Weihnachten ohne Parfüm - Gabriele Wohmann - E-Book

Weihnachten ohne Parfüm E-Book

Gabriele Wohmann

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Beschreibung

Das Fest der guten Absichten... „Weihnachten wird diesmal richtig schön“ – dieser gute Vorsatz trägt das Scheitern schon in sich. Alle wollen das Beste für sich und ihre Lieben, und gleichzeitig fürchten sie sich vor den Feiertagen und voraussehbaren Enttäuschungen und Katastrophen. Fast jeder möchte dem Besinnlichkeitsstress entkommen, aber niemand traut sich, es dem andern einzugestehen. So hält man tapfer den Vorfreudeschein aufrecht, obwohl man statt „Alle Jahre wieder“ lieber „Es geht alles vorüber“ singen würde. Und, o Wunder, am Ende wird trotzdem alles irgendwie gut, selbst wenn es schiefgeht.

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Informationen zum Buch

Das Fest der guten Absichten

»Weihnachten wird diesmal richtig schön« – dieser gute Vorsatz trägt das Scheitern schon in sich. Alle wollen das Beste für sich und ihre Lieben, und gleichzeitig fürchten sie sich vor den Feiertagen und voraussehbaren Enttäuschungen und Katastrophen. Fast jeder möchte dem Besinnlichkeitsstress entkommen, aber niemand traut sich, es dem andern einzugestehen. So hält man tapfer den Vorfreudeschein aufrecht, obwohl man statt »Alle Jahre wieder« lieber »Es geht alles vorüber« singen würde. Und, o Wunder, am Ende wird trotzdem alles irgendwie gut, selbst wenn es schiefgeht.

Gabriele Wohmann

Weihnachten ohne Parfüm

Erzählungen

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Weihnachten ohne Mr. Addams

Lauras Weihnachtseinladung

Weihnachten wird diesmal richtig schön

Das Weihnachts-Komplott

Weihnachten ohne Parfum

Alle Jahre wieder

Arthurchen schreibt seinen Wunschzettel

Sylvia kommt an Weihnachten

Mit Weihnachten ist es nicht getan

Als wäre es Weihnachten

Tochter Zion

Die Seifenschalenoper

Die Idee des Jahres

Es muss etwas schiefgehen

Drei Flinten, ein Hase

Über Gabriele Wohmann

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Weihnachten ohne Mr. Addams

Männer sterben früher. Oder hab ich das schon mal gesagt? Denk an Sissi Reitzmanns Ehe. Gertrud blickte mit nachdenklich-melancholischem Elefantenblick auf ihre zwölf Jahre jüngere Schwester, die, vom Dezembersturm zerrauft, aus dem Innenstädtchen zurückgekehrt war. Du siehst wie ein angerupfter Radicchio-Kopf aus.

Er hat mir in der Vorweihnachtszeit so besonders gut geholfen. Bertha klang, als bringe sie auf einem Amt ihre berechtigte Beschwerde vor, kämpfe um alte Rechte. Ja, und du hast es mir schon x-mal gesagt, und wem nützts?

Was gesagt?

Dass Männer früher sterben. Und ich an Sissi Reitzmann denken soll. Weißt du, mit seiner Griesgrämigkeit hat er meine Weihnachtswut gemildert. Er war ganz durcheinander von all dem Tumult

Vom Bratwurstduft.

Über Mr. Addams Tod (schon Ende Oktober) hatten die Schwestern nach wochenlanger schweigender Tabuisierung erst vor einiger Zeit mit gutdosierten Erinnerungsportionen zu reden angefangen. Was meinst du, fragte eine die andere, wenn wir im Freundeskreis als Thema drankommen, kriegen sie dann Mitleid? Ach was, egal, und aufs Ganze gesehen, verstehen sie uns.

Aber dass die zwei sich sogar ab und zu Vorwürfe machten, fanden alle unvernünftig: Und wie sie sich für den guten alten Mr. Addams abgerackert haben. Besonders Bertha brachte wahre Opfer, die liebe Gertrud konnte ja nicht mehr, zum Beispiel mitgehen zum Arzt. Vorwerfen könnten sie sich nur ihre Verstöße gegen seine Diät. Sie wussten, er musste abnehmen. Niemand, der nicht mitbekommen hatte, dass sie ihm immer Leckerbissen zusteckten. Trotzdem: Es war wie beim Tod eines nahen Angehörigen. Fazit: Man müsste sich was einfallen lassen. Einen Trost. Zuerst als Ersatz, doch aus dem Ersatz würde bald die ideale neue Füllung einer Lücke. Weihnachten stand vor der Tür. Nur bremsten Bedenken die Hilfsideen der Wohlmeinenden. Frau Beckstein brachte vor: Mit noch etwas Geduld werden die Ärmsten allmählich ein Freiheitsgefühl entwickeln. Beide sind alt, auch Bertha, obwohl es nicht so scheint, könnte sein, sie atmen doch eines Tages auf, nehmt nur Olga Mieder, sie liebte ihren Mann und regenerierte sich doch als Witwe, die Belastung war zu groß geworden. Frau Hamm hielt dagegen: Sogar an meiner alten Waschmaschine hing ich so herzlich, oder wie soll ich sagen, dass ich lange Zeit all die Scherereien mit ihr durchstand, zwar habe ich eine neue, aber es ist nicht dasselbe. Frau Schneider-Witt, schon aus Neugier, was draus würde, litt selten unter Skrupeln und hielt einen Nachfolger des guten alten schwierigen Mr. Addams für eine Versuch wert und beschloss, sich umzuhören: Einsame, die jemanden brauchen, gibt es wie Sand am Meer. Und Gertrud und Bertha sind Menschen, die gebraucht werden wollen, mitleidige Menschen, vielleicht wollen das alle, gebraucht werden. Psychologen sagen es, und die Arbeitslosen kriegen Depressionen. Die anderen schätzten Gertrud und Bertha als ungefährdet ein, was Depressionen anging, aber dass sie einen Mangel litten, sah ein Blinder.

Gertrud riss eine Packung Ingwernussplätzchen auf und sagte: Die hatte er nicht so gern. Er war ein Feinschmecker, stimmts?

Keine Ahnung. Bertha, noch vom Weihnachtsterror irritiert, war jetzt nicht in Stimmung für Erinnerungen an den Toten. Nicht stabil genug, und Gertrud hielt es gerade deshalb für nützlich, hörbar weiterzugrübeln: Andererseits, er hatte es auch gern, Weihnachten. Hier, mit uns beiden, er fands gemütlich, und er liebte unsere selbstgemachten Naschsachen, und das half uns sehr.

Kannst du mir verraten, Schätzchen, Bertha klang immer noch ruppig (die Nachwirkung ihrer kurzen, ausnahmsweise nachmittäglichen Besorgungstour): Ich meine, gibts eine Erklärung dafür, warum ich extra zum Mussmann sausen musste, weil du plötzlich die Zimtwaffelgier hattest, und du nun die Ingwernussplätzchen aufmachst?

He! Du unterschlägst, dass deine Augentropfen am Ende sind und du in die Apotheke wolltest, und deine Krimi-Gier unterschlägst du auch. Ich hätte mit unserem Stifter-Programm weitergemacht.

Bertha, die im Unterschied zu Gertrud noch sehr gut und schnell gehen konnte, etwas schief und mit eingezogenem Kopf wie jemand, der durch einen niedrigen Tunnel schlüpft und es rasch hinter sich bringen will (so bewegte sie sich auch durch das alte Haus, in früheren Jahren hatte sie auf Spaziergängen mit den an ihren Leinen zerrenden Hunden sich gutmütig den Wünschen der Tiere gebeugt), Bertha schnaufte, hörte sich aufsässig an: Er, wenn er eben mit mir in der Stadt gewesen wäre, er wäre wieder furchtbar unweihnachtlich widerspenstig geworden. Alles glitzert und blinkt, und die Musik klimpert und klingelt und säuselt, und eine Melodie übertönt die andere aus all den Buden und Kinderkarussells auf dem Weihnachtsmarkt, und er hasste es. Je älter er wurde, desto verbiesterter. Bertha lachte ein bisschen, hatte sich beruhigt.

Alte werden starrsinnig, sagte Gertrud. Der Tee ist fertig. Vielleicht sind wirs auch längst, vielleicht nicht starrsinnig, aber skurril. Er war so gern beim Tee dabei. Gertrud wusste, es war noch immer heikel mit Bertha, der schon wegen der gemeinsamen Ausgänge enger mit ihm Liierten, an Gefühlvolles zu appellieren. Lieber redeten sie beide über das Gute, das sein Tod mit sich gebracht hatte, ja, auch das Gute für Bertha und sie, und sie sprachen das jetzt sogar aus, eine Entlastung, was die zunehmende Beanspruchung durch krankenpflegerische Liebesdienste anging.

Sie addierten, was alles ihm erspart worden war. Wirkliches Siechtum. Schmerzen, gewiss musste es ihm da und dort wehgetan haben, aber er hatte sich nichts anmerken lassen, war bis kurz vor seinem Tod noch mit Bertha ausgegangen. Bertha sagte allerdings: Er kam ziemlich unwillig mit, mit den Beinen hatte er Probleme. Besonders rechts, bis rauf zum Hüftgelenk. Spätestens am Katasteramt wollte er umkehren. Tut mir nachträglich zu leid, dass ich ihn überredete und wir bis zum Friedhof schlichen.

Dort gefiels ihm doch aber, tröstete Gertrud ihre Schwester, die dann leicht ins Wimmern der Selbstanklagen verfiel: Ich war zu oft nicht nett genug zu ihm. Ich war zu selten geduldig, einfach sanft. Mit Genuss in ihre Zimtwaffel beißend und gleichzeitig die früh einsetzende Dämmerung, die ihre kleine warme Welt umschloss, fühlend, schaute sie in den grau-milden Nachmittag; eine Miniatur von Licht waren die kurzen vorweihnachtlichen Tage. Sie seufzte und fühlte sich wohl.

Ihre Schwester hatte offenbar die gleichen Empfindungen: Das Wetter hat was Mitleidiges, sagte sie, es ist melancholisch, es passt, und mir geht »Fremd bin ich eingezogen« schon seit dem Aufstehen im Kopf rum.

Und mir ein Gemisch aus »Kling, Glöckchen« und »Stille Nacht«: Bertha erinnerte an ihr Einkaufsopfer. Doch wunderte sie sich über ihr Glücksgefühl an diesem derart schlecht beleuchteten Tag, denn eigentlich war sie eine Sommerfreundin, Hitzewellen ausgenommen, eine Liebhaberin von Kumuluswölkchen am blauen Himmel und Teetrinken im Garten und, wie Gertrud auch, solang sie das noch konnte (und sie hielt bucklig gekrümmt das Martyrium aus, bis definitiv ihre Knochen nicht mehr mitmachten), eine passionierte Gärtnerin. Ihren Garten, nicht besonders groß, erweiterten sie mit dem Trompe-l’œil-Trick kreuz und quer verlaufender, scheinbar planlos durcheinandergedeihender Blumenzeilen (viele Sorten, etwas blühte immer zwischen Frühjahr und Spätherbst), Sträucher, Bäume, und eine Zeder tröstete dunkelgrün im kahlen Winter, den die Oleanderkübel im Keller verbrachten. Mr. Addams hatte (ohne Kommentar: kein Kompliment, nichts) den Garten geliebt. Oder ging es ihm, gleichgültig, in welcher Szenerie, nur um ihre Gesellschaft? Mahlzeiten, schließlich zur Diät heruntergekommen, Spaziergänge, er hatte das immer weniger gerngehabt, aber man konnte nicht herausfinden, ob er des Lebens selber leid geworden war, der Welt überdrüssig. Und was uns selber betrifft, fragten sich die Schwestern, wie denken wir, auch zwei Alte, darüber? Die Welt ist geschrumpft, der Lebensrest wird kürzer, aber wir haben es gern, wir hängen daran.

Was meinst du, sind wir zu alt? Zu alt für was? Wir sind zu alt, das sowieso. Aber ich dachte jetzt spezieller. An Weihnachten und an eine Neuauflage von Mr. Addams. Und ob wir dafür zu alt sind. Es gab Tage, an denen die zwei kummerfrei und fern finster auflebender Verlustschmerzen von ihm reden konnten. Es dürfte nicht schwierig sein, sich nochmals ein Herz zu erobern, einsame Alte gibts ja leider genug.

Nur, Alte sind dann doch wieder problematisch. Er könnte auch jünger sein. Oder sie. Eine Sie? Nein, ein Mann tut hier gut. Mir machte es Spaß, wenn er mir in der Küche Gesellschaft leistete, sagte Gertrud. Er verstand so gar nichts vom Kochen. Er verströmte Vertrauen und hatte immer Appetit, in seinen guten Zeiten. Vieles spricht für Alte. Mr. Addams hat in seinen jüngeren Jahren unsere Besucher mit seinem Misstrauen erschreckt, wer auch immer ins Haus kam, Mr. Addams mochte ihn nicht. Er war verdammt unfreundlich. Total unsere Partei, so wie eben er das sah. Bertha gestand, ohne ihn als Zuhörer müsse sie sich zum täglichen Klavierspiel einen Ruck geben: Der gute Kerl, wie viel Fehlermachen er hinnahm. Und wenn ich jetzt solo rausgehe, komme ich mir halbiert vor. Und auch richtig doof. So sitzengelassen. Alte-Jungfer-mäßig. Ich werde geh- und klavierfaul. Ich werde zu dick ohne ihn. Es wäre gut, wenn jemand da wäre, mit dem wir uns das Weihnachtsgebäck teilen müssten. Wir sind es längst, und das war Mr. Addams ebenfalls, sagte Bertha. Er wars auf andere Weise. Das glich sich aus. Wer weiß, wie ein Neuer wäre. Irgendwas fehlt diesem Tee, den Waffeln auch. Was hältst du von Rum? Viel hielt Gertrud davon, obwohl sie fand, Whisky passe besser: Gleich würde Bertha Dorothy Sayers vorlesen, schön altmodisch. Sie fühlten sich inspiriert. In das sanft mitleidige Wetter war Bewegung geraten, Sturm mit Regen, und jetzt tat es mal wieder ganz gut, ohne jede Verpflichtung im warmen Erker zu sitzen, nicht mehr vor die Tür zu müssen: Mr. Addams oder ein Neuer, sie hätten aber Bewegung gebraucht.

Pünktlich für Kontakt! Kontakt! saßen sie um 20 Uhr 15 mit den Dessertnäpfchen auf ihren Zuschauerplätzen, und wieder mal waren ein paar Angebote attraktiv, vor allem ein sogenannter Kurti, aber was sollten sie mit einem neuen Hausfreund, der über alles gern Auto fuhr? Sie hatten nie ein Auto besessen. Er gefiel ihnen, und dass er gern schmuste, regte sie ein bisschen auf, und an, sagte Gertrud. Kinder waren für ihn ein Problem, das bei Gertrud und Bertha entfiele.

In seinem Fall engagierte sich die Moderatorin am gefühlvollsten (er war der Älteste in der heutigen Runde), vorweihnachtlicher ging es nicht (die Moderatorin erwähnte das Wohlgefallen aller Menschen, was eine Spur daneben war), und wünschte ihm Erfolg, damit Kurti doch noch zu ein wenig Glück in seinen letzten Lebensjahren käme, und Kurti sandte einen flehentlichen Blick an seine Betrachter ab. (Auch die Freundinnen hatten Kontakt! Kontakt! eingeschaltet und gedachten speziell bei Kurti der Schwestern: Er schien der passende Genosse. Noch war er sogar bis auf die üblichen Altersbeschwerden gesund.)

Zwei Tage später schneite es, wässrige Flocken taumelten aus tief gerutschter Bewölkung, als wären sie ihrer Sache noch nicht ganz sicher, aber am Boden tauten sie nicht. In der Mittagszeit schaute Frau Schnabel herein, Bertha zum gewohnten Schauplatz Küche folgend, wo Gertrud von einem Kopf Eissalat lange Blätter abzog. Frau Schnabel brachte den Schwestern interessante Kuchenreste von der Geburtstagsgesellschaft ihrer Nichte mit. Der Warenaustausch im Freundeskreis war ganz selbstverständlich, jede Lieferung stets willkommen. Frau Schnabel setzte sich, auf der obersten Stufe der Zwei-Stufenleiter Tripp Trapp, zu den beiden an den Küchentisch, und Bertha brütete vor einer Schüssel, umsäumt von Zutaten, über einem Rezeptbuch. Sie erklärte: Durch unsere Lektüre kriegten wir plötzlich furchtbar große Lust auf Plumpudding.

Vor hundert Jahren hab ich Plumpudding gekonnt, sagte Gertrud. In meiner englischen Zeit, wissen Sie?

Plumpudding soll sehr nahrhaft sein, sagte Frau Schnabel, bevor sie etwas Klatsch ablieferte, nichts Aufsehenerregendes dabei. Aber dann hob sie die Stimme: Ihr kennt doch Harry. Richtig junger Spund, und sehr gut aussehen tut er auch noch.

Uns gefiel gestern Kurti, sagte Gertrud. In Kontakt! Kontakt! Haben Sie es gesehen? Und den Kurti?

Habe ich. Nun, Kurti ist ziemlich alt, Sie wissen, was das heißt. Bald sitzt man mehr in Arztwartezimmern als sonst was. Wie auch immer, Harry kann wegen Isis Rückenproblemen nicht mehr bei ihr bleiben. Er ist einfach zur Belastung geworden, und sie möchte möglichst schon über Weihnachten, dass er anderswo auf seine Kosten kommt.

Die Schwestern begriffen sofort. Als Gertrud auf Berthas Gesicht die glücklich-ahnungsvolle Mixtur aus Erinnern und Zukunftsvision erkannte, warnte sie: Gegen Junge ist im Prinzip nichts zu sagen, aber aus dem Blickwinkel von uns Alten betrachtet, sind sie ziemlich anstrengend.

Man soll sich fordern, sagte Bertha.

Außerdem, sagte Gertrud und blickte elefantenäugig ernst auf ihre kleine alte eifrige Schwester, aus Treue zu unseren Eltern plus Kindheit und so weiter wollten wir dieses Jahr ein Bäumchen und Kerzen, all das, Mr. Addams war ziemlich allergisch, was Weihnachten betrifft, wir zwei sinds ja zwar auch, doch irgendwas hat gefehlt, wenn wir seinetwegen sämtliche Rituale sausenließen.

»Es ist ein Ros entsprungen« hatte er gern, sagte Bertha.

Er war sicher ein Atheist, und wahrscheinlich sind sie das alle, Harry auch, sagte Gertrud. Wie Sie meinen, Frau Schnabel klang beleidigt, aber jeder kanns wittern (sie schnupperte), dass Sie alle beide Gesellschaft brauchen, jetzt, wo der arme Mr. Addams fehlt.

Sie hat Recht, gibs doch zu, drängte Bertha, und Gertrud gab es zu.

Sie hat doch nicht Recht, behauptete Gertrud beim Nachmittagstee. Ihr Lamento, und so wie Frau Schnabel denken sicher alle über uns, es macht uns zu zwei alten Witwen. Es hat wie eine Lehre auf mich gewirkt. Wie Entziehung. Wie eine kalte Dusche. Bertha fielen noch garstigere Reaktionen ein, Gertrud auch. Kein Kurti, erst recht kein Harry. Es wird besser für uns sein, wenn wir uns nur noch um uns kümmern. Es hat ja schon mit dem Freiheitsgefühl angefangen. Und den lieben Mr. Addams wollen wir uns nicht ersetzen lassen, ginge auch überhaupt nicht.

Bertha las fast bis zur Entlarvung des bisher kaum wirklich verdächtigen Mörders Dorothy Sayers, kurz vorm Schluss pausierte sie, sah beim Blick übers Buch auf ihre krumme Schwester wie ein Kind aus, das schulfrei hat, und sagte: Genau jetzt müsste ich mit Mr. Addams rausgehen, und es wäre ziemlich glatt, puh. Schneit auch wieder. Ah, wie gut.

Und morgen schmücken wir unser Bäumchen, sagte Gertrud. Sie würden hübsche Postkarten und andere Firlefanzandenken dranhängen.

Gegen fünf am 24.12. waren Gertrud und Bertha, beide zu lang auf ihren Mittagsschlaflagern hängengeblieben, noch verstrubbelt, als es an der Haustür klingelte. Sie streckten ihre Wuschelköpfe in geduckter Haltung vor, spähten; die Tür, halb geöffnet, wurde von einem Grüppchen Freundinnen ganz aufgerissen, ein fröstelnder Hund zerrte zurück, die Schwestern sahen nur seinen spitzen kleinen Kopf mit einem braunen Flecken im weißen Fell, links unterm Auge; es wirkte, als hätte ihn an dieser Stelle jemand verprügelt.

Fröhliche Weihnachten!, schmetterte der kleine Chor, der Hund kläffte im Sopran. Die Schwestern hätten ihn gern richtig betrachtet, aber ohne Absprache verweigerten sie ihm und den Freundinnen den Zutritt, sagten etwas streng: Danke. Danke gleichfalls, und sie wären noch zu verschlafen, um Besuch zu empfangen.

Er meint auch Fröhliche Weihnachten, sagte Olga Mieder. Er ist unser Weihnachtsgeschenk, sagte Frau Schneider-Witt. Er hat ganz wie Ihr verflossener Mr. Addams Arthrose. Und ein paar Magenprobleme. Kurti war nicht mehr zu haben, er ging von uns. Na ja, aber Hund ist Hund, stimmts?

Wau, wau, machte Gertrud.

Stimmt, sagte Bertha.

Lauras Weihnachtseinladung

»… und stell Dir vor, aber krieg bloß keine Skrupel, Du Armes, Einsames, plötzlich verwitwet und das zu Weihnachten … aber ich schweife ab: aus lauter Sorgenkummer. Also stell Dir vor: Wenn Du über Weihnachten unser Gast wärst, würde mein guter Gustav sogar darauf verzichten, wie sonst immer und wie in seiner Kindheit in der Weihnachtszeit seine Eisenbahn aufzubauen. Sie führt am Boden durch zwei Zimmer und die Diele mit dem großen Bahnhof. Eine echte alte kostbare Spur Null, falls Du was davon verstehst. Dein lieber Edwin wüsste sofort, von welcher Rarität ich da rede, und er wäre begeistert. Jetzt, wo es zu spät ist, fällt es mir wie eine Schuld ein, dass wir zu Weihnachten immer bei Euch waren und nie Euch zwei zu uns und dieser alten Eisenbahn eingeladen haben. Stattdessen haben wir uns von Euch und deinen genialen Kochkunsteinfällen verwöhnen lassen.

Versäumnisse, wohin man blickt, und sie machen mir zu schaffen. Ich stelle mir zu meiner Tröstung vor, dass Dein Edwin jetzt im wunderbaren Himmelreich mit meinem ältesten Bruder, der auch zu früh gestorben ist, sich angefreundet hat und mit ihm Eisenbahn spielt oder was sonst immer Vergnügliches macht. Ich rate Dir dringend zu ebensolchen kindlichen Imaginationen, sie sind sehr schmerzlindernd und helfen gegen elendigliche Ödnis der Hinterbliebenen.

Aber zurück zur Eisenbahn, auf die in diesem Jahr Gustav verzichten würde, Dir zuliebe, wenn Du unsere Einladung annimmst und Weihnachten, dieses schwierige Fest, mit uns verbringst, als Hausgast alle drei Feiertage lang. Vielleicht war es ja ein Fehler, jedoch sagte ich Gustav: Spielen passt nicht gut zu einem Witwenbesuch, zu Trauer und so weiter. Aber er redete mir gleich rein, behauptete, mit Besuch im Haus hätte er sowieso keine Lust auf die Eisenbahn. Das war natürlich eine Trotzreaktion, nimm es ihm nicht übel, Du weißt ja: Männer! Männer und Gefühle. Gustav hat etwas gegen alles Hochgeschraubte, doch erkenne das an: Verzicht bleibt Verzicht. Oder etwa nicht?

Stichwort Gefühle: Du müsstest Dich ein bisschen wappnen, ich meine: nicht gekränkt sein von einer gewissen Einsilbigkeit meines guten Gustav, den alles im Zusammenhang mit Trauer und erst recht mit Trauer durch den Tod innerlich verfrostet. Er hat keine Sprache dafür, er bemüht sich gar nicht erst um den richtigen Umgang, er ist blockiert, ich hoffe, Du verstehst, was ich da andeute.«

Es wurde dämmrig an diesem Nachmittag Mitte Dezember, und als es dann auch noch zu regnen anfing und als der Regen dicklich wurde und nach Schnee aussah und der dichte dunkelgrüne Kirschlorbeer jenseits des Souterrainfensters in der Dämmerung seine Konturen verlor, da verlor Laura ihre Schreiblust, und sie brauchte eine Gustav-Pause und Kaffee. Gustav hielt sich aus dieser etwas problematischen Einladungsangelegenheit heraus. Es war Lauras Idee, seine grundsätzliche Zustimmung hatte er gegeben, aber lustlos, und für Laura sah es so aus, als enttäusche die von ihm hochgeschätzte Weihnachtszeit ihn im Voraus.

Gewiss doch, auch er hatte Lily, die frischverwitwete langjährige Freundin, sehr gern, hübsch anzusehen war sie außerdem, und er verdankte ihr viele Gaumenfreuden. Und leid tat sie ihm auch, sogar den toten Edwin bemitleidete er, und wenn hundertmal Laura, vor allem beim Telefonieren mit Lily, die meistens weinte, beteuerte: Edwin geht es jetzt gut. Es hat mit dir nichts zu tun, sei nicht beleidigt, aber es geht ihm jetzt so gut wie nie zuvor auf Erden. Es geht ihm unvorstellbar viel besser als uns, als allen Lebendigen.

Mit solchen Beschwörungen war Lily, ohnehin eine Liebhaberin alles Übersinnlichen, vorübergehend zu trösten, Gustav aber nicht zu überzeugen. Zu seiner Entlastung hatte er von jeher den gesamten Themenkomplex Religiosität an Laura und ihre himmlischen Phantasien delegiert und davon profitiert. Ein ungewisses, aber gleichmäßiges und vertrauenerweckendes Geborgenheitsgefühl stand ihm dank Lauras Glauben beim Bedenken seiner restlichen Lebenszeit bei. Schließlich war er sogar ein Jahr älter als Freund Edwin.

Den Kaffee müsste ich dann immer für drei machen. Laura hatte sich zwischen zwei Seufzern vernehmen lassen.

Keine Tragödie, sagte Gustav, der seine Lektüre des heutigen Leitartikels nicht unterbrach.

Kaffee für drei, das bringt mit sich, dass ich die große Espressomaschine brauchte. Laura seufzte wieder.

Es entstand eine kleine Pause, während der Gustav zu seiner Lieblingslektüre vordrang. Er las sich ein bisschen ein, dann aber, um Laura nicht im Stich zu lassen, sagte er: Na und? Dann nimm doch die große. Er wollte seinen Artikel in dem Wirtschaftsteil Geld& mehr in Ruhe lesen! Aber nochmals Laura zuliebe raffte er sich zu einem Resümee auf: Hör zu, Schatz, hör gut zu. Erstens ist diese Lily-Weihnachtseinladung deine Helfersyndrom- und Kitschidee, allein deine, keinesfalls meine. Gutmütig, wie ich bin, habe ich eingewilligt. Zweitens wissen wir beide, dass Lily stören wird. Sie wird ganz ungeheuerlich stören, und wir wissen es beide. Sie stört ja jetzt schon, und zwar durch dich und dein ewiges Antizipieren. Dadurch, dass du unentwegt voraussiehst, dass sie stört. Vermutlich dich noch viel mehr als mich. Fazit: Furchtbar einfach, da wieder rauszukommen. Furchtbar einfach, wir laden sie gar nicht ein. Das kränkt sie nicht, weil sie ja überhaupt nichts von ihrem Glück ahnt. Sie rechnet mit nichts. Alles klar?

Furchtbar einfach, furchtbar einfach! So klingt es bloß, und wahrscheinlich ist es für dich so einfach. Du hast nicht mit meinem Gewissen gerechnet! Was ist mit meinem Gewissen?

Laura merkte, dass sie den Anblick des dicklichen Regens vergeudete, und außerdem schien Gustav, ermüdet von dem Hin und Her, den Fall für erledigt zu halten, zumindest für heute. Er wollte seinen Artikel, denn es war seiner, er entstammte seiner Feder, von nun an unbehelligt weiterlesen. Die Beiträge, die er selbst geschrieben hatte, interessierten ihn immer am meisten. Zu seinem eigenen Glück schwächte sich dieser Stolz auf seine Machwerke, wenn er sie gedruckt sah, nicht ab. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, dass er zählte, auch er, dass er dazugehörte. Er schrieb als freier Mitarbeiter für eine Sonntagszeitung, und folglich war er beinah jeden Sonntag zumindest partiell glücklich und immer noch und immer wieder verwundert.

Laura musste strategisch vorgehen. Über ein Thema, das auch ihn anging, würde sie zum Weihnachtsdilemma vorstoßen. Was war mit dem Kirschlorbeer? In seinem tiefgrünen Dickicht, drei Mann hoch, beunruhigten sie seit dem dürren Sommer immer mehr braungelb verfärbte Blätter. Wenn der vierstämmige Kirschlorbeer krank wäre, verlören sie ihre wundervolle laubreiche Abriegelung gegen die Schumannstraße.

Ich musste vorhin wieder an den Kirschlorbeer denken, sagte Laura. Was hältst du von einem Fachmann? Ich meine, dass wir einen hinzuziehen, und der sagt uns dann, was los ist?

Kein Druckfehler drin diesmal. Gustav klang befriedigt. Er ließ die Zeitung sinken, schnitt sich einen Prince-Charles-Ginger-Cake aus der Plastikhülle, und bevor er abbiss, hielt er sich ein Tellerchen unters Kinn, denn die Cakes waren buttrig-mürbe und krümelten daher. Er lobte Laura: Gut, dass du wieder auf dem Boden bist. Auch der Kirschlorbeer wird sich erholen. Warten wirs ab.

Laura empfand das Behagen dieser Augenblicke, aber wieder entlockte es ihr ein Seufzen, diesmal ein schmerzlich-wohliges, und sie sagte: Wie gemütlich, falls das Schnee wird, wäre es ohne sie. Ohne Lily. Ohne jeden. Gustav, wir sind Einzelgänger geworden, mehr und mehr mit den Jahren. Ist das nicht riskant? Müssten wir nicht dagegen angehen? Schau nur, diesmal ist es Schnee!

Bis Weihnachten gibt es noch x Wetterwechsel, sagte Gustav. Und wir müssen gegen gar nichts angehen.

Vor lauter Unlust, den Brief an Lily fortzusetzen, entschied Laura sich schon gegen sechs Uhr für die Küche. Es gäbe ein annähernd richtiges Abendessen, das sie trotzdem, ausgeteilt in zwei antike Bowlchen, vor dem Fernsehapparat genießen könnten. Bei dieser Planung fiel Laura wieder Lily als Hausgast ein. Sie müssten am Esstisch sitzen, aber um was zu essen? Etwas, was nicht annähernd richtig war. In Gustavs Gesellschaft zu seufzen war ergiebiger, und deshalb seufzte Laura jetzt nicht. Die Küchenarbeit lenkte sie ab. Sie öffnete zwei Konservendosen, was ausnahmsweise ohne Gustavs Hilfe gelang, Kidney-Bohnen, Thunfisch, vermischte sie in einer Schüssel und würzte sie mit einer Tomate, einer Paprikahälfte und einigermaßen feingeschnittenen Zwiebeln, mit ein wenig Balsamico-Essig, Olivenöl, etwas Maggi, Pfeffer, Salz. Die hausfrauliche Laura überraschte Gustav, als er ihr einen Kurzbesuch abstattete, um sein Sechs-Uhr-dreißig-Bier zu holen. Erstaunlich war auch, nach sechs Laura noch in ihrer Tagesbekleidung anzutreffen: Üblich war um diese abendliche Zeit ihr Auftritt im Bademantel. Als Gustav sie darauf aufmerksam machte, klagte sie: Auch das werde ich mit Lily abends nicht beibehalten können! Gustav, ich fürchte außerdem, ich tue es nicht spontan genug, wenn ichs tue, sie einladen. Gute Werke übrigens sind Gott egal. Gott verteilt keine Zensuren. Allein der Glaube zählt.

Pass lieber auf mit dem Salz, sagte Gustav.

Weißt du, was ich über mich herausgefunden habe? Laura verteilte ihre Kreation gerecht in die zwei Bowlchen. Ich habe herausgefunden, dass ich selbstlos bin. Und zwar verblüffenderweise, weil ich neidisch bin. Du hörst das nicht zum ersten Mal, aber wirklich, Neid nagt an mir, vorübergehend. Lily zum Beispiel hat doppelt so viele Haare auf dem Kopf wie ich, und sie glänzen sogar. Na egal, kurzum, ich bin immer mal wieder auf dies und jenes neidisch und deshalb selbstlos. Ich verstehe es auch nicht, aber es ist aus einem Artikel in den Gesellschaftswissenschaften.

Das Bier nützte Gustav gegen Ungeduld, aber nach ein paar schwer zu interpretierenden Heiterkeitsgeräuschen zog er vorsichtshalber ab, und Laura vergaß etwas später bei Flutkatastrophen und erst recht bei »Wer wird Millionär«, Doppelfolge, ihr Lily-Problem.

Weil sie aber anerkannterweise selbstlos war und beeinflusst von einem Telefonat mit Lily, die wieder meistens geweint hatte, schrieb sie am Nachmittag des nächsten Tags weiter am Einladungsbrief, und kein Regen wurde dicklich, die Sonne schien belanglos.

»Die braungelben Blätter im dunkelgrünen Dickicht unseres hochgewachsenen Kirschlorbeers beunruhigen uns, und denke nicht, was hat das mit mir und meiner Trauer zu tun, denn beim Hinausschauen auf unsere Pflanzenabsperrung gegen die Schumannstraße fiel mir vorhin seltsamerweise des lieben Edwins jährlicher Balkon-Christbaum ein: Wie stolz er doch immer auf ihn war! Einen Christbaum müsstest Du bei uns vermissen, wir stellen immer nur so ein drolliges Glitzergesteck aus unserer Romzeit auf, Jahrzehnte her. Dafür aber, und das ist wichtiger, dominiert unser Weihnachtsarrangement auf der Schreibplatte des Barockschranks, eine Original-Krippe, und auf die allein kommt es an.

Ich fing diesen Brief mit der Eisenbahn und Gustavs Verzicht auf sie an, aber ich übrigens, mein Liebes, ich verzichte auch, und zwar verzichte ich auf mich selber. Ich verzichte auf mich beim Anschauen des Schneegestöbers, für den Fall, dass es schneit, also beruhige Dich, mach Dir nichts draus, wir haben hier ja selten Schnee an Weihnachten. Ich fürchte, ich bin ein schwieriger Mensch, zusammen mit andern nie vollkommen ich selber, immer Schauspielerin, anderen zuliebe, damit ich ihnen als schwierig gar nicht erst auffalle. Solltest Du bei uns sein, und vergiss nicht, Du bist nach wie vor aufs Herzlichste eingeladen!, so verzichte ich auf meine Rolle, die ich im Zusammenleben mit Gustav spiele, und die ist oft ein bisschen babyhaft, vor allem bei Schnee und Weihnachtsliedern aus dem Kirchengesangbuch. Nun gut, ich werde eine neue Rolle spielen, mich selbst spielen im Dreiergespann Gustav, Lily, Laura, und das alles in diesem besonders prekären Syndrom Weihnachten plus Edwin im Himmelreich. Letzteres sollte uns ja alle überglücklich machen, und doch, er wird, indem er nicht da ist, dauernd da sein.

Außerdem sollten wir uns vor der Trauer nicht drücken, trotz aller Hoffnungen, die wir uns für unsere geliebten Toten machen. Das wird ein ständig störender Widerspruch zu Weihnachten sein, diesem fröhlichen und ermutigenden Fest, stimmts, Du Armes? Weil ich mich gerade mit Gottfried Keller beschäftigt habe: Er entschied sich für eine strenge Trauer, er hat sein Unglück als gerecht empfunden. Im Alter schrieb er an einen Freund: ›… aber wer wollte am Ende ohne diese stille Grundtrauer leben, ohne die es keine rechte Freude gibt?‹ Bist Du schon so weit, dass Du dem zustimmen kannst?

Wirklich, ich möchte Dir eine einsame Weihnachtszeit ersparen, Dich ablenken, verwöhnen (könnte ich nur kochen!), falls so etwas wie Ablenkung überhaupt denkbar ist. Mich könnte, im umgekehrten Fall, also mit Gustav als dem Gestorbenen, nichts und niemand ablenken. Lass Dich davon nicht beeinflussen, die Menschen sind verschieden. Übrigens wäre Dein Besuch ein permanentes Memento mori. Kann mir ja nicht schaden, ich lebe überhaupt zu oberflächlich, fahrlässige und schlampige Gebete, nichts, dessen ich mich rühmen könnte. Selbstverständlich würde Deine Anwesenheit mich immer daran gemahnen, was mir eines Tages bevorsteht, an mein Verlustelend wäre ich immerzu erinnert. Sowieso treibt mich mindestens dreimal pro Tag die Frage um: Wer stirbt zuerst? Nebenbei: Ich an Deiner Stelle bliebe lieber allein in meiner Behausung.

Meine liebe kleine neue Witwe, ich habe eingefleischte Rituale und feste Gewohnheiten bei mir bemerkt, jetzt, beim Bedenken Deines Aufenthalts bei uns (Du bist trotz