Wanda Lords Gespenster / Rendezvous - Gabriele Wohmann - E-Book

Wanda Lords Gespenster / Rendezvous E-Book

Gabriele Wohmann

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Beschreibung

Eine Schriftstellerin und ihr Mann machen kuriose Erfahrungen mit einer Fernsehinterviewerin; ein scheinbar unerfreuliches Kind sorgt gerade dadurch für die Moral: Voll subtiler Beobachtungen und von treffsicherem Spott wie ihre Romane und Erzählungen sind auch die Hörspiele und Drehbücher Gabriele Wohmanns.

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Seitenzahl: 170

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Gabriele Wohmann

Wanda Lords Gespenster / Rendezvous

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Über dieses Buch

Eine Schriftstellerin und ihr Mann machen kuriose Erfahrungen mit einer Fernsehinterviewerin; ein scheinbar unerfreuliches Kind sorgt gerade dadurch für die Moral: Voll subtiler Beobachtungen und von treffsicherem Spott wie ihre Romane und Erzählungen sind auch die Hörspiele und Drehbücher Gabriele Wohmanns.

Über Gabriele Wohmann

Gabriele Wohmann, geboren am 21. Mai 1932 in Darmstadt als Tochter eines Pfarrers, studierte Philologie und arbeitete als Lehrerin in einem Internat. Sie veröffentlichte zunächst unter ihrem Mädchennamen Gabriele Guyot den Erzählungsband «Mit einem Messer» (1958). Es folgten Gedichtbände, zahlreiche Romane und Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele. Gabriele Wohmann erhielt mehrere Preise und Stipendien. Sie starb am 22. Juni 2015 in Darmstadt.

Inhaltsübersicht

Wanda Lords GespensterDas Rendezvous

Wanda Lords Gespenster

Hörspiel

WANDA:

Und unpünktlich ist sie auch.

Seufzt; dann eifrig, halb rufend:

Da, sieh mal, die gute Lizzy Bayer, sie hat doch tatsächlich schon wieder was an ihrem Auto rumzuwischen und zu reiben. Du, Hermann, kommst du nicht rauf zu mir, komm ans Fenster, und sieh dir das an.

HERMANN, seine Stimme kommt aus einer tiefergelegenen Etage, eine Treppe unter Wanda, die auf der Galerie steht:

Geduld, Geduld, ich hab hier unten noch so einiges zu richten.

WANDA:

Dir entgeht was, wirklich. Scheint so, als wären das schon wieder neue Stiefel.

HERMANN:

Dieses ewige Wachestehen am Ausguck, wenn Leute kommen. Macht nur nervös. Gibs besser auf. Lenk dich ab und hilf mir, ein paar Sachen aus dem Weg zu schaffen.

WANDA:

Beim Bücken sieht sie eher etwas zu stattlich aus.

HERMANN:

Hm?

WANDA:

Die gute Lizzy, wenn sie sich bückt, sie geht ein wenig kastenförmig aus sich heraus. In die Breite. Ahh – diese Frauen! Diese Emsigkeiten dauernd. Was bosselt sie da nur ständig rum.

HERMANN:

Du bist doch meiner Meinung, was die Sachen betrifft.

WANDA:

Na ja, zu leergefegt sollte es auch wieder nicht aussehen.

HERMANN:

Für mich steht fest: die besseren Sachen müssen weg. Ehe nachher womöglich wieder was passiert.

WANDA:

Heut wird doch noch nicht gedreht. Das kannst du dir heut noch schenken. Höchstens bringt sie den Kameramann mit.

Vorgespräch! Stoßseufzer. Es widert mich an, wahrhaftig.

HERMANN:

Du hast es eben leider immer noch nicht gelernt, Leute abzuwimmeln. Im – mer noch nicht.

WANDA:

Da steht und steht man rum und wartet – und ALTERT – du, Hermann, wär das nicht was zum Thema Passendes, so in der Art von ICH BIN GEALTERT, WÄHREND ICH AUF DIE INTERVIEWERIN WARTETE …?

HERMANN:

Ich finde es weder witzig noch sonstwie zwingend.

WANDA:

Räumst du jetzt eigentlich trotzdem unten Sachen weg oder wie oder was? Komm doch rauf. Lizzy Bayers Geschäftigkeit ist immerhin etwas.

HERMANN:

Ja, ganz richtig, ich räum trotzdem so einiges weg. Denn falls sie den Kameramann mitbringt, ich meine, dem fällt dann prompt morgen auf, daß was fehlt. Heut entrückts ihn, morgen fehlts. Nimm nur beispielsweise das Glashuhn, wenn wir das hier stehen lassen, und den Norderney-Teller, nimm den dazu, dann jammert der Bursche mit dem Ästhetik-Tick morgen danach, du weißt schon, diese Kameraleute haben den Blick fürs Dekorative.

WANDA:

Eigentlich kränkend, das Ganze.

HERMANN:

Was meinst du, soll ich das grüne Feuerzeug in Sicherheit bringen? Ja, besser ja.

WANDA:

Findest du nicht: eigentlich kränkend, daß man jetzt jemand ist, der auf der Liste steht für Features übers Altwerden.

HERMANN:

Wenn du mit dieser Einstellung behaftet bist, dann frag ich mich, ob es gut war, überhaupt zuzusagen. Mach keinen Quatsch.

WANDA:

Ich bin in einem Alter, das in kleinen blöden Fernsehshow-Sketches für Frauen eine Peinlichkeit ist. Stimmts?

HERMANN:

Außerdem geht es um Emanzipationszeug, hauptsächlich.

WANDA:

Ich denke an diese Spielchen mit den Chefs neulich im DREIMAL DARFST DU RATEN. Erinnerst du dich, die Kandidatinnen mußten die Frage der Chefs nach ihrem Alter beantworten. Sie waren 44 und die andere 45, und alle hat die Frage sehr geniert, sehr.

HERMANN:

Das war der Einfühlungstest oder wie das heißt, irgendwelche Angehörigen mußten mutmaßen, wie die Kandidatinnen reagieren würden, raten, ob sie ihr wahres Alter sagen oder wegmogeln würden, meinst du das?

WANDA:

Ja, und bei der einen hat der Sohn gesagt, seine Mutter würde nicht ihr wahres Alter preisgeben, bei der andern war es die Tochter, egal, ich meine, es kommt mir nur drauf an, daß 45 bereits für ein Alter gehalten wird, von der Redaktion und genauso von den Quizkandidaten, für ein ziemlich schlimmes Alter … 45, das wird für ein Alter gehalten, um das herum man solch einen Unsinn von Verlegenheiten und Diskretionen und so weiter veranstalten kann … MUSS …

HERMANN:

Na großartig. Die Reporterin wird sich ja freuen, liebe Wanda! Du bist ja heute reichlich feministisch.

WANDA:

Überhaupt nicht. Wieso. Gar nicht.

HERMANN:

Doch, denn es geht dir drum, daß man nur um Frauen und deren 45 Lebensjahre so einen faulen miesen Zauber macht. Bei Männern käme keiner auf die Idee.

WANDA:

Ich glaube fast, sie bringt noch mal wieder den Latz an die Lizzy, du, vor dem Motor, vor dem Kühlergrill. Heißt es so? Die gute treusorgende Lizzy. Du solltest dir das ansehen.

HERMANN:

Das letzte Mal, als das Fernsehen im Haus war, ging da nicht dein heißgeliebtes Wiener Senfschüsselchen drauf? Falls du dich erinnerst. Im übrigen gebe ich zu bedenken, ob man den Backensessel wegschaffen und statt dessen den Korbstuhl hinstellen sollte.

WANDA, der Dialog zwischen den beiden ist eingeübt gutmütig freundlich, ohne jede Schärfe:

Meinst du, daß sie sehr schwer ist? Die Medienfrau? Ihr Körpergewicht?

HERMANN:

Ob sie schwer ist oder nicht, sie wird sich rumrekeln, so oder so. Die Leute können ja nicht stillsitzen.

WANDA:

Ja, du hast wahrscheinlich recht. Außerdem steht nicht fest, ob der Kameramann mitkommt oder wegbleibt, und der wird sich bestimmt nicht einem antiken Möbelstück unterordnen können. Du, das ist übrigens schon richtig, in bezug auf meine Einstellung zu Frauen, ich meine, sie ist immer dann positiver als die zu Männern, sobald es um Fragen des Benehmens geht.

HERMANN:

Klar. Was ich immer sage.

WANDA:

Du – du bist sowieso kein Männerfreund. Du Feminist.

HERMANN:

Weder noch.

WANDA:

Komischerweise, also ich meine jetzt überhaupt nicht VERBAL, ich meine, in bezug auf Gerede, da finde ich Frauen schlimmer, in bezug auf – gedehnt, verächtlich – KOMMUNIKATION – aber wie sie sitzen, Frauen, in einem guten alten Sessel, oder Kuchen essen, ohne die ganze Umwelt zu verkrümeln und zu verfetten und so weiter, darin sind sie besser, Frauen. Das schon.

HERMANN:

Ich bin soeben dabei, den Strandkorb anzuschleppen.

WANDA:

Na ja, der Strandkorb … ich weiß doch wieder nicht … der Strandkorb ist mir eigentlich mittlerweile eine Spur zu charakteristisch für mich, er wird immer gleich schon für eine Selbstaussage gehalten. DAS MEER SIE LIEBEN DAS MEER WANDA LORD und dieser sentimentale Beigeschmack –

HERMANN:

Und liebst du das Meer etwa nicht?

WANDA:

Wer liebt nicht das Meer? Sieh dir die Heiratsannoncen an.

HERMANN:

Du hast das Meer nicht erfunden, falls du das meinst.

WANDA:

Irgendwie gefällt denen immer der Strandkorb allzugut. Ich sags doch: er ist eine Art SELBSTAUSSAGE.

HERMANN:

Um so besser. Umso weniger brauchst du selber zu sagen, wenn schon der Strandkorb so viel AUSSAGT, hm?

WANDA:

Man ist halt sofort jemand mit einem Tick.

HERMANN:

Womit du so ziemlich wärst, was du bist, oder?

WANDA:

Was nützen eigentlich diese schauerlichen Plastiklätze am Kühlergrill, oder Motorgrill …

HERMANN:

Kühlergrill. Sie übertreibt das. Obwohl, beim Peugeot …

WANDA:

Dieses heilige kleine beschützte Auto. Läuft der 204er nicht aus, die Produktion mein ich?

Möbelgeräusche von unten. – He, räumst du die ganze Wohnung um?

HERMANN:

So. Der Strandkorb steht. Du willst ja, daß er endlich ein bißchen ramponierter aussieht. Hm? Nach gelebtem Leben. Deine eigene Verfügung, Wanda-Liebes, ja?

WANDA:

Nach Meersalz und Strand soll er aussehen, doch nicht nach Fernsehteam.

HERMANN:

Um den Backensessel Qualen zu leiden. Er kommt sprechend die Treppe hinauf: Das steht mir allmählich wirklich bis hier. Die Leute haben keine Ahnung, worin sie sitzen.

WANDA:

Du würdest es allerdings ja nicht mitansehen müssen, heute. Oder bleibt nicht dabei? Ich meine, es bleibt doch dabei und du bist angeblich überhaupt nicht zu Hause?

HERMANN:

Klar. Selbstverständlich. Ich bin nicht zu Hause. Und bitte, hol mich auf keinen Fall. Nicht wie damals, als du plötzlich …

WANDA:

Ach ja, ich weiß, verdammt, das war, als mich diese Frauenfunkfrau WANDA LORD: DARF MAN ERFAHREN WIEVIEL PLATZ IN EINEM SOLCHEN LEBEN HAT IHR MANN? gefragt hat. Ich meine, wenn das kein Grund war zum Durchdrehen.

HERMANN:

Finde ich nicht. Gar nicht.

WANDA:

Es ist das Kitschige – die Unverschämtheiten sind in Kitsch geschmiert geölt und wasweißich, und das macht mich bei Frauen verrückt. Oder gut: nervös, nervös genügt auch, es macht mich nervös.

HERMANN:

Könnte sie das sein, da, jetzt auf der Kreuzung? Ein Mann dicht hinterher, könnte dazugehören.

WANDA:

Nein, siehst du, sie biegen nach rechts ab. Wenn die Leute nur ahnten, wie nett ich schon allein dadurch wäre, daß sie pünktlich kämen.

HERMANN:

Also, nochmal, damit das diesmal völlig klar ist: Ich bin nicht zu Haus.

WANDA:

Und wenn sie gleich beim Besuchsanfang durchblicken lassen würden, wann sie wieder aufzubrechen gedenken. Ich wäre viel netter, viel aufnahmebereiter. Du, morgen beim Drehen will sie dich aber unbedingt dabeihaben und du hasts zugesagt, ist dir das nach wie vor bewußt … sie reden in aller Ruhe und solidarisch miteinander, obwohl der Text dem Inhalt nach ein Gestichel ist.

HERMANN:

Aber heut bin ich nicht da. Du brauchst auch nicht plötzlich doch mal nach mir zu sehen und mir irgendwas anzubieten, heimlich, sie könnte es mitkriegen, und außerdem bin ich mit allem eingedeckt im Schlafzimmer und zwar auf längere Zeit. Vor der Apéritifzeit wird sie ja wohl abziehen, hoffe ich. Was übrigens weitgehend bei dir liegt.

WANDA, resignativ:

O ja, ich weiß ich weiß. Du denkst dir das immer ganz schön viel einfacher. Wenn so eine kommunikative Person erst mal SITZT, voller GEISTIGER ANREGUNGEN, dann … dann aber!

HERMANN:

Dann braucht man bloß in aller Ruhe und ohne jedes schlechte Gewissen zu sagen: So, Frau XYZ, ich glaube, das genügt. Oder: So, es ist 17 Uhr, ich habe noch zu arbeiten. Und so weiter und so fort. Kein Grund zur Aufregung. Kein Theater, kein Drama. In aller Seelenruhe. Sei selbstsicher.

WANDA:

Was aber machen wir, wenn sie wider Erwarten hübsch ist? Ich meine, wie verhalte ich mich? Hol ich dich dann doch?

HERMANN:

Hübsch, was heißt hübsch, es fragt sich, wie hübsch.

WANDA:

Falls sie ziemlich hübsch ist, attraktiv, hol ich dich dann?

HERMANN:

Mir wär jetzt vor allem mal recht, wenn sie pünktlich wäre.

WANDA:

Das ist keine Antwort.

HERMANN:

Sieht nach noch mehr Schnee aus. Über deinen Wohnort kannst du nichts mehr sagen. Es gibt den Winter auch hier.

WANDA:

Also erstens: es gibt ihn erst seit drei Tagen.

HERMANN:

Seit dreieinhalb Tagen. Seit vier Tagen, wenn du gerecht bist. Warum bist du nicht einfach sachlich. Nichts als sachlich.

WANDA:

Und zweitens: man mußte diesmal bis in den Februar drauf warten. Und nach SCHNEENOTSTAND wie anderswo sieht dieses vorsichtige Weiß da unten auch nicht gerade aus.

HERMANN:

Es ist besser als gar nichts.

WANDA:

Schneefall hier ist immer nur wie eine Nachahmung von Schneefall.

HERMANN:

Als Autofahrer sähst du die Dinge in einem völlig anderen Licht.

WANDA:

Für meinen Geschmack muß der Winter in der heimeligen Zeit mit den kurzen dunklen Tagen stattfinden.

HERMANN:

Romantikerin.

WANDA:

Jetzt bin ich nicht mehr so recht willens – ich hab das Winterliche irgendwie überholt, im Innern, weißt du, was ich meine?

HERMANN:

Daß man dir so leicht nichts rechtmachen kann. Weder als Schnee noch als sonstwer.

WANDA:

Das stimmt. Das trifft so ziemlich haargenau. Ist sie DAS DA, schon in der Allee. Wohl eher etwas zu jung. Du, ich hoffe nur, sie bringt nicht irgendwelche Blumen mit, nicht wie neulich die Meerburger.

HERMANN:

Das war doch einerseits sehr nett von der Meerburger, und andererseits –

WANDA:

Andererseits war es ein unerhört spießiger Strauß.

HERMANN:

Wenn die Leute nichts mitbringen, schimpfst du auch.

WANDA:

Immer das Elend mit dem Auf schnippeln der Plastikbändchen um die Blumen rum und die gräßliche Vasensucherei und das ganze Hin- und Hergehusche. Auch übrigens so höllisch FRAULICH.

HERMANN:

Was macht sie denn DA jetzt.

WANDA:

Wer?

HERMANN:

Ach du liebe Zeit, sie reinigt doch tatsächlich ihre Scheinwerfer, die Lizzy Bayer.

WANDA:

Als würde sie jemals bei Dunkelheit fahren, mit diesem sakralen kleinen Gerät da, genannt WAGEN.

HERMANN:

Je kleiner das Auto, desto größer die Abneigung, es AUTO zu nennen.

Verstellte Stimme, affektiert: Sind Sie mit dem Wagen da?

WANDA:

Da rackert sie sich ab, da tut sie das Unnötige, ohne sich selber damit auffällig zu werden.

HERMANN gemächlich ironisch:

Eijeijei …

WANDA:

Weiß nicht, daß es unnötig ist. Paßt alles schon zum Thema. Altwerden, das ist auch: besser viel Unnötiges zu tun, um es nicht weiter zu bemerken. Das Altwerden. Absterben.

HERMANN:

Na na na …

WANDA:

Du, ich bin sicher, sie erwartet von mir was Positives, was richtig Menschlich-Herzliches, übers verdammte Altwerden, hm?

Kopiert eine pathetische Stimme:

Altern im Sinn von Wachsen, Werden, Weitergeben – normal – du wirklich, so ein Zeug, so ähnliches Zeug, hat sie am Telefon gesagt. Pardon: ANKLINGEN lassen! Entsetzlich, hm? Was meinst du: sie will mich menschenfreundlich, oder?

HERMANN:

Keine Ahnung. Wenn du ehrlich bist, hast du ja auch weiter keine Schwierigkeiten damit, oder. Noch nicht. Mit dem Alter.

WANDA:

Auf Grund geglückter Verdrängung. Ich finde es nicht weiter reizvoll, das ganze heranschleichende Versagen.

HERMANN:

Übertreibe nicht, das rat ich dir. Vor allem: laß dich nicht in eine Altersgruppe reindrängen, durch so Gerede, in der du weißgott noch nicht bist.

WANDA:

Wie Lizzy Bayer muß man es machen. Sinnlos putzen und Gärten oder Vorhänge pflegen oder Autos, egal was.

HERMANN:

Hauptsache, sie ist beschäftigt. Sie jammert nicht rum.

WANDA:

Da sag ich ja. Sie ist untergebracht. Sie stellt Sinn her.

HERMANN:

Na na – sie glaubt, sie wird gebraucht.

WANDA:

Sie braucht sich selber. Das ists. Man muß sich selber brauchen.

HERMANN:

Von da an weiß ich auch allein weiter, Schätzchen. «Wenn wir uns selber fehlen, fehlt uns doch alles.» Na?

WANDA:

Sie tut das Sinnlose. Und genau dadurch stellt sie Sinn her.

HERMANN:

Werthers Leiden, oder?

WANDA:

Sinn herstellen, das ist schon alles, in jeder Minute – dennoch: ganz schön öde, ganz schön unsinnig. So ohne Bewußtmachung.

HERMANN:

Weißt du, ich würde an deiner Stelle ganz ruhig bleiben. Und nur halb so großspurig. Du bist kein Philosoph. Du bist auch nicht Sigmund Freud. Ja?

WANDA:

Ja.

HERMANN:

Keine Übertreibungen. Keine Theatralik. Ganz schön ruhig bleiben. Das enttäuscht die Leute außerdem alles in allem am meisten.

WANDA:

Falls sie es überhaupt mitkriegen. Sie verströmen selber eine derartige Bierruhe – diese Ilona Soundso, die Heutige, ich stell mir vor, sie raucht in größter Seelenruhe pausenlos und meine eigene Ruheveranstaltung entgeht ihr total, mein großes Ruhetheater.

HERMANN:

Weil es eben nur THEATER ist. SEI ruhig, SPIEL es nicht. Wie heißt sie übrigens genau, ich meine, du müßtest ihren Nachnamen wissen. Du müßtest sie schließlich anreden können.

WANDA:

Da vorne, zwischen 3. und 2. Alleebaum, sieh mal, könnten sie das sein, diese zwei, sehen ziemlich nach Medienmenschen aus.

HERMANN:

Heißt sie nicht irgendwas mit BERG hinten?

WANDA:

Es ist mir universal egal, wie sie heißt. Ich rede nie Leute mit Namen an, oder überhaupt: an – ich bin doch kein Politiker mit diesem ganzen Persönlichkeitsintimitätsgetue. Da haben Sie zwar völlig recht, Herr Bodnarsky, obgleich ein zweiter Aspekt berücksichtigt werden muß und so weiter, phh – Stricker! Stricker heißt sie. Ilona Stricker. Abteilung Kultur und Gesellschaft.

HERMANN:

Gegen Abend wird es anziehen, vergiß also nicht, sie auf die Straßenglätte hinzuweisen. – Deine zwei Medienmenschen gehen weiter, nebenbei.

WANDA:

Entweder sind so allgemeinverständliche normale Sachen wie Straßenglätte dieser Ilona und ihrem denkbaren Kameramann vollkommen gleichgültig, oder sie nehmen ein Taxi. Außerdem: das Müller-Brinkmann ist nicht weit genug, um ihr Angst einzujagen, in jedem Fall. Verdammt nah bei uns, wo sie sich einquartiert haben.

HERMANN:

Ob sie das jetzt ist? Siehst du die Frau mit dem braunen Mantel?

WANDA:

Ich nehme nicht an, daß sie einen richtigen normalen alltäglichen Mantel anhat. O nein. Sie wird mindestens was Ponchoartiges anhaben. Oder was Pelziges. Jackenartig. Großspurig verschlampt und schick, sehr selbstverwirklichtes Zeug.

HERMANN:

Falls sie so wahnsinnig neurotisch raucht wie neulich die Bayerische, mach bitte trotzdem nicht zwischendurch heimlich das Fenster hier oben auf.

WANDA:

Filterzigaretten! Braune Stummel! Seufzer. Warum mutet man sich eigentlich das Ganze immer doch wieder zu.

HERMANN:

Trotzdem, mach trotzdem nicht heimlich irgendwo was auf.

WANDA:

Aber man kühlt sie so auch ganz allmählich aus, ohne daß sie wissen, was los ist, ich meine, sie fangen an, sich immer unbehaglicher zu fühlen. Ich meine, wenn ich doch das obere Fenster offen hätte …

HERMANN:

Wir haben bereits 1200 Liter Öl verbraucht und es ist erst Februar. Es zieht sowieso durch alle Rollädenkästen und Ritzen. Ich heize nicht unbedingt so gern die gesamte Gegend mit. Und Auskühlen, Ungemütlichkeit: hat schon oft genug versagt, mein Gutes.

WANDA sanft, heiter:

Ahhh! Sag mal schnell LIEBES zu mir!

HERMANN spielt das alte Spiel mit:

Liebes!

WANDA wieder beiläufiger Ton:

Geschmack, ich meine, richtige Sensibilität, hat sie auch nicht. Sich für ein Hotel wie dieses zu entscheiden. So was vermeide ich schon beim Lesen im Michelin.

HERMANN:

Ich finds eigentlich eher mal gut, wenn Sender noch ein bißchen sparsam sind. Denk dran, die Honorarfrage nochmal abzusichern.

WANDA:

Wenn ein Hotel schon Müller-Brinkmann heißt. Grauenhaft einfallslos. Man hört das Frühstück und die persönliche Note richtig mit. Den säuerlichen Kaffee. Hört sich furchtbar nach Gästehaus und Hausschlüssel ab 22 Uhr an. Private Betreuung. Das Essen der Frau Müller-Brinkmann.

HERMANN:

Es ist ein garni.

WANDA:

Noch schlimmer. Sie essen abends sowieso nur kalt, nur EINEN HAPPEN, bleichsüchtige lapprige Wurstscheiben, die Müller-Brinkmanns. Geiz und Fruchtsaftarrangements, weißt du, diese Körbchen mit Henkelgriff, mit den drei Abteilungen, je ein Fach für so ein elendes gesundes Fruchtsaftfläschchen.

HERMANN:

Nicht alles Gesunde verdient deine Verachtung.

WANDA:

BEINAH alles.

HERMANN:

Vergeude dich nicht. Hm? LIEBES. Lacht. Hm? – Wann erscheint sie nun eigentlich. Reichlich unverschämt, mit der Zeit.

WANDA:

Und es gibt wahrscheinlich kaum ein vernünftiges Kilowatt in der Nachttischlampe. Dafür aber ein gräßliches Deckchen unterm Telefon, damit das Telefon hin und her glitscht, wenn man zu wählen versucht. Wie ich diese Hotels hasse. Kein Amtsanschluß.

HERMANN:

Reg dich nicht auf. Reg dich lieber drüber auf, daß diese Person derartig unpünktlich ist. Höchstwahrscheinlich hält sie das für originell.

WANDA:

Sie hält das für liebenswert. Es ist ein Teil ihrer weiblichen Note. Denn, o nein, sie hat weißgott trotz aller Selbständigkeit überhaupt nicht ganz damit aufgehört, eine Frau zu sein. Ha, Frauen!

HERMANN:

Ich geb dir trotzdem nochmal den guten Rat –

WANDA:

LIEBES?

HERMANN:

Ja, Liebes, den guten Rat: sei nicht zu aggressiv. Dir zuliebe. Du bekommst nur wieder deinen übersäuerten Magen davon, zum einen. Und zweitens: warum sollen die Fragesteller eigentlich immer alles von dir mitbekommen. Deine sämtlichen Ticks und Phobien, womit haben sie das eigentlich verdient, hm? Sei doch ein-mal ein bißchen diskreter. Du bist hinterher wieder absolut erledigt. Du bist doch kein Aussprachetyp. Mit deinen Aggressivitäten verrätst du zuviel über dich selber. Genau das, was du verabscheust, hm?

WANDA:

Wovon ich in Wahrheit erledigt bin, das ist mein ewiges widerliches Nettsein. Ich bin zu nett. Viel zu nett, Hermann, das ists. Ich bin ja nicht aggressiv.

HERMANN:

Bist du auch. Bald so, bald so. Sei weder zu nett noch zu böse. Der goldene Schnitt. Denk an den goldenen Mittelweg, wenns um nichts weiter geht als um INTERVIEWS.

WANDA:

Zu höflich. Ich erpresse mich zur Höflichkeit. Es ist der Aggressionsstau, verstehst du, der macht mich krank, jeweils hinterher. Diese verteufelte Anpassung.

HERMANN:

Es wäre besser für dich und uns alle, wenn du mehr, na ja so en passant, mit leichterer Hand, du weißt schon, so gewissermaßen halblang solltest du die Dinge nehmen, machen – nicht ANGEPASST, aber doch in eine Art Form gefaßt – ja: GEFASST sein … LIEBES!

Sie lachen ganz behaglich miteinander.

WANDA:

Du, das ist sie jetzt glaub ich wirklich und wahrhaftig. Gib mal das Fernglas, Ja, da, noch auf dem Brückchen, das muß sie wirklich und wahrhaftig endlich sein, mir ist so danach als wär sies.

HERMANN:

Du müßtest doch auch mit der Zeit so was wie Routine darin haben. Gelassenheit! Du liebst sie doch eigentlich, die Gelassenheit. Die Sachlichkeit.

WANDA:

Bei andern.

HERMANN:

Ganz gemächlich nähert sich diese Frau da. Tz tz.

WANDA:

Ein Mann scheint nicht dabeizusein.

HERMANN:

Um so besser.

WANDA: