Eine entfernte Ähnlichkeit - E. Y. Meyer - E-Book

Eine entfernte Ähnlichkeit E-Book

E. Y. Meyer

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Beschreibung

Im Wirtshaus »Schützen« eines Schweizer Dorfes wird der Erzähler Zeuge des Selbstgesprächs eines verschrobenen und angeheiterten Alten, der vom Wein, Litern getrunkenen Blutes und von Nierenleiden berichtet. Tage und Wochen danach beschäftigt jener Mann den Erzähler und erinnert ihn an einen anderen, an den 71-jährigen Schriftsteller und Anstaltsinsassen Robert Walser auf einer historischen Fotografie. Er sucht den alten Mann und findet ihn im nahegelegenen ehemaligen Kloster, das jetzt Alters- und Pflegeheim ist. Loser, so sein Name, wird dem Erzähler zur Projektionsfläche für die Erinnerung an die Spaziergänge und Gespräche Carl Seligs mit Walser – und doch auch wieder nicht, denn Loser behauptet sich selbst mit seinen Geschichten von Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten. E. Y. Meyer erweist sich als Meister der feinen Beobachtung und der präzisen Beschreibung. Zwei Essays über Robert Walser begleiten die Erzählung. Stimmen zu E. Y. Meyer »Eine ungemein suggestive und kraftvolle Prosa, zu der man jeden Leser nur beglückwünschen kann.« Adolf Muschg »Wie E. Y. Meyer Erinnerung und Erwartung entstehen lässt, das ist einfach wunderbar.« Siegfried Lenz

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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E.Y.MEY­ER

Eine ent­fern­te Ähn­lich­keit

Eine Er­zäh­lung undzwei Es­says über den Schwei­zer Schrift­stel­ler Ro­bert Wal­ser

 

Erst­mals er­schie­nen 1975

© 2022 E.Y.MEY­ER

ey­mey­er.ch

 

 

Co­ver:

Bron­ze­kopf des Au­tors

Ge­schaf­fen 1997 von PAN YI QUINAca­de­my of Arts & De­sign

Tsing Hua Uni­ver­si­tyBei Jing, Chi­na

 

Die An­stalt war ein ehe­ma­li­ges Klos­ter, das für die Be­sitz­lo­sen ein­ge­rich­tet wor­den war. Dün­ne Eis­de­cken be­deck­ten die Pfüt­zen der

Stras­sen, wel­che zum Ar­men­haus führ­ten.

Fried­rich Glau­ser

 

In­halt

Eine ent­fern­te Ähn­lich­keit

Zwei Ro­bert Wal­ser Es­says

1 Sym­pa­thie für einen Ver­sa­ger

2 Ein gros­ser Spa­zier­gän­ger

Zeit­ta­fel zu Ro­bert Wal­ser

 

Eine ent­fern­te Ähn­lich­keit

VON AL­LEN IHM be­kann­ten We­sen sei er sel­ber das am we­nigs­ten spe­zi­a­li­sier­te und des­halb am meis­ten an­pas­sungs­fä­hi­ge. So wie im­mer das Un­spe­zi­a­li­sier­te wan­del­ba­rer und da­mit zu­kunfts­vol­ler blei­be, sei er des­halb auch ka­ta­s­tro­phen­här­ter als alle hö­he­ren Tie­re.

In je­der neu­en Um­ge­bung kön­ne es ihm ge­lin­gen, ein für die Ge­ge­ben­hei­ten ge­eig­ne­tes und sich in ih­nen be­wäh­ren­des Ver­hal­ten her­aus­zu­a­r­bei­ten. Er näh­re sich bald von der Jagd, bald vom Fisch­fang, baue sei­ne Hüt­te bald aus Holz, bald aus Stein, bald aus Schnee. Des­halb habe er sich auch als ein­zi­ges We­sen über die gan­ze Erde aus­zu­brei­ten ver­mocht, denn wo­hin er auch ge­kom­men sei, habe er sich auf die be­ste­hen­den Ver­hält­nis­se ein­ge­rich­tet.

Man fin­de ihn in den käl­tes­ten und in den heis­ses­ten Ge­gen­den, an den Po­len und am Äqua­tor, auf dem Was­ser und zu Lan­de, im Wald und in der Step­pe, im Sumpf und im Ge­bir­ge.

Wäh­rend die Inu­its bis zu zwei Dut­zend oder noch mehr Wör­ter für fal­len­den und eben­so vie­le für lie­gen­den Schnee hät­ten, ohne da­bei einen Ober­be­griff für Schnee zu ken­nen, wür­den den Gau­chos bis zu zwei­hun­dert für das Pferd, aber nur vier für Pflan­zen zur Ver­fü­gung ste­hen. Und das glei­che wür­de man bei den Ara­bern für die Wor­te Ka­mel, Sand und die Fa­r­be Braun fin­den.

Man kennt die The­sen und die Bei­spie­le.

Und so sei er also, wie er es spä­ter im­mer wie­der ge­nannt habe, hin­ge­gan­gen und habe sich die Erde und al­les, was sich auf ihr be­fin­de, un­ter­tan ge­macht.

Man hat­te die in dem ehe­ma­li­gen Klos­ter und um die­ses her­um ent­stan­de­ne An­stalt schon frü­her be­sucht.

Ob­wohl durch hü­ge­li­ge­res Ge­biet füh­rend und des­halb kur­ven­rei­cher, war man die an der An­stalt vor­bei­füh­ren­de, land­schaft­lich ab­wechs­lungs­rei­che­re Ne­ben­stras­se stets lie­ber ge­fah­ren als die in ih­rem letz­ten Teil zur Au­to­stras­se aus­ge­bau­ten Kan­tonss­tras­se, die der ein­glei­si­gen Bahn­li­nie folg­te und mit die­ser zu­sam­men die Haupt­ver­kehrs­ach­se der Ge­gend bil­de­te.

Und ei­nes Ta­ges, es muss­te an ei­nem Sonn­tag im No­vem­ber oder an­fangs De­zem­ber ge­we­sen sein, zur Zeit also, in der man in der Schu­le die Klös­ter und das Klos­ter­le­ben durch­nahm, hat­te man auf der An­hö­he ober­halb der An­stalt Halt ge­macht und die in ei­ner leich­ten Mul­de lie­gen­de, wei­ler­ähn­li­che Sied­lung fo­to­gra­fiert.

Wie­der hat­te einen das plötz­lich vor ei­nem lie­gen­de Ne­bel­meer über­rascht, das bis an den Jura hin­über­reich­te und bis vor kur­z­em auch die An­stalts­ge­bäu­de be­deckt ha­ben muss­te, sich im Mo­ment aber zwi­schen den Dä­chern und Mau­ern lich­te­te und auf­zu­lö­sen be­gann.

Nur noch hier und da hat­ten dich­te­re Schwa­den die son­nen­be­schie­ne­ne Land­schaft ober­halb der An­stalt be­deckt oder un­scha­rf er­schei­nen las­sen, die Sicht aber schon auf eine von ei­nem ro­ten Kran über­rag­te Bau­stel­le auf der nä­her­ge­le­ge­nen Sei­te der An­stalt, auf den der An­stalt an­ge­schlos­se­nen land­wirt­schaft­li­chen Be­trieb auf der an­de­ren Sei­te so­wie auf die obers­ten Tei­le der ein­zeln oder ne­ben­ein­an­der­ste­hen­den äs­te­rei­chen Bäu­me der Mul­de frei­ge­ge­ben.

Hell und deut­lich war auf der ge­gen­über­lie­gen­den Sei­te des Ne­bels in der ers­ten Jura­ket­te die schnee­be­deck­te Höhe des Chas­serals zu er­ken­nen ge­we­sen.

Als man das Auto kurz dar­auf an der Stras­se ober­halb des ehe­ma­li­gen Klos­ter­gar­tens ab­ge­stellt hat­te, wa­ren auch die letz­ten Ne­bel­schwa­den ver­schwun­den ge­we­sen, und die auf dem höchs­ten Punkt ih­rer Bahn ste­hen­de Win­ter­son­ne hat­te die an­ge­nehm fri­sche Luft er­wärmt.

Die in der Son­ne glän­zen­den, mes­sin­ge­nen Zei­ger der Turm­uhr hat­ten, durch einen mi­ni­men Win­kel ge­trennt, bei­na­he senk­recht nach oben ge­zeigt.

Eine fast voll­stän­di­ge Stil­le hat­te die Sied­lung um­ge­ben. Nur ab und zu war sie von ei­nem vor­bei­fah­ren­den Auto un­ter­bro­chen wor­den.

Die moos­be­wach­se­nen braun­ro­ten Zie­gel der in­ein­an­der­ge­schach­tel­ten Gie­bel- und Krüp­pel­walm­dä­cher wa­ren tro­cken und nur ge­le­gent­lich noch von klei­ne­ren Schnee­flä­chen be­deckt ge­we­sen.

Ne­ben auf­fal­lend klei­nen Man­sar­den­dä­chern mit klei­nen Man­sar­den­fens­tern hat­ten sich auf­fal­lend dün­ne und hohe graue Ka­mi­ne er­ho­ben.

Die dünns­ten Zwei­ge der Bäu­me im ehe­ma­li­gen Klos­ter­gar­ten, der im­mer noch als Gar­ten ge­nutzt wur­de, wa­ren mit Rau­reif über­zo­gen, und über die Mau­er um den Gar­ten her­um war zum Teil mit Schnee be­deck­ter Efeu ge­wach­sen.

Ob­wohl sich sonst im­mer ei­ni­ge oder meh­re­re An­stalts­in­sas­sen um die Ge­bäu­de her­um oder der Stras­se ent­lang auf­ge­hal­ten hat­ten, war man nie­man­dem be­geg­net, als man der Front­sei­te des ehe­ma­li­gen Klos­ters ent­lang­ge­gan­gen war.

Auch der Hof, der durch die halb­kreis­för­mig an das ehe­ma­li­ge Klos­ter an­ge­bau­ten neu­e­ren An­stalts­ge­bäu­de ge­bil­det wur­de, war leer ge­we­sen, so dass man ihn un­ge­hin­dert hat­te be­tre­ten kön­nen.

Ne­ben ei­nem klei­nen Gar­ten, der von ei­ner dün­nen Schnee­schicht be­deckt und von ei­nem rei­f­über­zo­ge­nen Draht­ge­he­ge um­ge­ben war, hat­ten zwei von Dreck durch­zo­ge­ne, zu­sam­men­ge­schmol­ze­ne und ver­harsch­te Schnee­h­au­fen ge­le­gen.

Vom un­ters­ten Teil des von die­ser Sei­te aus zur Gän­ze sicht­ba­ren Turms, auf des­sen Uhr die mes­sin­ge­nen Zei­ger be­reits wie­der einen grös­se­ren Win­kel bil­de­ten, hat­te eine über­dach­te Stein­trep­pe schräg nach oben zu ei­nem nach aus­sen vor­ste­hen­den, eben­falls über­dach­ten Gang ge­führt, un­ter dem sich eine halb­ge­öff­ne­te Tür be­fun­den hat­te, die in das ehe­ma­li­ge Klos­ter­ge­bäu­de hin­ein­führ­te.

Im Ge­gen­satz zu den gros­sen, fens­ter­ar­ti­gen Öff­nun­gen in der Sei­ten­mau­er der Stein­trep­pe wa­ren die Öff­nun­gen des Gan­ges mit ei­nem Rah­men und fes­ten Fens­ter­flü­geln ver­schlos­sen, die durch weis­se Holz­leis­ten in vie­le klei­ne, hoch­ste­hen­de Recht­e­cke un­ter­teilt wa­ren.

Auf den sich in ih­rem obers­ten Teil kelchar­tig ver­brei­tern­den Pfei­lern zwi­schen den Fens­tern be­fan­den sich die Wap­pen zwei­er em­men­ta­li­scher und die­je­ni­gen zwei­er wei­te­rer ber­ni­scher Äm­ter, und das Mau­e­r­band un­ter ih­nen wies drei in ver­schnör­kel­ter Schrift ge­mal­te Jah­res­zah­len aus dem An­fang des Jahr­tau­sends auf.

We­gen der Spie­ge­lung der Um­welt in den Glas­flä­chen wa­ren die bei­den männ­li­chen In­sas­sen der An­stalt, die sich un­mit­tel­bar hin­ter den Schei­ben auf­ge­hal­ten hat­ten, der eine sit­zend, der an­de­re ste­hend, nicht gleich zu er­ken­nen ge­we­sen, so dass man zu­sam­men­ge­fah­ren war, als man ihre wahr­schein­lich durch die Ver­zer­rung des Gla­ses, aber man war da nicht ganz si­cher ge­we­sen, ab­norm er­schei­nen­den Ge­sich­ter wahr­ge­nom­men hat­te, die schon die gan­ze Zeit über un­ver­wandt zu ei­nem her­un­ter ge­schaut ha­ben muss­ten.

EINE BE­GE­BEN­HEIT, DIE SICH im Früh­ling des dar­auf­fol­gen­den Jah­res ab­spiel­te, war der Grund da­für ge­we­sen, dass man das ehe­ma­li­ge Klos­ter oder, wie man nun wohl sa­gen muss­te, Al­ters- und Pfle­ge­heim noch ein zwei­tes Mal auf­ge­sucht hat­te.

An ei­nem schul­frei­en Nach­mit­tag im März oder April, je­den­falls vor Os­tern, also auch vor den Früh­lings­fe­ri­en und so­mit wohl eher im März, hat­te man sei­ne Schwes­ter an ih­rem Ar­beits­platz, dem Me­di­zi­nisch-Che­mi­schen In­sti­tut der Uni­ver­si­tät, ab­ge­holt, um mit ihr die im Be­zirkss­pi­tal des Wohn­orts der El­tern lie­gen­de Mut­ter zu be­su­chen.

Es war ein schon recht war­mer Tag ge­we­sen, und man war über­ein­ge­kom­men, die Ne­ben­stras­sen­stre­cke zu neh­men und erst un­ter­wegs, in ei­nem der an der Stras­se lie­gen­den Gast­häu­ser, ei­nem Land­g­ast­hof, et­was zu es­sen, um da­nach, ge­gen drei Uhr, wenn die Mut­ter nach dem Es­sen eine Zeit lang ge­schla­fen hät­te, di­rekt ins Spi­tal zu fah­ren und nicht noch zu­erst das lee­re El­tern­haus auf­zu­su­chen und dort eine Mahl­zeit zu­zu­be­rei­ten.

Der dem Al­ters- und Pfle­ge­heim auf der an­de­ren Stras­sen­sei­te ge­gen­über­lie­gen­de »Hirschen«, den man hat­te auf­su­chen wol­len, was für bei­de, die Schwes­ter und einen selbst, das ers­te Mal ge­we­sen wäre, hat­te ge­schlos­sen ge­habt, so dass man erst kurz nach den Zwei­en im über­nächs­ten Dorf im »Schüt­zen« ein­ge­kehrt war und, da die Kü­che schon zu und der Koch schon weg ge­we­sen war, nur noch et­was Kal­tes, einen ge­misch­ten Sa­lat, Bau­ern­wurst, Milch, ein Re­stau­ra­ti­ons­brot und ein Bier, hat­te be­kom­men kön­nen.

Und wäh­rend des War­tens auf das Es­sen hat­te ei­ner der sonst noch an­we­sen­den Gäs­te, ein klei­ner al­ter Mann in bäu­er­li­cher Klei­dung mit kurz­ge­schnit­te­nen weis­sen Haa­ren, der al­lein an ei­nem run­den Tisch in der Mit­te der Gast­stu­be vor ei­nem Drei­er Ro­ten sass, nach­dem er einen Schluck Wein ge­nom­men hat­te, zu­erst zu sich und zu der Ser­vier­toch­ter und dann nur noch zu sich, aber so laut, dass es in der gan­zen Gast­stu­be hat­te ge­hört wer­den kön­nen, also auch an dem Tisch, an dem die Ser­vier­toch­ter und eine wei­te­re Frau, wahr­schein­lich die Wir­tin und Schwes­ter der Ser­vier­toch­ter sas­sen, zu spre­chen be­gon­nen.

Das gebe Kraft! Sie sol­le ihm ge­ra­de noch einen brin­gen. Ja, vom glei­chen. Al­ge­ri­er!

Was? Kein Al­ge­ri­er? Was denn das für ei­ner ge­we­sen sei?

So. Mag­da­le­ner. Also gut. Dann sol­le sie ihm halt wie­der von dem brin­gen.

Aber war­um sie denn hier kei­nen Al­ge­ri­er hät­ten? Der kos­te wahr­schein­lich einen Bat­zen oder zwei we­ni­ger. Des­we­gen wür­den sie kei­nen ha­ben.

Das sei­en doch im­mer die glei­chen Herr­gotts­don­ner. Die­se Wirts­leu­te. Und al­les nur we­gen ei­nem Bat­zen oder zwei. Herr­je!

Aber eine Kraft gebe ei­nem die­ser Wein. Das wür­den sie nicht glau­ben.

Er wür­de heu­te noch ein hal­b­es Kalb oder eine hal­be Sau her­um­tra­gen kön­nen. Wenn die Sa­che mit dem Rü­cken nicht wäre. Das wür­de ihm nichts zu tun ge­ben.

Nur eben. Das sei nicht mehr wie frü­her.

Frü­her, da habe er eine Zeit­lang je­den Tag einen hal­b­en Li­ter Blut ge­trun­ken. Käl­ber­blut. Das habe eine Kraft ge­ge­ben. Potz!

Da habe er eine Kraft ge­habt. Er hät­te ein Ei­sen krüm­men kön­nen. So eine Kraft habe er ge­habt.

Aber al­les nur we­gen dem Käl­ber­blut. Käl­ber­blut!

Am Mor­gen, wenn sie da­ge­han­gen sei­en, schnell mit dem Mes­ser hin­ein­ge­sto­chen. Und wenn es her­aus­ge­spritzt sei, den Mund hin­ge­hal­ten, so­lan­ge es noch warm ge­we­sen sei. Das habe eine Kraft ge­ge­ben.

Die Stö­ren­metz­ger, die hät­ten es manch­mal noch von der Sau ge­sof­fen. Zack. Mit dem Ham­mer eins ins Ge­nick. Dann auf­ge­hängt, hin­ein­ge­sto­chen und ge­sof­fen.

Ein­mal hät­ten sie einen Eber ge­bracht. In Langnau. Ins Schlacht­haus. Fünf Zent­ner schwer. Sie hät­ten ge­meint, es sei eine Kuh.

Ist das eine Kuh? Ist das ein Rind? hät­ten sie ge­fragt. Zwei fünf­und­dreis­sig mit dem Schwanz.

Beim Leh­mann hät­ten sie eine Sau ge­metz­get. Da habe der Stö­ren­metz­ger auch ge­fragt: Ist das eine Kuh?

Aber beim Eber in Langnau sei die Ku­gel nicht durch den Schä­del. Und der sei los­ge­rast, mit der Ku­gel im Kopf. Habe das Seil durch­ge­ris­sen.

Pfer­de­bei­ne ab­ha­cken und so, das habe Kraft ge­braucht. Där­me weg­räu­men und die­ses Zeugs habe nicht viel zu tun ge­ge­ben.

Aber dann sei wie­der an­de­re Ware ge­kom­men. Da habe es ge­heis­sen: So, los. Zeig, was du kannst. Zeig, was du für eine Kraft hast!

Da­mals habe er eine Kraft ge­habt. Ja heu­te noch. Heu­te habe er noch eine Kraft. Er wür­de es noch mit man­chem Vier­zig­jäh­ri­gen auf­neh­men.

Und das Es­sen sei auch gut ge­we­sen. Das sei et­was an­de­res ge­we­sen als da oben. Im Heim.

Drei­mal in der Wo­che Kut­tel­sup­pe! Ob sie das hier auch ma­chen wür­den? Kut­tel­sup­pe.

Wahr­schein­lich nicht. So rich­tig dick. Mit To­ma­ten­sos­se. Das sei dann et­was Gu­tes!

Da habe er je­weils mehr als nur einen Tel­ler voll ge­nom­men. So mit Kar­tof­feln und ei­nem Sös­sel­chen dar­an. Im Wirts­haus wür­de man da­für acht, neun Fran­ken be­zah­len. Ohne wei­te­res.

Und einen gu­ten Lohn habe er auch ge­habt. Hun­dert­fünf­zig Fran­ken im Mo­nat. Und wenn er durch­hal­te, nach zwei Jah­ren zwei­hun­dert, hät­ten sie ge­sagt.

Heu­te sei das ja nichts mehr. Heu­te wür­den sie ja so­viel als Sit­zungs­geld er­hal­ten. In Bern. Im Gros­sen Rat. Nur da­für, dass sie da­sit­zen und gros­se Re­den hal­ten und schwat­zen.

Der Ver­wal­ter sei ja auch so ei­ner.

Und dann noch einen drei­zehn­ten Mo­nats­lohn dazu. Ges­tern hät­ten sie es ge­sagt. Im Fern­se­hen. In der Ta­ges­schau. Dass sie es be­schlos­sen hät­ten. Für die Bun­des­be­am­ten.

Da­bei. Was das denn sei? Ein drei­zehn­ter Mo­nats­lohn? Das gebe es ja gar nicht. Einen drei­zehn­ten Mo­nat. Und dann sol­le es einen drei­zehn­ten Mo­nats­lohn ge­ben?

---ENDE DER LESEPROBE---