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Eine einzige SMS kann alles verändern! Flirten war noch nie Dennys Stärke. Sie ist einfach zu schüchtern, um Frauen anzusprechen. Ihr Leben dreht sich um ihre Arbeit als Kassiererin und ihre Familie, denn sie hilft ihrer Schwester, deren Tochter großzuziehen. Doch dann erhält sie versehentlich eine SMS von einer Fremden namens Eliza, die ausgerechnet sie um Dating-Ratschläge bittet! Eliza ist das glatte Gegenteil von Denny: witzig, kontaktfreudig — und heterosexuell. Trotz ihrer Unterschiede freunden die beiden sich an. Schon bald verbringt Eliza ihre Abende lieber damit, sich mit Denny zu unterhalten, als weiterhin ihr Glück beim Online-Dating zu versuchen. Als sie sich zum ersten Mal persönlich begegnen, existiert von Anfang an eine ganz besondere Verbindung zwischen den beiden. Aber was Eliza für Denny empfindet, kann unmöglich Liebe sein, oder? Es hat nichts zu bedeuten, dass sie sich wünscht, die Männer, mit denen sie ausgeht, wären mehr wie Denny. Oder doch? Kann die falsche Nummer doch der richtigen Frau gehören? Falsche Nummer, richtige Frau ist ein lesbischer Liebesroman mit viel Gefühl und zwei Hauptfiguren, die man sofort ins Herz schließt.
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Seitenzahl: 601
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Inhaltsverzeichnis
Von Jae außerdem lieferbar
WIDMUNG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
EPILOG
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Über Jae
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Von Jae außerdem lieferbar
Bachelorette Nummer zwölf
Kuscheln im Erbe inbegriffen
Eine Mitbewohnerin zum Verlieben
Tintenträume
Ein Happy End kommt selten allein (1 & 2)
Alles nur gespielt
Aus dem Gleichgewicht
Hängematte für zwei
Herzklopfen und Granatäpfel
Cabernet & Liebe
Die Gestaltwandler-Serie:
Vollmond über Manhattan
Die Hollywood-Serie:
Liebe à la Hollywood
Im Scheinwerferlicht
Affäre bis Drehschluss
Die Portland-Serie:
Auf schmalem Grat
Rosen für die Staatsanwältin
Die Serie mit Biss:
Zum Anbeißen
Coitus Interruptus Dentalis
Fair-Oaks-Serie:
Perfect Rhythm – Herzen im Einklang
Beziehung ausgeschlossen
Oregon-Serie:
Westwärts ins Glück (Bd. 1 & 2)
Angekommen im Glück
Verborgene Wahrheiten (Bd. 1 & 2)
Lektionen der Liebe
Unverhofft verliebt:
Vorsicht, Sternschnuppe
Falsche Nummer, richtige Frau
Alles eine Frage der Chemie
WIDMUNG
Für alle Heldeninnen des Alltags, die wie Denny als Verkäuferinnen arbeiten – insbesondere auch meine Mutter, meine Nichte und mein Neffe.
KAPITEL 1
Denny schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Bushaltestelle. Kurz vor Ende ihrer Schicht hatte ein Kunde in Gang drei eine Flasche Ketchup fallen lassen und Dennys Chef hatte sie zum Putzen geschickt, deshalb war sie jetzt spät dran. Irgendwie passte das zum ersten April.
Noch in ihren Arbeitsklamotten, mit Ketchupspritzern auf Hemd und Hose, kam sie an der Ecke zum Stehen, wo der Bus in wenigen Minuten ihre Nichte absetzen würde. Keuchend beugte sie sich vornüber. Mensch, sie musste dringend wieder in Form kommen.
Na ja, eigentlich war sie niemals so richtig in Form gewesen.
Ihr Handy vibrierte in ihrer Gesäßtasche.
Als sie es herauszog, war sie nicht überrascht, eine SMS von ihrer Schwester vorzufinden.
Hast du es getan?
Bevor sie nachfragen konnte, was Salem meinte, erschien eine zweite Sprechblase. Du hast es nicht getan, oder? Hör endlich auf, so ein Angsthase zu sein, und frag sie, ob sie mit dir ausgeht!
Denny wischte den nebelartigen Nieselregen, der typisch für Portland war, vom Display, bevor sie eine Antwort tippte: Würdest du endlich damit aufhören? Der Bus ist noch nicht mal da. Und außerdem: Wer sagt denn, dass ich mit ihr ausgehen will? Nur weil zwei Frauen lesbisch sind, heißt das nicht automatisch, dass sie aneinander interessiert sind. Falls sie überhaupt lesbisch ist.
Die Antwort ihrer Schwester kam sofort. Oh, sie ist auf jeden Fall lesbisch – und an dir interessiert, glaub mir. Ich habe gesehen, wie sie dich angelächelt hat, als wir Bella das letzte Mal zusammen zum Bus gebracht haben.
Denny hieb mit dem Finger auf die Displaytastatur ein, als könnte sie so ihre Schwester endlich zum Zuhören bewegen. Ich lächle ständig Kunden an. Das nennt man Höflichkeit. Das gehört zum Job, nichts weiter.
Aber was, wenn es mehr ist? Salems vorhersehbare Antwort erschien innerhalb weniger Sekunden. Vielleicht mag sie dich. Sie hatte ihrer Nachricht einen Kussmund-Smiley hinzugefügt.
Na klar, schrieb Denny zurück.
Was hast du zu verlieren? Du warst schon mit keiner Frau mehr aus, seit Bella in der ersten Klasse war. Das ist über vier Jahre her, Denny!
Denny stöhnte und antwortete: Danke, dass du für mich mitzählst.
Diesmal dauerte es eine Weile, bis Salems Antwort erschien. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Du bist zu großartig, um allein zu bleiben.
Denny umklammerte ihr Handy fester und starrte hinauf in den wolkenverhangenen Himmel. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. So ein Quatsch. Sie war doch nicht allein, oder? Sie hatte ihre Nichte und ihre Schwester, so nervig Salem manchmal auch sein konnte. Es ging ihr bestens.
Der gelbe Schulbus bog um die Ecke und bewahrte sie davor, Salems Nachricht beantworten zu müssen. Wenige Meter von Denny entfernt hielt er mit blinkenden Lichtern und ausgeklapptem Stoppschild an der Bordsteinkante.
Als die Tür aufschwang, zog Denny den Bauch ein und zupfte an ihrem Hemd, um ihren Hüftspeck zu verbergen, bevor sie auf den Bus zutrat.
»Hallo.« Die Fahrerin – Ms Burkhart – lächelte sie an.
Denny erstarrte und sah zu ihr hinauf. Was sollte sie sagen? Selbst wenn sie mit ihr ausgehen wollte, konnte sie die Frau wirklich vor etwa fünfzig Kindern um ein Date bitten? »Ähm, hallo.«
Zwei Mädchen in der ersten Reihe stießen sich gegenseitig an und kicherten.
Schweiß lief Dennys Rücken herab. Sie rückte ihre Brille zurecht.
Das Kichern wurde lauter.
Mist! Hatte sie sich etwa gerade Ketchup im Gesicht verteilt?
Ms Burkharts Lächeln wuchs in die Breite. »Sieht aus, als hätte Ihnen jemand einen Aprilscherz gespielt.«
»Wie bitte?«
Ms Burkhart nahm eine Hand von dem riesigen Lenkrad, fuhr mit den Fingern durch ihre blonden Locken, die heller als Dennys sandfarbenes Haar waren, und zeigte dann auf die roten Spritzer auf Dennys Hemd.
»Oh. Ja. Stimmt. Das ist kein Blut, nur Ketchup«, platzte Denny heraus. Himmel, sie war eine einzige Katastrophe im Umgang mit Frauen. Es war fast, als würde sie sich selbst aus der Ferne beobachten und das Unglück kommen sehen, doch sie konnte es trotzdem nicht vermeiden, sich lächerlich zu machen.
Ihre Nichte Bella sprang die drei Stufen hinunter und blieb auf der untersten stehen. »Du versperrst die Tür.«
»Oh, entschuldige.« Denny wich zurück und war froh, dass der Blickkontakt zwischen ihr und Ms Burkhart dabei unterbrochen wurde.
Bella sprang aus dem Bus. »Tschüss, Ms Burkhart«, rief sie über ihre Schulter.
»Tschüss, Bella«, antwortete Ms Burkhart. »Bis morgen früh.« Sie nickte Denny zu und hob ihre Hand, um auf den Knopf zu drücken, der die Tür schließen würde.
Jetzt oder nie. Denny hatte noch die Worte ihrer Schwester im Ohr: Was hast du zu verlieren? Ms Burkhart schien nett zu sein. Selbst wenn sie nicht an Denny interessiert wäre, würde sie sie hoffentlich nicht allzu brutal zurückweisen.
Denny gab sich einen Ruck und öffnete den Mund. »Ähm …«
»Ja?« Ms Burkhart wartete mit dem Finger über dem Knopf.
»Danke, dass Sie meine Nichte sicher nach Hause gebracht haben«, brachte Denny schließlich hervor. Was? Sie hatte eigentlich etwas ganz anderes sagen wollen!
Ms Burkhart tippte sich an eine imaginäre Hutkrempe. »Es war mir ein Vergnügen.« Sie nickte Denny zu, dann schloss sich die Tür.
Die roten Warnlichter hörten auf zu blinken und der Bus fuhr die Straße hinunter.
Dennys Schultern sackten herab. Nun ja, vielleicht war es besser so. Ms Burkhart bei der Arbeit um ein Date zu bitten, hätte sie womöglich in Schwierigkeiten gebracht. Und selbst wenn sie Ja gesagt hätte, hätte Denny sich am Ende vermutlich nur noch mehr blamiert.
»Was gibt’s zum Abendessen?«, fragte ihre Nichte hinter ihr. »Ich bin am Verhungern.«
Denny lachte und schüttelte das Gefühl ab, versagt zu haben. Sie schloss zu Bella auf und legte einen Arm um ihre Schultern, als sie zu ihrer Reihenhaussiedlung drei Straßen weiter gingen. »Das ist ja was ganz Neues!«
Bella lehnte sich in die lockere Umarmung. Solche Momente der Nähe waren seltener geworden, seit sie zehn geworden war. »Können wir uns Pommes frites holen?«
»Nein. Deine Mutter kommt in einer Stunde von der Arbeit nach Hause. Dann essen wir zu Abend.«
»Bitte!«
Vom ersten Moment an, in dem Denny ihre neugeborene Nichte in den Armen gehalten hatte, war ihr klar gewesen, dass es ihr immer schwerfallen würde, ihr etwas abzuschlagen. Doch da Bella und ihre Mutter bei ihr lebten, hatte Denny eher die Rolle eines Elternteils übernommen, nicht die einer Tante, die ihre Nichte nur gelegentlich sah und sie verwöhnen konnte. Sie wusste, dass sie standhaft sein musste. »Nein, Bella, nicht heute. Essen vom Lieferservice ist eine Ausnahme. Das können wir uns nicht ständig leisten. Außerdem verderben die Zucchini, wenn wir sie heute nicht essen.«
»Igitt. Zucchini.« Bella rümpfte die Nase.
Sie wirkte wie die schmollende Dreijährige, die sie einst gewesen war. Denny musste sich das Lachen verkneifen. »Ich sage dir was. Wenn du heute all deine Hausaufgaben machst und dich nicht über das Essen beschwerst, hole ich morgen nach der Arbeit vielleicht Ricotta-Käsekuchen aus deiner Lieblingsbäckerei.«
»Okay.« Bella eilte voraus, als würde sie dadurch den Käsekuchen schneller bekommen.
Denny sah ihr mit einem liebevollen Grinsen nach. Bestechung funktioniert doch jedes Mal. Wenn ihre Methoden, was Frauen anging, doch nur genauso erfolgreich wären. Seufzend folgte sie Bella die Auffahrt hinauf zu dem zweistöckigen Reihenhäuschen, in dem sie wohnten.
~ ~ ~
Eine halbe Stunde später verteilte Denny die Tomatensoße in den ausgehöhlten Zucchinihälften und bestreute sie mit geriebenem Käse und etwas Basilikum. Als die Zucchinischiffchen im Ofen brutzelten, sank sie auf einen Stuhl neben Bella, die am Esstisch ihre Mathehausaufgaben machte. Uff. Es fühlte sich gut an, endlich nicht mehr auf den Beinen zu sein.
Gerade als sie nach ihrem Handy griff, um auf der Schrittzähler-App nachzusehen, ob sie ihren persönlichen Rekord von fünfundzwanzigtausend Schritten bei der Arbeit gebrochen hatte, ertönte das Summen, das eine eingehende SMS ankündigte.
»Ja, ja. Ich weiß. Ich bin ein Angsthase«, murmelte Denny. Sie drückte auf das Nachrichtensymbol, um sich die Zurechtweisung ihrer Schwester anzusehen.
Aber die neue SMS war nicht von Salem. Die Nummer war ihr unbekannt, aber die Vorwahl war ihre eigene, 503. Vielleicht hatte einer ihrer Kollegen ein neues Handy. Sie öffnete die Nachricht, um sie zu lesen.
Ein rotes SOS-Emoji erschien auf dem Display, gefolgt von: Hilfe! Ich glaube, ich mache mir viel zu viele Gedanken über mein Outfit für das erste Date.
Denny grinste. Wie ironisch, dass jemand ausgerechnet sie in Sachen Mode und Dating um Rat fragte! Jeder, der sie kannte, wusste, dass sie kein Interesse an Ersterem und kein Talent für Letzteres hatte. Handelte es sich um einen Aprilscherz? Hatte ihre Kollegin Julie sich ein Handy von jemandem geliehen, um ihr einen Streich zu spielen?
Eine weitere Nachricht von der gleichen unbekannten Nummer tauchte unter der ersten Sprechblase auf. Was hältst du davon? Entweder das hier …
Ein Foto erschien auf ihrem Display.
Das war definitiv nicht Julie. Das Selfie, das vor einem Schrank mit Spiegeltür aufgenommen worden war, zeigte eine Fremde.
Eine ziemlich süße Fremde, wie Denny zugeben musste. Das glänzende kastanienbraune Haar der jungen Frau war auf einer Seite hinter das Ohr geschoben, während die andere Seite ihre Schulter streifte. Eine hautenge schwarze Röhrenjeans betonte ihre schmale Taille und ihre schlanken Hüften und ein schulterfreies Oberteil gab den Blick auf helle Haut frei.
Ihre Lippen waren zu einem selbstironischen Grinsen verzogen und ihre dunklen Augen funkelten, als würde sie sich über sich selbst lustig machen, weil sie so viel Zeit auf ihr Äußeres verschwendete.
Einige Minuten später traf ein zweites Foto ein, zusammen mit der Frage: Oder das hier?
Das Foto zeigte dieselbe Frau in einem anderen Outfit. Ein enges Oberteil, das über ihren kleinen Brüsten spannte, und ein fließender Rock, der oberhalb der Knie endete, ließen sie anmutig und geschmeidig wie eine Balletttänzerin wirken.
Dennys Blick glitt die schlanken Beine der Fremden hinab. Dann brach sie in lautes Gelächter aus.
Anstelle der sexy Pumps, die sie im ersten Foto getragen hatte, zierte auf diesem Bild ein Paar kanariengelber Turnschuhe die Füße der Frau.
Bella sah von ihren Bruchrechnungen auf. »Was ist das denn?« Sie reckte den Hals, um einen Blick auf das Handy zu erhaschen.
Denny zögerte. Aber warum sollte sie die SMS vor ihrer Nichte verbergen? Schließlich hatte ihr die Fremde keine Nacktfotos geschickt. Sie drehte das Handy, sodass Bella die Fotos sehen konnte. »Jemand fragt nach Modetipps. Ich glaube, sie hat die falsche Nummer.«
Bella kicherte und zeigte auf die ausgebeulte Jogginghose und das verwaschene T-Shirt, das Denny nach dem Duschen angezogen hatte. »Wenn sie dich um Modetipps bittet, hat sie eindeutig die falsche Nummer.«
»Hahaha.« Spielerisch stieß Denny sie an, was Bella jedoch nur noch lauter kichern ließ. »Wenn du mich für so modebehindert hältst, solltest du dir dein Halloweenkostüm dieses Jahr vielleicht von jemand anderem machen lassen.«
Das Kichern verstummte abrupt und Bella tat, als würde sie sich ganz auf das Handy konzentrieren. »Was wirst du ihr antworten?«
Denny zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, aber Sie haben die falsche Nummer?«
Bella blickte sie mit großen Augen an. »Aber sie braucht Hilfe!«
Ah. Seit Bella sich langsam der Pubertät näherte, verhielt sie sich manchmal kühl und distanziert, aber sie konnte ihr gutes Herz nicht verbergen. »Okay, dann lass uns mal sehen, ob wir ihr helfen können.« Denny war sich aber immer noch nicht sicher, wie hilfreich sie sein könnte. Im Gegensatz zu ihr kaufte die Fremde eindeutig nicht in der Herrenabteilung ein. Sie hielt Bella das Handy hin und scrollte zwischen den beiden Bildern hin und her. »Welches findest du besser?«
»Sneakers zu einem Rock?« Bella kicherte erneut.
Denny musterte das Foto. Die kanariengelben Turnschuhe brachten sie zum Lächeln. »Hm. Irgendwie gefällt es mir.«
»Mir auch. Sei einfach du selbst, richtig?«
Das hatten Denny und Salem ihr gesagt, als sie vor einigen Jahren weinend nach Hause gekommen war, nachdem ihre Mitschüler sie gehänselt hatten, weil sie keine Markenklamotten trug. Anscheinend waren ihre Worte doch zu Bella durchgedrungen. Denny nickte lächelnd. »Richtig.«
Eine Reihe weiterer Nachrichten erschien auf dem Handy, sodass das Foto nach oben rückte, bis Denny nur noch die gelben Sneakers sehen konnte.
Heather?
Hallo?
Welches Outfit?
Komm schon, du musst mir helfen. Ich möchte keinen falschen Eindruck erwecken.
Denny zog das Handy zu sich herüber. Ohne lange zu überlegen, wie sie es normalerweise tat, wenn sie mit Frauen sprach, tippte sie: Ich bin nicht Heather, und wie mir gerade jemand in Erinnerung gerufen hat, bin ich auch nicht die geeignete Person für Modetipps, aber ich würde mich definitiv für das zweite Outfit entscheiden.
Nachdem sie die Nachricht abgeschickt hatte, vergingen mehrere Sekunden. Beide starrten auf das Handy und warteten auf eine Antwort, aber es kam keine.
Bella klopfte auf das Display, als würde das die Fremde zu einer Antwort ermutigen.
Doch noch immer erschien keine neue Nachricht.
Bella warf ihr einen anklagenden Blick zu. »O nein. Ich glaube, du hast sie verschreckt.«
Ja, anscheinend hatte sie diesen Effekt auf Frauen. Denny war gerade dabei, ihr Handy wegzustecken, als doch noch eine neue Nachricht eintraf.
Heather? Bitte sag mir, dass du nur einen Aprilscherz machst.
Nein, tut mir leid, schrieb Denny zurück. Das ist kein Scherz. Sie haben sich in der Nummer geirrt.
Wieder kam die Antwort erst nach einer kurzen Pause. Mist. Es tut mir so leid. Meine beste Freundin hat sich ein neues Handy gekauft. Sie muss mir die falsche Nummer gegeben haben oder ich habe sie falsch eingegeben.
Kein Problem,antwortete Denny.
Sie wartete noch eine Weile, aber es kam keine Antwort mehr. Es war auch keine nötig. Sie hatte schon zuvor die eine oder andere fehlgeleitete SMS erhalten. Die kurze Unterhaltung hatte an diesem Punkt immer geendet. Aber im Gegensatz zu den anderen Irrläufern empfand sie diesmal ein wenig Bedauern. Sie wollte mehr über die Frau mit den gelben Sneakers wissen.
Bella stupste sie an. »Sag ihr, dass du das Outfit süß findest.«
»Ich habe ihr bereits gesagt, dass sie den Rock mit den Turnschuhen nehmen soll. Wenn ich noch mehr sage, klinge ich wie ein perverser Online-Stalker.« Als Bella nach dem Handy griff, zog Denny es zurück und steckte es in die Tasche ihrer Jogginghose. »Komm schon. Deine Mutter kommt bald nach Hause. Lass uns den Tisch decken. Du kannst deine Hausaufgaben später fertig machen.«
Bella holte die Teller, während Denny Messer und Gabeln aus der Schublade nahm. Als sie die Gläser auf den Tisch stellte, vibrierte ihr Handy an ihrem Oberschenkel. Sie zog es aus der Tasche.
»Oh! Ist es Sneakermädchen?« Bella eilte um den Tisch herum und stellte sich neben Denny.
»Sneakerfrau.« Denny war nicht gut darin, das Alter von Frauen zu schätzen, aber die Fremde war vermutlich mindestens zehn Jahre jünger als sie, also Ende zwanzig oder Anfang dreißig.
Bella winkte ab. »Ist sie es? Sieh nach!«
Denny öffnete die Nachrichten-App. Ja, es war eine neue SMS von Sneakerfrau.
Sie hatte geschrieben: Sind Sie sich da wirklich sicher?
Dass ich nicht Heather bin? 100 %ig. Aber ich kann gern in meinem Ausweis nachsehen, um sicherzugehen. Denny fügte einen grinsenden Smiley hinzu.
»Vielleicht solltest du ihr ein Foto von dir schicken«, sagte Bella, die mitgelesen hatte. »Um zu beweisen, dass du nicht Heather bist.«
Denny warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Auf keinen Fall. Deine Mutter und ich haben dir doch schon öfter gesagt, dass es keine gute Idee ist, Bilder von sich ins Internet zu stellen oder an Fremde zu schicken.«
»Aber sie hat dir doch auch Fotos von sich geschickt«, sagte Bella.
»Nur aus Versehen.«
Bella rümpfte die Nase, gab aber nach und lehnte sich an Dennys Seite, um die Antwort zu lesen.
Sneakerfrau hatte einen Smiley geschickt, der lachte, bis ihm die Tränen kamen. Nein, schon in Ordnung. Ich vertraue darauf, dass Sie Ihren eigenen Namen kennen. Ich meinte das Outfit.
Wenn Sie es gerne tragen, warum nicht?,schrieb Denny zurück. Sie sollten das tragen, worin Sie sich wohlfühlen. Wenn Ihr Date Sie nicht so schätzt, wie Sie sind, ist derjenige Ihre Zeit nicht wert. Sie zögerte, aber als Bella sie noch einmal anstupste, fügte sie hinzu: Ich fände es total süß, wenn meine Verabredung in diesem Outfit zum ersten Date kommen würde.
Sie warteten, aber wieder kam keine Antwort.
»Siehst du?«, murmelte Denny. »Jetzt haben wir sie wirklich verschreckt.«
»Nein, schau, sie schreibt gerade.« Bella zeigte auf die drei Punkte, die auf dem Display aufgetaucht waren.
Einen Augenblick später verschwanden sie und Sneakerfraus Antwort erschien unter den anderen Sprechblasen. Danke. Das ist ein guter Rat. Den musste ich heute hören. Obwohl Sie behaupten, keinen Modegeschmack zu haben, haben Sie mir mehr geholfen, als Heather es getan hätte.
Ich bin froh, dass ich helfen konnte. Denny ließ ihr Handy sinken und wandte sich ihrer Nichte zu. Sie hätte ihr breites Lächeln nicht im Zaum halten können, selbst wenn sie es gewollt hätte. »Na so was! Wir haben ihr tatsächlich geholfen!«
Bella stupste Dennys Brust mit dem Zeigefinger an. »Du tust so, als würdest du auf eine Medaille warten.« Aber auch sie grinste stolz.
»Tu ich nicht.«
»Tust du doch.«
Denny stupste zurück. »Tu ich nicht.«
Als die Haustür aufging und Salem ins Esszimmer trat, jagten sie sich gerade um den Tisch und stupsten sich gegenseitig an. Salem stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete sie mit einem Kopfschütteln. »Das geht hier also vor, wenn du Bella abholst! Und ich dachte, du wärst meine ältere, reifere Schwester.«
»Hallo, Mama.« Bella kam schlitternd vor ihr zum Stehen. »Eine Frau hat Tante Denny eine SMS geschickt.«
Salem stieß einen Pfiff aus und musterte Denny mit einem anerkennenden Blick. »Anscheinend habe ich dich unterschätzt. Oder meine aufmunternden Worte vorhin haben wirklich geholfen.«
Bevor Denny antworten konnte, fügte Bella hinzu: »Aus Versehen.«
»Vielen Dank, Kleine«, murmelte Denny. »Wenn du es so ausdrückst, bewirkt das Wunder für mein Selbstbewusstsein. Einige der Leute, die mir eine SMS schreiben, wollen tatsächlich mit mir reden, weißt du?«
»Ich meine, diese Frau hat sich bei der Nummer vertippt«, sagte Bella. »Aber wir haben ihr tolle Dating-Ratschläge gegeben.«
Salem riss übertrieben schockiert die Augen auf. »Deine Tante gibt Dating-Ratschläge?«
Denny zuckte mit den Schultern. »Tja, nur weil ich selbst eine Niete im Daten bin, heißt das noch lange nicht, dass ich andere nicht beraten kann.«
»Dann hast du also Ms Burkhart nicht gefragt, ob sie mit dir ausgeht, oder?«
»Du wolltest dich mit meiner Schulbusfahrerin verabreden?« Bella schnitt eine Grimasse. »Igitt!«
Salem warf ihr einen strengen Blick zu. »Bella! Ich dachte, ich hätte dich besser erzogen!«
»Ich sage das nicht, weil sie beide Mädchen … Frauen sind«, sagte Bella mit einem Blick zu Denny. »Aber das ist so, als ob meine Tante mit meiner Lehrerin ausgeht. Meine Freunde werden sich über mich lustig machen.«
»Sie hat recht«, sagte Denny. »Das ist keine gute Idee. Ms Burkhart könnte Schwierigkeiten mit der Schule bekommen. Deshalb habe ich sie nicht gefragt.« Nun ja, deshalb und weil sie gekniffenhatte. »Außerdem habe ich dir schon mehrfach gesagt, dass ich nicht daten muss, um glücklich zu sein, also hör bitte auf, dich in mein Liebesleben einzumischen.«
»Dein nicht vorhandenes Liebesleben«, murmelte Salem.
Denny warf ihr einen Blick zu, der besagte: Ich bin deine große Schwester und außerdem weiß ich, wo du schläfst.
Rasch hob Salem die Hand. »Schon gut.« Sie sah auf ihre riesige Handtasche hinab und betrachtete das mitgenommene alte Ding, als würde es jeden Moment die Lottozahlen vorhersagen. Als sie wieder aufblickte, war ihr Gesichtsausdruck ungewöhnlich zaghaft.
Ein Kloß bildete sich in Dennys Kehle. So hatte sie ihre selbstbewusste, unverblümte Schwester nicht mehr gesehen, seit diese als verängstigte Siebzehnjährige ihren Eltern gestanden hatte, dass sie schwanger war.
Salem knabberte an ihrer Unterlippe. »Ähm, was würdet ihr davon halten, wenn ich es täte?«
»Wenn du was tätest?«, fragte Denny.
»Mit jemandem ausgehen«, sagte Salem so leise, dass Denny sich anstrengen musste, um sie zu verstehen.
Denny starrte sie an. Natürlich hatte sich ihre Schwester in den elf Jahren, seit sie mit Denny zusammenlebte, ab und zu verabredet. Aber sie war immer sehr diskret gewesen und hatte es nie groß thematisiert oder den Kerl, mit dem sie ausging, Bella vorgestellt. Doch diesmal schien irgendetwas anders zu sein. »Mit jemand Bestimmtem?«
Salem nickte. »Matt hat mich gefragt, ob ich nächstes Wochenende mit ihm eine dieser Kneipentouren mit Gruselgeschichten mache.«
»Matt?«, wiederholte Denny, um ihrem Gehirn etwas Zeit zu geben, die Neuigkeiten zu verarbeiten. »Meinst du deinen Matt? Matthew Kowalczyk?« Salem erwähnte ihren Lieblingskollegen öfter und Denny hatte ihn im Laufe der Jahre sogar ein paarmal bei einem Tag der offenen Tür im Gartencenter getroffen.
»Er ist nicht mein Matt«, sagte Salem. »Aber ja, ich spreche von dem Matt.«
»Und diesmal ist es ein Date, nicht nur zwei Kollegen, die zusammen ein Bier trinken gehen?«
»Richtig. Es wäre ein Date. Ich meine, wenn das für euch beide in Ordnung ist.« Salem sah zwischen ihnen hin und her. Schließlich blieb ihr Blick auf ihrer Tochter ruhen.
Eine winzige Falte bildete sich auf Bellas Stirn. Sie schien einen Moment lang darüber nachzudenken und sagte dann: »Solange er nicht glaubt, dass er mich herumkommandieren kann.«
»Das wird er nicht, keine Sorge. Es ist ja schließlich nicht so, als würden wir heiraten, Schatz. Es ist nur ein Date.« Salem klang, als wollte sie nicht nur Bella, sondern auch sich selbst beruhigen.
Der Wecker am Ofen klingelte.
»Endlich! Ich bin am Verhungern.« In Socken schlitterte Bella in die Küche und riss die Ofentür auf, obwohl sie vor nicht einmal einer Stunde noch behauptet hatte, Zucchini zu hassen. Eine Dampfwolke und der Duft von Tomatensoße und zerlaufenem Käse stiegen auf.
»Vorsicht. Verbrenn dich nicht.« Salem folgte ihr.
Denny blieb einen Moment lang zurück und hörte nur halb hin, als Bella dagegen protestierte, wie ein Baby behandelt zu werden. Neue Menschen und neue Situationen machten Denny nervös, aber um Salems willen würde sie lernen, damit umzugehen. Bella war kein kleines Kind mehr, woran sie ihre Mutter und Denny fast täglich erinnerte. Jahrelang hatte sich Salem nur auf sie konzentriert, doch nun verdiente ihre Schwester ein eigenes Privatleben.
Dennys Handy vibrierte und riss sie aus ihren Gedanken.
Als sie es aus der Tasche zog, entdeckte sie eine weitere Nachricht von Sneakerfrau. Es war ein auf dem Kopf stehendes Foto ihres dunkelblauen Rocks und der kanariengelben Turnschuhe, als hätte sie ihr Handy nach unten gehalten, um schnell einen Schnappschuss von ihrer unteren Körperhälfte zu machen. Meine glücksbringenden Sneakers und ich machen uns auf den Weg zum Date,stand in der SMS. Nochmals vielen Dank und entschuldigen Sie die Störung.
Kein Problem,antwortete Denny. Viel Spaß. Ohne auf eine Antwort zu warten, schob sie das Handy zurück in ihre Tasche. Es war ihr egal, ob plötzlich jeder außer ihr eine Verabredung hatte. Bella und sie würden sich mit Käsekuchen vollstopfen, während Salem mit Matthew Kowalczyk langweiligen Small Talk betrieb. Wer brauchte schon ein Date, wenn er Käsekuchen haben konnte?
Sie nickte entschlossen. Ich ganz sicher nicht.
KAPITEL 2
Einige Stunden später schob Eliza ihren Schlüssel ins Schloss und atmete auf, als sie ihre Einzimmerwohnung betrat. Bevor sie die Tür hinter sich schließen konnte, schwang die der gegenüberliegenden Wohnung auf.
»Hey, du bist aber früh zu Hause«, rief ihre Freundin Heather. »Wie war das Date?«
Eliza drehte sich um und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Frag nicht.«
»So schlimm?« Heather schloss mit zwei langen, anmutigen Schritten zu ihr auf. »Oder bist du nur wieder zu wählerisch?«
»Ich bin nicht wählerisch. Ich habe Geschmack.« Eliza schaute nach links und rechts. »Willst du kurz reinkommen, damit nicht sämtliche Nachbarn meine Dating-Schauergeschichte mithören können?«
»Das kommt darauf an.«
»Worauf?«
Heather lachte jenes tiefe, melodiöse Lachen, das Eliza schon bei ihrer ersten Begegnung vor fünf Jahren sofort sympathisch gewesen war. »Darauf, ob du noch welche von diesen leckeren Snickerdoodle-Keksen übrig hast.«
»Eine Packung ist noch da.« Eliza wartete, bis Heather die Wohnung betreten hatte, bevor sie die Tür schloss. »Aber wenn ich es mir recht überlege, bin ich mir nicht sicher, ob du Kekse verdient hast.«
»Ach, komm schon, du kannst deine beste Freundin doch nicht verhungern lassen, nur weil ich dich überredet habe, auf ein Date zu gehen, das nicht gut gelaufen ist.«
Eliza schnaubte. »Niemand ist je verhungert, weil er keine Kekse bekommen hat, und du wirst sicher nicht die Erste sein.« Trotzdem ging sie zur Küchenzeile, nahm die letzte Schachtel Kekse aus dem Schrank und warf sie Heather zu. »Hier.«
Mit einem zufriedenen Grinsen setzte sich Heather auf den bunten Flechtteppich, der den Bambusboden bedeckte, und riss die Verpackung auf.
Eliza sank in ihren Sessel, den Heather und sie letzten Sommer auf einem Flohmarkt gefunden und nach Hause geschleppt hatten. Jetzt stand er an ihrem Lieblingsplatz am Erkerfenster und bot einen Blick auf die South Park Blocks mit ihren majestätischen Eichen, Ulmen und Ahornbäumen. Sie streifte ihre Sneakers ab, ohne erst die Schleifen zu öffnen, und schob ihre Füße unter sich.
Heather blickte von ihrem improvisierten Picknick auf und hob eine perfekt gewölbte Augenbraue. Um dieses Talent hatte Eliza sie schon immer beneidet. Obwohl eine Wange aussah wie die eines Eichhörnchens, das Nüsse hamsterte, schaffte Heather es irgendwie, elegant zu wirken. »Sneakers zu einem Rock?« Sie neigte den Kopf und schien kurz über das gewagte Outfit nachzudenken, bevor sie sagte: »Das ist süß.«
»Das hat er auch gesagt.«
»Siehst du? Wenn er dir Komplimente gemacht hat, kann das Date so schlecht nicht gewesen sein.«
»Du hast ja keine Ahnung. Das ganze Date fühlte sich an wie ein einziger Aprilscherz. Aber ich spreche nicht von meiner Verabredung. Ich spreche von dem Typen, dessen Nummer du mir gegeben hast.«
Heather blinzelte. »Ich habe dir die Nummer eines Mannes gegeben? Wann war das denn?«
»Als du deine neue Handynummer mit deiner Sauklaue auf einen Zettel gekritzelt hast.«
»Was?«
Eliza öffnete ihre Kontakte-App und hielt Heather das Handy hin. »Ist das deine Nummer?«
Heather beugte sich vor und las die Kontaktdaten, während sie einen weiteren Keks verschlang. »Ja«, sagte sie mit halb vollem Mund. »Oh. Warte.« Sie schluckte den Rest ihres Kekses hinunter und deutete auf das Display. »Die letzte Zahl sollte eine Neun sein, keine Acht.«
Eliza warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. »Und so kam es, dass ich eine wildfremde Person um Modeberatung gebeten habe.«
Heather brach in Gelächter aus und hätte beinahe Krümel quer über den Teppich gespuckt. »Du hast einem Fremden eine deiner berüchtigten Panik-vor-dem-ersten-Date-SMS geschickt?«
»Ja. Und Bilder von meinen Outfits. Total peinlich.« Eliza bückte sich und gab Heather einen Klaps aufs Knie. »Hör auf zu lachen.«
Das brachte Heather natürlich noch mehr zum Lachen.
»Kaum zu glauben, dass du beruflich einen Bus voller unschuldiger kleiner Kinder fährst«, murmelte Eliza. »Ich hoffe, du bist netter zu ihnen als zu deiner armen besten Freundin.«
»Das Verkehrsamt sieht es nicht gerne, wenn sich Fahrer über die Kinder lustig machen, deshalb muss ich mich benehmen. Ich habe nicht einmal gelacht, als Tante Butch heute mit Ketchup bekleckert an der Bushaltestelle auftauchte.«
»Tante Butch?«, fragte Eliza.
»Sie ist die Tante eines Mädchens, das jeden Tag mit meinem Bus fährt. Eine Butch, irgendwie süß und total schüchtern. Ich habe dir von ihr erzählt, erinnerst du dich?«
»Ach ja, stimmt.«
Heather sah sie an. »Was ist los? Du wirkst irgendwie abgelenkt. Ich hoffe, der Typ, dem du aus Versehen eine SMS geschickt hast, hat sich nicht wie ein Arschloch verhalten.«
»Nein, er war der perfekte Gentleman. Er wusste meinen Modestil zu schätzen und hat mich ermutigt, ganz ich selbst zu sein – was man von meinem eigentlichen Date nicht sagen kann.«
»Was hat er getan?«
»Was hat er nicht getan?«, gab Eliza zurück. »Er könnte ein Handbuch darüber schreiben, wie man ein Date vermasselt. Bitte sag mir, dass ich das nicht noch mal machen muss.«
»Du willst doch nicht, dass ich mein sauer verdientes Geld für dieses Online-Dating-Portal verschwendet habe, oder?« Heather schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre blonden Locken umherflogen. »Du hast versprochen, es sechs Monate lang zu versuchen, und das wirst du auch tun. Nur weil der erste Typ ein Fehlgriff war, heißt das noch lange nicht, dass alle Kerle bei No More Frogs genauso sein werden. Der perfekte Mann für dich ist da draußen, das verspreche ich.«
»Dein Wort im Ohr der Dating-Göttin.« Eliza stibitzte den letzten Keks und drückte Heather stattdessen ihr Smartphone in die Hand. »Und jetzt gib bitte die korrekte Nummer ein, bevor ich wieder diesen ahnungslosen Fremden belästige.«
Lachend tippte Heather auf das Display, um ihre Kontaktdaten zu bearbeiten.
~ ~ ~
Denny hasste es, an der Kasse zu sitzen. Es lag nicht daran, dass sie dabei stundenlang manchmal schwere Artikel über den Scanner ziehen musste. Selbst der Zeitdruck machte ihr nichts aus. Sie arbeitete schon seit sechs Jahren in diesem Beruf, sodass sie die geforderten fünfzig Artikel pro Minute sogar dann hätte scannen können, wenn man ihr eine Hand auf den Rücken gebunden hätte. Doch die ständige Interaktion mit den Kunden war anstrengend, vor allem, wenn es Kunden wie die alte Dame waren, deren Einkäufe sie gerade scannte.
Anstatt mit Karte zu bezahlen oder Denny einen Geldschein zu reichen, wühlte sie in ihrer Handtasche herum, um die acht Dollar und dreiundneunzig Cent passend zu zahlen, während die Schlange hinter ihr immer länger wurde.
Das war’s dann mit meiner Kassenleistung. Denny widerstand dem Drang, ungeduldig mit dem Fuß zu wippen und die Dame zur Eile anzutreiben.
Schließlich stieß die Kundin einen triumphierenden Laut aus und drückte Denny den letzten Cent in die Hand.
Mit einem höflichen Lächeln überreichte Denny ihr den Kassenzettel.
Bevor sie die Waren des nächsten Kunden scannen konnte, kam Julie mit ihrer Geldschublade zu ihr herüber. »Ich habe der Chefin gesagt, dass ich deine Kasse übernehme, damit du endlich Pause machen kannst.«
Wie aufs Stichwort knurrte Dennys Magen und erinnerte sie daran, dass sie seit Beginn ihrer Schicht heute Morgen um sechs nichts mehr gegessen hatte. »Danke. Wusste ich doch, dass du nicht ohne Grund meine Lieblingskollegin bist.«
Sie tauschten ihre Kassenschubladen aus und Denny sah belustigt zu, wie Julie den Stuhl ganz nach oben stellte. Dabei war Denny nicht sonderlich groß, aber ihre Kollegin maß lediglich eins fünfzig.
»Was ist?« Julie quetschte sich an Denny vorbei und kletterte auf den Kassenstuhl.
»Ach, nichts.« Denny massierte ihr Handgelenk, das schmerzte, nachdem sie Tausende von Artikeln über den Scanner gezogen hatte.
Auf dem Weg in den Aufenthaltsraum holte sie sich in der Backwarenabteilung eine Käsespirale und ein Schokoladencroissant. Sie gab ihre Schublade im Büro ab, wo ihre Chefin das Geld im Tresor einschloss, und ging dann in den Pausenraum.
Dieser war leer. Im Gegensatz zu anderen Supermärkten setzte der Grocery Port pro Schicht nur zwei oder drei Angestellte ein und jeder musste sämtliche anfallenden Arbeiten erledigen. Es gab kein Reinigungspersonal und keine Auspackhilfen, sodass all ihre Kollegen entweder an der Kasse saßen oder im Laden beschäftigt waren. Zumindest wurde der Job besser bezahlt als die meisten anderen im Einzelhandel und durch den Zeitdruck verging jede Schicht wie im Flug. Außerdem blieb kaum Zeit für Small Talk mit Kunden, was Denny lieber war.
Sie holte ihr Handy aus dem Spind, um zu sehen, ob Salem ihr einen Einkaufszettel geschickt hatte. Ein roter Punkt auf dem Nachrichtensymbol zeigte an, dass sie tatsächlich eine neue SMS hatte. Sie setzte sich an den Tisch im Pausenraum, nahm einen großen Bissen von ihrem Schokoladencroissant und öffnete die App, um zu sehen, was ihre Schwester wollte.
Die Nachricht war allerdings nicht Salems Einkaufszettel. Denny hielt mitten im Kauen inne. Die SMS stammte von Sneakerfrau. Hatte sie vergessen, den Kontakt ihrer Freundin zu bearbeiten und die falsche Nummer zu korrigieren?
Denny tippte auf die SMS, um sie zu lesen.
Es hat sich herausgestellt, dass meine Freundin Heather Ihre Nummernnachbarin ist.
Denny saß einen Moment lang fassungslos da. Sneakerfrau hatte ihr nicht versehentlich eine weitere SMS geschickt, die für jemand anderen bestimmt war. Die Nachricht war tatsächlich für sie! Denny hatte nie verstanden, wie man mit einem Fremden ein Gespräch beginnen konnte. Normalerweise neigte sie dazu, sich zurückzuhalten, aber jetzt überraschte sie sich selbst, indem sie das Croissant weglegte, um mit beiden Händen tippen zu können.
Was ist denn eine Nummernnachbarin?, schrieb sie zurück.
Es dauerte nicht lange, bis Sneakerfrau antwortete. Vielleicht machte sie auch gerade Mittagspause. Ihre Nummer ist bis auf die letzte Ziffer die gleiche wie Ihre.
Wer hatte sich bloß diesen Begriff ausgedacht? Denny schüttelte den Kopf. Manchmal fühlte sie sich alt. Aha. Verstehe. Sie zögerte, weil sie nicht wusste, wie sie das Gespräch weiterführen sollte, so sehr sie das auch wollte. Schließlich tippte sie: Wie lief das Date gestern Abend? Hat Ihre Verabredung das Outfit zu schätzen gewusst? Das war nicht zu neugierig, sondern lediglich höflich, oder?
Sieht so aus, als wären die Sneakers doch keine Glücksbringer,antwortete Sneakerfrau. Er hat sie nicht einmal zu Gesicht bekommen. Ich saß bereits am Tisch, als er mit zwanzig Minuten Verspätung eintrudelte.
Was für ein Arsch! Sneakerfrau hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, was sie anziehen sollte, und er war nicht einmal pünktlich erschienen. Bevor ihr eine Antwort einfiel, tauchte eine weitere Sprechblase auf.
Sein Hals war mit den größten Knutschflecken übersät, die ich je gesehen habe.
Denny starrte auf das Display. Sie machen wohl Witze.
Nein, es ist mein Ernst. Übrigens, wie wäre es, wenn wir Du sagen?
Denny zögerte. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich redeten sie gerade über eine ziemlich private Sache. Ist mir recht,antwortete Denny. Deine Verabredung ist also wirklich mit Knutschflecken aufgetaucht?
Ja. Und dann hat er eine Stunde lang über nichts anderes als seine Ex geredet.
Denny pfiff durch die Zähne. Manchmal verstand sie ihre Mitmenschen nicht. Wenn er handtellergroße Knutschflecken hatte, ist die Ex vielleicht gar keine Ex.
Das habe ich mir auch gedacht, antwortete Sneakerfrau. Also sagte ich ihm, dass wir nicht gut zusammenpassen, und bin gegangen. Für solche Spielchen bin ich zu alt.
Denny nickte zustimmend. Gut. Tut mir leid, wenn ich das so offen sage, aber auf dem Foto hast du höchstens wie Ende zwanzig ausgesehen. Das kann man wohl kaum als alt bezeichnen.
Endlich mal jemand, der weiß, wie man einer Frau ein Kompliment macht! Ich bin dreißig.
Denny machte eine wegwerfende Handbewegung mit dem Croissant, bevor sie einen großen Bissen nahm. Dann hielt sie inne und musterte das Display. Hatte Sneakerfrau eben mit ihr geflirtet? Und zog Denny ernsthaft in Erwägung, zurückzuflirten? Schließlich entschied sie, dass sie sich das nur eingebildet hatte, und schrieb zurück: Ha! Junger Hüpfer!
Wohl kaum. Wie alt bist du?,fragte Sneakerfrau.
Denny tippte: Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, eine Frau nie nach ihrem Alter zu fragen? Kein Wunder, dass du single bist. Aber dann schüttelte sie den Kopf. Sneakerfrau traf sich mit Männern. Wahrscheinlich war sie heterosexuell, sodass ihre Manieren Frauen gegenüber keinen Einfluss auf ihren Beziehungsstatus hatten. Denny löschte beide Sätze und schrieb stattdessen: Ich bin einundvierzig.
Oh, ich spreche also praktisch mit einem älteren Mitbürger. Sneakerfrau fügte drei Tränen lachende Emojis hinzu.
Einen Moment lang überlegte Denny, ob sie mit einem Stinkefinger-Emoji antworten sollte, doch dann sagte sie sich, dass Sneakerfrau noch immer eine Fremde war, obwohl sie sich in einem überraschend lockeren SMS-Austausch befanden. Mit einem Emoji zu antworten, das die Augen rollte, war sicherer.
Doch bevor sie zurückschreiben konnte, steckte ihre Filialleiterin den Kopf in den Aufenthaltsraum. »Können Sie Ihre Pause vorzeitig beenden? Anscheinend bereiten sich die braven Bürger von Portland und Umgebung auf eine Apokalypse vor. Sie überrennen uns förmlich. Wir brauchen eine weitere Person an der Kasse.«
»Bin gleich da.« Denny schob sich den Rest ihres Croissants in den Mund und tippte hastig: Tut mir leid. Dieser ältere Mitbürger muss zurück an die Arbeit.
Das Letzte, was sie sah, bevor sie ihr Handy in ihren Spind warf, war: Brich dir bloß keine Hüfte.
Ausnahmsweise grinste Denny auf dem Weg zur Kasse.
KAPITEL 3
Am Freitagabend der darauffolgenden Woche saß Denny auf dem Rand der Badewanne und sah zu, wie ihre Schwester sich schminkte. Sie hatte nie verstanden, warum Make-up notwendig war, doch Salem schien das vertraute Ritual beruhigend zu finden. Sie war den ganzen Tag im Haus auf und ab gegangen, weil sie ihrem ersten Date nervös entgegenfieberte, bis Bella mit den Augen gerollt hatte und in den ersten Stock verschwunden war, wo sie sich mit Salem die obere Etage des zweistöckigen Reihenhauses teilte.
Salem betrachtete sich im Spiegel über dem Waschbecken, schüttelte den Kopf und wischte den Lippenstift ab. Dann trug sie einen anderen auf, der für Denny genau wie der erste aussah.
Vielleicht war das Ritual doch nicht so beruhigend, wie Denny gehofft hatte.
Ihr Handy vibrierte in ihrer Tasche, aber sie ignorierte es, um sich auf ihre Schwester zu konzentrieren. »Du siehst toll aus.«
»Das hast du auch gesagt, als ich fünf war und darauf bestanden habe, mit diesen hässlichen rosa Gummistiefeln in die Schule zu gehen.«
»Aber diesmal stimmt es wirklich. Wehe, Matt weiß dich nicht zu schätzen. Ich kann ihn jederzeit für dich verprügeln.« Denny hob den Arm und ließ ihren Bizeps spielen, der zwar unter einer Fettschicht versteckt, aber dennoch ziemlich beeindruckend war, weil sie bei der Arbeit ständig schwere Konservenkartons heben musste.
Salem kicherte nervös. Sie senkte den Lippenstift und begegnete im Spiegel Dennys Blick. »Ist das wirklich in Ordnung für dich? Wenn du lieber nicht auf Bella aufpassen möchtest, kann ich zu Hause bleiben und –«
»Würdest du endlich damit aufhören? Ich habe schon auf Bella aufgepasst, als sie noch ein Baby war. Zum Teufel, ich habe auf dich aufgepasst, als du ein Baby warst! Warum sollte mir das plötzlich etwas ausmachen?« Denny erhob sich vom Wannenrand und trat auf ihre Schwester zu, um diese besser mustern zu können. »Was ist los?«
Salem atmete tief aus und drehte sich zu ihr um. »Ich weiß, es ist albern. Ich bin wohl ein bisschen nervös.«
Denny schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. »Nur ein bisschen?«
Salem kniff sie in die Hüfte. »Meinst du, es war ein Fehler, Ja zu sagen, als er mich gefragt hat, ob ich mit ihm ausgehe? Matt ist kein Fremder, den ich nie wiedersehen muss, wenn wir es vermasseln. Wir müssen weiterhin zusammenarbeiten.«
»Er ist sich dessen wahrscheinlich bewusst, und das bedeutet, dass ihm genug an dir liegt, um das Risiko einzugehen. Das muss doch etwas wert sein.«
»Hm.« Die Sorgenfalte auf Salems Stirn glättete sich. »Das ist es.« Sie blickte hinab in Dennys Augen, und obwohl sie schon seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr größer als Denny war, fand diese es noch immer ärgerlich. »Danke.«
»Jederzeit gern, das weißt du doch.« Denny kniff sie ebenfalls. »Jetzt geh dich fertig machen. Deine Tochter und ich haben ein heißes Date mit einem Ricotta-Käsekuchen, und ich habe das Gefühl, sie versteckt sich in ihrem Zimmer und kommt erst wieder runter, wenn du weg bist.«
Salem wandte sich lachend zum Spiegel um und Denny setzte sich wieder auf den Wannenrand.
Ihr Handy summte erneut.
Als sie es aus der Tasche zog, entdeckte sie zwei neue Nachrichten von der inzwischen vertrauten Nummer.
Die erste SMS, die vor einigen Minuten eingetroffen war, lautete: Soll ich noch mal mein Glück mit den Sneakers probieren oder davon ausgehen, dass sie verhext sind und bei meinem nächsten Date etwas anderes anziehen?
Darunter befand sich eine zweite Nachricht, die sie wahrscheinlich geschrieben hatte, als Denny nicht reagiert hatte: Entschuldigung. Ich weiß nicht, warum ich dich schon wieder kontaktiere. Ich schwöre, dass meine Eltern mich davor gewarnt haben, mit Fremden zu reden.
Denny konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Noch vor zehn Tagen hätte sie eine Fremde, die ihr ständig Nachrichten schickte, für total nervig gehalten, doch aus irgendeinem Grund störte es sie überhaupt nicht. Kein Problem, schrieb sie zurück. Ich verspreche, dass ich kein Serienmörder bin.
Hm. Würdest du nicht dasselbe sagen, wenn du einer wärst?
Wahrscheinlich. Aber eine Leiche zu zerschneiden und die Stücke zu verstecken, ist sehr viel Arbeit.
Sneakerfrau schickte ein Emoji mit weit aufgerissenen Augen. Woher weißt du das?
Ich sehe mir viel zu viele Krimiserien an.
Ach, das hat dich also vom Antworten abgehalten. Central Precinct läuft heute Abend, oder?
Und woher weißt du das? Denny hielt mit dem Finger über dem Senden-Symbol inne. Abgesehen von ihrer Schwester und Julie hatte sie noch nie auf diese Weise mit einer Frau gescherzt. Es hatte etwas Befreiendes, ein Gespräch zu führen, ohne viel über die andere Person zu wissen. Aber jetzt, da sie darüber nachdachte, kehrte ihre alte Befangenheit zurück, deshalb löschte sie ihre Antwort und schrieb stattdessen: Entschuldigung. Ich wollte dich nicht ignorieren. Ich war damit beschäftigt, meine nervöse Schwester vor ihrem ersten Date zu beruhigen.
Wow, antwortete Sneakerfrau. Vielleicht solltest du das hauptberuflich machen und professioneller Date-Flüsterer werden.
Denny lachte. Wenn Sneakerfrau ihre traurige Erfolgsbilanz kennen würde, wüsste sie, wie lächerlich dieser Vorschlag war. Sie konnte sich kaum an ihr letztes erstes Date erinnern, geschweige denn daran, wann sie zuletzt ein zweites gehabt hatte.
Salem blickte von ihrer Parfümflasche auf. »Was ist denn so lustig?«
»Nichts. Nur etwas, was ich gerade gelesen habe.« Denny zeigte vage auf ihr Handy. Sie wollte nicht zugeben, dass sie noch immer mit der Frau in Kontakt war, die ihr versehentlich eine SMS geschickt hatte. Ihre Schwester würde das wahrscheinlich seltsam finden.
Als Salem sich weiter für ihre Verabredung fertig machte, richtete Denny ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Handy. Also wegen deiner Frage zu den Turnschuhen … Du gehst doch nicht wieder mit Mr Knutschfleck aus, oder?
Sneakerfrau schickte ein Nein mit mindestens fünf Ausrufezeichen. Ich habe Selbstachtung, herzlichen Dank. Ich gehe mit einem anderen Mann aus.
Denny bewunderte sie für ihre Furchtlosigkeit. Sie selbst brauchte meistens Wochen oder gar Monate, um den Mut aufzubringen, eine Frau um ein Date zu bitten, und wenn die erste Verabredung dann nicht so gut lief, war ihr nicht danach, diese Erfahrung in absehbarer Zeit zu wiederholen. Sneakerfrau hingegen hatte keine Woche nach ihrem letzten Dating-Desaster schon eine neue Verabredung.
Normalerweise gehe ich nicht auf so viele Dates,schrieb Sneakerfrau, als Denny nicht sofort antwortete.
Ich verurteile dich nicht dafür. Ehrlich gesagt hast du meine Bewunderung.
Bewundere mich lieber nicht dafür,antwortete Sneakerfrau. Es war nicht meine Idee. Ich bin letzten Monat dreißig geworden und da hat mir meine beste Freundin – deine Nummernnachbarin – ein sechsmonatiges Abonnement für No More Frogs geschenkt. Sie glaubt, ich sei zu wählerisch und bleibe für immer single, wenn sie nicht nachhilft.
»No More Frogs?«, sagte Denny laut. »Was zum Teufel ist das denn?« Aber sie wollte nicht nachfragen, um nicht als ahnungslos rüberzukommen.
»Das ist ein Online-Dating-Portal«, antwortete Salem. »Du solltest es mal ausprobieren.«
Denny lachte. »Nein danke. Ich habe das Gefühl, sie screenen ihre Nutzer nicht sonderlich sorgfältig.«
Das ist ein Online-Dating-Service, schrieb Sneakerfrau in ihrer nächsten SMS.
Ich weiß, antwortete Denny. Gab es ein hochmütiges Das-wusste-ich-längst-Emoji?
Na klar.
Verdammt, war sie so durchschaubar, selbst für eine Fremde, oder war Sneakerfrau eine hervorragende Menschenkennerin?
Eine weitere Nachricht traf ein, noch ehe Denny darüber nachdenken konnte, was sie als Nächstes schreiben sollte. Ach du Schande. Ich muss los, sonst bin ich diesmal diejenige, die zu spät kommt. Also, Sneakers oder nicht?
Sneakers. Denny tippte entschlossen auf das Display ein.
Unter ihrer Sprechblase erschien ein Daumen hoch. Danke, großer Date-Flüsterer.
»Kann ich so gehen?« Salem zerrte an ihrem Oberteil, das ein kleines Stückchen Dekolleté zeigte.
Denny legte ihr Handy weg und musterte sie von Kopf bis Fuß. »Du siehst toll aus. Allerdings …«
Salem verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Ja?«
»Dir fehlen ein Paar rosa Gummistiefel … oder gelbe Sneakers.«
»Wie bitte?«
Denny lächelte. »Vergiss es.« Sie schob Salem aus dem Badezimmer, gerade als es an der Tür klingelte. »Geh und genieß dein Date.«
~ ~ ~
Ein Déjà-vu-Gefühl überkam Eliza, als sie später am Abend die Treppe zu ihrer Wohnung im ersten Stock hinaufging. Warum tue ich mir das an? Sie hätte den Abend zu Hause verbringen können, um die Kakadu-Ohrringe für den Geburtstag ihrer Chefin fertigzumachen. Stattdessen hatte sie sich durch eine weitere Verabredung gequält, die hauptsächlich daraus bestanden hatte, dass sie dem Kellner entschuldigende Blicke zugeworfen und sich eine Ausrede überlegt hatte, um früher gehen zu können.
Sollte Dating nicht Spaß machen? Stattdessen fühlte sie sich gedemütigt.
Am liebsten hätte sie die No-More-Frogs-App von ihrem Handy gelöscht, aber sie hatte Heather versprochen, ihr eine Chance zu geben, also musste sie die sechs Monate durchstehen.
Seufzend zog sie ihre Sneakers aus und starrte auf das Schuhwerk hinab. »Langsam fange ich an zu glauben, dass ihr wirklich Unglück bringt.«
Natürlich antworteten die Sneakers nicht. Die Stille in ihrer Wohnung überfiel sie.
Vielleicht sollte sie sich endlich eine Katze anschaffen.
Sie zog ihre Lieblingsyogahose und den kuscheligen Pullover mit dem Loch in der Schulternaht an und ging dann in die winzige Küche. Als sie den Schrank öffnete, fiel ihr ein, dass Heather ihre letzten Kekse gegessen hatte. Stattdessen machte sie sich eine Tasse Rooibos-Zimt-Tee.
Sie setzte sich in ihren Sessel, schaltete den Fernseher ein und sprang ziellos zwischen den Programmen hin und her.
Oh, Central Precinct lief noch. Sie legte die Fernbedienung weg und sah zu, wie Detective Linda Halliday sich über einen schmalen Metalltisch beugte, während sie einen Verdächtigen verhörte, der auffällig zu schwitzen begann.
Schaute ihr Date-Flüsterer sich die Folge ebenfalls an?
Eliza spähte auf ihr Handy. Keine neuen Nachrichten.
Was hast du denn erwartet? Er war wahrscheinlich beschäftigt und hatte kein Interesse daran, mit einer Fremden SMS auszutauschen. War es merkwürdig, dass sie ihm immer wieder Nachrichten schrieb?
Irgendwie war es einfacher, ihm von ihrem missglückten Date zu erzählen, als mit Heather darüber zu sprechen – vielleicht weil er sie nicht kannte und nichts von ihr erwartete. Er schien unvoreingenommen, lustig und zugleich tiefsinnig zu sein.
Vielleicht sollte ich stattdessen mit ihm ausgehen. Der Gedanke brachte sie zum Grinsen. Bei ihrem Glück würde das in einer Katastrophe enden. Jemand würde mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus landen oder sie würden sich von Angesicht zu Angesicht nichts mehr zu sagen haben.
Nein, es war sicherer, einfach weiterhin mit ihm hin und her zu simsen. Vorausgesetzt, er wollte das auch.
Er schien ein ehrlicher Kerl zu sein. Wenn er nicht mit ihr reden wollte, würde er ihr sicher sagen, sie solle Leine ziehen, oder?
Doch nichts deutete darauf hin, dass er sie loswerden wollte. Er hatte bereitwillig auf jede ihrer Nachrichten geantwortet und auf ihre neckischen Worte sogar mit schlagfertigen Kommentaren reagiert. Vielleicht saß auch er allein in einer zu stillen Wohnung und würde sich über eine Ablenkung freuen.
Bevor sie es sich anders überlegen konnte, öffnete sie die Nachrichten-App und fügte der Unterhaltung eine weitere SMS hinzu. Findest du nicht auch, dass Linda ein wenig zu weit geht?
Sie sah zu, wie die Polizistin im Fernsehen ihren Pappbecher, der bis zum Rand mit dampfend heißem Kaffee gefüllt war, gefährlich nahe an die Tischkante rückte, wo er drohte, jeden Moment über den Schoß des Verdächtigen zu kippen.
Die Szene endete und noch immer kam keine Antwort.
Eliza umklammerte ihre Tasse, während sie das Handy auf einem Knie balancierte. Vielleicht hielt er sie doch für seltsam.
Gerade als sie beschloss, diesen schrecklichen Tag hinter sich zu lassen und ins Bett zu gehen, vibrierte ihr Handy.
Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Es war eine Antwort von Mr Date-Flüsterer.
Sie stellte ihre Tasse ab, um zu lesen, was er geschrieben hatte.
Wer ist Linda?
Und ich dachte, du wärst auch ein Fan von Central Precinct, antwortete Eliza.
Ach, die Linda. Ich habe einen Teil der Episode verpasst. Ich musste nach oben gehen, um sicherzugehen, dass die Kleine wirklich schläft und nicht heimlich unter der Bettdecke liest.
Eliza hielt mit den Daumen über dem Display inne. Aus irgendeinem Grund hatte sie gedacht, er wäre wie sie single und genauso erfolglos, was Beziehungen anging. Oh, schrieb sie zurück. Du hast ein Kind?
Nein. Ich passe auf meine Nichte auf, während meine Schwester unterwegs ist.
Was für ein anständiger Kerl! Nach den letzten beiden Dates tat es gut zu sehen, dass es noch Männer wie ihn gab. Wie war ihre Verabredung denn?
Ich weiß es nicht. Sie ist noch nicht zu Hause.
Dann läuft ihr Date wahrscheinlich besser als meines.
Oh, oh, schrieb er zurück, was sie zum Lächeln brachte. Was ist passiert?
Er schien ein netter Kerl zu sein, als wir online gechattet haben, antwortete Eliza. Aber als wir im Restaurant waren, hat er einfach für mich bestellt, ohne mich vorher zu fragen.
O Mann! Mr Date-Flüsterer schickte ein Emoji, das sich die Hand gegen die Stirn schlug. Tut mir leid. Das ist wirklich scheiße.
Warum tun Männer so etwas? Ist ihnen nicht klar, wie herablassend das ist?
Keine Ahnung,antwortete Mr Date-Flüsterer. Ich bin nicht die richtige Person für Ratschläge über Männer.
Na ja, du bist einer, oder nicht?
Bisher hatte er immer genauso zügig wie Eliza getippt, aber jetzt schien es ewig zu dauern, bis er antwortete. Hatte ihre SMS ihn beleidigt oder schrieb er eine Abhandlung über die männliche Psyche?
Aber als seine Antwort schließlich kam, war sie kurz. Nein.
Nein? Nein zu was? Eliza las noch einmal die letzten beiden Zeilen ihres Gesprächs. Moment! Hastig scrollte sie hinauf zum Emoji, das er ihr geschickt hatte, und betrachtete es genauer. Es war nicht das männliche Emoji, wie sie zunächst angenommen hatte; es war das geschlechtsneutrale, das einen Mann, eine Frau oder eine nichtbinäre Person darstellen konnte. Warum hatte sie angenommen, Mr Flüsterer wäre ein Mann? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Stöhnend verbarg sie ihr Gesicht in der Ellbogenbeuge. Und dabei hatte sie eben noch gedacht, ihr Tag könnte nicht mehr schlimmer werden!
Ihr Handy vibrierte und ließ sie aufschauen.
War dir nicht klar, dass ich eine Frau bin?,hatte Ms Date-Flüsterer geschrieben.
Nein. Ich habe wohl voreilige Schlüsse gezogen. Gott, das war so peinlich.
Ist doch nicht schlimm. Es ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert.
Es war nicht das erste Mal, dass eine Fremde, die ihr versehentlich eine SMS geschickt hatte, sie für einen Mann hielt? Bevor Eliza eine höfliche Formulierung für ihre Frage einfallen konnte, erschien eine weitere Sprechblase.
Tut mir leid, ich muss aufhören. Meine Schwester ist gerade nach Hause gekommen und möchte mir von ihrer Verabredung erzählen.
Ja, klar,antwortete Eliza. Ausnahmsweise war sie froh, ihr Gespräch beenden zu können, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie brauchte Zeit, um ihr inneres Bild von der Person, mit der sie gesprochen hatte, zu korrigieren. Gute Nacht.
Gute Nacht.
Dann kam nichts mehr, als ob auch Ms Date-Flüsterer unsicher war, wie sie mit ihr umgehen sollte.
Eliza trank ihren Tee aus, der längst kalt geworden war, und fuhr sich über die Stirn. Wenigstens hatte sie sich nicht komplett zum Narren gemacht, indem sie ihn … oder vielmehr sie um ein Date gebeten hatte!
~ ~ ~
Denny und ihre Schwester saßen am Tisch im Esszimmer, wo die meisten ihrer wichtigen Gespräche stattfanden, nachdem Bella zu Bett gegangen war. Ein riesiges Stück Käsekuchen stand vor Salem, aber sie hatte es noch nicht einmal probiert, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, von ihrem Date mit Matt zu schwärmen. Ihre Wangen waren gerötet und Denny hatte das Gefühl, dass es nicht an dem Bier lag, das sie bei der Kneipentour getrunken hatte.
Salem strahlte. »Ich hatte fast schon vergessen, wie viel Spaß es macht, mit jemandem zu flirten.«
Denny gab ein unverbindliches Brummen von sich. »Mich darfst du da nicht fragen.« Bis ihr auffiel, dass jemand mit ihr flirtete, hatte die arme Frau ihre Versuche längst aufgegeben, weil sie annahm, Denny wäre nicht interessiert. Aber womöglich hatte sie den gelegentlich flirtenden Unterton in den Nachrichten von Sneakerfrau doch nicht fehlinterpretiert. Wenn sie Denny für einen Mann gehalten hatte, hatte sie vielleicht tatsächlich geflirtet.
»Gott, und wie es sich angefühlt hat, als er seine Hand unten auf meinen Rücken gelegt hat.« Salem fasste sich ans Herz und sah dann zu Denny. »Machen das zwei Frauen auch, wenn sie auf einem Date sind?«
»Hm?« Denny hatte die Gabel beobachtet, mit der Salem gestikulierte. Jetzt richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Salems Gesicht. »Was meinst du?«
»Wenn zwei Frauen miteinander ausgehen, legt dann auch eine der anderen die Hand auf den Rücken, um sie in einen Raum zu führen?«, fragte Salem.
»Ja, klar. Zumindest mache ich das. Aber nie beim ersten Date.« Normalerweise brauchte Denny mindestens drei Dates, bevor sie den Mut aufbrachte, die Frau auf irgendeine Weise zu berühren.
Salem legte die Gabel weg. »Was ist los mit dir?«
»Nichts.«
Eine Falte grub sich zwischen Salems Augenbrauen ein. »Du hast doch keine Bedenken, weil ich mit Matt ausgehe, oder?«
»Nein. Das ist es nicht, versprochen. Er scheint ein toller Typ zu sein.«
»Was ist es dann? Und versuch nicht noch einmal, mich zu verarschen und zu tun, als wäre nichts. Du bist irgendwie total geistesabwesend, seit ich zurückgekommen bin.«
Denny seufzte. »Ich bin dreizehn Jahre älter als du. Wie kommt es, dass ich mich manchmal wie die Jüngere fühle?«
»Zwölf Jahre und neun Monate. Und glaub nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass du versuchst, das Thema zu wechseln.« Salem fixierte sie mit dem strengen Blick, der normalerweise Bella vorbehalten blieb, wenn diese versuchte, sich vor dem Küchendienst zu drücken.
Denny griff über den Tisch und stibitzte die Schokoladengarnitur von Salems Käsekuchen, um sich ein paar Sekunden zu erkaufen. »Erinnerst du dich an die Frau, die mir letzte Woche aus Versehen eine SMS geschickt hat?«
Salem nickte.
»Ähm, irgendwie sind wir in Kontakt geblieben.«
»Irgendwie?«
Denny ignorierte ihren Einwurf. »Und ich habe gerade herausgefunden, dass sie mich die ganze Zeit für einen Mann gehalten hat.«
»Oh. Wie peinlich.«
Ein weiterer Seufzer entfuhr Denny. Das hatte sie bei ihrem Gedankenaustausch mit Sneakerfrau am meisten genossen: Sie war nicht so unbeholfen und schüchtern gewesen wie bei ihren peinlichen Versuchen, Frauen anzusprechen. Aber das hatte sich nun geändert. »Ja.« Sie konnte sich vorstellen, wie beschämt sie sich fühlen würde, wenn sie an Sneakerfraus Stelle wäre. Sie würde sich in ein Loch verkriechen und nie wieder herauskommen wollen. »Wahrscheinlich wird sie mir nie wieder simsen.«
Salem musterte sie über den Tisch hinweg. »Und du willst nicht, dass das passiert.«
»Nein.« Es überraschte Denny, wie schnell und entschieden sie antwortete.
»Dann musst du eben diejenige sein, die sie kontaktiert«, sagte Salem. »Handys funktionieren in beide Richtungen, weißt du?«
»Klugscheißer.« Aber vielleicht hatte Salem recht. Bislang war Sneakerfrau immer diejenige gewesen, die ein Gespräch begonnen hatte. Nun war es an Denny, sie zu kontaktieren. Wenn sie doch nur wüsste, was sie sagen sollte.
~ ~ ~
Eliza zog ihr Bett heraus, das tagsüber im unteren Fach des Schrankes versteckt war. Das war eines der Details, das ihr an ihrer winzigen Wohnung am besten gefiel. Gähnend knipste sie das Licht aus und schlüpfte unter die Decke. Dann fiel ihr ein, dass sie morgen um acht aufstehen musste, um den Stand aufzubauen, an dem Heather und sie ihre selbst gemachten Produkte verkauften. Rasch griff sie nach ihrem Handy und stellte den Wecker, für den Fall, dass sie nicht von selbst aufwachte.
Gerade als sie sich wieder hingelegt hatte und versuchte, alle Gedanken abzuschalten, damit sie einschlafen konnte, vibrierte ihr Handy.
Sie schlug die Augen auf und starrte im Dunkeln in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie es ignorieren sollte, aber sie wusste, dass sie nicht würde schlafen können, bevor sie nicht herausfand, was Ms Date-Flüsterer geschrieben hatte.
Falls die Nachricht von ihr stammte. Andere Leute verschickten schließlich auch SMS.
Aber irgendwie wusste sie, wer sie kontaktiert hatte. Schließlich gab sie auf, schaltete das Licht wieder ein und schnappte sich ihr Handy.
Sie hatte recht gehabt. Es war eine Nachricht von Ms Date-Flüsterer.
Hör zu, hatte sie geschrieben. Ich will nicht, dass dir das peinlich ist. Es war nur ein Fehler, der jedem hätte passieren können.
Ein Anflug von Wut glomm in Eliza auf. Sie war sich nicht einmal sicher, warum. Verdammt richtig, antwortete sie. Wie hätte ich das wissen sollen? Da du mir kein Foto von dir geschickt und mir deinen Namen nicht verraten hast.
Mein Name ist ziemlich geschlechtsneutral, das hätte dir auch nicht weitergeholfen, antwortete Ms Date-Flüsterer.
Elizas Ärger verschwand so schnell, wie er gekommen war. Vielleicht sollten wir es trotzdem tun,schrieb sie zurück. Unsere Namen verraten. Wenn wir uns weiterhin unterhalten, brauche ich schließlich einen Namen, den ich in meine Kontakte eintragen kann.
Es überraschte sie, wie stark der Drang war, ihren Namen zu erfahren, doch sie beschloss, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen. Fest umklammerte sie ihr Handy, während sie auf eine Antwort wartete.
~ ~ ~
Sneakerfrau wollte weiterhin mit ihr in Kontakt bleiben! Denny ließ sich auf ihr Bett fallen und ballte die Hand zur Siegerfaust. Ja!
Eine weitere SMS tauchte unter der vorigen Sprechblase auf. Also? Willst du mir deinen Namen verraten?
Denny ließ ihre Faust aufs Bett sinken. Nur langsam hob sie die Hand, um zu antworten. Ach, das würde doch bloß die Spannung ruinieren.
Du willst mir wirklich nicht deinen Namen sagen?
Denny zögerte. Nicht weil Sneakerfrau eine Fremde war und sie ihr keine persönlichen Informationen anvertrauen wollte, sondern weil Denny im wirklichen Leben unbeholfen war und nicht wusste, was sie zu Frauen sagen sollte. Die namenlose Person, mit der Sneakerfrau sich unterhalten hatte, schien dieses Problem nicht zu haben. Sie scherzte mit ihr, als wäre es die normalste Sache der Welt. Denny wollte noch eine Weile diese Person bleiben. Noch nicht. Wenn das in Ordnung ist.
Also gut. Aber was gebe ich dann in meine Kontakte ein? Ältere Mitbürgerin?
Wage es bloß nicht!
Sneakerfrau schickte ein Oma-Emoji mit silbernen Haaren und Brille. Ja, das klingt gut.
Wenn du mich so nennst, muss ich mir für dich auch einen gemeinen Spitznamen einfallen lassen, antwortete Denny.
Was denn? Königin katastrophaler Dates? Ist das der Name, unter dem du mich in deinem Handy gespeichert hast?
Denny grinste. Nein. Ich habe dich Sneakerfrau genannt.
Irgendwie süß,antwortete Sneakerfrau. Ich gebe zu, dass mir der Spitzname gefällt.
Meine Nichte Bella hat ihn sich ausgedacht.
Weiß sie, dass wir SMS austauschen?
Sie war bei mir, als du mir die Fotos geschickt hast, schrieb Denny zurück. Die Sneakers zu dem Rock fand sie übrigens auch süß.
Scheinbar liegt guter Geschmack in der Familie. Sneakerfrau hatte einen zwinkernden Smiley hinzugefügt.
Denny musste lachen. Da war es endlich wieder: dieses neckische Geplänkel, das so typisch für Sneakerfrau war. Sie hatte es vermisst.
KAPITEL 4
Am nächsten Morgen spähte Eliza über ihre Auslage voller bunter Ohrringe und Figuren aus Polymer-Ton hinweg, um den Kunsthandwerkern, Künstlern und Marktbesuchern zuzusehen. Menschen zu beobachten, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, während Heather und sie ihre Waren auf dem Markt verkauften.
Außerdem liebte sie den Anblick der Kirschbäume, die in voller Blüte standen, und all die Gerüche, die sie umgaben. Indische Gewürze mischten sich mit dem Aroma selbst gemachter Karamellbonbons, Kokosmandeln und Käse-Pupusas aus dem guatemaltekischen Imbisswagen, der ganz in der Nähe stand. Der Klang der Gitarre eines Straßenmusikers, vergnügtes Lachen und Unterhaltungen übertönten den Verkehrslärm entlang des Parks.
