Sanddornpunsch und Herzenswunsch - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
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Sanddornpunsch und Herzenswunsch E-Book

Frida Luise Sommerkorn

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Beschreibung

Dass sie von einem wildfremden Mann ein verlassenes Haus in der Nähe von Ahrenshoop erbt, findet Anne schon verwunderlich. Als sie kurz darauf auch noch einen sehr persönlichen Brief von dem Verstorbenen erhält, bringt das ihre heile Welt ins Wanken. Gibt es wirklich nur einen einzigen Menschen, der das Geheimnis um ihre Vergangenheit lüften kann? Und wie kann sie ihn finden?

Dank ihrer Freundinnen Caro, deren Weltreise zu platzen droht, und Stine, deren Liebesglück zum ersten Mal auf die Probe gestellt wird, findet sie einen Weg, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Jedoch führt der direkt zu Bertram, dem scheinbar herzlosen Sohn des Verstorbenen.

"Sanddornpunsch und Herzenswunsch" ist der zweite Teil der Ostseeliebe-Reihe, bei dem sich wieder einmal zeigt: Freundinnen halten zusammen, egal wer kommt!

"Kaffeeduft und Meeresluft" - Band 1
"Sanddornpunsch und Herzenswunsch" - Band 2
"Himbeerschaum und Dünentraum" - Band 3

Weitere Veröffentlichungen:

Ostseetraum-Reihe
"Tanz auf den Wellen" - Band 1
"Frag nach der Liebe" - Band 2

Nordseeglück-Reihe
"Insel wider Willen" - Band 1
"Träume sind wie Wellen" - Band 2
"Liebe dank Turbulenzen" - Band 3

Sehnsuchtstrilogie
"Immer wieder im Juni" - Band 1
"Manchmal ist das Glück ganz nah" - Band 2
"Endlich schwingt die Liebe mit" - Band 3

Zum Glück - Reihe
"Zum Ostseestrand" - Band 1
"Zum Glück Neuseeland" - Band 2
"Zum Glück Costa Rica" - Band 3

Winterwunder-Reihe
"Ein Rauhnachtswunder" - Band 1
"Ein Adventswunder" - Band 2

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Stine

Anne

Caro

Stine

Anne

Johannes

Stine

Anne

Ben

Caro

Anne

Stine

Bertram

Caro

Johannes

Bertram

Anne

Ben

Bertram

Stine

Caro

Bertram

Ben

Anne

Caro

Johannes

Bertram

Ben

Anne

Bertram

Epilog

Danksagung

Bisherige Veröffentlichungen

Impressum

Frida Luise Sommerkorn

Sanddornpunsch und Herzenswunsch

Ostseeliebe 2

Über die Autorin: Frida Luise Sommerkorn alias Jana Thiem schreibt Liebes-, Familien- und Kriminalromane. Dabei sind ihre Geschichten in jedem Genre mit Herz, Humor und Spannung gespickt. Da sie selbst viel in der Welt herumgekommen ist, kennt sie die Schauplätze ihrer Romane und kann sich voll und ganz in ihre Protagonisten hineinfühlen. Ob am Ostseestrand, im fernen Neuseeland oder in ihrer Heimat, dem Zittauer Gebirge, überall holt sich die Autorin neue Inspirationen, um ihre LeserInnen verzaubern zu können.

Texte © 2018 by Jana Thiem

Alle Rechte vorbehalten!

Lektorat / Korrektorat: Dorothea Winterling M.A.

Bildmaterialien © by Shutterstock Umschlag: Anne Gebhardt Design

Prolog

»Das kann nicht sein ...«, flüsterte Anne und schüttelte verständnislos den Kopf. »Das muss eine Verwechslung sein! Ich kenne den Mann überhaupt nicht!«

Sie schaute den Rechtspfleger, der hinter einem schlichten Schreibtisch saß, mit großen Augen an. Irgendwie hatte sie sich die Testamentseröffnung anders vorgestellt. Ein altehrwürdiges Gebäude, ein ergrauter Herr hinter einem mondänen Schreibtisch und knisternde Stimmung angesichts der Zeilen, die er verlesen würde.

Anne zwinkerte und versuchte, die wirren Gedanken loszuwerden. Vor ein paar Wochen hatte sie die Einladung zur Testamentseröffnung vom Nachlassgericht in ihrem Briefkasten gefunden. Schon damals glaubte sie an eine Verwechslung. Schließlich sagte ihr der Name Heribert Frenzel überhaupt nichts. Auch ihren Eltern nicht. Sie hatte fest damit gerechnet, dass er ein entfernter Verwandter gewesen war. Aber ihr Vater hatte ihr das Gegenteil versichert.

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, schaltete sich der Mann neben Anne ein.

Erschrocken schaute sie zu ihm auf. Seine sonore Stimme und die unnahbare Ausstrahlung schüchterten sie ein.

»Ich denke auch, dass es sich hierbei um eine Verwechslung handeln muss. Schließlich hat mein Vater diese Frau niemals erwähnt.«

Der Mann, der Anne vorhin als Bertram Frenzel vorgestellt worden war, erhob sich von seinem Stuhl, nahm die Jacke von der Lehne und reichte dem Rechtspfleger zum Abschied die Hand.

»Ich werde das Testament anfechten!«, sagte er und wandte sich dabei Anne zu. Er sah ihr tief in die Augen. »Glauben Sie mir, so einfach krallen Sie sich nicht das Erbe meines Vaters!«

Anne schluckte und hob ihr Kinn. Ihr Herz raste. Fast war sie geneigt, artig zu nicken. Konnte sich aber im letzten Moment zurückhalten. Was glaubte denn dieser aufgeblasene Mensch, wer sie war? Eine Erbschleicherin? Das war wirklich die Höhe!

Schnell sprang sie von ihrem Stuhl auf, verabschiedete sich mit einem Nicken und verließ den Raum.

»Das hättest du erleben müssen, Schatz! Der hat mir tatsächlich vorgeworfen, dass ich ihn um sein Erbe bringe!«

Seitdem Anne sich neben Raul in das Auto gesetzt hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus.

»Dabei kenne ich diese Menschen gar nicht. Weder den Verstorbenen noch seinen angeblich geprellten Sohn. Was soll ich denn jetzt machen?«

Raul lenkte den Wagen auf die Rostocker Chaussee, um Stralsund schnellstmöglich zu verlassen. Eigentlich hatten sie noch in der Stadt bleiben und sich ein ausgedehntes zweites Frühstück gönnen wollen. Aber als Anne völlig aufgelöst das Amtsgericht verlassen hatte, war Raul sofort klar gewesen, dass er auf seinen Café con leche würde verzichten müssen.

»Princesa, jetzt mal ganz langsam. Was um alles in der Welt hast du denn geerbt, dass dieser Typ sich so aufspielt?«

Anne schaute Raul mit großen Augen an.

»Ein Haus«, sagte sie und atmete tief ein und aus.

»Ein Haus? Ein ganzes Haus?« Jetzt war es Rauls Stimme, die sich überschlug. »Und das sagst du erst jetzt? Oh Gott, Anne! Wo steht denn dein Haus?«

Ungläubig schaute Anne zu Raul.

»Das ist nicht mein Haus! Der Typ hat schon gesagt, dass er das Testament anfechten wird. Und irgendwie hat er ja auch recht, oder? Schließlich kenne ich keinen Heribert Frenzel. Also kann der mir auch nichts vererben.«

»Hm«, brummte Raul. »Vererben kann er dir alles. Aber natürlich wäre es von Vorteil, wenn wir herausfinden könnten, wer dieser Mann war.«

Für eine kurze Weile war es still im Auto. Aber Raul konnte es sich nicht verkneifen, noch einmal nachzufragen, wo ihr Erbe stand. Vielleicht hatten sie ja jetzt ein Domizil auf Kreta oder in den Bergen oder noch besser ... in Spanien, der Heimat seiner Vorfahren!

»Anne, weißt du denn schon, wo sich das Haus befindet?«, fragte er so beiläufig wie möglich. Er wusste, dass Anne sich schon wieder viel zu viele Gedanken machte. Und eigentlich wollte er sie auch nicht verärgern. Aber die Neugierde war stärker.

»In Bliesenrade«, antwortete Anne gequält.

»In Bliesenrade? Das ist nicht dein Ernst! Keine 15 Kilometer von uns entfernt und dann auch noch so weitab vom Schuss?«

Anne hörte Rauls Enttäuschung in der Stimme. Sie hatte sich ja auch gewundert, warum jemand von sonstwoher ein Haus in Bliesenrade besaß, aber das war auch egal, wenn sie es nicht erbte.

Sie schaute aus dem Fenster. Das herbstlich bunte Farbenspiel tat ihrer Seele gut. Am liebsten würde sie sich jetzt an ihre Staffelei setzen und ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Aber Raul hatte recht. Sobald sie zuhause ankommen würden, müssten sie im Internet nach diesem Erblasser suchen. Oder eben nach seinem Sohn.

»Heribert Frenzel«, murmelte Raul. Konzentriert saßen sie vor dem PC und überflogen die Einträge in der Suchmaschine.

»Hier! Der könnte passen, er ist im Juli verstorben und Ende August hattest du Post vom Amt.« Raul öffnete den Link und landete auf einer Website.

»Ein Maler!«, entfuhr es Anne. Konnte es sein, dass sie ihn doch schon einmal getroffen hatte? Aber sie malte erst seit ein paar Monaten. Und auch wenn ihre Freundin Stine Annes Bilder in ihrem Café ausgestellt hatte, so hieß das nicht, dass sie sonst irgendjemand kennen würde. Und schon gar nicht, dass ihr jemand ein Haus deshalb vererben würde. Die Sache wurde immer rätselhafter.

Sie klickten sich durch die einzelnen Seiten der Website.

»Nicht schlecht, die Bilder, oder?«, fragte Anne fasziniert. Es war nicht ihr Malstil. Sie liebte die abstrakte Aktmalerei. Im Frühjahr hatte sie sich entschlossen, heimlich einen Onlinekurs zu belegen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten flossen ihr mittlerweile die Kurven der Liebenden immer leidenschaftlicher aus den Fingern. Wenn sie vor einer leeren Leinwand saß, wusste sie nicht, was am Ende entstehen würde. Je nach Stimmung malte sie zärtlicher oder wilder. Aber jedes Mal ging sie ganz und gar in ihrer Begeisterung zum Malen auf.

Heribert Frenzel hatte Landschaften auf eine ganz eigene Weise gemalt. Man hätte fast meinen können, er wäre in den jeweiligen Landstrich verliebt gewesen. Das Meer und der Bodden hatten es ihm besonders angetan. Es waren Bilder von rauer See bis hin zum ruhigsten Wasser dargestellt.

Anne vertiefte sich immer weiter in die Galerie der Website. Ob sie ihre Bilder auch online zum Verkauf anbieten sollte? Vielleicht ... Sie schob die Gedanken beiseite. So ein Quatsch! Sie malte gerade erst seit einem halben Jahr. Und auch wenn ihre Freundinnen ihr großes Talent bescheinigten, hieß das ja noch lange nicht, dass das andere ebenso empfanden und dass sich die Bilder verkaufen ließen.

»Princesa, schau mal hier! Heribert Frenzel hat in der Nähe von Hamburg gewohnt. Das wird ja immer spannender! Was hat er denn hier mit dem Darß und vor allem mit dir zu tun? Langsam wird mir das alles unheimlich.«

Anne war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie nicht gemerkt hatte, wie Raul sich weiter bis zum Impressum geklickt hatte. Sie schüttelte den Kopf.

»Ich war noch nie in Hamburg«, flüsterte sie.

Raul strich ihr zärtlich mit der Hand über den Rücken.

»Vielleicht finden wir etwas, wenn wir uns das Haus anschauen?«, fragte er vorsichtig nach.

Anne seufzte.

»Aber wir haben keinen Schlüssel«, brachte sie fast tonlos hervor.

Raul nickte und schloss Anne in seine Arme.

»Weißt du was? Wir fahren jetzt zu deiner Mutter und nehmen sie und Linnea einfach mit zu dem Haus. Dann ist es fast wie ein kleiner Familienausflug.«

Anne schaute in Rauls strahlende schwarze Augen. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals einen anderen Mann zu lieben. Schon allein dieser Blick gab ihr so viel Geborgenheit. Sie legte eine Hand an seine Wange und streichelte ihm mit dem Daumen über den Nasenrücken.

Plötzlich zuckte sie kurz zusammen.

»Was ist los?«, fragte Raul besorgt.

Anne lächelte und legte die andere Hand auf ihren leicht gewölbten Bauch.

»Da hat anscheinend auch jemand Lust, sich zu bewegen.«

Schnell legte sie Rauls Hand dazu, aber das leichte Zappeln hatte schon wieder aufgehört.

»Na, dann sollten wir den jungen Mann nicht enttäuschen«, sagte Raul. Lachend zog er Anne vom Stuhl hoch und schaltete nebenbei den PC aus.

»Woher willst du wissen, dass es ein Junge wird?«, fragte Anne grinsend.

»Na hör mal!« Raul klopfte sich auf die Brust. »Erst eine kleine Prinzessin und jetzt natürlich der Stammhalter! Ich spüre das!«

Anne lachte. Da war er wieder, ihr stolzer Spanier. Auch wenn Raul in Deutschland geboren worden war, ließen sich seine spanischen Gene nicht verleugnen.

Auf der Fahrt zu ihrem Elternhaus fiel Anne plötzlich etwas ein. Sie holte ihr Smartphone hervor und tippte eine Weile darauf herum.

»Was suchst du?«, fragte Raul.

»Wir haben noch gar nicht nachgeschaut, ob auch etwas über Heriberts Sohn im Internet zu finden ist«, antwortete Anne konzentriert. Wenn sie an Bertram Frenzel dachte, setzte sofort wieder ein mulmiges Gefühl ein. Sie konnte ja verstehen, dass er sich um sein Erbe geprellt fühlte. Aber hätte er nicht wenigstens mit ihr reden und so vielleicht einige Ungereimtheiten aus dem Weg räumen können? Oder wusste er am Ende sogar, warum ihr sein Vater das Haus vermacht hatte?

»Hier ...«, sagte Anne. Sie zog das Porträt von Bertram Frenzel auf dem Display größer und hielt es Raul hin.

»Und? Steht auch was über ihn geschrieben?«, hakte er nach.

»Wenig! Er arbeitet als Makler für eine Immobilienfirma, die anscheinend ziemlich hochpreisige Häuser in Berlin und Umgebung verkauft. Aber sonst ... Nichts Privates.«

»Hm, Immobilienmakler! Nun ist auch klar, warum er so sauer reagiert hat. Wahrscheinlich hat er sogar schon einen Kunden für das Haus«, überlegte Raul.

Anne hatte ihr Handy wieder verstaut und schaute gedankenverloren aus dem Fenster.

»Vielleicht, ja. Aber solange wir nichts Genaues wissen, will ich gar nicht weiter über ihn nachdenken.«

Als sie in die Einfahrt von Annes Elternhaus bogen, kam ihnen ihre Tochter Linnea mit ausgestreckten Armen entgegengerannt. Die Dreijährige war ihr ganzer Sonnenschein. Auch wenn die Tage seit ihrer Geburt anstrengender und die Nächte unruhiger geworden waren, um nichts in der Welt würde Anne ihr Leben tauschen wollen.

Annes Mutter Gabriele war in der Tür stehen geblieben. Seit einiger Zeit schien es ihr nicht so gut zu gehen. Sie hatte ständig neue kleine Wehwehchen, weswegen sie sich immer seltener aus dem Haus begab. Anne machte sich große Sorgen um sie. So kannte sie ihre Mutter nicht. Selbst ihr Vater stand hilflos daneben. Statt sich von ihm oder Anne helfen zu lassen, verkroch sich Gabriele lieber und nahm kaum noch am sozialen Leben teil.

Also würde Anne ihre Mutter heute überlisten, damit sie wenigstens mal wieder das Grundstück verließ.

»Mama, wir brauchen dich mal für ein paar Minuten«, sagte sie laut und zwinkerte Raul dabei zu. »Wir müssen für Linnea etwas aussuchen und dabei musst du sie ablenken.«

Gabriele trat mit skeptischem Blick auf den Treppenabsatz vor ihrer bunt bemalten Haustür.

»Dann lasst Linnea doch hier und holt sie später ab!«, antwortete sie.

Anne tat so, als ob sie es furchtbar eilig hatten. Sie schnallte Linnea auf dem Rücksitz an und rief von drinnen: »Ach, das dauert nicht lange. Spring schnell vorn rein. Wir sind gleich wieder da.«

Raul, der Annes Spiel durchschaut hatte, setzte sich hinter das Steuer und öffnete Gabriele die Beifahrertür.

Noch immer stand Gabriele unentschlossen auf der Treppe.

»Aber dein Vater wird bald nach Hause kommen. Und ...«

»Bis dahin bist du längst wieder da, Mama!«, fiel Anne ihr ins Wort.

Widerstrebend ging Gabriele zurück ins Haus, zog Schuhe und Jacke an und schloss die Tür hinter sich zu.

Umständlich kletterte sie ins Auto. Anne merkte ihr an, dass sich alles in ihr sträubte. Warum war Gabriele in letzter Zeit so unsicher? Manchmal wirkte sie ängstlich. Dann wieder tieftraurig. Es war nicht so, dass sie sonst die Menschen mit ihrer Begeisterung hätte mitreißen können. Sie war schon immer stiller als andere gewesen. Aber Anne war sich sicher, dass ihre Mutter ein glückliches und zufriedenes Leben führte. Auch um die Ehe ihrer Eltern stand es gut. Kleine Streitereien gab es hier und da, doch die Vertrautheit zwischen ihnen war tief. Machmal reichte ein Blick oder eine kleine Geste und der andere wusste Bescheid. Anne hatte sie immer um ihre Verbundenheit beneidet und sich in ihrer Mitte geborgen gefühlt. Aber jetzt? Sie nahm sich vor, noch einmal mit ihrem Vater darüber zu sprechen. Die Verwandlung war ihm sicher auch aufgefallen.

»Was wollt ihr denn besorgen?«, fragte Gabriele, als sie gerade Ahrenshoop in Richtung Born verließen. Sie schaute skeptisch aus dem Fenster.

Anne biss sich auf die Lippen. Wie kam sie jetzt aus der Nummer wieder heraus? Im Grunde suchten sie das Haus ja auch für Linnea aus. Aber das war sicher nicht das, was ihre Mutter jetzt annahm. Und von aussuchen konnte ja auch keine Rede sein. Denn schließlich war das Haus schon da und sollte demnächst ihr gehören. Wieder stellte sich bei Anne dieses mulmige Gefühl ein. Sie musste unbedingt herausbekommen, wer dieser Heribert Frenzel war. Es fühlte sich so an, als ob sie sonst keine Entscheidung würde treffen können.

Je näher sie Born kamen, umso mehr wuchs der Kloß in ihrem Magen. Linnea neben ihr plapperte unaufhörlich. Sie kommentierte alles, was ihr Blick durch die Seitenscheibe erhaschen konnte. Manchmal wünschte sich Anne ihre unbeschwerte Kindheit zurück. Damals bestand das Leben aus einem einzigen Abenteuer, ohne über Konsequenzen nachdenken zu müssen. Mit ihren Freundinnen Stine und Caro, die sie schon seit dem Kindergarten kannte, war jeder Tag aufregend gewesen. Sie war froh, dass sie immer noch beste Freundinnen waren und im selben Ort wohnten. Anne konnte sich nicht vorstellen, was sie ohne die beiden hätte tun sollen. Und auch nicht ohne die Mädelsabende, die zwar mittlerweile, seitdem alle drei in festen Händen waren, nur noch unregelmäßig stattfanden, aber bei denen sie meistens ein paar unbeschwerte Stunden erleben konnten.

Anne spürte Rauls Blick durch den Rückspiegel auf ihr ruhen. Sie holte tief Luft und legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Mutter.

»Mama, wir wollen uns das Haus anschauen, das ich geerbt habe. Und ich möchte, dass du dabei bist. Deine Meinung ist mir wichtig«, sagte sie sanft.

Ein Ruck ging durch Gabrieles Körper. Hektisch drehte sie sich um. Anne sah wieder die Angst in ihren Augen. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück.

»Warum hast du mich angelogen? Das ist doch meine Entscheidung, ob ich mitkommen möchte!«, sagte Gabriele. Die Tränen stiegen ihr in die Augen.

»Mama, was ist denn? Warum weinst du?«, fragte Anne. Sie konnte sich auf die plötzliche Erregung ihrer Mutter keinen Reim machen.

»Ich kann das alles ... so weit weg von zuhause ...«, begann Gabriele, brach aber mitten im Satz ab und schaute kopfschüttelnd aus dem Fenster.

Raul lenkte den Wagen ruhig durch Born und dann weiter Richtung Wieck. Plötzlich bog er rechts ab. Die Straße wurde zum Plattenweg und führte mitten durch Wald. Anne runzelte die Stirn. Sie wusste, dass Bliesenrade am Ende dieser kleinen Nehrung lag. Aber sie war noch nie da gewesen. Bei den vielen Radtouren, die sie als Familie unternommen hatten, als sie noch ein Kind war, hatte sie immer mal wieder probiert, ihre Eltern zu überreden, dorthin abzubiegen. Aber ihre Mutter war dagegen gewesen. Sie hatte lieber den Darßer Wald Richtung Weststrand durchqueren wollen.

Sie fuhren aus dem Wald heraus, weiter über eine große Wiese bis zur kleinen Siedlung. Das musste jetzt die Landzunge sein, denn das Land war rechts und links vom Bodden eingeschlossen.

Anne schaute Raul durch den Rückspiegel an. Sie sah, dass er sich konzentrieren musste. Und sie war heilfroh darüber, dass er keiner dieser cholerischen Männer war, die bei jedem Schlagloch Angst um ihr Auto hatten.

»Wir sind da«, sagte Raul leise. Er hatte das Auto am Straßenrand geparkt und zeigte auf ein verwildertes Grundstück.

»Wenn mich mein Navi nicht täuscht, müsste es das hier sein.«

Ungläubig ließ Anne den Blick über Brombeerhecken, efeubewachsene Nadelbäume und einen Wirrwarr an Farnen und Gräsern gleiten.

»Wo ist denn hier ein Haus?«, fragte sie und öffnete vorsichtig die Autotür.

Raul war ebenfalls ausgestiegen und machte sich schon daran, das Gartentor zu öffnen.

»Nea will auch raus«, krähte Linnea hinter Anne.

Blinzelnd drehte sich Anne um.

»Warte mal kurz, Mäuschen! Mama und Papa müssen erst mal alleine schauen.«

Ein Blick auf ihre Mutter verriet ihr, dass sie noch immer mit sich rang. Sie wirkte furchtbar blass. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, sie so zu überrumpeln. Anne öffnete die Beifahrertür und schaute Gabriele fragend an.

»Ich gehe mit Raul nachsehen. Bleibst du kurz bei Linnea?«

Gabriele starrte ohne zu blinzeln in Richtung Bodden. War ihre Mutter jetzt so sauer auf sie?

Irritiert trat Anne neben Raul, der mittlerweile das Gartentor aufgestemmt hatte. Es sah so aus, als ob es bei der nächsten Berührung direkt aus den Angeln fallen würde.

Raul nahm Anne bei der Hand und schob die im Weg hängenden Zweige beiseite. Schon nach wenigen Metern entdeckten sie ein typisches Darßer Haus mit Walmdach. Das Schilf war an vielen Stellen beschädigt, aber noch nicht komplett durchlöchert. Auch die Farbe an den Außenwänden war kaum noch zu erkennen und einige Fensterscheiben waren eingedrückt.

Anne zog die Luft scharf ein. Heribert wollte sich wohl einen Scherz erlauben. Dieses heruntergekommene Haus konnte er doch nicht wirklich vererben. Und dann auch noch einer Wildfremden. Zumindest war er das für sie.

Raul war bis zur ehemals bunt bemalten Haustür gegangen und probierte sie zu öffnen.

»Mist! Wäre ja auch zu schön gewesen«, murmelte er, als die Tür nicht nachgab.

Er spähte durch die schmutzigen Fensterscheiben.

»Hier kannst du fast nichts erkennen. Schau mal selbst«, bat er Anne.

Vorsichtig näherte sie sich dem Fenster. Sie fühlte wieder deutlich den Kloß im Magen. Was war denn nur los mit diesem Haus? Warum zog es sie magisch an und stieß sie gleichzeitig ab? War es nur, weil sie nichts über die Umstände wusste?

Der Blick durch das Fenster brachte keine Antwort auf die Fragen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und schaute Raul hinterher, der um die Hausecke verschwunden war.

»Anne, komm mal rum! Das musst du dir ansehen!«, rief Raul überrascht.

Schnell ging auch Anne um das Haus und staunte nicht schlecht. Der Garten war hier weit weniger verwildert. Er erstreckte sich weitläufig bis hin zum Bodden, dessen Wasser silbrig in der Sonne glänzte.

»Wow, das ist viel Land, was du zu bewirtschaften hast«, bemerkte Raul und stupste Anne leicht in die Seite.

Blinzelnd schaute sie ihn an. Gerade, als sie etwas erwidern wollte, nahm er sie in die Arme und drückte sie zärtlich an sich.

»Princesa, ich finde, das ist ein tolles Haus. Noch wissen wir nicht, was alles daran zu machen ist, aber von außen sieht es nicht schlecht aus.«

»Nicht schlecht? Das Dach ist kaputt und die Fenster sowieso. Und es hat keine Farbe mehr. Und hast du den Vorgarten gesehen?« Annes Stimme schnappte fast über vor Erregung.

»Das sind alles Dinge, die man reparieren oder verschönern kann. Wenn wir wissen, wie es innen aussieht und was die Substanz noch hergibt ...«

Weiter kam Raul nicht.

Plötzlich stand Linnea hinter ihnen und strahlte über das ganze Gesicht.

»Oma ist da«, sagte sie und zeigte auf den Weg zurück nach Born.

»Was heißt das, Mäuschen? Du meinst, Oma wartet am Auto?«, fragte Anne besorgt.

Linnea schüttelte heftig den Kopf.

»Nein! Oma da!« Wieder zeigte sie auf den Weg.

»Was ist denn jetzt schon wieder?«, murmelte Anne und rannte um das Haus herum in den Vorgarten. Raul schnappte sich seine Tochter und ging mit ihr auf dem Arm hinterher.

Tatsächlich hatte Gabriele schon den halben Weg bis zum Waldrand zurückgelegt. Schnell lief ihr Anne hinterher. Gerade als sie bei ihrer Mutter ankam, hielt auch Raul mit dem Auto an. Noch bevor Anne etwas sagen konnte, stieg Gabriele neben Linnea ins Auto und sagte kein Wort. Anne blieb nichts anderes übrig, als sich neben Raul zu setzen. Das war doch alles nicht wahr. Wurde ihre Mutter jetzt dement?

Als sie im Auto saß, drehte sich Anne hastig um und öffnete den Mund. Schnell legte Raul seine Hand auf ihren Arm und schaute sie kurz bedeutungsvoll an. Er schüttelte leicht den Kopf.

Anne seufzte. Sie war viel zu aufgewühlt, um ihre Mutter nicht zur Rede zu stellen. Andererseits hatte Raul recht. Sie würde ihr wahrscheinlich ohnehin nicht antworten.

Die Rückfahrt verlief schweigend. Während Linnea eingeschlafen war, konnte Anne ihre Gedanken kaum sortieren.

Als sie an ihrem Elternhaus ankamen, stieg ihre Mutter ohne ein Wort zu sagen aus und ging hinein. Verdutzt eilte ihr Anne hinterher. Im Hausflur stand ihr Vater und schaute genauso irritiert.

»Was habt ihr gemacht? Warum stürmt deine Mutter, ohne mich zu sehen, ins Schlafzimmer?«

»Papa, ich weiß es nicht! Was ist denn nur mit ihr?«, fragte Anne und umarmte ihren Vater.

»Hm, nächste Woche sollen wir wieder zum Arzt kommen. Der hat ein paar Untersuchungen gemacht. Vielleicht kann der uns weiterhelfen«, antwortete Franz.

Anne hörte an seiner Stimme, dass auch er der Situation hilflos gegenüberstand. Sie nickte.

»Wird wohl das Beste sein, auf die Ergebnisse zu warten. Aber wenn noch was ist, ruf mich an, ja?«

Franz lächelte sie an und schob ihr die Haare aus der Stirn. Das hatte er schon getan, als sie noch ein kleines Mädchen war. Anne war froh, dass es ihrem Vater so gut ging und er sich um Gabriele kümmern konnte.

»Danke, Papa«, sagte sie und drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange.

Stine

»Auf uns Mädels!«

Die Tassen gaben einen dumpfen Laut von sich, als sie Anne, Stine und Caro aneinanderstießen. Stine und Caro hatten sich Sanddornpunsch bestellt. Anne bevorzugte in ihrem Zustand den warmen Apfelsaft. Vorsichtig pusteten sie in die heißen Getränke und wärmten sich gleichzeitig ihre Hände daran. Allmählich senkte sich die Dunkelheit über den Weihnachtsmarkt und die Lichter erstrahlten in ihrem schönsten Glanz.

»Wollen wir uns einen ruhigeren Fleck suchen?«, fragte Stine. »Das Gedrängel hier am Stand wird allmählich anstrengend.«

Sie schlenderten an den kleinen Ständen mit weihnachtlichen Leckereien, deftigen Speisen, Strickwaren oder Schnitzereien vorbei. An einem Häuschen, das über und über mit weißem Glitzer besprüht war, kaufte Stine ein paar Eiszapfen aus Glas. Bei einem anderen erstand sie durchsichtige und weiße Christbaumkugeln und zarte silberfarbene Bänder, an denen die Kugeln hängen sollten.

Stine konnte ihr erstes Weihnachtsfest mit Ben kaum erwarten. Seitdem sie im Sommer ihrem damals zukünftigen Mann Arthur vom Altar weggerannt war, hatte sich ihr Leben völlig verändert. Mit Ben schien alles leichter zu sein. Sie hatte das Gefühl, sie konnte endlich wieder so sein, wie sie wirklich war. Als ob das nur bei ihm möglich wäre.

Vor ein paar Tagen erst waren sie von einem zweiwöchigen Segeltörn zurückgekommen. Wenn sie daran dachte, überfiel sie direkt wieder Gänsehaut. Einerseits vor liebevoller Wärme, anderseits vor klirrender Kälte. Sie hatte so viel gefroren wie selten in ihrem Leben. Der eisige Wind hatte sie immer wieder unter Deck gejagt. Aber Ben hielt alles aus. Lächelnd ließ er sie Dinge im Warmen erledigen und kam oft selbst nach unten, um sich mit ihr zu wärmen.

Verträumt pustete sie in den Punsch, der allmählich eine wohlige Wärme in ihr auslöste. Ja, mit Ben war ihr Leben perfekt. Mit Ben und ihrem kleinen Büchercafé, das sie im November getrost schließen konnte. Da waren die wenigsten Touristen zu erwarten. Erst mit dem Weihnachtsgeschäft kamen wieder durchgefrorene Gäste, um ihre Kaffeespezialitäten auszuprobieren und die verschiedensten Törtchen zu genießen.

Ein sanfter Stupser holte sie aus ihrer Träumerei zurück.

»Hast du Lust, dich an unserem Gespräch zu beteiligen? Oder magst du weiter verliebt in deine Tasse lächeln?«

Caro grinste sie verschmitzt an.

»Schon gut! Bin schon da!«, stupste Stine lachend zurück.

»Wusstest du, dass Caro und Johannes eventuell doch schon eher auf Weltreise losziehen?«, fragte jetzt Anne an Stine gewandt.

»Nein, wusste ich nicht!«, antwortete Stine verwundert. »Ich denke, ihr wollt das Schuljahr erst noch hinter euch bringen? Und überhaupt - bist du denn schon soweit?«

Stine schaute Caro zweifelnd an.

»Na ja, so richtig sicher bin ich mir da auch nicht. Aber ich weiß, dass die Therapie angeschlagen hat. Also zumindest kann ich es mir theoretisch schon vorstellen, in ein Flugzeug zu steigen.«

Stine erinnerte sich noch gut daran, als ihnen Caro im letzten Sommer gebeichtet hatte, dass ihr lang gehegter Traum von der Weltreise nicht in Erfüllung gehen würde. Dass sie panische Flugangst hatte, wusste bis dahin nur ihre Mutter. Aber spätestens als Johannes in ihr Leben getreten war und sie entdeckt hatten, dass sie beide das Fernwehfieber gepackt hatte, musste sich Caro durchringen und die Panik beim Schopf packen.

---ENDE DER LESEPROBE---