Sundaymorning - E. Y. Meyer - E-Book

Sundaymorning E-Book

E. Y. Meyer

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Beschreibung

Zwei Künstler, ein Schriftsteller und ein Maler, lehnen sich gegen die überrationalisierte Welt der Industriegesellschaft auf und versuchen, wieder festen Boden unter die Füsse zu bekommen. »›Sundaymorning‹ ist ernst und vergnüglich, unterhaltlich und philosophisch in einem und nimmt Schweres leicht, Böses aber böse…« (aus der Laudatio). Mit der Wahl des berndeutschen Dialekts hat sich der Autor vom »Vereinheitlichungsinstrument einer Standardsprache« befreit. Ausgezeichnet mit dem Gerhart-Hauptmann-Preis 1983.

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E.Y.MEY­ER

Sun­day­mor­ning

The­a­ter­stück

 

Erst­mals er­schie­nen 1984

© 2022 E.Y.MEY­ER

ey­mey­er.ch

 

 

Co­ver:

Bron­ze­kopf des Au­tors

Ge­schaf­fen 1997 von PAN YI QUINAca­de­my of Arts & De­sign

Tsing Hua Uni­ver­si­tyBei Jing, Chi­na

 

Ka­pi­tel

Per­so­nen

Schau­plät­ze

An­mer­kung

1. Akt

2. Akt

3. Akt

Nach­wort E. Y. Mey­er

Rede Mar­tin Machatz­kes

Zur Ver­lei­hung des Ger­hart-Haupt­mann-Prei­ses 1983

 

Für Eva und Ro­bert Mül­lerund ihre Kin­derDa­ni­el, Ba­r­ba­ra und Chris­ti­na

 

Per­so­nen

Pa­blo

Schrift­stel­ler, ca 30 Jah­re alt

Edy

Kunst­ma­ler, ca. 32 Jah­re alt

Wir­tin

ca. 50–60 Jah­re alt

Rei­te­rin

Bau­ern­toch­ter, ca. 18 Jah­re alt

Bopp

Gym­na­si­al­leh­rer, ca. 31 Jah­re alt

Va­nes­sa

Bopps Freun­din, Eng­län­de­rin, ca. 29 Jah­re alt

Ein Jog­ger, Volk, ein Hund.

 

Schau­plät­ze

Vor ei­nem al­lein­ste­hen­den Land­g­ast­hof, vor ei­nem Bau­ern­stö­ck­li, in ei­nem gros­sen Ate­li­er-Wohn­raum.

 

An­mer­kung

Die »Gar­ten-Wirt­schafts-Welt« des 1. Ak­tes ist als eine ir­re­al-re­a­le, aus ei­ner ver­gan­ge­nen Zeit wie­der auf­ge­tauch­te oder wie durch ein Wun­der üb­rig­ge­blie­be­ne »my­thi­sche In­sel« zu ver­ste­hen, die einen be­wuss­ten Ge­gen­satz zu un­se­rer heu­ti­gen »In­dus­trie-Ge­sell­schafts-Welt« bil­det.

Die »Pseu­do-Dat­scha-Welt« des 2. Ak­tes stellt dem­ge­gen­über eine durch­aus re­a­le, un­ver­meid­li­che auch kit­schi­ge Züge tra­gen­de heu­ti­ge »Bau­ern-In­dus­trie-Welt« -Mi­schung dar.

Der »Ate­li­er-Wohn-Raum« des 3. Ak­tes wie­der­um soll­te auch in sei­ner tie­fe­ren Be­deu­tung als eine real-ir­re­a­le, eben­so be­droh­te, wie be­droh­li­che »Kunst-Oase« als »Wahn-Raum« so­zu­sa­gen, in ir­gend­ei­ner un­se­rer un­wirt­lich ge­wor­de­nen »In­dus­trie-Städ­te« er­schei­nen.

Der 1. Akt soll­te, im Gros­sen und Gan­zen, in ei­nem »ir­ren« Tem­po ge­spielt wer­den – als »Mordss­pek­ta­kel« so­zu­sa­gen, das et­was von der schnel­len Bil­der­fol­ge ei­ner Rock-Show an sich hat.

Über­haupt soll­ten die In­sze­nie­run­gen, die aus dem vor­lie­gen­den Text er­a­r­bei­tet wer­den, von ei­nem ver­gnüg­li­chen, ei­nem bö­sen Ernst also ge­prägt sein.

 

1. Akt

Wäh­rend es im Zu­schau­er­raum dun­kel wird, er­tönt »THE HOU­SE OF THE RI­SING SUN« von den Ani­mals.

Nach­dem Eric Bur­don die ers­te Stro­phe ge­sun­gen hat, öff­net sich der Vor­hang und gibt den Blick auf die schwa­r­ze Sil­hou­et­te ei­nes al­lein­ste­hen­den, nur von ei­ni­gen Bäu­men und Bü­schen um­ge­be­nen Land­g­ast­hofs mit Gar­ten­wirt­schaft frei, die sich vor ei­nem un­na­tür­lich in­ten­si­ven, be­wusst kit­schig ge­hal­te­nen Mor­gen­rot-Hin­ter­grund ab­hebt.

Nach der zwei­ten Stro­phe des Songs wird die Mu­sik lei­ser und ver­mischt sich gleich­zei­tig mit ei­nem im­mer lau­ter wer­den­den, hef­ti­gen, viel­fäl­ti­gen und teil­wei­se völ­lig fremd­ar­tig klin­gen­den Vo­gel­ge­zwit­scher, das schliess­lich eine über­na­tür­li­che, quä­len­de Laut­stär­ke er­reicht.

Nach ei­ni­ger Zeit flitzt plötz­lich ein etwa dreis­sig­jäh­ri­ger jun­ger Mann, im Hemd und mit ei­nem über­lan­gen, hand­ge­strick­ten Schal um den Hals, auf ei­nem Da­men­fahr­rad vor dem Gast­hof vor­bei und ver­schwin­det auf der an­de­ren Sei­te wie­der.

Kurz dar­auf wird das Vo­gel­ge­zwit­scher lei­ser und der Gast­hof lang­sam in hel­les röt­li­ches Licht ge­taucht.

Dann kommt der Mann mit dem Da­men­fahr­rad zu­rück­ge­fah­ren und hält vor dem Gast­hof an.

Pa­blo

(auf­ge­kratzt) Ou, die gue­ti Beiz! (Laut) Edy, da schau­te mer e chly­ne Zwü­sche­haut i! – (Schaut in die Rich­tung, aus der er ge­kom­men ist) Gop­fer­de­li, was isch o mit däm Edy los? (Winkt mit wei­t­aus­ho­len­den Arm­be­we­gun­gen und ruft) Los, Edy! Gib ihm! Tem­po!ÄNDSCH­PURT! (Fährt mit dem Velo einen Kreis) – Ach­tung, Ach­tung! – Mei­ne Da­men und Her­ren, lie­be Rad­sport­freun­de! In we­ni­gen Se­kun­den hat der Sie­ger der dies­jäh­ri­gen TOUR DE SUISSE das Ziel die­ser zwei­hun­dert­fünf­zig Ki­lo­me­ter lan­gen MIT­TEL­LAN­DE­TAP­PE er­reicht... es ist – Edyyy – MER­CKX!

Ein sehr lau­ter, kur­z­er, ab­rup­ter MAS­SEN­AUF­SCHREI er­tönt. Edy, zir­ka 32, mit kra­gen­lo­sem Hemd, den Kit­tel zu­sam­men­ge­rollt auf dem Ge­päck­trä­ger, er­scheint auf ei­nem Her­ren­ve­lo – völ­lig er­schöpft.

 

Edy

Läck Jim­my, bin i FER­TIG!

Pa­blo

Was isch? Hesch no mau mües­se ga chot­ze?

Edy

I bi fer­tig – i fah­re ke Me­ter meh!

Pa­blo

(fährt wäh­rend des fol­gen­den Di­a­logs um Edy her­um oder zieht sonst Kur­ven) Äh chum jetz, Edy! Mach doch jetz nid schlapp! Jetz hocke mer chlei i die Gar­te­beiz da u nächär geit’s wi­ter!

Edy

Die Schyss­röösch­ti!

Pa­blo

Äh chumm, die isch doch guet gsi!

Edy

I mu­ess es ALKA SELT­ZER ha!

Pa­blo

Ja, chumm. Jetz hocke mer i dä Gar­te da. Dasch doch irr, die Beiz hie, Edy!

Edy

Das hu­e­re Ve­lo­fah­re het mi fer­tig gmacht –

Pa­blo

Aber dasch doch IRR, das Ve­lo­fah­re, Edy! I bi scho ewig nümm ve­log­fah­re!

Edy

Das Schyss­ve­lo lan i hie – i fah­re ke Me­ter meh mit däm Schys­scha­re!

Pa­blo

Äh Seich, Edy! Jetz göh mer i die Beiz u su­u­fe es Gaf­fee!

Edy

Es ALKA SELT­ZER mu­ess i ha!

Pa­blo

Ja, de bscht­eue mer es ALKA SELT­ZER – u we’d de wi­der fit bisch, göh­mer wi­der uf d’Pisch­te! COME ON, CHAMP! (Fährt in den Gar­ten hin­ein und dort um ei­ni­ge Ti­sche her­um. Ein län­ge­rer sehr lau­ter MAS­SEN­AUF­SCHREI er­tönt) – Lue mau, wi das irr isch! Wi am SÄCHS­TA­GE­REN­NÄ! – (Fährt wie­der zu Edy hin­aus) – He, Edy, hesch du Schtütz?

Edy

Ja, klar – (Zerrt den Kit­tel vom Ge­päck­trä­ger, wo­bei das Velo um­fällt) – Hu­e­re SCHYS­SCHA­RE! – (Lässt das Velo lie­gen) – Chumm, mir nähn es Taxi!

Pa­blo

(stellt sein Velo an die Haus­mau­er und hebt das von Edy auf) Äh was, Edy, jetz näh mer doch kes Taxi!

Edy

Auso lüt em Bopp a!

Pa­blo

Seich! Jetz schau­te mer zersch mau e RU­HE­TAG i, be­vor mer die erschti AU­PE­NE­TAP­PE i Agriff näh! (Nimmt Edy am Arm und zieht ihn in den Gar­ten)

Edy

Die SCHYSS­RÖÖSCH­TI! – U DÄ SCHYSS­SCHÄM­PIS!

Pa­blo

He, he, Edy! Dä isch de guet gsi, du! Ei­nezwänzg Schtei, d’Fläsche! Di­räkt us dr CHAM­PA­GNE im­por­tiert!

Edy

SCHYSS-CHAM­PA­GNE! (Setzt sich er­schöpft auf einen der Stüh­le, der gleich dar­auf zu­sam­men­kracht. Auf dem Bo­den in dem ka­put­ten Stuhl) – SCHYSS-SCHTU­EUH!

Pa­blo

(in ei­nem Lach­an­fall) Ou, dä isch de IRR, dä Schtu­euh! Chumm, dä BEI­ZE mer öp­perem! Chumm, scht­ang uf! –- (Hilft Edy auf­ste­hen und stellt dann den Stuhl sorg­fäl­tig wie­der zu­sam­men) – Soo, lue da, das merkt ke Mönsch, du – Das mu­ess i hüt no mau gseh, das Biud, dasch irr gsi, wi du uf e Bode don­ne­ret bisch, Edy!

Edy

(hat sich an einen an­de­ren Tisch ge­setzt) I mu­ess jetz es ALKA SELT­ZER ha!

Pa­blo

(setzt sich zu Edy) Gop­fer­de­li, was hesch ou, Edy? – Isch das wäg däm Züüg da, wo mer groukcht hei?

Edy

Schys­si! Das isch das hu­e­re Ve­lo­fah­re!

Pa­blo

Was isch das ei­get­lech gsi, wo mer da groukcht hei?

Edy

Nüt Bsun­gers – nume gwöhn­lechs GRAS –

Pa­blo

Du, i gsch­pü­re über­houpt nüt vo däm Züüg – i bi FIT win e MOO­RE! – (Juckt auf und springt über meh­re­re Stüh­le, in­klu­si­ve den »prä­pa­rier­ten« . Bei je­dem Sprung er­tönt ein sehr lau­ter MAS­SEN­AUF­SCHREI) – So zwäg bin i scho eewig nüm gsi, du! – (Setzt sich wie­der zu Edy) Chumm, jetz su­u­fe mer öp­pis. Isch da ei­get­lech nie­mer da, i dere Beiz?!

Edy

Die pfu­u­se auwä aui no –

Pa­blo

(schaut zu ei­nem der Fens­ter im ers­ten Stock hin­auf) Ne­nei, du! Dört obe güg­ge­let öp­per hin­ger dä Vor­häng füre! – Die hei mer auwä gweckt. Dasch auwä ä CHEF, wo mit si­ne­re Se­kre­tä­rin übers Wu­chenänd e chlei ufs LAND useg­fah­ren isch!

Edy

(grinst schwach) Iu –- oder e GA­LE­RISCHT!

Pa­blo

Oder e un­ver­lä­ge­ne VER­LE­GER! – Jaja, auf­auf, lie­bi Lüt! Mor­gen­stund hat Gold im Mund! Stei­ner sprach zu Sig­mund Freud: Wir ham schö­nes Wet­ter heut. Hier­auf sag­te Freud zu Stei­ner: Na, du merkst auch al­les, Klei­ner! – Läck mir, isch das irr hie! (Steht auf, rennt nach vorn an den Büh­nen­rand und schaut ins Pu­bli­kum) Lue mau, da unge chö­me scho wi­der es paar, wo z’Pre­digt göh! Schtün­de­ler­pack!

Die Büh­ne ver­dun­kelt sich, so als ob sich eine Wol­ke vor die Son­ne ge­scho­ben hät­te.

Pa­blo

Äh, chumm. Das isch doch irr! Wi die vo aune Syte z’schtrö­me chö­me, i ihr­ne schwa­r­ze Chlei­der! Wi schwa­r­zi Vögu – wi Chräh­je oder Ams­le!

Edy

Wi Rat­te, ja!

Pa­blo

Die Lüt, wo da aui am säch­si am Mor­ge ufschtöh u nächär schtun­de­lang lou­fe! – U hesch de die gue­te Schtück gseh, wo’s der­bi het? Die länd­li­che Schön­hei­te?! Die säch­zäh-, si­be­zäh­jäh­ri­ge Bu­re­töch­ter­li vol­ler Chraft u Saft?!

Edy

Ja, u dr Va­ter u d’Brüet­sche, wo mit dr Mischt­gab­le u dr Schrot­flin­te hin­ger dr här­seck­le! – Gang, lüt jetz em Bopp a, er söu üs hie cho hole. Si­ner Schyss­ve­lo chan er i Gof­fer­ru­um tue.

Pa­blo

(geht zu Edy zu­rück) Seich! Jetz bli­be mer hie! (Haut Edy auf die Schul­tern und setzt sich ne­ben ihn)

Edy

He, schpinnsch?! Wosch mi no ganz in­va­lid schlaa?

Pa­blo

Ke faut­schi Müe­dig­keit vor­schüt­ze, Edy! Nimm der es Bisch­piu a dene Bu­re­lüt da unge!

Edy

La mi i Rueh mit dine Schyss­pay­säng­gle!(steht auf und geht ei­ni­ge Schrit­te nach vorn) He, dört hin­ge tou­che scho wi­der es paar uf!

Pa­blo

Los mau, ir Beiz isch jetz gloub öp­per.

Bei­de schau­en zur Tür des Gast­ho­fes hin­auf, die leicht er­höht über ei­ni­gen Trep­pen­stu­fen liegt, sich öff­net und feu­er­ro­tes Licht her­aus­fal­len lässt. Eine 50- bis 60­jäh­ri­ge, gros­se und etwa 100 Kilo schwe­re Frau in länd­li­cher Klei­dung er­scheint als schwa­r­ze Sil­hou­et­te im Tür­rah­men und bleibt dort ste­hen.

Pa­blo

(zu Edy) Ou, die Flueh! – (Zu der Frau) Top of the mor­ning, My­la­dy!

Wir­tin

(nach ei­ner Pau­se, lang­sam) Grüess­ech, die Her­re! – So, ma­chet dr es Us­fährt­li?

Pa­blo

Ja­wohl! Mir trai­nie­re für d’TOUR DE SUISSE! Das da isch dr Eddy Mer­ckx u i bi si Trai­ner. Morn ma­che mer e Sibe-Päs­se-Rund­fahrt! Stei­ner sprach zu Her­mann Hes­se: Nenn mir sie­ben Al­pen­päs­se. Hier­auf frag­te Hes­se Stei­ner: Sag mal, Ru­dolf, reicht nicht ei­ner?

Wir­tin

Aha, dir mei­net wi dr Ko­blet u dr Küb­ler –

Pa­blo

Ja­woll, ge­nau so!

Wir­tin

Ja, aber de pas­set de uf, dass s’nech nid o so geit –

Pa­blo

We­rum? Wi mei­net dr das?

Wir­tin

Eh, dr Ko­blet isch doch bim ne Ou­toum­fau ums Läbe cho –

Pa­blo

Ah, de sit dir dänk oä Ko­blet-Fan gsi! Ja dr Ko­blet! C’était L’AM­BAS­SA­DEUR DE CHAR­ME chez les FEM­MES!– Aber dr Küb­ler läbt ja hütt no vo si­ne­re Nase – u dr Edy Mer­ckx hie, ça c’est LE BEET­HO­VEN de la PÉDA­LE, Ma­dame!

Wir­tin

I däm Fau, wet­tet dir dänk ä Ovomau­ti­ne –

Pa­blo

Aha!Wie seit dr Ferdy aube im TV-Schpot: En NASE mu­ess me ha! (Zeigt mit dem Zei­ge­fin­ger auf sei­ne Nase) – Nei, ei­get­lech wet­te mer lie­ber zwöi Gaf­fee!

Wir­tin

Gaf­fee crème?

Pa­blo

Ja­woll! – Oder nei, lie­ber es Gaf­fee und es chly­ses BIER­LI! Da hett’s ja o MAUZ drin! (Lässt den Bi­zeps des rech­ten Arms spie­len und zeigt mit der lin­ken Hand dar­auf)

Wir­tin

Auso es Gaf­fee und es Bier –

Pa­blo

That’s it, My­la­dy!

Edy

Du mit dim Schyss-Äng­land-Tick. Gang doch übere, we’s dr hie nid passt!

Die Wir­tin geht, ohne die Tür zu schlies­sen, wie­der ins Haus. Die Tür bleibt wäh­rend des gan­zen Ak­tes of­fen.

Pa­blo

Läck, isch das e Frou, Edy! Die reinsch­ti HEL­VE­TIA!

Edy

Üse Prinz isch wi­der mau i Form! Gang lüt jetz am Bopp a!

Die Ver­dun­ke­lung der Büh­ne ver­schwin­det, so als ob eine Wol­ke die Son­ne wie­der frei­ge­ben wür­de.

Pa­blo

Gop­fer­da­mi, jetz la doch mau dä Schyss-Bopp. Dä ghört’s ja glich nid! – Was seisch zu däm Wyb?! Dasch doch phä­no­me­nal, du!

Edy

Ja, es schöns Monsch­ter!

Pa­blo

Win e Wal­kü­re us ere Wag­ner-Ope­re!Il gi­gan­tes­co co­los­so di Rho­dos! La gran­de Mam­ma Roma!D’Frou TRU­DE, Edy d’Frou TRU­DE!

Edy

Was?

Pa­blo

D’MA­GNA MA­TER! Die gros­si Ur­mu­et­ter! – Was meinsch, wi­viu Män­ner die scho gha het?!

Edy

We­rum? Wettsch öppe o no drü­ber?!

Pa­blo

Why not?!

Edy

De muesch de aber uf­pas­se.

Pa­blo

Why?

Edy

Dass de nid i ih­rem SCHLUND ver­schwin­disch!

Pa­blo

I we­lem?

Edy

Gang lüt jetz am Bopp a!

Das feu­er­ro­te Licht in der Tür ver­blasst lang­sam.

Pa­blo

(geht zu Edy, legt ihm eine Hand auf die Schul­ter und setzt sich ne­ben ihn) La doch jetzt dä Bopp, jetz brchunnsch de grad es Gaf­fee! – Ja, die Frou würd’s auwä mit dr gan­ze männ­le­che Mönsch­heit uf­näh, du – in­klu­si­ve Küb­ler u Ko­blet! Die würd di auwä mit Huut u Haar uf­fräs­se – u nid nume so a dr um­e­knab­be­re! (Schlägt auf den Tisch, so dass Edy er­schro­cken zu­sam­men­fährt)

Edy

(wü­tend) Hei­landschtär­ne, lüt jetz am Bopp a!

Pa­blo

He, reg di doch nid uf, Edy-(Steht auf und legt Edy die Hand auf die Schul­ter. Edy schüt­telt sie ab) Auso guet, i gah mau – (Brei­tet die Arme ge­gen den Gast­hof aus) FRAU TRU­DE – I’m co­ming!

Rennt auf die Trep­pen­stu­fen zu und springt in ei­nem Satz zur Tür hin­auf. Oben winkt er Edy noch ein­mal scherz­haft zum Ab­schied zu, be­vor er im Haus ver­schwin­det. Ihm nach­schau­end, schüt­telt Edy leicht den Kopf, fal­tet dann sei­nen Kit­tel zu­sam­men, legt ihn vor sich auf den Tisch und legt den Kopf dar­auf. Schnel­le Ver­dun­ke­lung wie zu­vor. Ein Jog­ger rennt vorn über die Büh­ne. Einen Mo­ment lang hört man nur Vo­gel­ge­zwit­scher. Dann er­scheint Pa­blo schnell wie­der in der Tür. Die Ver­dun­ke­lung ver­schwin­det.

Pa­blo

(auf­ge­regt) He Edy! Ä Mu­sic-Box! Los mau, was i drückt ha! Bar­ry Lyn­don het’s lei­der nid, aber süsch irrs Züüg! If mu­sic be the food of love, play on, give me ex­cess of it, that sur­fei­ting, the ap­pe­ti­te may si­cken and so die! — (Im In­nern des Hau­ses er­tönt Mu­sik) – Ach­tung! (Singt mit) Si-hil­ver­bird, Sil­ver­bird, Sil­ver­bird, keep on fly­ing, Si-hil­ver­bird, Sil­ver­bird, Sil­ver­bird, my he­art’s dy­ing, Si-hil­ver­bird, Sil­ver­bird, Sil­ver­bird, Oh, he’s wai­ting, He’ll wait for me till I come back home, Long­ti­me he was alo­ne...

Hin­ter Pa­blo ist mäch­tig und be­droh­lich die Wir­tin mit dem Kaf­fee und dem Bier er­schie­nen und einen Mo­ment lang stumm ste­hen­ge­blie­ben. Dann –

Wir­tin

Ex­cu­sez, dr Herr!

Pa­blo

(dreht sich er­schro­cken um, fasst sich aber so­fort wie­der) Oh, ex­cu­se me, My­la­dy!(Springt mit ei­nem Satz in den Gar­ten hin­un­ter und voll­führt dort eine tie­fe Ver­beu­gung, als die Frau die Trep­pe hin­un­ter­steigt)

Wir­tin

(wälzt sich lang­sam zu Edy’s Tisch. Edy legt sei­nen zu­sam­men­ge­leg­ten Kit­tel auf einen Stuhl, und die Wir­tin stellt um­ständ­lich den Kaf­fee auf den Tisch und schenkt das Bier ein) Gs­und­heit miten­ang! (Sie wälzt sich wie­der zum Haus zu­rück)

Pa­blo

(ver­beugt sich noch ein­mal, als die Wir­tin an ihm vor­bei­kommt, dann rennt er zum Tisch und nimmt sein Bier) Proscht, Edy! (Trinkt gie­rig) Aaaaaah!

Wir­tin

(bleibt, nach­dem sie ins Haus ge­tre­ten ist, et­was hin­ter dem Tür­rah­men ste­hen und schaut Edy und Pa­blo zu)

Pa­blo

Ach­tung! Jetz muesch de lose, Edy!... (Singt mit) Deep in­side 1 feel the good vi­bra­ti­on, I can smell the green green grass of home, I can’t wait no more, I’ve lost my pa­ti­ence, Oh hea­ven can’t you see, WHAT’S GOING ON WITH ME? – Si-hil­ver­bird, Sil­ver­bird, Sil­ver­bird...

Die Wir­tin ver­schwin­det im Haus.

Edy

(trinkt Kaf­fee) Hesch jetz am Bopp ag­lü­te?

Pa­blo

Nei – aber dä ghört ja glich nüt, wenn er mit dr Va­nes­sa i obe­re Schtock ufe isch!

Edy

Ja chumm, dä Sou­hung hole mer jetz oben abe – vor Va­nes­sa! Die Su­per­frou isch so­wi­so viu z’guet für dä Gigu!

Pa­blo

Auso guet, i pro­bie­res mau! (Trinkt sein Glas Bier in ei­nem Zug aus. Singt) Auf in den Kampf, Tore-e-e-e-ro!(Stellt das lee­re Glas auf den Tisch, rennt zur Trep­pe und springt hin­auf) Olé!(Ver­schwin­det im Haus. Eine neue Plat­te er­klingt: der »Nu­del-Jo­del« . Pa­blo er­scheint wie­der in der Tür) – Ghörsch, was i no gfun­ge ha?! (Singt mit) Yo-lo-lo, Yo-lo-lo-lolo, Yo-lo-lo-lo-lolo-lo, Yo­lo­lo­lo­looo – Dr Nu­del-Jo­del, Edy!

Edy

Dä Seich, wo du drücksch!

Pa­blo

Shut up, du Kunscht­ba­nous! (Ver­schwin­det wie­der im Haus)

Edy trinkt Kaf­fee, sucht sich im Kit­tel eine Zi­ga­ret­te, zün­det sie an und raucht. Schnel­le Ver­dun­ke­lung wie zu­vor. Von links taucht ein Zug von etwa zehn hin­ter­ein­an­der­ge­hen­den, schwa­rz­ge­klei­de­ten, ar­cha­isch alt­mo­disch-bäu­ri­schen Ge­stal­ten auf, der lang­sam vorn über die Büh­ne zieht und auf der rech­ten Sei­te wie­der ver­schwin­det. Die ers­te Hälf­te des Zugs ist aus Män­nern mit gros­sen Hü­ten und Frau­en mit Hü­ten und Schlei­ern zu­sam­men­ge­setzt, die zwei­te aus Kin­dern, die gleich wie die Er­wach­se­nen ge­klei­det sind. Alle tra­gen ir­gend­wel­che ar­chai­schen bäu­ri­schen Ge­rä­te mit sich, ihre Be­we­gun­gen sind un­na­tür­lich schlep­pend, hin­kend, stol­pernd. Edy be­ach­tet den Zug nicht, er schaut über ihn hin­weg in die Lee­re des dunk­len Zu­schau­er­raums, erst als die letz­ten Ge­stal­ten auf der rech­ten Sei­te am Ver­schwin­den sind, sagt er –

Edy

Schyss-Schtün­de­ler!

Von links taucht eine Grup­pe von etwa zehn weiss­ge­klei­de­ten Bal­let­tän­ze­rin­nen auf, die sich auf den Ze­hen­spit­zen um die ei­ge­ne Ach­se dre­hen und el­fen­ar­tig dem schwa­r­zen Zug nach­tan­zen. Der Jog­ger taucht wie­der auf und rennt sla­lo­mar­tig zwi­schen den Tän­ze­rin­nen hin­durch. Edy be­ach­tet auch die­sen Zug nicht. Die gan­ze Zeit er­tönt noch der Nu­del-Jo­del. Zum Schluss­teil des Nu­del-Jo­dels zieht eine grell­fa­r­be­ne, kon­tras­t­rei­che, höchst mo­disch, ja ex­zen­trisch und ver­rückt ge­klei­de­te Frau­en- und Männer­grup­pe, dar­un­ter auch wie­der der lin­kisch mit­tan­zen­de Jog­ger, über die Büh­ne. Die Frau­en und Män­ner ha­ben rie­sen­gros­se Kuh­glo­cken bei sich, Rät­schen, Tam­bou­ri­ne, Tri­a­n­gel et ce­te­ra, la­chen, stos­sen schril­le Schreie aus, schla­gen Rä­der und Pur­zel­bäu­me, jonglie­ren mit Keu­len und so wei­ter. Ei­ni­ge ha­ben Spiel­zeug-Pis­to­len und schies­sen in die Luft. Ihr Ver­schwin­den auf der rech­ten Sei­te trifft mit dem Schluss des Nu­del-Jo­dels zu­sam­men. Es wird wie­der hell. Edy raucht ru­hig wei­ter.

Pa­blo

(er­scheint wie­der in der Tür) – I ha der’s ja gseit, s’nimmt nie­mer ab. Die hei jetz gschi­ders z’tüe, aus ds Te­le­fon abz­näh!

Edy

Ja, mit dere Frou wüsst i o öp­pis gschi­ders z’tüe!

Pa­blo

Aha, chunnsch lang­sam wi­der zu Chreft, Edy?! – Näh mer no nes Bier­li? (Ruft ins Haus hin­ein) Hel­lo, My­la­dy! Lady Mac­beth!No two Pale-Ales, ple­a­se!(Eine neue Plat­te er­klingt) Los, Edy: SAN BER­NAR­DI­NO! Eine vo üsne sibe PÄSS vo morn! (Singt mit) Da­da­di­da­da­da­di­da­da­da­di­da­da­da­da... – Wart, i gah schnäu ine ga bscht­eue, üsi Ma­dame het auwä nüt ghört!

Edy

Mir de kes Bier!

Pa­blo

Ja, isch guet! (Macht zwei Schrit­te ins Haus und ruft) Chönn­te mer no ei­nisch ds Gly­che ha?! – Fan­ta­stic! Thank you very much!(Tritt wie­der auf den Trep­pe­n­ab­satz hin­aus) Ou, los jetz, Edy, jetz chunnt e ganz e irri Schtro­fe! Lis­ten! Now!-(Singt mit) I re­mem­ber when I was six­teen, my dad­dy said to me: You can tra­vel round this uni­ver­se un­til eter­ni­ty, but you’ll ne­ver find that peace of mind that you’ve been dre­a­ming of, not un­til you fi­nal­ly de­ci­de to come on home to San Ber­nar­di­no! – Oh, I’m lon­ging for San Ber­nar­di­no! Oh, I’m lon­ging for San Ber­nar­di­no! – Guet, he!– I’ve been all along the wa­ter and up to the Rio Grand, but I ne­ver found that PA­RA­DI­SE they call the pro­mi­sed land, I was young and foo­lis­h­ly I thought the world was at my feet, but I know dif­fe­rent now, and so I’m ho­me­ward bound for San Ber­nar­di­no!

Pa­blo ist wäh­rend des Sin­gens die Trep­pe hin­un­ter- und zum Tisch ge­tanzt und hat dort mit dem Kaf­fee­löf­fel auf Glas, Tas­se und Fla­sche den Rhyth­mus dazu ge­schla­gen. In der Mit­te von Pab­los Sin­gen hat im Hin­ter­grund, von Pa­blo und Edy un­be­ach­tet, ein un­un­ter­bro­che­ner Zug von schwa­r­zen Ge­stal­ten vor­bei­zu­zie­hen be­gon­nen, vorn ist der Jog­ger vor­über­ge­rannt und in der Tür des Gast­hofs kurz dar­auf die Wir­tin mit den Ge­trän­ken er­schie­nen und ste­hen­ge­blie­ben.

---ENDE DER LESEPROBE---