Habgier - Gabriele Wohmann - E-Book

Habgier E-Book

Gabriele Wohmann

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Beschreibung

Auch in diesen bitterbösen Kurzszenen aus dem Familienleben erweist sich Gabriele Wohmann als äußerst präzise Beobachterin und gehört zu den profiliertesten deutschsprachigen Autorinnen im Bereich der Kurzgeschichte.

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Seitenzahl: 83

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Gabriele Wohmann

Habgier

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Über dieses Buch

Auch in diesen bitterbösen Kurzszenen aus dem Familienleben erweist sich Gabriele Wohmann als äußerst präzise Beobachterin.

Über Gabriele Wohmann

Gabriele Wohmann, geboren am 21. Mai 1932 in Darmstadt als Tochter eines Pfarrers, studierte Philologie und arbeitete als Lehrerin in einem Internat. Sie veröffentlichte zunächst unter ihrem Mädchennamen Gabriele Guyot den Erzählungsband «Mit einem Messer» (1958). Es folgten Gedichtbände, zahlreiche Romane und Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele. Gabriele Wohmann erhielt mehrere Preise und Stipendien. Sie starb am 22. Juni 2015 in Darmstadt.

Inhaltsübersicht

HabgierKompaktVor dem TodeDer alte MannWachsfigurenDas Boot kommt zurückAntrittsredeDie AntwortEin netter KerlNur keine Aufregung

Habgier

Gestern ist es passiert. Wir können es noch nicht glauben, Vater und ich. Vater: das ist mein Mann. Wir nennen einander Vater und Mutter, weil wir finden, es schließt uns noch enger zur Familie zusammen und zahlt sich aus. Vaterautorität und Mutterschaft – sie sollten nicht durch irgendwelche privaten Vornamen behelligt werden. Wenn man einem Kind rechtzeitig zu verstehen gibt: dies ist eine Mutter und nur eine Mutter und keine Susi Margot Elsbeth, was weiß ich – so muß das einfach auf den Instinkt und so weiter einwirken, denken wir uns wenigstens. Wir sind ja nicht Leute, die in den Tag hinein leben. Wie viele Familien gibt es ringsum, wo alte Eltern auf die gerechtfertigte Dankbarkeit ihrer Kinder verzichten müssen, anders ausgedrückt: auf fremde Hilfe in Heimen und sonstwo angewiesen sind. Vater und ich, wir finden allerdings, diese dann zwar Bedauernswerten sind im Grunde selbst schuld an ihrem Los. Zur Dankbarkeit muß man sein Kind vom ersten Tag an, ich möchte fast sagen: vom Mutterleib an erziehen.

Immerhin: man schenkt ihnen ja das Leben, eine Gabe gewissermaßen aufs Geratewohl. Die Liebe zu Vater und Mutter kommt nun mal der Rückerstattung einer Schuld gleich, aber einer schönen Schuld, in der Tat. Der schönsten, würde ich sagen.

Gestern ist es passiert. Ich faß es nicht.

Vater, zu dem ich übrigens aufblicke, kommt offenbar eher drüber weg – doch dies mutmaße ich lediglich, denn daß er jetzt schon wieder sich mit Großmutters Testamentsentwürfen befaßt, tief drüber gebeugt und kritzelnd und auf Änderungen aus, daß er das tut und somit unser Familienleben weitertreibt in Richtung Erbe, das hat wohl nichts mit seinem Schmerz als Vater Kurts zu tun, Schmerz nicht nur, wir sind auch sehr aufgebracht, sehr.

Schrecklich. Alles ging so glatt, seither. Vor allem nach Töchterchen Gittis Geburt, dieser Belohnung für vier Söhne. Gittilein, wirklich noch süßer, als wir’s zu träumen wagten. Und ideale Paten. Natürlich spielt es eine Rolle, daß Gitti so reizend aussieht: die ohnehin großzügige Tante Bertel kann sich gar nicht oft genug mit immer geschmackvollen, immer brauchbaren und immer außerdem noch kostspieligen Geschenken zeigen. Gitti: das war und ist wirklich ein Treffer. Auch im Hinblick auf Irenes Patenschaft: sie kriegt keine Kinder, diese Arme, und sieht dies nun auch ein, hat sich damit abgefunden und ganz und gar auf Gittilein eingestellt; reich ist sie nicht, gewiß, aber Liebe vermag viel, gerade so eine Abart, gemischt mit Verzicht na und all dem, Traurigkeit, was weiß ich. Übrigens: Paten! Ein Kapitel für sich, weiß Gott. Bei Manfred, unserm Zweiten, hatten wir Pech. Onkel Max brachte sich ja sogar um! Heut lacht man drüber, aber damals war’s ein rechter Schock für Vater und mich, immerhin war Manfred erst drei und mehr als zehn Jahre Patenschaft fielen buchstäblich und um so mehr ins Wasser, als es das Wasser war, die graue belgische See, wo Onkel Leichtfuß seinen Tod suchte und fand. So blieben bei Manfred damals nur Onkel Herbst, dessen Geschäft von Jahr zu Jahr schlechterging, und mein Bruder Theo, ein regelrechter Reinfall und alles andere als kinderlieb. Man weiß eben nie, ich meine, man ist kein Prophet, obschon – in den andern Fällen waren wir’s eigentlich, Propheten, meine ich. Eberhard, unser Ältester, na, der hat doch großes Glück gehabt, und weit über die Konfirmation hinaus verlor Onkel Willmann nicht das Interesse an ihm; es hat sich auch außerordentlich bewährt, daß wir Eberhard von vornherein auf Musikliebhaber abgerichtet haben, erstens: weil schließlich doch eine wahre Liebhaberei daraus wurde, und wie herrlich ist’s, Musik zu lieben, nichts gegen ideelle Werte; zweitens: weil durch diese Orientierung in seine Geschenke ein gewisses System kam, er hat ja schon eine richtige kleine, wie sagt man, Diskothek, sagt er. Klavier war bis zum heutigen Tag doch immer noch zu teuer, dafür bläst er Flöte und besitzt, ohne sie zu blasen, eine Klarinette, außerdem Gitarre und fürs Schulorchester ein Triangel. Es ist schon nett, dieser ordentlichen, vernünftig kontrollierten Entwicklung zuzusehen. Vater und ich, wir fanden auch von jeher, daß es gut ist, einen kleinen Künstler in der Familie zu haben, der ist dann zuständig für kleine Darbietungen im größeren Kreis an Weihnachten etwa, Eberhard hat in jedem Jahr unterm Baum was Hübsches vorzuspielen, es macht sich gut, ja, abgesehen vom Gewinn, besonders Onkel Rehbein gibt immer reichlich.

Und Eberhard hat auch gestern gespielt. Gestern war Konfirmation unseres Dritten. Kurt. Ich red jetzt gar nicht von all dem Kummer, den er, gerade er, seinen Eltern bereitet hat. Jetzt erst wieder, zum Muttertag kürzlich, stand doch er als einziger mit leeren Händen vorm Gabentisch. Allerdings, woher dies Versäumnis stammt, das wissen wir: aus der Quelle Theo und Frau; mein Bruder Theo hat für vierzehn dringende Ruhetage, die Vater mir verordnete, Kurt aufgenommen – Eberhard war bei Rehbeins, Manfred bei den Großeltern, wo er übrigens sehr hübsch und gegen fast großzügige Bezahlung den Garten betreut hat – Kurt wie gesagt bei Theo und Schwägerin Karla, Mopi bei – na ja, es ist nicht so wichtig und hat wenig mit gestern zu tun, nur noch dies: Gittilein blieb bei uns und schadete meiner Erholung keineswegs. Süß ist die, o je! Bei Bruder Theo und Frau hat Kurt zersetzende Äußerungen vor allem auch über den Muttertag zu hören bekommen, das ist uns völlig klar, und deshalb stand er neulich an jenem sonnigen Morgen fast patzig und ohne Geschenk mir gegenüber, immerhin mit Schwierigkeiten beim Aufblicken. Nun ist zwar Kurt unbemittelter als seine Brüder, da er ja leider, leider für gute Noten nichts einheimsen kann: seine Schuld. Und spart für ein Rad. Schön. Das hat aber nichts damit zu tun, daß er seiner Mutter an diesem Tag – nun, es stammt von diesen beiden, die ihm was erzählt haben von Politik, ich frag mich, was sollen Kinder mit solchen Erörterungen und Aufschlüssen, was sollen sie damit, was geht es sie an, inwiefern rüttelt an ihrer eigenen Mutterverehrung der Vorwurf gegen eine politische Vergangenheit, von deren Schlechtigkeit ich allerdings, was soll ich’s verschweigen, den ganzen Komplex rings um die Frau, um das Bild der Mutter, durchaus ausklammern möchte – eine Mutter muß verehrt werden, basta. Die Würde der Mutter, ja. Des Mütterlichen. Wert und Notwendigkeit, die Mutter zu feiern – dies tilgt kein politisches Schönheitsfehlerchen, bestimmt nicht. Auf Grund einer reizenden Idee unseres Vaters servierte die ganze Familie mir diesmal meine Geschenke auf einem entzückenden neuen Teewagen, direkt ans Bett, ich hab aber doch erst später am Frühstückstisch ausgepackt. Blumen, Blumen, selbstverständlich. Von Vater ein Schmuckstück, das ich hier nicht weiter erwähne und auch nur Eberhard als dem Ältesten gezeigt habe, von Eberhard selber süße Servietten mit Etui, von Manfred eine kleine niedliche Maus aus Holz, sehr niedlich, wenn ich auch mit dem Gedanken spiele, sie entweder schon in diesem Jahr oder im nächsten am 4. 8. an Erika weiterzuverschenken, ihr Geburtstag ist immer so prekär, mitten in der Ferienzeit, man hat einfach so wenig übrig dann. Mopi war weniger großzügig und hat sich mit einer Pralinenmarke begnügt, deren Preis ich kenne – aber immerhin, ich will nichts sagen und habe nichts gesagt, er ist unser kleiner Geizkragen und, offengestanden, Vater und ich lassen ihn dabei, warum nicht, vielleicht ist’s sogar mal er, der Großvaters Geschäft übernimmt, und wir haben nichts gegen Sparsamkeit, gewiß nicht. Und Gittilein, der weißblonde Schatz, hielt zwischen den zuckrigen Speckfingern eine Orchidee – natürlich von Vater gekauft, aber war das ein Bild, zum Malen! Ja. So viel über den Muttertag. Zusammenfassend: eine Mutter, ich sage das in aller Bescheidenheit, ist doch nun mal ganz was anderes als ein Vater, ich meine: mehr. Sie ist mehr, doch. Bei allem Respekt für Väter, bestimmt. Mutter sein heißt – na ja. Es ist schon wahr. Sie vermehrt ja auch die Familie. Sie schafft ihr den Besitz an Kindern.