Zum Glück Ostseestrand - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
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Zum Glück Ostseestrand E-Book

Frida Luise Sommerkorn

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Beschreibung

Prerow an der Ostsee ist das langersehnte Urlaubsziel von Jessica, ihren Zwillingen Jette und Timm sowie ihrer besten Freundin Teresa. Aber wie fährt man so ein riesiges Wohnmobil? Was machen, wenn der Durchmarsch die Mannschaft ereilt? Und wo ist die Grube, die sich auftut, wenn man als einzig bekleideter Mensch am FKK-Strand landet? Alles kein Problem! Mit viel Witz und Humor meistert die kleine Reisegruppe jede Hürde. Auch dann noch, als Knud (der Teresa den Kopf verdreht), Conrad (der eigentlich Haus und Hamster hüten soll) und Andreas (der Exmann mit zweifelhaften Liebesschwüren) das beschauliche Urlaubsleben durcheinander würfeln.

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Bisherige Veröffentlichungen:

Nordseeglück-Trilogie:
Insel wider Willen: Teil 1
Träume sind wie Wellen: Teil 2
Liebe dank Turbulenzen

Ostseeliebe-Reihe:
Kaffeeduft und Meeresluft: Teil 1
Sanddornpunsch und Herzenswunsch: Teil 2
Himbeerschaum und Dünentraum: Teil 3

Sehnsuchts-Trilogie:
Immer wieder im Juni: Teil 1
Manchmal ist das Glück ganz nah: Teil 2
Endlich schwingt die Liebe mit: Teil 3

Fernwehromane:
Zum Glück Ostseestrand: Ferien Küste Kuckucksmänner
Zum Glück Neuseeland: Kiwi gesucht
Zum Glück Costa Rica: Herzchaos im Gepäck

Ein Rauhnachtswunder

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Inhaltsverzeichnis

Feriensamstag

Feriensonntag

Ferienmontag

Küstendienstag

Küstenmittwoch

Kuckucksmännerdonnerstag

Kuckucksmännerfreitag

Feriensamstag, der Letzte

Happylog

Danksagung

Meine Veröffentlichungen

Impressum

Ferien Küste Kuckucksmänner

Frida Luise Sommerkorn

Feriensamstag

Zufrieden überblickte Jessica das Chaos. Bei den Mengen an Klamotten, Schuhen, Küchenutensilien und Planschtieren, die sich im Hausflur stapelten, sollten sie an alles gedacht haben.

»Kinder, kann losgehen!«

Skeptisch angelte sie ein paar Stiefeletten ihrer Tochter aus dem Schuhkorb und packte sie kopfschüttelnd in den Schrank zurück. Die würden sie hoffentlich nicht brauchen. Schließlich fuhren sie in den Sommerurlaub. Endlich!

Seit der Trennung von ihrem Mann vor drei Jahren war bisher kein Geld für Urlaub übrig gewesen. Und eigentlich hoffte Jessica jetzt auch mehr, dass es reichen würde, als dass genug auf dem Konto war. Aber Urlaub musste mal wieder sein. Die Kinder waren total aus dem Häuschen gewesen, als sie ihnen die Prospekte vom Darß vorgelegt hatte.

Urlaub mit dem Wohnmobil war einfach das Größte! Alles einpacken, reinsetzen und losfahren. Das eigene Kopfkissen, die Lieblingskaffeetasse und jede Menge Bücher, die sie in das dafür vorgesehene Fach stapeln wollte, stellten für Jessica puren Luxus dar.

Aber im Moment wartete der Inhalt der Wäschekörbe und Einkaufskisten noch darauf, im Wohnmobil verstaut zu werden.

»Jette, Timm! Auf! Wir müssen langsam mal einräumen, wenn wir heute noch los wollen.«

Jette und Timm, Jessicas 10-jährige Zwillinge, hatten schon einen Berg an Dingen, die in einem Urlaub lebensnotwendig waren, zurechtgelegt. Jessica graute es vor den Diskussionen, die sie führen würden, wenn Mama wieder die Hälfte auspacken wollte.

Allmählich kam es ihr komisch vor, dass sich so gar nichts im Obergeschoss regte. Entweder hatten beide Kopfhörer auf den Ohren oder ... . Sie schielte zur Terrassentür. Offen! Na klar, da hätte sie auch gleich darauf kommen können. Wie so oft hatten sich die beiden hinten über die Terrasse rausgeschlichen, um den Nachbarskindern einen Besuch abzustatten. Timms Freund Vincent wohnte nur zwei Häuser weiter. Die beiden konnten jeden Nachmittag zusammen verbringen, ohne dass Langeweile aufkam. Entweder kickten sie in Vincents Garten, der ein ganzes Stück größer war als ihr eigener, oder sie zockten mit diversen elektronischen Geräten, bis die Augen tränten. Jessica hatte immer das Gefühl, dass der Aggressionspegel danach eindeutig höher lag. Deshalb trafen sie sich lieber bei Vincent. Hier im Haus gab es nämlich Zockerregeln. Eine Stunde pro Tag. Mehr war für Jessica nicht drin.

Jettes beste Freundin Carla wohnte am Ende der Straße. Die Mädchen tickten ganz anders. Ab und an schauten sie sich auf Carlas Tablet an, wie man Glibberschleim herstellen konnte oder was der neueste Schrei in Sachen Reitmode war. Den bekam Jessica dann auch immer gleich mit einer Wunschliste präsentiert. Natürlich blieben die meisten Wünsche offen. Jessica war froh, dass es Jette und Carla trotzdem hauptsächlich um die Pferde ging. Sie waren keine anspruchsvollen Mädchen. Noch steckte ganz viel Kind in ihnen und das machte vieles leichter. Zum Beispiel bei der Diskussion, ob Jette ein eigenes Pony haben könnte. Die »Wenn, dann«-Sätze funktionierten bis jetzt immer noch erstaunlich gut. Jessica war der pädagogische Wert solcher Sätze bewusst, allerdings erforderte der Alltag oftmals schnelle Ent-scheidungen. Und dann rutschten Sätze wie: »Wenn du dein Zimmer ordentlich hältst und der Hamsterstall nicht immer von mir sauber gemacht werden muss, dann können wir über eine Reitbeteiligung reden« schnell mal raus. Wobei ihr dann immer direkt bewusst wurde, wie sehr sie es gehasst hatte, wenn ihre Mutter mit solchen Androhungen kam. Aber ansonsten spielten die Mädchen tatsächlich manchmal noch mit Barbies oder entwarfen neue Kleider für die grazilen Puppen und nähten sie dann selbst.

Jessica drehte sich lächelnd dem Chaos im Flur zu. Ach, ihre Kinder waren schon in Ordnung. Wobei, und das Lächeln wurde zu einem Grinsen, mit der Ordnung hatten sie es nun nicht gerade.

»Okay, es hilft nichts. Muss ich eben alleine anfangen«, murmelte Jessica vor sich hin und griff nach dem ersten Korb.

* * *

Conrad Kramer durchforstete wie jeden Morgen das Internet nach neuen Stellen, auf die er sich bewerben konnte. Mittlerweile war er Profi darin und kannte sich auf den einschlägigen Jobwebseiten gut aus. Das alles half aber nichts, wenn es keine adäquaten Stellen für ihn gab. Marketingfachleute gab es wie Sand am Meer. Allerdings wusste er auch, dass wenigstens die Hälfte davon ihm nicht das Wasser reichen konnte. Schließlich hatte er internationales Management in Heidelberg studiert. Sponsored by Papa. Seine Eltern waren so stolz, als er erst den Bachelor und anschließend den Master mit Bravour bestanden hatte. Das Studium stellte sich auch als wirklicher Glücksfall heraus. Seine anfängliche Skepsis gegenüber seinen Kommilitonen hatte sich spätestens dann gewandelt, als ihm klar wurde, dass er es nicht nur mit verwöhnten Schnöseln, von Papa getrieben, zu tun hatte. Klar waren es Kinder reicher Eltern, wer sonst konnte sich solche hohen Studiengebühren leisten, aber die meisten waren in Ordnung. Und nachdem sein bester Kumpel nach dem Abi für ein Jahr nach Australien gegangen war, war es auch schon egal, wo er studierte. Dann nahm er eben das Angebot seiner Eltern an. So richtig spannend wurde es, als er die Möglichkeit bekam, ein Auslandssemester mit anschließender Praxisphase in London zu absolvieren. Dort hatte er sich wohl gefühlt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass seine Eltern nicht mehr »eben mal« vorbei kommen konnten.

Conrad grinste und schaute verträumt aus seinem Arbeitszimmerfenster in den gepflegten Garten. Und dann war Linda aufgetaucht. Er würde den Moment, als diese fröhlich plappernde junge Frau das Großraumbüro der Agentur in London betrat, niemals vergessen. Was hatte er anfangs in ihrer Gegenwart rumgestammelt! Und sie? Sie hatte ihn milde lächelnd mit ihren wunderschönen braunen Augen angeschaut und darauf gewartet, dass er einen geraden Satz herausbrachte. Im Nachhinein betrachtet war sie wahrscheinlich daran gewöhnt, dass ihr die Männer zu Füßen lagen. Aber damals ... Damals war er sich sicher, dass sie nur ihn so ansah. Und es war auch gut, dass er das glaubte, da er sich sonst sicher nicht getraut hätte, weiter um sie zu buhlen. Irgendwann hatte sie einfach mal ja gesagt - zur gefühlten hundertsten Einladung zu einem Tee. Und dann Kaffee getrunken. Conrad konnte sein Glück damals kaum fassen.

Er riss seinen Blick von einem der formvollendeten Buchsbäume los und blickte wieder in die Gegenwart – ein Bildschirm voller Jobanzeigen, die er nicht annehmen konnte. Oder besser, nicht wollte.

Conrad klappte genervt seinen Laptop zu und tappte mit bloßen Füßen in die Küche. In England hatte er sich das Teetrinken angewöhnt. Wie klischeehaft, dachte er. Aber so ein Orange Tea, eine Ceylon-Darjeeling-Mischung mit Orangenschalen, brachte ihn jedes Mal in Schwung. Und er konnte wieder ein Stück Abstand zwischen sich und Linda bringen. Sie hasste Tee. Als Engländerin. Das sagte in seinen Augen alles.

Genüsslich lehnte er sich in seinem Lieblingssessel zurück und ließ das Aroma wirken. Mit geschlossenen Augen träumte er sich in ein anderes Leben. Ein Leben voller Liebe, Erfolg und schnellen Autos.

* * *

Stöhnend stellte Jessica den letzten Wäschekorb auf dem kleinen Tisch im Wohnmobil ab. Mittlerweile hatte sie fast alle Sachen verstaut. Und bis auf ein paar Kleinigkeiten hatte sie bei den Kinderkisten nichts ausgeräumt. Allerdings war sie kurz davor, ihre Meinung doch noch zu ändern, wenn Jette und Timm jetzt nicht langsam auftauchen würden. Und auch von ihrer Freundin Teresa, die unbedingt mit in den Urlaub wollte, hatte sie noch nichts gehört. Als ob nicht vereinbart gewesen wäre, dass es heute am späten Nachmittag losgehen sollte. Jessica ärgerte sich, dass sie nicht doch eine feste Uhrzeit ausgemacht hatten. Sie wusste doch, wie Teresa tickte. Wahrscheinlich konnte sie sich nicht entscheiden, in welchen Highheels sie die Strandpromenade auf und ab stöckeln wollte. Oder sie suchte mal wieder verzweifelt die Tasche, die als einzige zu ihrem neuen Haarband passte.

Grinsend pustete sich Jessica eine Haarsträhne aus der Stirn und räumte das Geschirr ein. Teresa, ihre beste Freundin. Sie hatten sich am Schönbuch-Gymnasium in Holzgerlingen kennengelernt und waren seitdem, von anfänglichen Schwierigkeiten mal abgesehen, ein Herz und eine Seele. Oder besser ein Kopp und ein Arsch? Die Rollen wurden wahlweise gewechselt. Sie waren so verschieden, dass Jessica selbst manchmal nicht glauben konnte, dass sie sich so gut verstanden. Aber so war es! Und Teresa war im Moment, neben ihren Kindern, der wichtigste Mensch in ihrem Leben.

Jessica quetschte sich zwischen Tisch und Bank und lehnte den Kopf gegen die Fensterscheibe. Verträumt schaute sie die Straße hinunter. Sie wünschte, Tessis Auto würde allmählich um die Ecke kommen. Tessi und Jessi, ein unzertrennliches Paar. In der Schule war alles wie ein Tanz für sie. Glücklicherweise mussten sie sich um ihre Noten keine Sorgen machen. Also konnten sie sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Jungs, Mode, der nächste Discobesuch. Sie selbst war nie so draufgängerisch wie Tessi, aber sie machte mit. Und ihre Freundin hatte ihr einige Kniffe gezeigt, wie sie die Jungs um den Finger wickeln konnte.

Jessica schmunzelte wieder. Das hatte bei ihr allerdings nie so gut funktioniert. Sie war eher der Kumpeltyp für die männlichen Wesen. Aber damit konnte sie gut leben. Letztendlich hatte sie im Studium ihren Exmann kennengelernt, später geheiratet und noch später Kinder bekommen. Bei Tessi hatte sie das Gefühl, dass immer noch alles ein Tanz für sie war. Keine festen Beziehungen, die Freiheit genießen und das Leben selbst bestimmen, das war ihre Devise. Vielleicht war ihr das ja schon in die Wiege gelegt worden. Selbst Tessis Eltern lebten ein freieres Leben, als Jessica das kannte. Sie unternahmen getrennte Urlaubsreisen, wenn es mal gerade nicht zusammenpasste, wohnten zeitweise nicht mal in einer Wohnung. Jeder hatte seinen Rückzugsort. Aber Jessica hatte sie nie mit einem anderen Partner gesehen. Sie hatte immer das Gefühl, dass Tessis Eltern eine Einheit waren und niemanden rundherum brauchten. Manchmal nicht mal ihre Tochter.

Das war bei Jessicas Eltern ganz anders. Möglicherwiese lag es daran, dass sie aus der DDR kamen. Da lebten die Familien oft unter einem Dach, von der Großmutter bis zum Enkel. Nach dem Studium oder der NVA zog es die meisten wieder zurück in die Heimat und dann war ein Umzug in ein anderes Haus im selben Ort schon ein Großereignis. Jedenfalls hatte sie es so in Erinnerung.

Jessica schloss die Augen. Sie war wohlbehütet aufgewachsen. Natürlich erinnerte sie sich an die täglichen Parolen, an das Einheitsleben. Aber es schien ihr alles viel unkomplizierter als jetzt gewesen zu sein. Womit sich ihre Kinder heutzutage rumschlagen mussten, das gab es früher nicht. Sie vermutete, in Ost wie West nicht.

Eines Tages eröffnete der Vater am Abendbrottisch, dass der Antrag endlich genehmigt worden war. Innerhalb von zwei Wochen sollten sie die DDR verlassen. Jessica war damals aus allen Wolken gefallen. Ausreiseantrag? Warum hatte ihr das denn niemand gesagt? Sicher hatte sie sich gewundert, warum ihr Vater auf Arbeit schikaniert wurde, manchmal sogar die Stelle wechseln musste. Eigentlich war er ein sehr umgänglicher Mensch. Aber als Kind machte man sich darum keine großen Gedanken.

An diesem Abend kreisten ihre Gedanken auch nur um ihre damalige beste Freundin. Wie sollte sie ohne Sylke im Westen weiterleben? Sie konnten ja nicht einmal Kontakt halten, schließlich hatte keiner ein Telefon. Tränenüberströmt war sie irgendwann eingeschlafen. Und dann ging alles ganz schnell. Sie konnten nur das Nötigste einpacken, das Haus wurde übereignet und schon saßen sie im Zug Richtung goldenem Westen. Jessica fürchtete sich vor dem neuen Leben. Sie war damals gerade 14 geworden. Hatte genug mit sich selbst zu tun.

»Juhu! Jessi!«

Jessica schrak hoch. War sie tatsächlich eingeschlafen? Oh Gott, wie spät war es mittlerweile? Sie wischte sich die feuchte Spur von ihrem Mundwinkel und schaute nach draußen.

»Sorry, Süße, es gab noch so viel zu organisieren. Und dann das Packen. Was nimmt man denn zu so einem Campingtrip alles mit?«

Teresa hievte einen überdimensional großen Koffer auf die erste Stufe der Wohnmobiltreppe.

»Wäre toll, wenn du mir mal helfen könntest«, schnaufte sie. »Was machst du eigentlich hier? Du siehst so vermatscht aus.«

Jessica atmete tief durch. Noch immer versuchte sie, ihr Halbschlafhirn wieder in Schwung zu bringen.

»Tessi, schön, dass du es auch geschafft hast.«

Sie schob sich umständlich aus der Bank und griff nach dem Koffer.

»Das ist nicht dein Ernst, oder? Was hast du da alles drin?«

Mühsam ziehend und schiebend schafften sie es schließlich, das Ungetüm auf den Tisch zu legen, der bedenklich schwankte.

Jessica öffnete den Reißverschluss und hob vorsichtig den Kofferdeckel an.

»Boah, Tessi, wir fahren nur eine Woche weg. An den Strand. Mit einem Wohnmobil. Wo soll der Kram denn hier hin?«

Mit einer ausladenden Geste zeigte sie auf die zwei Fächer über ihren Köpfen, die sie für Teresa reserviert hatte. Sie selbst hatte sich mit einem Fach begnügt. Also würden Tessis Sachen ja wohl dort reinpassen.

Ungläubig schaute Teresa nach oben.

»Das ist alles?«

Sie drehte sich einmal im Kreis, als suchte sie nach anderen Möglichkeiten. Ihre Miene hellte sich auf, als sie in den hinteren Bereich zeigte.

»Wenn du willst, dass Jette in deinen Sachen wühlt. Das ist das Kinderzimmer. Sozusagen.«

»Warum haben die Schätzchen so viel Platz und ich muss mein Hab und Gut in zwei Löcher stopfen?«

Beleidigt setzte sich Teresa.

Na das fing ja gut an, dachte Jessica. Vielleicht hätte sie doch besser allein mit den Kindern fahren sollen. Sie holte tief Luft. Ach Quatsch, jetzt war genug mit dem Gezanke.

»Komm mal her, du Mimose.« Jessica streckte Teresa die Hände entgegen. »Wir haben uns noch nicht einmal richtig begrüßt.«

Die Freundinnen fielen sich in die Arme. »Lass uns eine Urlaubsparole ausgeben, ja?« fragte Jessica.

»Dass ich ab heute gleichberechtigt behandelt werde?« schniefte Teresa immer noch ein bisschen beleidigt.

»Nein, dass wir immer erst bis zehn zählen, bevor wir unbedingt unsere Meinung durchdrücken müssen. Vielleicht ergibt sich in der Zeit ja ein Kompromiss. Okay?«

»Okay, Mami«, grinste Teresa versöhnlicher.

»Und jetzt komm, hinten ist noch ein Schrank für deine Blüschen und Jäckchen und was sonst noch aufgehängt werden muss.«

Lachend wich Jessica ihrer Freundin aus, die sich theatralisch auf sie stürzte.

* * *

Andreas Himmelstoß saß in einer gemütlichen Ferienwohnung und schaute sich die Prospekte der Gegend an. Nie im Leben hätte er gedacht, dass er mal auf dem Darß landen würde. Aber besondere Umstände erforderten besondere Maßnahmen. Und seitdem er von Jette erfahren hatte, dass Mama mit ihnen an die Ostsee fahren wollte, war in ihm der Plan gereift.

Eigentlich würde er jetzt viel lieber an einem Pool irgendwo im Süden liegen, Zeitung lesen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Er hatte schon immer das Luxushotelleben bevorzugt. All inclusive. Essen, schlafen, essen, in der Sonne dösen, essen – das war so seine Vorstellung von einem erholsamen Urlaub.

Bei seinem Job hatte er auch die pure Erholung nötig. Als Architekt konnte er sich keinen 8-Stunden-Tag leisten. Die Konkurrenz war groß. Ständig strömten neue, junge Leute nach. Mit tausend Ideen im Kopf, aber ohne eine Ahnung, wie sie umgesetzt und finanziert werden sollten. Das war dann wiederum sein Vorteil. Er hatte schon viele große Projekte geleitet, sich einen Namen in der Branche gemacht. Und er war sich sicher, dass er eines Tages die Firma von seinem Chef übergeben bekommen würde. Wer sonst sollte so eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen? Außerdem hatte er die besten Kontakte zu den entsprechenden Entscheidungsträgern. Seit die Firma vor 20 Jahren von Holzgerlingen nach Stuttgart umgesiedelt war, ging es steil bergauf. Seitdem planten sie Projekte in ganz Deutschland.

Zufrieden lehnte sich Andreas im Sessel zurück und legte die Füße auf den kleinen Glastisch, der vor ihm stand.

Und dann war dieses Wahnsinnsangebot gekommen, dass er nicht abschlagen konnte. Eine Beteiligung seiner Firma an einem Großbauprojekt in Dubai. Ein ganzes Stadtviertel sollte innerhalb kürzester Zeit entstehen. Nicht irgendein Stadtviertel – einen Designdistrikt der besonderen Art stellten sich die Auftraggeber vor. Architekten und Designer aus ausgewählten Ländern waren daran beteiligt. Alles sollte harmonisch ineinander übergehen, und doch musste jedes Gebäude einzigartig sein. Jedes Land sollte seinen Stil einbringen. Insgesamt wurden vier Architekturbüros aus Deutschland nach einem Bewerbungsverfahren nominiert. Und Paul Rosenkötter, sein Chef, war dabei. Da Rosenkötter selbst so ein Projekt mit seinen 64 Jahren nicht mehr stemmen wollte, war es klar, dass nur sein würdiger Nachfolger dafür infrage kam.

Andreas schloss die Augen und träumte sich weit weg. Er stellte sich vor, mit den Mächtigen an einem Entwurf zu stehen. Seinem Entwurf. Alle klatschten Beifall, der Champagner floss und die schönsten Frauen der Welt lagen ihm zu Füßen.

Ruckartig erwachte Andreas aus seinem Tagtraum. Die Schönheiten konnte er sich abschminken. Die Sache mit dem Job in Dubai hatte nämlich einen Haken. Der erzkonservative Auftraggeber erwartete, dass die ganze Familie nach Dubai zog. Ehefrau war Pflicht. Kinder, wenn vorhanden, auch. Das waren Bedingungen, die erfüllt sein mussten. Nur wer im Kreise seiner Lieben lebte, konnte auch zufriedenstellend arbeiten.

Andreas nahm die Beine vom Tisch und setzte sich auf. Und genau das war sein Problem. Sein Chef wusste nichts von der Trennung vor drei Jahren. Andreas lebte in Stuttgart in einer Eigentumswohnung und war auch früher nur am Wochenende nach Holzgerlingen gefahren. Dass er das schon eine Weile nicht mehr tat, ahnte niemand. Ging ja auch niemanden etwas an.

Allerdings wollte Rosenkötter nach seinem Urlaub in drei Wochen auch mit Jessica und den Kindern sprechen. Er wollte ganz sicher sein, dass nichts schief ging, dass seine Firma gut vertreten sein würde.

Andreas ging in die Küche und goss sich ein Bier in eines der riesigen Gläser ein. Gedankenverloren lehnte er sich an die Arbeitsplatte und nippte am Schaum. Sein Plan musste funktionieren. Er wusste genau, was er zu tun hatte, wusste nur noch nicht wann. Aber das würde er sicher von Jette erfahren. Sie war die Einzige in der Familie, die bedingungslos zu ihm hielt. Sie würde seinen Plan mit Sicherheit gutheißen. Aber sollte er so etwas mit seiner zehnjährigen Tochter besprechen?

Noch hatte er zwei Tage Zeit. Morgen wollte er die Gegend erkunden, um den geeigneten Ort zu finden. Selbstzufrieden nahm er einen ordentlichen Schluck und freute sich auf den Abend. Vielleicht ging ja was hier in diesem Kaff.

* * *

Ein lautes Geräusch riss Conrad aus dem Schlaf. Verdutzt schaute er sich um. Diese Nachmittagsschläfchen durfte er sich gar nicht erst angewöhnen. Andererseits taten sie ihm gut. Ausgeruht sprang er aus dem Sessel und ging zur Haustür, um nach der Post zu sehen.

Das Schließsystem an der Eingangstür war auch noch ein Relikt aus alten Tagen. Ein Erinnerungsgeschenk von Linda - quasi. Er musste zwei verschiedene Schlüssel bedienen, erst dann öffnete sich die Festung. An den Fenstern im Erdgeschoss war es ähnlich, die Terrassentür hatte sogar besonders einbruchsicheres Glas.

Genervt trat Conrad nach draußen und staunte nicht schlecht, als er das Monstrum von einem Wohnmobil direkt neben seinem Sportflitzer stehen sah. Zwar trennte die beiden Fahrzeuge eine schmale Hecke an der Grundstücksgrenze, aber der Anblick ließ sein Herz erstarren. Hoffentlich fiel dieser stets gut gelaunten Dame von nebenan nicht irgendwas aus dem Fenster dieses Riesenteils. Das würde direkt auf seinem Wagendach landen. Conrad wollte sich das gar nicht erst vorstellen. Vielleicht war es besser, sie vorher schon einmal darauf hinzuweisen?

Vorsichtig ging er auf sein Auto zu und lugte unauffällig auf das Dach. Schien noch alles in Ordnung zu sein. Im Wohnmobil war es auch verdächtig ruhig. Haustür und Wohnmobiltür standen offen, aber nichts rührte sich. Wahrscheinlich hatte Frau Himmelstoß, was für ein Name, mal wieder vergessen, die Türen zu schließen. Es schien ihm, als wäre sie in allem das Gegenstück zu Linda. Unbekümmert, offen, vertrauensselig, gutmütig, aber trotzdem verantwortungsbewusst.

Gerade als er sich noch näher an dieses rollende Haus heranschleichen wollte, rauschte ein knallroter Mini heran. Eine Dame in einem adretten, ebenso knallroten, sommerlichen Hosenanzug hievte einen riesigen Koffer aus dem Kofferraum und näherte sich dem Wohnmobil. Conrad konnte gerade noch hinter der Hecke in Deckung gehen.

Aber wie sollte er jetzt unbemerkt in sein Haus kommen? Die Dame ließ einen markerschütternden »Juhu«-Schrei los. Wie er diese Art von Begrüßung hasste! Und tatsächlich: Im Wohnmobil regte sich etwas. Scheinbar war seine Nachbarin die ganze Zeit an Bord gewesen. Ob sie ihn beobachtet hatte? Conrad wurde es immer mulmiger zumute. Was sollte er jetzt tun? Resigniert setzte er sich unbemerkt auf die Steinplatten. Dabei fiel sein Blick auf seine offene Eingangstür. Ein Schauer lief ihm den Rücken runter. Seine Haustür. Offen! Was, wenn jetzt ... er zwang sich, nicht weiter daran zu denken, was Linda ihm in diesem Moment alles an den Kopf gehauen hätte.

* * *

»Nein!« Jessica schüttelte energisch den Kopf. Dabei rutschte zum wiederholten Male eine Strähne in ihr Gesicht. Genervt kramte sie eine Haarklemme aus der Hosentasche und steckte die Strähne damit fest.

»Och Mama, das sieht voll ätzend aus. Schau dazu wenigstens in den Spiegel!« ereiferte sich Jette.

»Das ist doch jetzt völlig egal. Ich wollte schon seit zwei Stunden unterwegs sein. Aber erst könnt ihr euch nicht von euren Freunden trennen und jetzt das Gezicke wegen dieser blöden Geräte!« Jessica schnaufte tief durch. »Also was jetzt? Ein elektronisches Gerät darf jeder mitnehmen. Entscheidet euch! Ich warte draußen. « Damit schnappte sie sich ihre Handtasche und den Autoschlüssel und stürmte zur Tür hinaus.

Teresa lümmelte grinsend auf der Bank vor dem Haus.

»Und? Haben die Herrschaften gewählt?«

»Ach, hör sie dir doch an. Als ob diese Dinger das Wichtigste auf der Welt wären. Wir hatten doch so einen Kram früher auch nicht.«

»Ich frage mich, wer ihnen diese Dinger gekauft hat?«, fragte Teresa spöttisch nach.

»Ihr Vater natürlich!« keifte Jessica zurück. Sie wusste ganz genau, dass das nur die halbe Wahrheit war. Sie hatte dem einen oder anderen Gerät auch zugestimmt. Oftmals hat es ihnen ja auch schon einen gemütlichen Abend mit Freunden im Restaurant gerettet. Zwar waren vor allem die Ohne-Kinder-Paare schockiert, wie man seinen Schützlingen so etwas erlauben konnte. Stundenlanges Zocken auf dem Nintendo, das schadete mit Sicherheit der Intelligenz. Aber ein ungestörtes Abendbrot förderte das Wohlbefinden der Eltern. Und die wussten ja schließlich auch, dass die Zockerei im Lokal eine Ausnahme bildete. Zuhause gab’s da ganz andere Regeln. Gott sei Dank waren ihre Kinder auch nicht süchtig danach. Es gab noch anderes in ihrem Leben.

Aber im Moment scheinbar nicht. Noch immer hörte sie heftige Diskussionen über Verbinden, gegeneinander fahren und muss mich um mein virtuelles Pferd kümmern.

»In fünf Minuten fahre ich! Wenn ihr dann nicht drin sitzt, könnt ihr die Ferien bei eurem Papa verbringen!« Jessica reichte es. Sie wollte endlich los. Jetzt stand nämlich gleich das nächste Problem an. Und vor dem hatte sie viel mehr Bammel als vor der Geburt ihrer Kinder. Sie musste dieses Monstrum fahren. Gestern, als sie sich das Wohnmobil ausgeliehen hatte, konnte sie den Besitzer mit einer Notlüge dazu bringen, ihr den Camper in die Einfahrt ihres Hauses zu stellen.

---ENDE DER LESEPROBE---