Ein Reisender in Sachen Umsturz - E. Y. Meyer - E-Book

Ein Reisender in Sachen Umsturz E-Book

E. Y. Meyer

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Beschreibung

Der Erzählband ist das Erstlingswerk von E. Y. Meyer. Sieben Geschichten, wie sie die Angst schreibt. Erzählungen, die mit der schlimmstmöglichen Wendung enden. Mit Chaos, Irrealität, Dämonie, Schrecken, Grauen, Tod, Irrsinn. Stoisch, aber präzis, werden unscheinbare Situationen beschrieben, in denen sich Personen durch Krankheit, durch einen verlassenen Ort oder durch einen einsamen Weg etwas ausserhalb der alltäglichen Vertrautheit bewegen. Diese minimale Abweichung genügt, und das Gewohnte wird bedrohlich, gefahrvoll. Selbst realistische Details wirken nun wie Elemente eines surrealen Arrangements. Wir Leser werden mit einer Prosa verwöhnt, wie sie kaum ein Schweizer je so artifiziell und hochliterarisch komponiert hat.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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E.Y.MEY­ER

Ein Rei­sen­der inSa­chen Um­sturz

Ro­man

 

Erst­mals er­schie­nen 1972

Über­a­r­bei­tet 1983

© 2021 E.Y.MEY­ER

ey­mey­er.ch

 

 

Co­ver:

Bron­ze­kopf des Au­tors

Ge­schaf­fen 1997 von PAN YI QUINAca­de­my of Arts & De­sign

Tsing Hua Uni­ver­si­tyBei Jing, Chi­na

 

Ka­pi­tel

Dün­ner­wer­den­de Äste

In­sel­ge­schich­te

Haupt­ge­bäu­de des ehe­ma­li­gen Klos­ters St. Ka­tha­rin­en­thal

GEMD-SCHULH 1834

Der obers­te Tag

Neuyork

Ein Rei­sen­der in Sa­chen Um­sturz

 

FürMa­r­cel Reich-Ra­ni­cki

 

Dün­ner­wer­den­de Äste

Ge­gen Vier­tel vor elf hat­te er be­merkt, dass sich nicht mehr nur der Ita­lie­ner, son­dern auch der Wirt sel­ber hin­ter dem Aus­schank­tisch be­fun­den und die Ge­trän­ke be­reit­zu­stel­len ge­hol­fen hat­te, je­doch nicht, wie sonst, be­reits an­ge­hei­tert ge­we­sen war, son­dern auf­fal­lend frisch und ge­löst ge­wirkt hat­te.

Kurz dar­auf hat­te der Gast, der zwi­schen sei­nem Freund und dem Aus­schank­tisch ge­ses­sen war, ver­se­hent­lich sein noch fast vol­les Glas Wein um­ge­wor­fen, sich je­doch we­der um den Wein auf der Tisch­plat­te noch um je­nen auf sei­nem An­zug be­son­ders ge­küm­mert, son­dern sich an den Wirt die­ses, wie er ge­sagt hat­te, Tee­sa­lons gewandt und ihn ge­fragt, was es bei ih­nen (was ent­we­der als die üb­li­che Höf­lich­keits­form oder als die An­re­de für den Wirt und des­sen in der Be­die­nung aus­hel­fen­de Frau hät­te aus­ge­legt wer­den kön­nen) gebe, wenn Gäs­te ih­ren Wein aus­leer­ten – ob ih­nen die­ser nicht er­setzt wer­de –, wor­auf der Wirt geant­wor­tet hat­te, dass dies nicht der Fall sei, dann gebe es im Ge­gen­teil Schlä­ge. Sie (wo­mit er, der Wirt, in der gleich zwei­deu­ti­gen Art wie der Gast ent­we­der sei­ne Frau und sich oder die Wirts­leu­te über­haupt hät­te ge­meint ha­ben kön­nen) wüss­ten, was sie ih­ren Gäs­ten schul­dig sei­en.

Da der Gast die­se Ant­wort un­er­wi­dert ge­las­sen und bei der Ser­vier­toch­ter – die in­zwi­schen mit ei­nem Lap­pen an den Tisch ge­tre­ten war, um den aus­ge­leer­ten Wein auf­zu­put­zen – ein wei­te­res Glas be­stellt hat­te, hat­te sein in dem Lo­kal gut be­kannt schein­en­der Freund dem Wirt einen Gu­ten Abend ge­wünscht und ihn ge­fragt, wo er denn bis jetzt ge­we­sen sei, dass er sich in ei­ner so gu­ten Lau­ne be­fin­de, wor­auf die­ser er­wi­dert hat­te, er sei oben ge­we­sen und habe sich ans Pi­a­no ge­setzt ge­habt, um et­was zu üben. Was das ge­we­sen war, hat­te er al­ler­dings nicht ver­ra­ten wol­len – er habe eben nur ein biss­chen ge­übt.

Aber als sein Freund nicht auf­ge­hört hat­te, den Wirt im­mer wie­der auf ver­schie­de­ne Wei­se da­nach zu fra­gen, hat­te die­ser ge­sagt, dass er die Zwei­te Un­ga­ri­sche von Liszt ge­übt habe, wenn sie (sei­nen Freund und ihn, der eben­falls den Wirt an­ge­schaut hat­te, da­mit mei­nend) es wis­sen woll­ten, da­ne­ben aber auch noch an­de­re, leich­te­re Sa­chen (was sei­nen Freund an­schei­nend nicht so sehr, ihn je­doch ziem­lich stark über­rascht hat­te). Da­mit es nicht so auf­fal­le, wenn er jetzt dann Po­li­zei­stun­de bie­ten müs­se, habe er aber ge­dacht, dass es ge­schei­ter sei, wenn er et­was vor die­sem Zeit­punkt her­un­ter­kom­me, hat­te der Wirt dann noch ge­sagt – über­haupt sei die Po­li­zei­stun­de ja ei­gent­lich nicht, wie sie wahr­schein­lich alle mein­ten, um halb zwölf, son­dern be­reits um elf Uhr, aber die Po­li­zei ge­wäh­re von sich aus gross­zü­gi­ger­wei­se zu­sätz­lich noch eine hal­be Stun­de To­le­ranz, da­mit man in al­ler Ruhe noch etwas be­stel­len, es aus­trin­ken und be­zah­len kön­ne. Das sei lan­ge nicht über­all so, in Ba­sel zum Bei­spiel be­tra­ge die To­le­ranz nur eine Vier­tel­stun­de, und wer sich dann noch in ei­nem Lo­kal be­fin­de, tue dies auf sei­ne ei­ge­ne Ver­ant­wor­tung hin – so­fern der Wirt des be­tref­fen­den Lo­kals sei­ne Pflicht ge­tan und für je­den Gast hör­bar mit­ge­teilt habe, wann Po­li­zei­stun­de sei. Aber es sei je­dem Wirt trotz­dem lie­ber, wenn er nach­her und über­haupt kei­nen Be­such von Po­li­zei­be­am­ten habe- je­den­falls nicht, wenn sie sich im Dienst be­fän­den.

Fast die Hälf­te der Leu­te, die sich in dem Lo­kal auf­ge­hal­ten ge­habt hat­ten, wa­ren je­doch nach halb zwölf noch auf dem Platz da­vor ste­hen­ge­blie­ben – wahr­schein­lich in der Er­war­tung, dass noch ir­gen­d­et­was ge­sche­hen wür­de, dass je­mand viel­leicht noch alle zu­sam­men zu ei­nem spon­tan or­ga­ni­sier­ten Fest bei sich zu Hau­se ein­la­den wür­de, wo es dann noch zu den irrs­ten Sa­chen wür­de kom­men kön­nen.

Spä­ter, als das al­les aber im­mer aus­sichts­lo­ser wur­de, zer­streu­ten sie sich nach und nach, bis nur noch sein Freund und er da­s­tan­den und von den Bier­fla­schen, die sein Freund noch vor der Po­li­zei­stun­de vom Wirt per­sön­lich zum Mit­neh­men ge­kauft hat­te, so­gar nur noch eine üb­rig­ge­blie­ben war.

Als dann auch sie, sein Freund und er, nach­dem sie die­se letz­te Fla­sche zu­sam­men leer­ge­trun­ken und auf den Sims vor ei­nes der Fens­ter des Lo­kals ge­stellt hat­ten, sich auf den Heim­weg ma­chen woll­ten – in­dem sie lang­sam die durch die Stadt füh­ren­de Durch­gangs­stras­se, an der das Lo­kal lag, ent­lang­gin­gen –, sa­hen sie, kaum wa­ren sie ei­ni­ge Häu­ser weit ge­gan­gen, viel­leicht hun­dert Me­ter vor sich mit­ten auf der Stras­se einen aus­ser­ge­wöhn­lich gros­sen Mann (er er­in­ner­te sich nicht, je einen grös­se­ren Mann ge­se­hen zu ha­ben) in ei­nem eben­so auf­fal­len­den ko­mi­schen Gang auf sich zu­kom­men, so dass sie, ob­wohl er zu­erst ge­glaubt hat­te, der Mann tra­ge die Uni­form ei­nes Po­li­zis­ten, bei­de zu la­chen be­gan­nen (sein Freund schien sich von dem La­chen gar nicht mehr er­ho­len zu kön­nen) – was den gros­sen Mann, der in­zwi­schen nä­her ge­kom­men und auf ih­rer Höhe ste­hen­ge­blie­ben war, je­doch nicht zu stö­ren schien, denn er fing nun, es hät­te sein kön­nen, weil er sich in Hör­wei­te zu ih­nen be­fand, an, im­mer wie­der ziem­lich müh­sam, je­doch ohne des­we­gen ner­vös zu wer­den, ein ganz be­stimm­tes, ih­nen aber, ob­wohl auch sein Freund auf­ge­hört hat­te zu la­chen, un­ver­ständ­li­ches Wort zu wie­der­ho­len.

Erst nach ei­ner Wei­le merk­te er, dass der Mann wahr­schein­lich den Na­men ei­nes Or­tes aus der nächs­ten Um­ge­bung der Stadt zu sa­gen ver­such­te, und teil­te dies sei­nem Freund mit, der dar­auf er­neut in ein La­chen aus­brach, da der Mann, wenn er wirk­lich den Na­men die­ses Or­tes aus­sprach und sich auf die­se Wei­se nach dem Weg dort­hin er­kun­di­gen woll­te, ge­nau in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung hät­te ge­hen sol­len, was er ihm nun auch durch Hand­zei­chen zu ver­ste­hen zu ge­ben ver­such­te, ohne dass er si­cher ge­we­sen wäre, ob der Mann die­se ver­stand – als aus der Rich­tung, in die der Mann ge­gan­gen war, ent­fern­te, aber sich rasch nä­hern­de Mo­to­ren­ge­räu­sche zu hö­ren wa­ren, die, wie sie bald alle drei se­hen konn­ten, von ei­nem der al­ten rot­ge­färb­ten Au­to­bus­se der Städ­ti­schen Ver­kehrs­be­trie­be stamm­ten, dem der gros­se Mann dann ei­ni­ge Schrit­te ent­ge­gen­ging, be­vor er wie­der, wenn auch stark schwan­kend, mit­ten auf der Stras­se ste­hen­blieb, jetzt al­ler­dings mit zu ei­nem Hal­te­zei­chen er­ho­be­nem rech­tem und schräg nach un­ten vom Kör­per weg­ge­streck­tem lin­kem Arm.

Ob­wohl sich kei­ne Hal­te­stel­le in der Nähe be­fand, hielt der Bus am Stras­sen­rand vor dem Mann, be­vor sich die au­to­ma­tisch ge­steu­er­ten Tü­ren öff­ne­ten, da­mit die­ser ein­stei­gen konn­te. Dann schlos­sen sich die Tü­ren je­doch wie­der, be­vor der Mann, der beim Be­stei­gen des Bus­ses ei­ni­ge Schwie­rig­kei­ten hat­te, ganz drin­nen war, so dass er sei­nen von neu­em in einen Lach­an­fall aus­bre­chen­den Freund ste­hen­liess und auf den be­reits wie­der an­fah­ren­den Bus zu­lief, um ihn auf­zu­hal­ten, auf den ein­ge­klemm­ten Mann auf­merk­sam zu ma­chen und die­sem in den Bus hin­ein­zu­hel­fen.

Als er, in den Bus ein­stei­gend, dem Chauf­feur aber noch mit­tei­len woll­te, wo­hin der eben zu­ge­stie­ge­ne gros­se Mann zu fah­ren be­ab­sich­tig­te, schlos­sen sich die Tü­ren des Bus­ses er­neut, dies­mal je­doch so vor ihm, dass er nicht mehr ausstei­gen konn­te und der Bus nun trotz sei­ner Pro­tes­te end­gül­tig wei­ter­fuhr.

Ohne sich be­son­ders be­un­ru­hi­gen zu las­sen (es be­lus­tig­te ihn eher, als er dar­an dach­te, dass sich sein Freund jetzt wahr­schein­lich vor La­chen nicht mehr hal­ten konn­te) drück­te er auf einen der Knöp­fe, um dem Chauf­feur das Zei­chen zu ge­ben, an der nächs­ten Hal­te­stel­le an­zu­hal­ten, sah dann je­doch mit Er­stau­nen, dass an­stel­le des sonst üb­li­cher­wei­se grünauf­leuch­ten­den Wor­tes HALT, das an die­sem Ort un­ver­ständ­li­che und zu­dem noch or­tho­gra­phisch falsch ge­schrie­be­ne Wort LE­BER­P­AS­THE­TE er­schien. Den gros­sen Mann (der in dem über­füll­ten Bus kei­nen Platz mehr ge­fun­den hat­te und in dem noch frei­en Gang zwi­schen den Bän­ken auf dem Bo­den sass) nicht mehr be­ach­tend, stell­te er sich des­halb, für den Chauf­feur im Rück­spie­gel er­kenn­bar, schon jetzt vor dem Aus­gang be­reit – als ihn beim flüch­ti­gen Be­trach­ten der Fahr­gäs­te plötz­lich das Ge­fühl über­kam, dass die meist äl­te­ren Leu­te, von de­nen der gröss­te Teil Frau­en mit al­ten Ta­schen und Map­pen (ei­ni­ge auch mit Milch­kes­seln und Ess­ge­schir­ren) wa­ren, zur Ar­beit in ir­gend­ei­ne oder meh­re­re Fa­bri­ken fuh­ren, was je­doch zeit­lich nicht gut mög­lich war.

Dass nor­ma­le­r­wei­se zu die­ser Zeit auch gar kei­ne Bus­se mehr fuh­ren und dass er (wie ihm nun eben­falls ein­fiel) noch nie ge­hört hat­te, dass ein Bus zu dem Ort fuhr, den der gros­se Mann ge­nannt hat­te, er­schreck­te ihn je­doch eben­so we­nig, denn die nächs­te Hal­te­stel­le war be­reits in Sicht, und der Bus be­gann schon lang­sa­mer zu fah­ren, und er war froh, dass er recht­zei­tig dar­an dach­te, noch vor dem Ausstei­gen zu be­zah­len.

Da er im gan­zen Wa­gen kei­nen Kon­duk­teur fin­den konn­te, ging er des­halb nach vor­ne zu dem Chauf­feur, er­kun­dig­te sich nach dem Fahr­preis bis hier­her, und er­hielt als Ant­wort fünf­zig Rap­pen, gleich­zei­tig aber auch eine gan­ze Kar­ton­schach­tel voll ge­brauch­ter, noch auf Pa­pier­fet­zen kle­ben­der Brief­mar­ken in die Hän­de ge­drückt, aus de­nen er nun, wäh­rend der Bus an­hielt und vie­le neue Fahr­gäs­te zu­stie­gen (das Gan­ze als eine Auf­for­de­rung dazu ver­ste­hend), eine Fünf­zi­ger­mar­ke her­aus­zu­su­chen ver­such­te, je­doch we­der eine sol­che noch eine Fünf­zig-Pfen­nig-, Hel­ler-, Gro­schen-, Öre-, Kope­ken-, Di­nar-, Cent-, Cen­ta­vos-, Cén­ti­mos-, Cen­te­si­mi-, noch eine Fünf­zi­ger­mar­ke ei­ner an­de­ren Wäh­rung fand, ob­wohl so­gar Mar­ken von Län­dern da­bei wa­ren, von de­nen er noch nie ge­hört hat­te oder de­ren Schrift er nicht ein­mal le­sen konn­te.

Da der Chauf­feur sich in­zwi­schen je­doch den ein­stei­gen­den Leu­ten zu­ge­wen­det hat­te, die ihm alle ir­gend­ei­nen Ge­gen­stand aus­hän­dig­ten – meist alte Post- oder Land­kar­ten, Bü­cher, Co­mic strips, Wild­west-, Kri­mi­nal-, Hei­mat-, Frau­en-, Fa­mi­li­en-, Lie­bes- und Sci­ence-fic­tion-Ro­man­hef­te –, be­vor sie sich nach ei­nem Platz um­sa­hen, konn­te er sich nicht er­neut we­gen sei­nes Fahr­prei­ses an die­sen wen­den – und nach­dem es zu ei­nem Zwi­schen­fall mit ei­nem Mann ge­kom­men war, der ein Land­ser-Ro­man­heft ab­ge­ge­ben hat­te, auf des­sen Ti­tel­sei­te ein vor­wärts­s­tür­men­der Sol­dat, der den Mund zu ei­nem Schrei ge­öff­net hat­te und ein feu­er­spei­en­des Ge­wehr mit bei­den Hän­den vor sich hin­hielt, fa­r­big und so re­a­lis­tisch wie mög­lich ge­zeich­net ge­we­sen war (wel­ches der Chauf­feur zu­erst em­pört als ob­szön hat­te ab­leh­nen wol­len, dann je­doch trotz­dem gezwun­gen ge­we­sen war, an­zu­neh­men, da der an­de­re sehr ab­ge­brüht zu sein ge­schie­nen und nichts der­glei­chen ge­tan hat­te, als die­ser ihn so­gar vor al­len an­de­ren Leu­ten laut zu be­schimp­fen be­gon­nen hat­te), war der Chauf­feur so wü­tend, dass er den rest­li­chen war­ten­den Leu­ten er­klär­te, er hät­te kei­nen Platz mehr, was oh­ne­hin so ziem­lich den Tat­sa­chen ent­sprach, einen He­bel ne­ben dem Steu­er­rad her­um­leg­te, wor­auf sich die Tü­ren schlos­sen, und wei­ter­fuhr, ohne ihn ausstei­gen ge­las­sen zu ha­ben.

Die gan­ze Ab­fahrt war über­haupt so schnell vor sich ge­gan­gen, dass ihm die Brief­mar­ken­schach­tel zu Bo­den ge­fal­len und aus­ge­leert war, be­vor er sie wie­der hat­te fest­hal­ten kön­nen, was ihn je­doch nicht dar­an hin­der­te, zu­erst noch ein­mal auf einen der Hal­te­knöp­fe zu drü­cken und sich erst dann, wie ihm schien, un­ter den Bli­cken sämt­li­cher üb­ri­gen Fahr­gäs­te, dem Auf­he­ben und Ord­nen der Mar­ken zu­zu­wen­den (wo­bei er sich über­leg­te, war­um bloss schon wie­der ein wohl mit dem vor­her­ge­hen­den ir­gend­wie noch sinn­voll zu­sam­men hän­gen­des, mit dem Au­to­bus je­doch nicht das ge­rings­te ge­mein­sam ha­ben­des Wort wie ESS­WA­REN an­stel­le des Wor­tes HALT auf­leuch­te­te und war­um sich aus­ser ihm nie­mand dar­an zu stos­sen schien) – und aus die­ser ihn stär­ker, als er ge­glaubt hat­te, in An­spruch neh­men­den Be­schäf­ti­gung schreck­te ihn erst ein plötz­lich im In­nern des Bus­ses er­tö­nen­der Pis­to­len­schuss auf, umso mehr, als er den Ein­druck hat­te, die Ex­plo­si­on sei in sei­ner un­mit­tel­ba­ren Nähe er­folgt.

Nie­mand an­ders als er schien sich je­doch um den Schuss zu küm­mern, die Leu­te, die er von sei­nem Platz auf dem Bo­den hin­ter dem Chauf­feur, wo die Ab­ga­ben der Fahr­gäs­te auf­ge­sta­pelt wa­ren, se­hen konn­te, schau­ten im­mer noch auf ihn und die Mar­ken hin­un­ter – bis von hin­ten im Bus eine jun­ge blond­haa­ri­ge, sich nach der Pis­to­le und dem Schuss er­kun­di­gen­de Frau nach vor­ne dräng­te und ei­ni­ge der Leu­te so lan­ge, bis die Frau vor ihm stand, nach hin­ten, dann aber wie­der ab­wech­selnd auf ihn und die Frau schau­ten, die ihre Fra­ge nun auch an ihn rich­te­te (wie es ihm schien, in der An­nah­me, er sei ein für die Ab­ga­ben der Fahr­gäs­te ver­ant­wort­li­cher An­ge­stell­ter der Ver­kehrs­be­trie­be) und er­klä­rend bei­füg­te, sie ken­ne den Klang die­ser Pis­to­le ganz ge­nau und kön­ne ihn von demje­ni­gen al­ler an­de­ren Pis­to­len­schüs­se, die sie höre, mit hun­dert­pro­zen­ti­ger Si­cher­heit un­ter­schei­den, da die­se Pis­to­le ein­mal ih­rem Va­ter ge­hört, sie mit ihr das Schies­sen mit Hand­feu­er­waf­fen ge­lernt und eine ih­ren Va­ter und sie selbst im­mer wie­der er­stau­nen­de un­glaub­li­che Treff­si­cher­heit er­reicht habe, so dass sie al­les dar­an­set­zen wür­de, die­se Pis­to­le wie­der für sich zu er­wer­ben.

Sei­ne Ant­wort je­doch gar nicht ab­war­tend, mach­te sie sich dann so­gleich dar­an, den Sta­pel mit den Ab­ga­ben der Fahr­gäs­te, wahr­schein­lich nach der ge­such­ten Pis­to­le, zu durch­wüh­len, nicht dar­auf ach­tend, dass die­ser da­durch zu­sam­men­brach und die Kar­ten, Bü­cher und Hef­te, aber auch die sich eben­falls da­bei be­fin­den­den Klei­dungs­stü­cke und al­ten Ein­kaufs­ta­schen auf den gan­zen Bo­den ver­teilt wur­den – hielt dann aber in ih­rer von kei­ner­lei Ein­wand von ir­gend­je­man­dem un­ter­bro­che­nen Ar­beit inne, als sie einen al­ten Mi­li­tä­r­brot­sack in der Hand hielt und dar­aus eine ver­ros­te­te Ka­nin­chen­tö­ter­pis­to­le mit ei­nem un­ge­wöhn­lich lan­gen Lauf her­aus­zog, mit der sie so­gleich durch die Wind­schutz­schei­ben des im­mer noch fah­ren­den Bus­ses nach draus­sen ziel­te und, sich wäh­rend der Fahrt dre­hend, mit dem Lauf einen aus­ser­halb des Bus­ses lie­gen­den Baum fi­xiert hielt (bei wel­cher Ge­le­gen­heit er nun erst wahr­nahm, dass be­reits der Mor­gen an­ge­bro­chen war und der Bus durch eine fel­si­ge, zer­k­lüf­te­te, von Men­schen ver­las­sen schei­nen­de, öde Ge­birgs- und Wüs­ten­land­schaft fuhr, die er noch nie ge­se­hen hat­te und die aus ei­nem der nun am Bo­den ver­streut her­um­lie­gen­den Wild­west-Ro­man­hef­te hät­te stam­men kön­nen). Dies be­gann ihn nun doch ernst­haft zu er­schre­cken, da bei­des, der Mi­li­tä­r­brot­sack und die Ka­nin­chen­tö­ter­pis­to­le, ihm selbst ge­hör­ten, er sich je­doch nicht dar­an er­in­ner­te, die bei­den Din­ge bei sich ge­habt zu ha­ben, als er den Bus be­stie­gen hat­te, um dem gros­sen Mann hin­ein­zu­hel­fen.

Von der Frau dazu auf­ge­for­dert, ver­liess er des­we­gen dann auch zu­sam­men mit ihr – ih­rem Mann und der bei­den klei­nem Kind, die sich bis zum Ausstei­gen ganz hin­ten im Bus auf­ge­hal­ten ha­ben muss­ten und auch dort ausstie­gen – den Bus, nach­dem die Frau dem Chauf­feur nur kurz zu­ge­ru­fen hat­te, dass er an­hal­ten sol­le (da ihn die un­be­kann­te Ge­gend zu­dem be­fürch­ten liess, dass er sich be­reits zu weit von der Stadt ent­fernt habe, und er den Brot­sack und die Pis­to­le der ihm bis­her noch nie be­geg­ne­ten Frau doch wirk­lich nicht so ein­fach über­las­sen woll­te).

---ENDE DER LESEPROBE---