohlergehen zu sein. Merkwürdig. Deveron würde ihn nicht darauf ansprechen. »Es schmeckt ungewöhnlich, aber gut. Wir kochen Wurzeln, deren Geschmack ähnlich ist. Glaubt Ihr, Eure Anführer würden mit uns Samen verschiedener Pflanzen austauschen, um einander neue Nahrungsmittel nahezubringen?«

»Wieso sollten sie nicht? Immerhin geht es doch bei diesem Projekt darum, sich auszutauschen«, erklärte Sebastian gefällig und widmete sich wieder dem Essen auf seinem Teller, das für Deverons Nase völlig überwürzt roch.

Obwohl er neugierig war, würde er sich davon fernhalten. Als sein Blick auf die beiden kleinen Behälter mit Pfeffer und Salz fiel, die in der Mitte der Kücheninsel standen, zögerte er jedoch. Er sollte es wenigstens einmal ausprobieren. Es gab auf Alteran unzählige Kräuter für das Würzen von Gerichten und vielleicht fand sich darunter eines, das diesen hier ähnlich war. So wie der Auflauf auf seinem Teller.

»Vorsicht«, mahnte Sebastian plötzlich und grinste ihn an, als sich ihre Blicke trafen. »Ich kann dir förmlich ansehen, was du vorhast und von mir aus, nur zu, versuch´s. Aber nimm nur ein paar Salzkörner auf die Hand. Probier es erst so, bevor du dir am Ende den Magen verdirbst.«

Da Sebastian dieses Salzgewürz eindeutig besser kannte als er, hörte Deveron auf ihn und schüttete sich behutsam ein paar kleine, weiße Körner in die Hand. Er roch an ihnen, ohne etwas Spezielles wahrzunehmen, dann probierte er vorsichtig. Es gab kein Wort, um den Geschmack zu beschreiben, doch er war auf jeden Fall angenehm.

»Faszinierend.«

Sebastian nickte. »Versuch den Pfeffer. Aber Achtung, nicht zu viel und bloß nicht einatmen.«

»Warum sollte ich ein Gewürz einatmen wollen?«

Sebastian zwinkerte ihm zu. »Glaub mir, das passiert einem bei Pfeffer oft aus Versehen, weil er so leicht ist und jeder noch so kleine Windstoß einem das Zeug direkt in die empfindlichen Nasenlöcher wehen kann. Und das ist eindeutig kein Erlebnis, das man unbedingt machen will.«

Deveron nahm die Warnung ernst und der Pfeffer war ganz anders als das Salz. »Das ist … scharf.«

»Stimmt. Gib ein bisschen von beidem auf ein Stück deines Auflaufs. Aber nur ein bisschen. Und dann probier mal.«

Deveron tat es und das geschmackliche Zusammenwirken der Gewürze mit dem Gemüse gefiel ihm außerordentlich gut. Er probierte drei weitere Stücke des Blumenkohls, nahm dabei unterschiedliche Mengen Gewürz und entschied, dass das Salz besser zu seinem Essen passte. Er schob den Pfeffer wieder zur Tischmitte und zögerte dann erneut.

»Dev, mach es nicht«, warnte Sebastian ihn und klang dabei dermaßen amüsiert, dass Deveron ihn fragend ansah, was aber vor allem der Tatsache geschuldet war, dass sein Mensch zuvor seinen Namen nicht ausgesprochen hatte. Aus welchem Grund hatte Sebastian die letzten beiden Silben weggelassen?

»Ist mein Name zu kompliziert für Euch?«

»Das bringt dich auf die Palme, was?« Sebastian schüttelte den Kopf und spießte sich ein Stück Fleisch auf seine Gabel. »Dev passt besser zu dir, finde ich. Und du bist gerade so was von neugierig, dass es echt nicht mehr schön ist. Weißt du, ich kann dich sogar verstehen. Aber hör auf mich, mach es nicht.«

»Was ist eine Palme?«

Sebastian lachte. »Recherchier es, du Genie. Aber vorher iss noch etwas. Und lass den Pfeffer in Ruhe.«

Deveron schürzte die Lippen und schaute zurück zu dem scharfen Gewürz, das ihn wirklich verlockte. So wie früher, als er ein Junge gewesen war und sein Lehrer ihn gewarnt hatte, das tiefblaue Insekt nicht zu berühren, dessen Flügel so filigran und durchsichtig waren, dass er sich nichts mehr gewünscht hatte, als es nur ein einziges Mal mit dem Finger anzustupsen. Nicht, um dem possierlichen Tierchen wehzutun, sondern um herauszufinden, ob sein langer, schlanker Körper so weich war, wie er mit diesem flauschigen Pelz auf dem Rücken aussah.

Einen halben Mond später hatte Deveron die Antwort auf seine Frage gekannt, doch sein Vater war über die Erkenntnis, dass das Insekt sogar noch etwas weicher war als von Deveron erhofft, nicht sonderlich erpicht gewesen, was vorrangig dem heftig juckenden Ausschlag zuzuschreiben gewesen war, den Deveron am gesamten Körper gehabt hatte. Hinterher hatte er das Insekt nur noch in gebührendem Abstand bewundert, aber die Erfahrung war es wert gewesen. Und genau so würde er es mit diesem Pfeffer handhaben, entschied Deveron, ehe er den Behälter wieder an sich nahm.

»Oh Mann«, murmelte Sebastian kopfschüttelnd und erhob sich, um ihm kurz darauf ein Stück Papier zu reichen, das hier auf der Erde als Küchenrolle bezeichnet wurde. »Das wirst du wahrscheinlich gleich brauchen.« Sein Mensch lachte leise. »Na dann mal los, Captain Kirk. Erforsche das Unbekannte.«

Deveron wusste tief in sich, dass er einen Fehler machte. Es war wie ein Kribbeln unter der Haut, ein eigenartiges Gefühl in seiner Magengegend – genau wie damals, als er unbedingt das Insekt berühren wollte. Und genau wie früher als Kind kam er auch heute nicht gegen diesen drängenden Wunsch an. Er war schließlich auf einer Forschungsreise und musste forschen. Das gehörte mit zu seinen Aufgaben. Sein Vater würde das anders sehen, denn als Thronerbe war die Forschung keineswegs sein Fachgebiet. Aber Deveron interessierte sich für vieles, auch für den Pfeffer in seiner Hand.

Er schüttete ein wenig von dem schwarzen Pulver in seine Handinnenfläche und hob es an sein Gesicht.

Um sich wenig später mit tränenden Augen, laut hustend und niesend auf dem Fußboden wiederzufinden, während sein Mensch neben ihm hockte, aus vollem Halse lachte und dabei mit einem feuchten Lappen über sein Gesicht rieb, um diesem fürchterlichen Niesreiz endlich Einhalt zu gebieten.

»Hölle und Verdammnis«, platzte aus Deveron heraus, als er wieder genug Luft zum Sprechen hatte, und dass Sebastian das nur mit neuem Gelächter kommentierte, ließ ihn einerseits innerlich mit dem Kopf schütteln, während er andererseits auf einmal etwas an seinen Mundwinkeln zupfen fühlte, für das er keine Erklärung hatte.

Alteraner lachten nicht.

So wurde es schon den Kindern beigebracht, allerdings war Deveron nie so schlau oder gehorsam gewesen wie viele seiner Kameraden. Er hatte Fragen gestellt, die seine Lehrer ein ums andere Mal irritiert hatten, bis ihm bescheinigt worden war, ein äußerst wissbegierigeres Kind zu sein, das eines Tages etwas Großes erreichen konnte. Dem gefolgt war Einzelunterricht mit Ältesten aus Bereichen wie Technik, Naturwissenschaften und Forschung, und natürlich weiterer Unterricht zu Hause, denn als zukünftiger König musste er ebenfalls in Fragen zu Politik, der Geschichte Alterans und vor allem Diplomatie bewandert sein. Und diese Lehrjahre hatten ihm jeden Sinn für ein Lachen oder andere Gefühlsregungen genommen. Das hatte Deveron bis heute zumindest gedacht.

»Hölle und Verdammnis? Wo hast du denn den Spruch her, du verhinderter Pfeffertester?«, fragte sein Mensch, während er den Lappen ein zweites Mal befeuchtete und dabei weiter vor sich hin lachte.

»Von einer Seite über Redensarten.« Deveron lief die Nase, während er gleichzeitig erneut niesen musste. Sebastian blieb geduldig an seiner Seite, bis er sich beruhigt hatte. »Dort stand zur Erklärung, dass diese Begrifflichkeit bei Verärgerung oder Aufregung verwendet werden soll.«

»Tze, tze, tze, und ich dachte, ihr seid viel zu logisch, um so etwas Profanes wie Verärgerung zu fühlen?«

Deveron griff nach dem neuen Küchentuch, das Sebastian ihm reichte, und schnäuzte sich geräuschvoll seine kribbelnde Nase. »Sämtliche genetische Anlagen für jedwedes Gefühl sind in uns vorhanden. Wir haben uns nur dazu entschlossen, ihnen nicht nachzugeben. Die Logik führt unverkennbar zu besseren Entscheidungen.«

»Ja, das habe ich gerade gesehen.«

Deveron warf Sebastian einen brüskierten Blick zu und fing ein weiteres Mal an zu niesen, ehe er die Chance hatte, diesem in seinen Augen viel zu belustigt dreinschauenden Menschen zu erklären, dass er dieses scharfe Pulver nur zu Zwecken der Forschung probiert hatte.

Dass Sebastian schon wieder lachte – ohne Worte.

 

 

3

 

 

 

 

»Die genetischen Anlagen Eures Sohnes sind sehr stark. Es wird funktionieren.«

König Archaron von Alteran zweifelte nicht an den Worten seines Obersten Heilers, denn alle zehn Freiwillige waren nur aufgrund ihrer genetischen Anlagen für dieses Projekt erwählt worden. Archaron zweifelte an der Richtigkeit ihres Tuns, auch wenn er wusste, dass sein Volk die Veränderungen, die mit den Menschen auf ihre Welt kommen würden, dringend brauchte, um zu überleben.

Seine seit zigtausenden Monden von klarer Logik und wohl überlegten Entscheidungen beherrschte Welt stand kurz davor, für immer in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, und es war seine Aufgabe, dies zu verhindern. Schon sein Vater und davor seines Vaters Vater hatten die ersten Anzeichen erkannt und begonnen gegenzusteuern. Doch einem Volk, dem seine eigenen Gefühle mehr und mehr fremd wurden, begreiflich zu machen, dass weit mehr Kinder geboren werden mussten, um ihre Zukunft zu sichern, hatte sich als unmöglich erwiesen.

Immer mehr Erwachsene wählten die Forschung oder ihre Arbeit und entschieden sich aus logischen Beweggründen für ein Leben ohne Kinder, und jene, die Nachwuchs als wichtigen Teil ihres Lebens ansahen, beließen es bei einem Kind, statt wie früher bei mehreren.

Die Heiler teilten seine Sorgen um die Zukunft und keiner hatte gezögert, als Archaron seinen Plan offenbart hatte. Dass sein Sohn dann ein Teil dieses Plans sein würde, hatte er jedoch nicht vorausgesehen, und obwohl es ihn stolz machte, konnte er nicht aufhören, sich zu fragen, ob sie Erfolg haben würden. Ob es seinem Erben und den restlichen Erwählten gelingen würde, gegen ihre Erziehung aufzubegehren und einen ersten Schritt hin zu einer gefühlsbetonten Existenz zu gehen.

War es wirklich das Richtige, dieser so jungen Generation, die über die Zukunft eines ganzes Volkes entschied, nicht zu sagen, wie wichtig sie war und was von dem Gelingen dieser Mission abhing? Archaron wusste es nicht, aber er wusste, dass er all seine Hoffnung in Deveron und die Männer und Frauen an seiner Seite setzen musste.

»Einige unserer Ratsmitglieder werden protestieren, sofern wir Erfolg haben und in Begleitung von Menschen nach Hause zurückkehren«, erklärte er schließlich und wandte sich jenem Mann zu, der hinter ihm stand und derzeit neueste Ergebnisse seiner Forschungen studierte. »Wir sollten uns auf Widerstand einstellen.«

Tiberion, Oberster Heiler von Alteran, hob seinen Blick von dem Datenpad in seiner Hand und dachte einen Moment über seine Worte nach, ehe er sich räusperte. »Wir ehren seit vielen Monden jene, die alt und weise sind, denn sie haben einst das Fundament unserer Welt geschaffen. Doch ein Fundament ist nicht für immer in Stein gemeißelt. Es kann abgetragen, weiter ausgebaut oder auch verkleinert werden. Wir können ebenso neue Fundamente auf die alten setzen. Die Ältesten taten recht daran, die früheren Fundamente zu ändern, um zu verhindern, dass unsere Gefühle uns vernichten. Sie taten, was in der alten Zeit das einzig Richtige schien. Aber die alten Zeiten sind fort und wir werden ebenfalls fort sein, wenn wir uns nicht ändern. Der Vater Eures Vaters hat dies richtig erkannt und seit seinen Tagen hat ein Umdenken begonnen. Wir werden niemals alle erreichen oder überzeugen können«, Tiberion trat auf ihn zu und warf einen Blick durch das Fenster hinaus in die Schwärze des Weltraums, »aber es werden ausreichend sein, um unsere Zukunft zu sichern. Euer Sohn ist gefühlsbetonter, als er weiß, und er ist nicht der Einzige, Ihr wisst das. Seine Generation hat als erste ihre schlafenden Anlagen geweckt. Ein Umdenken ist oft mühsam und braucht Zeit, aber es kann gelingen. Mit den Menschen als Gefährten, mit einer funktionierenden, geistigen Verbindung zwischen ihnen, wird es sehr viel schneller gehen, und vielleicht kann die nächste Generation unseres Volkes ihre Gefühle bereits wieder offen zeigen.«

Archaron sah ebenfalls hinaus. »Ein Kind meines Sohnes, das meiner Gefährtin ein Lächeln schenkt.«

Tiberion seufzte neben ihm. »Eine Vorstellung, die für mich kaum begreiflich erscheint, doch möglicherweise dabei helfen wird, Eure Königin an Eure Seite zurückzubringen. Sie fühlt so viel, dass es sie mehr und mehr überwältigt. Und Ihr wisst, wie das ein jedes Mal endet. Wir haben bereits zu viele von ihnen begraben. Das muss aufhören.«

Archaron nickte. »Wir müssen einen Weg erkunden, unsere Verlorenen nach Hause zurückzuholen, und dafür müssen wir aufhören, nichts zu fühlen.«

 

 

4

 

 

 

 

So geht es nicht weiter, entschied Sebastian am dritten Tag.

Er hatte zwar keinen Plan, wie er das Ganze jetzt am besten beginnen sollte, aber wenn nicht irgendjemand endlich einen ersten Schritt auf die anderen zumachte, würden sie am ersten Januar des neuen Jahres immer noch jeder für sich hier sitzen, und das war nun wirklich nicht das, was Sebastian wollte.

Geld hin, fehlendes Vertrauen her, sie mussten reden. Sich gemeinsam an einen Tisch setzen und einander kennenlernen. Wahlweise auch draußen im Gras, falls das seinem wortkargen Alien besser gefiel, der nach dem Pfefferdesaster wieder dazu übergegangen war, die meiste Zeit des Tages wortlos auf sein Tablet oder den laufenden Fernseher zu starren, in dem er sich mittlerweile stundenlang Serien und Filme ansah, um auf diese Art und Weise die typisch menschlichen Interaktionen und die Feinheiten ihrer Sprache besser verstehen zu lernen.

Zumindest hatte Deveron ihm das auf seine Nachfrage hin gestern Nachmittag erklärt, was Sebastian für Blödsinn hielt. Man lernte nicht aus dem Fernseher oder durchs Internet, wie man mit anderen zurechtkam, sondern man sprach sie einfach an. Lud sie auf ein Bier oder Kartenspiel ein, tauschte sich über das Wetter oder die aktuelle Politik aus – scheißegal.

Außerdem wurde dieses Projekt zu einer Farce, wenn sie es in den gesamten drei Monaten nicht schafften, wenigstens ein einziges Mal gemeinsam ein Bier zu trinken oder irgendetwas Ähnliches. Sebastian mochte weiterhin nicht viel von alldem halten, auch wenn das Abendessen mit Deveron wirklich lustig gewesen war, aber er würde sich nicht die kommenden zwölf Wochen zu Tode langweilen, weil er selbst, sein schweigsamer E.T. und der Rest ihrer bunt zusammengewürfelten Truppe aus lauter feigen Hasenfüßen bestand.

Deswegen zog er sich nach dem Mittagessen, das er alleine hatte essen müssen, weil Deveron den ganzen Vormittag nicht aus seinem Zimmer rausgekommen war, Jacke und Schuhe an und verließ das Haus, um zu dem Schuppen hinüberzugehen, der ihnen als Sammellager für die haltbaren Lebensmittel und alle möglichen Dinge des täglichen Bedarfs diente.

Sebastian musste nicht lange herumsuchen, um zwischen deckenhohen Regalen, die mit Lebensmitteln, Drogerieartikeln, Obst und Gemüse, Büchern und Kücheninventar, wenn etwas zu Bruch gehen sollte, gefüllt waren, eine Kiste mit Karten und unterschiedlichen Brettspielen zu finden, und gleich daneben stand zudem ein fahrbarer Grill. Perfekt, dachte er und öffnete die Türen von der Gefriertruhe und dem Kühlschrank, die hier ebenfalls standen, in der Hoffnung, dort vielleicht dicke Steaks oder ein paar saftige Burger vorzufinden.

Er hatte Glück. Sogar in zweifacher Hinsicht, denn in einem Fach des Kühlschranks standen mehrere Sechserpacks Bier. Die würde er definitiv auch brauchen, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. Selbst wenn die Außerirdischen nichts tranken, die menschliche Hälfte in diesem Projekt war einem oder zwei Bier hoffentlich nicht abgeneigt. Es war den Versuch wert. Und irgendwie mussten sie ja einen Anfang finden.

Eine halbe Stunde später hatte er den Grill zu der Sitzecke geschoben, die sich mittig auf der Lichtung befand und einen circa Meter mal Meter großen Kreis aus Steinen säumte, in dem Holzscheite aufgeschichtet worden waren, um ein Lagerfeuer zu entzünden. Zwei der Sechserpacks Bier standen auf einem Tisch neben der Kühltasche, die er ebenfalls in dem Schuppen gefunden hatte, und in der jetzt das Fleisch darauf wartete, auf den Grill geworfen zu werden. Was noch? Sebastian warf einen prüfenden Blick auf das Lagerfeuer und stutzte. Streichhölzer. Oder einen Feueranzünder. Wo es einen Kohlegrill gab, würde es auch das geben, denn der Sack mit Kohle lag ebenfalls schon bereit. Dasselbe galt für insgesamt fünf breite Holzliegen, für die er im Schuppen auf der Suche nach Streichhölzern ein paar Auflagen fand, die er ebenfalls mit nach draußen nahm.

Sebastian hielt verblüfft inne, als sein Blick unerwartet auf Malte Johansson fiel, dem rothaarigen Schweden, der, wenn er sich richtig erinnerte, in das fünfte Holzhaus eingezogen war, zusammen mit einer weiblichen Außerirdischen, die mit einem gleichmütigen Blick an der Tür stand und sie beobachtete.

Malte deutete auf das Bier. »Grillparty?«

Sebastian zuckte die Schultern. »Mir fällt die Decke auf den Kopf und mein Alien ist nicht sehr redefreudig. Lust, mir beim Grillen und Bier trinken Gesellschaft zu leisten? Ich habe dicke Steaks im Kühlschrank gefunden.«

»Meine hüllt sich auch lieber in Schweigen.« Malte wandte sich dem Grill zu. »Ich übernehme das Fleisch und kümmere mich um eine gute Marinade.« Ihm schien etwas einzufallen. »Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, ist Jasper aus Hütte vier ein Park Ranger. Lass ihn das Feuer übernehmen.« Malte grinste spitzbübisch. »Wenn er die Lichtung aus Versehen in Brand steckt, schieben wir alle Schuld auf ihn.«

Sebastian lachte und begann die Auflagen zu verteilen. »Du bist ein böser Mann, Johansson. Was soll ich machen?«

Breite Schultern wurden gezuckt. »Du hast angefangen, die Party zu planen, also darfst du unsere außerirdischen Besucher vor die Türen locken.«

»War ja klar«, grollte Sebastian und grinste, als Johanssons Lachen daraufhin über die Lichtung schallte, während er den Rückweg zu seiner Hütte einschlug, weil er sicherheitshalber noch mal einen Blick in die Broschüre werfen wollte, um sich die Namen der übrigen Teilnehmer des Projekts in Erinnerung zu rufen, bevor er damit anfing, an Haustüren zu klopfen und Außerirdische und Menschen einzuladen. Wobei es garantiert leichter werden würde, Letztere zu einem lässigen Grillabend neben einem wärmenden Lagerfeuer zu überreden.

Egal. Selbst wenn er am Ende nur mit Malte dasaß, war das immer noch besser, als den nächsten Abend gelangweilt in der Hütte zu sitzen und Däumchen zu drehen.

Wobei er bei Gelegenheit unbedingt mal einen Spaziergang über das Gelände machen sollte, entschied Sebastian, als er ein paar Minuten später wieder nach draußen trat und sich danach erst mal in aller Ruhe umsah. Warum er das nicht schon längst getan hatte, war ihm schleierhaft, denn eigentlich konnten sie sich wirklich nicht beschweren, was diesen Ort anging. Es war eine große Lichtung und überall um sie herum wuchsen dichte Sträucher, Büsche und Laubbäume, die schon in den schönsten Herbstfarben leuchteten.

Außerdem führten an verschiedenen Stellen mehrere Wege in den Wald hinein, zum Wandern oder eben einfach für einen Spaziergang. Vielleicht konnte er ja irgendwann den stillen E.T. in seiner Hütte dazu überreden, ihn auf einem Spaziergang zu begleiten.

Morgen fange ich an, ihn deshalb zu nerven, dachte Sebastian, grinste kurz und richtete seinen Blick dann auf die Holzhäuser. Zehn Stück, angeordnet in einem mondförmigen Halbkreis um die Feuerstelle herum, dazu der Schuppen mit ihren Vorräten, der ein Stück abseits stand. Jedes Haus besaß eine überdachte, schmale Veranda, die über eine dreistufige Treppe zu betreten war und auf der es Sitzgelegenheiten und einen kleinen Tisch gab. Zusätzlich hingen am Geländer bepflanzte Kästen, deren Blumen in voller Blüte standen.

Das ganze Gelände sah aus wie eine Hotelanlage für Leute, die lieber im kleinen, intimen Kreis Urlaub machten und dabei unbedingt mitten in der Natur sein wollten. Hatte in dem Heft nicht sogar etwas von einem Waldfluss in der Nähe gestanden, an dem man angeln konnte?

Wer immer dieses Gelände für sie geplant hatte, hatte alles daran gesetzt, dass sie sich hier möglichst wohlfühlten. Was sie daraus machten, lag eindeutig an ihnen selbst und damit jetzt erst mal an ihm. Sebastian lockerte die Schultern, stemmte die Hände in die Hüften und machte im nächsten Moment kehrt, als ihm plötzlich wieder einfiel, was oder besser gesagt wen er vergessen hatte.

Dieses Mal klopfte er nicht an, denn Deverons Zimmertür stand einen Spalt offen, und als er eintrat, saß sein stiller Alien im Schneidersitz auf dem Bett und betrachtete mit gerunzelter Stirn die aufgeschlagenen Seiten eines Buches, das vor ihm auf der Tagesdecke lag.

»Was liest du da?«

»Ich fand dieses Buch in dem Regal dort neben der Tür. Auf dem Einband steht 'Lexikon' und es enthält viele Erklärungen zu Dingen, die ihr nutzt. Unter anderem zu Eurem Schutz und diese Dinge sind mitunter sehr ...« Deveron stockte kurz. »Nun … Sie sind faszinierend?«

Sebastian verkniff sich ein Grinsen, denn Deveron schien so irritiert zu sein, dass, was immer er gefunden hatte, vermutlich lustig für ihn werden würde. »Nenn mir ein Beispiel.«

»Nun … Eure Männer … Also … Wenn Ihr keine Kinder zu bekommen wünscht, zieht Ihr einen Stoff aus Naturkautschuk-Latex über Euren …«

Deveron verstummte mitten im Satz und Sebastian musste fest die Lippen zusammenpressen, weil er sonst in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre. Ausgerechnet über Kondome wollte sein neugieriger E.T. etwas wissen? Nicht, dass er nicht gewillt wäre, Deveron mehr darüber zu erzählen, ja sogar ihm am lebenden Objekt zu präsentieren, wozu so ein Kondom gut war – obwohl er bezweifelte, dass er im Schuppen einen Vorrat selbiger finden würde, aber egal –, doch bitte nicht jetzt oder überhaupt noch heute, wo er gerade mit Malte alles für einen gemütlichen Grillabend vorbereitete.

Sebastian räusperte sich vernehmlich, bis Deveron wieder zu ihm aufsah. »Wenn du willst, erkläre ich dir morgen genau, was es mit Kondomen und ihrer Benutzung auf sich hat. Aber heute habe ich etwas mit dir vor und darum wollte ich fragen, kommst du mit raus?«