Erobere dein Leben zurück - Sigrid Engelbrecht - E-Book

Erobere dein Leben zurück E-Book

Sigrid Engelbrecht

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Beschreibung

Immer wiederkehrenden Gedankenschleifen und Grübeleien. Hätte ich doch bloß und wäre ich nur … Wir möchten so gerne loslassen und weitermachen, weil wir ja wissen, dass sie uns nicht guttun, sondern nur blockieren und lähmen. Aber wie nur? Die Loslass-Expertin Sigrid Engelbrecht bietet erprobte Techniken und einfache Methoden, wie wir unsere Gedanken wieder ins Hier und Jetzt lenken und zu uns selbst finden. Schluss mit durchgrübelten Nächten und zermürbenden Gefühlen. Wir können den Ballast abwerfen und die Leichtigkeit zurückgewinnen.

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Seitenzahl: 155

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Sigrid Engelbrecht

Erobere deinLeben zurück

Mit 33 Anti-Grübel-Techniken zu sich selbst finden

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: Rudi Strummer/Shutterstock.com

Icons – streamlineicons.com

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München

ISBN (E-Book) 978-3-451-80858-6

ISBN (Buch) 978-3-451-61383-8

Inhalt

Impressum

Wie dieses Buch Sie unterstützen kann

Teil 1: Sich selbst besser verstehen

Wie Gedanken und Gefühle zusammenwirken

Warum Schockierendes lange nachklingen kann

Der innere Bodyguard

Kränkung und Enttäuschung besser verstehen

Mit Verlust und Trauer umgehen

Wenn Gedanken Kreise ziehen

Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirkt

Sackgassen: Was selten oder nie funktioniert

Wie Loslassen gelingen kann

Teil 2: Sich das Leben zurückerobern

1. Impuls: Achtsamkeit üben

2. Impuls: Dem inneren Geschehen Ausdruck geben

3. Impuls: Zur Ruhe kommen

4. Impuls: Sich mit der eigenen Geschichte versöhnen

5. Impuls: Überzeugungen ändern und neue Ziele finden

6. Impuls: Vertrauen neu lernen

7. Impuls: Die Lebenszufriedenheit stärken

Vertiefende Literatur

Informationen zur Autorin

Wie dieses Buch Sie unterstützen kann

Kennen Sie das? Manchmal kreisen Gedanken beharrlich um Vergangenes und immer wieder tauchen die gleichen Bilder und Szenen vor dem inneren Auge auf. Was geschehen ist, beschäftigt Sie noch immer so stark, dass Sie mittlerweile überzeugt sind, es nicht loslassen zu können.

Natürlich wissen Sie, die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, sondern sie läuft nur in eine Richtung: vorwärts. Trotzdem scheinen diese vergangenen Erlebnisse noch präsent zu sein – auch wenn sie schon Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen.

Wenn es angenehme Erinnerungen sind und Sie es genießen, sie immer wieder zu betrachten – kein Problem. Es ist schön, sich an gute Zeiten zu erinnern, ebenso wie sich auf Zukünftiges zu freuen.

Anders ist es, wenn es sich um Kränkungen, Verletzungen oder Verluste handelt, die immer wieder ins Bewusstsein drängen. Dann werden die Gedanken daran leicht zur Quälerei – vor allem, wenn Sie nicht aufhören, mit dem Vergangenen zu hadern oder sich in eine Angst vor der Zukunft hineinzusteigern. Denn stets rufen Sie mit den Gedanken, die Sie sich machen, auch die dazugehörigen Gefühle und Körperempfindungen auf – und dies kann nahezu so intensiv werden wie seinerzeit beim Erlebnis selbst. Wenn Sie sich in Gedanken an erlittene Kränkungen, Ungerechtigkeiten oder in Befürchtungen darüber verlieren, was künftig Schreckliches passieren könnte, so setzen Sie sich selbst gewaltig unter Stress.

Auch der Körper reagiert entsprechend auf solchen Stress von innen – etwa mit Kopfschmerzen oder chronischen Muskelverspannungen, mit Druckgefühlen in der Brust oder mit Verdauungsproblemen. Die Gefühle finden im Körper eine Bühne und signalisieren, dass es an der Zeit ist, Lösungen zu finden.

Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie sich sehr häufig von den immer gleichen Gedankenschleifen und aufwallenden Gefühlen bedrängt fühlen: »Warum bloß …«, »Hätte ich doch …«, »Wenn meine Mutter …«, »Weil mein Partner …« – und diese Grübeleien gleichzeitig gerne unterlassen würden, um stärker im Hier und Jetzt präsent zu sein. Sie wissen, es tut Ihnen nicht gut, sich das, was in der Vergangenheit schiefgegangen ist, immer wieder auf den inneren Schirm zu holen, dass es Sie blockiert und lähmt. Nur: Was tun?

Mit bloßer Willenskraft und »Denk-­Verboten« ist dem schmerzvollen Erinnern und dem gedanklichen Wiederkäuen zumeist nicht beizukommen, denn die Erinnerungen drängen sich oft mit erstaunlicher Beharrlichkeit immer wieder ins Bewusstsein – auch wenn wir dies gar nicht wollen.

Gefragt sind also effektive Herangehensweisen. Gefragt sind Methoden und Strategien, die Abhilfe schaffen, die helfen, Vergangenes hinter sich zu lassen und sorgloser als bisher in die Zukunft zu blicken. Gefragt sind zudem Methoden und Strategien, die ein Gefühl der inneren Ruhe und Sicherheit schaffen und verankern und die bewirken, die Gedanken ganz selbstverständlich immer wieder zurück ins Hier und Jetzt lenken zu können. Darin sehe ich die Aufgabe dieses Ratgebers.

Da ich selbst aufgrund von zurückliegenden, schwer zu bewältigenden Geschehnissen lange Zeit in meiner Vergangenheit »gefangen« war, weiß ich, wie sich das anfühlt. Ende der 1990er-Jahre reifte dann in mir die Zuversicht, mich aus dem Gedanken- und Gefühlskarussell befreien zu können. Mut gemacht haben mir dabei Studien aus der Hirnforschung, die belegten, dass der Mensch mehr erlernen und verlernen kann, als zuvor angenommen, sowie viele Forschungsergebnisse aus der Positiven Psychologie, die diese Sichtweise bekräftigten.

Während und nach meiner Ausbildung zur Mental- und Wellnesstrainerin habe ich dann mit ver­schiedenen Ansätzen experimentiert und kann jetzt sagen: glücklicherweise. Denn meine »innere Welt« unterscheidet sich heute ganz wesentlich von dem, wie es früher in mir aussah. Ich habe damals nicht geglaubt, überhaupt in der Lage dazu zu sein, ein solches Maß an Lebensfreude zu entwickeln, wie es heute für mich »normal« ist. – Ebenso wenig habe ich vermutet, mit einem gewandelten Blick auf Gewesenes zu schauen und es nun anders bewerten zu können als zuvor. So bin ich heute mit vielen der hinter mir liegenden Ereignisse versöhnt, sodass mich die Erinnerung daran nicht mehr quält.

Mit den praktischen Übungen dieses Buches haben sowohl ich selbst als auch meine Coachees und die Teilnehmer/innen meiner Seminare und Workshops gute Erfahrungen gemacht. Sie verhelfen zum einen dazu, den immer wieder von Neuem durchlebten Gefühlen Ausdruck zu geben und sie dadurch besser zu bewältigen. Zum anderen sind sie auch hilfreich dafür, Abstand zu stetig wiederkehrenden Gedanken zu gewinnen. Dies hat zum Ziel, die Gegenwart unbefangener wahrzunehmen und zu erleben und optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Die drei Personen, von deren Geschichte und Entwicklung im vorliegenden Buch die Rede ist, zeigen beispielhaft, wie sie es jeweils auf ihre Weise geschafft haben, sich ihr Leben zurückzuerobern. Sie erklärten sich bereit – unter Veränderung ihrer persönlichen Daten – das, was sie erlebt haben, für dieses Buch zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Pamela, Kerstin und Mario!

Die Probleme, in die diese drei Menschen verstrickt waren, sind vielen Menschen vertraut. Ebenso wie ihre Versuche, neue Wege für sich zu finden, und das gleichzeitige Zurückschrecken davor, diese dann tatsächlich zu gehen. Pamela, eine 29-jährige Webdesignerin, ist von der Angst beherrscht, Fehler zu machen. Sie grübelt vor Entscheidungen lange darüber nach, ob sie wirklich alles bedacht, keinen Aspekt vergessen hat, und ob sie ihrem eigenen Urteilsvermögen wirklich trauen kann. Sie verhält sich zaghaft und unsicher, wenn es darum geht, einen persönlichen Standpunkt zu formulieren – womit sie sich beruflich wie privat viele Steine in den Weg legt.

Kerstin, 46, Bibliothekarin, hat viele Erfahrungen damit gemacht, zurückgewiesen zu werden. Als Kind gemobbt wegen ihrer Herkunft und ihres Aussehens, als Heranwachsende eine Außenseiterin, die keiner der angesagten Cliquen angehörte, scheitert sie später immer wieder im Versuch, feste Freundschaften und Beziehungen einzugehen. Dies hat sie extrem vorsichtig werden lassen in ihren beruflichen und privaten Kontakten. Sie lässt sich ungern auf jemanden ein und macht am liebsten alles alleine.

Mario, 35, trauert um seine Lebensgefährtin Linda, die vor zwei Jahren bei einer Bergtour verunglückt und gestorben ist. Er hadert mit dem Schicksal und kann sich noch immer nicht vorstellen, seinem Leben je wieder schöne Seiten abzugewinnen. Auf Einladungen von Freunden reagiert er abweisend und viele haben es aufgeben, ihn in gemeinsame Unternehmungen einbeziehen zu wollen.

So unterschiedlich diese drei Problemlagen auch sind, gibt es doch einen gemeinsamen Nenner: Es ist etwas geschehen, was Denken und Fühlen so stark geprägt hat, dass weitere schmerzvolle Erfahrungen unbedingt vermieden werden sollen. Wohl jeder von uns hat solche »wehen« Stellen in sich, die Angst, Wut oder Trauer auslösen, sobald Erinnerungen daran auftauchen.

Das ist ganz natürlich – problematisch wird es nur dann, wenn diese vergangenen Ereignisse Schatten auf unser Hier und Heute werfen und uns dies davon abhält, Glück und Erfüllung in unserem Leben zu finden.

Ich hoffe, dass die Impulse und Anregungen, die ich hier zusammengestellt habe, auch Sie dabei unterstützen, Frieden mit schwer zu verkraftenden Ereignissen in Ihrem Leben zu schließen und Ihre Selbstsorge und Lebenszufriedenheit zu stärken.

Natürlich ersetzt ein Buch keine Therapie, es kann sie allenfalls begleiten. Wenn Sie also mit den Nachwirkungen von gravierenden traumatischen Ereignissen zu kämpfen haben, brauchen Sie fachtherapeutische Hilfe und sollten sich nicht scheuen, sich auf die Suche nach einer kompetenten Therapeutin oder einem kompetenten Therapeuten zu machen. Auch das gehört zu einer guten Selbstsorge: weniger daran zu denken, wie das vielleicht auf andere wirken könnte, sondern das eigene Wohlbefinden und die eigene Weiterentwicklung in den Vordergrund zu stellen.

Ihre Sigrid Engelbrecht

Teil 1: Sich selbst besser verstehen

In diesem Teil des Buches erweitern Sie Ihr Know-how über das Zusammenwirken von Gedanken, Gefühlen und Verhalten. Sich selbst besser verstehen ist die Grundlage dafür, die passenden Werkzeuge für Veränderungsprozesse zu finden – oder auch mit manchem, was unabänderlich ist, Frieden zu schließen, statt immer aufs Neue damit zu hadern.

Hier erfahren Sie, was bei Stress und Angst geschieht und warum Schockierendes oft so lange in uns nachwirkt. Sie lernen, Kränkungen, Schock und Verlust-Reaktionen besser einzuordnen, und können eine verständnisvollere Haltung gegenüber Ihrem – manchmal überbesorgten – inneren »Bodyguard« entwickeln, einer inneren Instanz, die uns vor Gefahren und Unglück schützen will.

Sie beschäftigen sich mit den Ursachen kreisender Gedanken und der erstaunlichen Wirkung von »sich selbst erfüllenden Prophezeiungen«, lernen zum einen diejenigen Bewältigungsversuche kennen, die selten oder nie funktionieren, und erhalten zum anderen Hinweise auf hilfreiche Ansätze, die Sie der Wiedereroberung der Lebensfreude näherbringen.

Teil 1 ist ganz bewusst deutlich kürzer gehalten als Teil 2, der der praktischen Umsetzung gewidmet ist. Nicht, weil ich das Wissen über Zusammenhänge geringschätze – ganz im Gegenteil! –, sondern weil ich meine, dass es meist nicht notwendig ist, die Ursachen eines Problems bis ins kleinste Detail zu kennen, um etwas zu verändern. Häufig ist es sogar so, dass die Anhäufung von (zu) viel Wissen sich eher lähmend als aktivierend auswirkt. Motivation und Zuversicht scheinen förmlich eine Delle zu kriegen, wenn im Vorfeld zu viele Informationen verarbeitet werden müssen. Von daher: nur so viel Theorie, wie zum Verstehen von Zusammenhängen nötig ist – und dann ran an die praktische Umsetzung!

Die Erfahrungen, die in der Praxis gemacht werden, führen zu neuen Gedanken, Ideen und Gewohnheiten und schließlich bilden sich auch neue Muster aus, die früher Gelerntes und Erfahrenes relativieren und in den Hintergrund treten lassen.

Wie Gedanken und Gefühle zusammenwirken

Über das, was um uns herum geschieht, machen wir uns Gedanken, wir analysieren, bewerten, ordnen ein. Damit unmittelbar verbunden sind Gefühle – sofern wir im Geschehen eine Bedeutung für uns selbst sehen. Aus dem, was wir denken, fühlen und erleben, erzeugt unser Gehirn neue Muster oder verfestigt bereits vorhandene. Gedanken entstehen ganz automatisch beim Gebrauch unserer Sinne, beim Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken ebenso wie beim Bewegen oder Ausruhen und sogar beim Schlafen.

Die Fähigkeit, sich Vergangenes wieder bewusst zu machen und künftige Möglichkeiten gedanklich vorwegzunehmen, zu planen und Handlungsalternativen durchzuspielen, gehört zu den Stärken, die uns als Menschen auszeichnen. Abgesehen von dem, was gerade jetzt passiert, können wir über Geschehnisse reflektieren,

die eingetreten oder nicht eingetreten sind, und darüber, warum dies so sein könnte,die schon öfters vorgekommen sind, die eventuell passieren könnten,die wir uns wünschen,die uns ängstigen,die vielleicht niemals eintreten werden.

Begleitend dazu kommentieren und interpretieren wir diese Einschätzungen gedanklich: wie toll dies ist, wie schwer, wie einfach, wie gefährlich, wie schön, wie falsch, wie langweilig und so weiter.

Gedanken, die das Gehirn als besonders wichtig wertet, hält es für die Zukunft fest. Es werden sogenannte »episodische« Erinnerungen an den räumlichen und zeitlichen Ablauf von Geschehenem geformt und abgespeichert. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Synapsen, die die Nervenzellen miteinander verbinden. Sie können gestärkt, geschwächt, gekappt und auch neu gebildet werden.

Wenn Nervenzellen wiederholt gemeinsam aktiv waren, stärkt dies die Verbindungen zwischen ihnen. Was Sie also häufig denken, erzeugt feste, stabile Verbindungen, während flüchtige Wahrnehmungen kaum eine Spur hinterlassen. Immer wieder über dasselbe nachzugrübeln festigt also die Verbindung zwischen den beteiligten Nervenzellen – auch wenn Sie das gar nicht beabsichtigen. Doch auch in Bezug auf erfreuliche Gedanken und Vorstellungen gilt das gleiche Prinzip: Wenn Sie sich beispielweise häufig bewusst machen, wofür Sie dankbar sein können, werden auch diese Gedanken-Gefühls-Verbindungen gestärkt. Die Verbindungen – die einen wie die anderen – werden im Gedächtnis abgespeichert und stehen bereit, immer wieder abgerufen zu werden.

Dabei gibt es keinen allgemeinen Sitz des Gedächtnisses, sondern für Erinnerungen sind viele unterschiedliche Bereiche der Hirnrinde, dem sogenannten Cortex, zuständig.

Ein spezieller Ort im Gehirn ist jedoch besonders wichtig dafür, Gedächtnis­inhalte zu erzeugen: der Hippocampus. Dies ist interessanterweise eine der wenigen Gehirnregionen, in denen ständig nicht nur neue Synapsen, sondern auch neue Nervenzellen entstehen. Das heißt: Hier wohnt die Veränderung!

Mit dem Hippocampus eng verbunden ist das limbische System. Dies ist eine Region des Gehirns, die nicht dem Bewusstsein untersteht. Da sind »automatische« Reaktionen angesiedelt. Limbisches System und Hippocampus sind über Bündel von Nervenfasern miteinander vernetzt und gestalten so das Zusammenspiel von Gefühlen und Gedanken. Während im limbischen System Reize aus der Umgebung emotional bewertet werden, ist der Hippocampus für das faktische Wissen zuständig. Beides zusammen fließt in die Art und Weise ein, wie wir eine Situation wahrnehmen und beurteilen.

Innerlich stark bewegende Ereignisse, wie der erste Kuss, eine Mobbingerfahrung in der Schule oder der Verlust eines geliebten Menschen, werden viel genauer erinnert als beliebige Alltagsmomente. Starke Emotionen, die uns in Situationen wie diesen durchfluten, bewirken, dass die Situation wie ein Film im Gedächtnis gespeichert und zu einer der episodischen Erinnerungen wird. Ähnlich dem Phänomen, bei dem wir uns oft ein Leben lang gut an eine besonders ausdrucksstarke Malerei erinnern können, sind auch Erlebnisse, die von intensiven positiven oder intensiven negativen Emotionen flankiert werden, später aus dem riesigen Archiv der Erinnerungen schneller und einfacher wieder abrufbar als Geschehnisse, die wir nur als Fakten – ohne gefühlsmäßige Beteiligung – zur Kenntnis nehmen.

Warum Schockierendes lange nachklingen kann

Ängste gehören zum Leben. Sie helfen uns dabei, Gefahren zu erkennen und zu reagieren. Angst entsteht immer dann, wenn unser inneres Gleichgewicht bedroht wird – oder wir auch nur das Gefühl haben, dass dies passieren könnte. Auslösereize für Ängste sind meist gefühlte Bedrohungen – etwa der körperlichen Intaktheit, der materiellen Existenz oder des Selbstwertgefühls. Wir machen uns Sorgen oder verspüren innere Unruhe. Dies aktiviert unseren inneren Bodyguard, der uns zu Vorsicht und zu erhöhter Aufmerksamkeit anhält und uns dazu drängt, rasch eine möglichst wirksame Strategie zur Gefahrenabwehr zu finden. Gleichzeitig mobilisiert er in uns die nötigen Energien, um blitzschnell handeln zu können.

Wenn wir vor etwas erschrecken oder uns bedroht fühlen, bekommen wir im Grunde zweimal Angst, nämlich über die zwei unterschiedlichen Kanäle, die auch für die Verarbeitung von Informationen zuständig sind: limbisches System und Hippocampus.

Auf dem schnelleren Kanal gelangt die Information von den Sinnessystemen über den Thalamus direkt zur Amygdala, dem wegen seiner Form auch Mandelkern genannten Teil des limbischen Systems. Dort wird innerhalb weniger Millisekunden gecheckt, ob der Auslösereiz etwas Positives oder aber Gefahr bedeutet. Wird der Reiz als gefährlich betrachtet, setzt automatisch die Stress­reaktion ein: Schweiß bricht aus, das Herz beginnt rascher zu schlagen, der Blutdruck steigt an und so weiter. Wir sind jetzt fit für Kampf oder Flucht. Körper und Geist sind hochkonzentriert und leistungsbereit. All dies geschieht, noch bevor wir überhaupt reflektiert haben, was, wie und warum uns etwas in Angst versetzt.

Der zweite Weg führt vom Thalamus zur Hirnrinde. Dieses Reaktionsmuster verläuft deutlich langsamer, jedoch wird die Situation detailgenauer verarbeitet. Hier ist der Hippocampus mitbeteiligt, von wo aus Gedächtnisinhalte abgerufen werden: Das Gehirn vergleicht die momentane Situation mit früher Erlebtem. Auch der prä­frontale Cortex ist beteiligt, indem er die emotionalen Reize aus dem limbischen System in bewusste Gefühle umwandelt, diese in das Gesamtbild integriert und daraus Schlüsse zieht, wie am besten zu reagieren ist.

Wenn Sie einen Spaziergang machen und plötzlich eine Schlange vor sich sehen, schaltet ihr System auf dem ersten Kanal sofort auf Alarm. Der zweite Kanal gleicht das, was Sie sehen, mit Erinnerungsbildern ab und Ihnen wird beispielsweise klar, dass das, was Sie für eine Schlange gehalten hatten, nur eine dicke Wurzel ist. Sie entspannen sich: Entwarnung. Wenn es hingegen tatsächlich eine Schlange ist, werden Sie sofort ordentlich Abstand zwischen sich und das Tier bringen. Ist die Gefahr gebannt, klingt die Stressreaktion ab; die Herzschläge erreichen wieder die gewohnte Frequenz, der Blutdruck normalisiert sich, die Muskeln lockern sich und so weiter. Auf Anspannung folgt Entspannung. Ihre Körperfunktionen gehen wieder in ihren »Normal-Modus« über. Dies passiert damals wie heute, und dabei ist es egal, wodurch die Reaktion ausgelöst wird: Säbelzahntiger, cholerischer Chef oder belastende Erinnerungen.

Stress entsteht bei uns heute vor allem dort, wo uns die Kontrolle über das Geschehen zu entgleiten droht und wir das Gefühl haben, mit dem, womit wir konfrontiert sind, nicht mehr fertigzuwerden. Im schlimmsten Fall: das eigene Leben und die eigene Entscheidungsfähigkeit nicht mehr in der Hand zu haben. Dies gilt für sich ins Bewusstsein drängende Erinnerungen genauso wie für die daraus abgeleiteten Befürchtungen.

Bei Pamela besteht der Stress in der Angst, etwas falsch zu machen und dadurch bedrohliche Konsequenzen auszulösen. Sie verspürt eine »Angst vor Strafe«, die sich – wahrscheinlich schon sehr früh – als Muster in ihrem Gehirn eingeprägt hat.

Bei Kerstin besteht der Stress in der Überzeugung, Zurückweisungen nicht ertragen zu können. Und daher alles dafür zu tun, solche Situationen nicht mehr erleben zu müssen.

Mario kann sich nicht von seiner Verlusterfahrung lösen. Er denkt häufig daran, wie anders sein Leben sein könnte, wenn seine Frau noch am Leben wäre, und was er damals hätte tun können, um das Unglück zu verhindern. Und auch das bedeutet Stress für den Organismus.

Alle drei haben entsprechende episodische Erinnerungen gespeichert. Diese drängen sich automatisch ins Bewusstsein, weil sie unter starker emotionaler Beteiligung abgespeichert wurden.

Der innere Bodyguard

Die Stressreaktion leistet uns gute Dienste. Unser Alarmsystem ist unser innerer Bodyguard, dessen Aufgabe es ist, für unsere Sicherheit zu sorgen. Jeder Mensch hat dabei sein ganz persönliches Beunruhigungsniveau. Was beim einen nur ein mulmiges Gefühl auslöst, kann bei jemand anders heftige Angstaufwallungen mit entsprechenden körperlichen Begleiterscheinungen erzeugen – je nachdem, auf welchen Reiz der innere Body­guard anspringt und als wie bedrohlich er diesen Reiz einstuft.

Wenn Sie von immer wiederkehrenden Befürchtungen oder angstvollen Erinnerungen geplagt werden, schaltet der innere Bodyguard sozusagen auf Daueralarm: Auf dem ersten Kanal wird sofort »gefeuert«, wenn ein entsprechender Auslösereiz auftaucht – etwas, wodurch Sie an die Erinnerung oder Befürchtung erinnert werden –, und der Körper reagiert sofort. Auf dem zweiten Kanal setzt dann keine Entwarnung ein, stattdessen werden immer wieder die gleichen verstörenden Bilder und Vorstellungen aufgerufen und der Abgleich des momentanen Empfindens mit Erinnerungen und Vorstellungen erhält die innere Unruhe aufrecht. Es ist, als seien wir in einem permanenten Hab-Acht-Zustand. Auch die in einer akuten Stressreaktion auftretenden körperlichen Begleitsymptome verstetigen sich: hoher Blutdruck und beschleunigter Herzschlag, angespannte Muskulatur, hohe Adrenalin- und Kortisolspiegel im Blut. Wir kommen nicht mehr zur Ruhe.