Heimat-Roman Treueband 11 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 11 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.

Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 169: Kinderlachen auf dem Spukhof
Bergkristall 250: Die schöne Fremde - meine Schwester
Der Bergdoktor 1695: Eine ungeliebte Frau
Der Bergdoktor 1696: Wo ist meine Mama, Dr. Burger?
Das Berghotel 106: Sag mir, ist deine Liebe echt?

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 624

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Bastei Verlag/Michael Wolf ISBN 978-3-7325-9242-5

Sissi Merz, Christina Heiden, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 11 - Sammelband

Inhalt

Sissi MerzAlpengold - Folge 169Nach dem Unfalltod seiner Frau zieht der junge Baumgartner-Christoph mit seiner kleinen Tochter Mia wieder heim auf den Erlenhof, der viele Jahre leer gestanden hat. Hier, im Schatten hoher Berge, hofft er, wieder glücklich werden zu können, und stürzt sich voller Tatkraft in die Renovierung des alten Anwesens, das im Dorf nur "Spukhof" genannt wird. Als die kleine Mia erfährt, dass in ihrem Zuhause ein Geist sein Unwesen treiben soll, ist ihre Abenteuerlust geweckt! Den will sie unbedingt kennenlernen! Und wirklich: Nachts dringen gruselige Geräusche aus dem alten Kellergewölbe! Der Spuk geht um, da ist Mia sicher! Als ihr Vater eines Abends mit der hübschen Nachbarin das Haus verlässt, legt sich Mia auf die Lauer - und macht eine gefährliche Entdeckung...Jetzt lesen
Christina HeidenBergkristall - Folge 250Uschi freut sich riesig! Ganz überraschend ist ihre Schwester Sabina auf den Wiesenhof zurückgekehrt. Jahrelang haben sie sich nicht gesehen. Uschi war ja erst drei, als ihre Mutter die Koffer packte und nach Amerika ausgewandert ist. Nur die ältere Tochter hat sie damals mitgenommen. Nun endlich gibt es ein Wiedersehen! Herzlich heißt Uschi ihre Schwester willkommen und nimmt sie bei sich auf. Doch nach und nach zeigt sich, dass das Madel, welches ihr so ähnlich sieht, ganz anders ist als Uschi: Sabina rührt auf dem Hof keinen Finger, gibt Geld aus, das ihr nicht gehört, und macht sogar vor Uschis Verlobtem nicht Halt ...Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1695In ihrer Ehe fand sie kein Glück Viele waren damals skeptisch, als Rena strahlend verkündet hat, dass sie den smarten Architekten Peter Weinberger heiraten und zu ihm in seine prachtvolle Villa ziehen wird. Eine Bauerntochter und ein reicher Städter? Kann das wirklich gutgehen, wenn die erste Leidenschaft verebbt ist? Sechs Jahre ist das inzwischen hier, in denen man nichts von Rena gehört hat. Ob sie glücklich geworden ist in ihrer Ehe? Die Antwort ist eindeutig, als die junge Frau eines Tages mit starren, glanzlosen Augen und völlig verwahrlost in ihr Heimatdorf zurückkehrt...Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1696Die Wahrheit wird der kleinen Steffi das Herz brechen Weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird Carolin Rieder Zeugin eines schrecklichen Raubüberfalls auf eine Tankstelle. Nur zögernd gibt sie der Polizei eine genaue Beschreibung der Täter, denn sie weiß, dass sie dadurch selbst in große Gefahr gerät. Dankbar nimmt sie deshalb das Angebot von Markus Kronecker an. Der Polizist zieht für einige Zeit auf ihren abgelegenen Berghof, um sie und ihre kleine Tochter vor einem möglichen Racheakt zu beschützen. Doch er kann sein Versprechen nicht halten...Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 106Die Klatschspalten der Regenbogenpresse überschlagen sich: Der erfolgreiche Firmenchef Ludwig Hirsch wird die prominente Margarete Steinfeld heiraten. Die zwei gelten als absolutes Traumpaar, denn beide vereinen atemberaubende Schönheit und immensen Reichtum. Ludwig ist glücklich, dass er in der eleganten Margarete eine so wundervolle Partnerin gefunden hat. Nicht nur mit ihrem Äußeren, sondern vor allem mit ihren einfühlsamen Briefen hat sie sein Herz gewonnen. Gelegentlich begegnet er auch Margaretes Assistentin, der zurückhaltenden Elena. Das junge Madel kümmert sich um Margaretes persönliche Belange und unterstützt sie, wo sie nur kann. Ludwig ahnt nicht, dass die beiden Frauen ein Geheimnis miteinander verbindet, das seine Zukunft für immer verändern könnte ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Kinderlachen auf dem Spukhof

Vorschau

Kinderlachen auf dem Spukhof

Wie die kleine Mia ein Geheimnis lüftete

Von Sissi Merz

Nach dem Unfalltod seiner Frau zieht der junge Baumgartner-Christoph mit seiner kleinen Tochter Mia wieder heim auf den Erlenhof, der viele Jahre leer gestanden hat. Hier, im Schatten hoher Berge, hofft er, wieder glücklich werden zu können, und stürzt sich voller Tatkraft in die Renovierung des alten Anwesens, das im Dorf nur »Spukhof« genannt wird. Als die kleine Mia erfährt, dass in ihrem Zuhause ein Geist sein Unwesen treiben soll, ist ihre Abenteuerlust geweckt! Den will sie unbedingt kennenlernen!

Und wirklich: Nachts dringen gruselige Geräusche aus dem alten Kellergewölbe! Der Spuk geht um, da ist Mia sicher!

Als ihr Vater eines Abends mit der hübschen Nachbarin das Haus verlässt, legt sich Mia auf die Lauer – und macht eine gefährliche Entdeckung …

Der kleine Ort Gasting lag im Oberbayerischen, eingebettet in einen schützenden Talkessel unweit von Bayrischzell.

Befuhr man die schmale Landstraße aus südlicher Richtung, erkannte man im Norden die bewaldeten Erhebungen von Vogelsang und kleinem Thraithen, beide über fünfzehnhundert Meter hoch. An einem sonnigen Morgen wie diesem leuchtete der Bergwald in tiefem Grün, das nur ab und an von einer Alm oder Wildwiese unterbrochen wurde. Jetzt, im Juni, grünte und blühte die Natur, wie es schöner nicht sein konnte.

Im Westen fand sich der Kreuzkogel, ein karstiger Steinkamin, der bei Kraxlern sehr beliebt war. Seine schroffen Wände stiegen beinahe senkrecht in die Höhe und stellten selbst für erfahrene Bergsteiger eine echte Herausforderung dar. Der Kreuzkogel war der Hausberg von Geitau, der Nachbargemeinde Gastings.

Hatte man Gasting fast erreicht, öffnete sich der Ausblick nicht nur in ein weites, sanftes Tal, sondern auch auf den Seeberg, der östlich des Dorfes auf über 1.500 Meter aufwuchs und mit seinem breiten Massiv für ein ruhiges, ausgewogenes Klima sorgte.

An die hundert Seelen lebten in Gasting, die meisten noch von der Landwirtschaft. Aber es gab auch zwei Fremdenpensionen, denn die Gegend war bei Bergwanderern und Kraxlern ebenso beliebt wie bei Skiläufern.

Für die Wintersaison hatte man vor ein paar Jahren einen modernen Skilift bauen lassen. Das war aber auch so ziemlich das einzige Zugeständnis an den Fremdenverkehr.

Die Menschen, die hier ihren Urlaub verbrachten, kamen wegen der Ruhe und Abgeschiedenheit. Dass in Gasting die Uhren noch anders gingen, stimmte zwar nur bedingt. Doch als Werbespruch musste diese Behauptung allemal herhalten.

Freilich gab es auch hier ehrgeizige Geschäftsleute und Schlitzohren, denen der Profit über alles ging. Georg Walter war so ein Exemplar. Großbauer, Besitzer einer Pension und überaus engagiert im Gemeinderat und auf allen Posten und Pöstchen, die ihm einen geschäftlichen und somit finanziellen Vorteil versprachen.

Dass der Walter den größten und schönsten Hof in Gasting sein Eigen nennen konnte, genügte ihm aber bei Weitem noch nicht. Er war stets aufs Erweitern aus, wollte seinen Besitz vergrößern und seinen Reichtum mehren. Momentan steckten ihm die beiden Höfe in der Nase, die direkt an sein Land grenzten.

Zum einen war das der sogenannte »Spukhof«. Eigentlich hieß das mehrere Jahrhunderte alte Anwesen Erlenhof und gehörte der Familie Baumgartner. Doch die Besitzer waren seit ein paar Jahren auf Mallorca, wo sie in einem gepflegten Ferienhaus ihren Lebensabend verbrachten. Ihr Sohn Christoph hatte nämlich nichts mit der Landwirtschaft im Sinn gehabt und war Architekt geworden. Er lebte schon länger in München, und es schien eher unwahrscheinlich, dass er irgendwann nach Gasting zurückkehren würde.

Im Grunde stand also dem Erwerb des alten »Spukhofs« nichts im Wege. Leider konnte Hans Baumgartner den Großbauern nicht ausstehen. Schon als Buben hatten sie sich ständig gerauft, später hatte Hans sich einen Spaß daraus gemacht, Georg die Freundinnen auszuspannen. Selbst als sie beide längst im gesetzten Alter gewesen waren, hatten sie sich noch streiten können wie zwei Gassenbuben.

»Lieber steck ich alles an, bevor ich dir auch nur einen Backstein vom Erlenhof überlasse!«, hatte Hans Baumgartner geschimpft, als Georg Walter mit einem mehr als großzügigen Angebot auf ihn zugekommen war. Direkt ließ sich da also nichts erreichen.

Viel besser sah es beim Nachbarn aus. Der Hof der Familie Mayerhofer grenzte direkt an den »Spukhof«. Zwar hatten die Mayerhofers auch keine Verkaufsabsichten, aber Georg hatte seinen Sohn Thomas angespitzt, die Hoftochter Anna für sich zu gewinnen. Gab es da erst zarte Bande, vielleicht sogar eine Verlobung oder Hochzeit, hatte er das Mayerhofer-Land bereits so gut wie in der Tasche.

Dass Thomas bislang noch nichts erreicht hatte, wurmte ihn. Erst am Vorabend hatte Georg seinen Sohn noch einmal angehalten, sich mehr ins Zeug zu legen.

Thomas war ein folgsamer Sohn. Dass der Bursch weder eine eigene Meinung noch eigene Interessen hatte, sondern ein reines Abziehbild seines Vaters geworden war, schien diesem ganz recht zu sein. Der Patriarch schätzte es, die Menschen in seiner Umgebung wie Schachfiguren herumschieben zu können. Und solange Thomas tat, was sein Vater ihm sagte, war ja auch alles gut, meinte der Alte.

An diesem Morgen hatte Thomas sich denn auch gleich nach dem Frühstück aufgemacht, um Anna Mayerhofer einen Besuch abzustatten.

Thomas war zwar von seinem Vater unterjocht, dumm war er aber nicht. Und er hatte längst gemerkt, dass die Hoftochter ihn nicht sonderlich mochte. Das war für den etwas blassen, unscheinbaren Burschen keine neue Erfahrung. Wenn ein Madel ihm mal schöne Augen machte, dann war es meist eines, das auf sein Geld ausging. Anna war nicht so, sie war ehrlich. Das gefiel ihm, aber leider gefiel er ihr so gar nicht.

Aufgeben galt allerdings nicht, er wäre nie auf den Gedanken gekommen, seinen Vater zu enttäuschen.

Als Thomas nun bei den Mayerhofers am Klingelstrang zog, hob der Hofhund Zamperl seinen dicken, runden Kopf und musterte den Besucher abwägend. Der betagte Bernhardiner verbrachte die kalte Jahreszeit ausnahmslos neben dem Kachelofen in der guten Stube, während er jetzt im Sommer sein »Freilufthäusel« genoss. Er hatte keinen einzigen Zahn mehr im Mund und war selbst für einen Bernhardiner außergewöhnlich gutmütig.

Thomas Walter aber schien er nicht leiden zu können. Kaum hatte er den Geruch des Besuchers identifiziert, ließ er seinen tiefen Bass erschallen, der die Hundehütte zum Erzittern brachte.

Der Bursch verzog ärgerlich den Mund, ging ein paar Schritte zurück, um etwas Sicherheitsabstand zu schaffen, und reckte dann seinen Arm zum erneuten Klingeln.

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Anna erschien.

Die Hoftochter, die heuer im fünfundzwanzigsten Jahr stand, war ein bildhübsches Dirndl. Das ebenmäßige Gesicht mit den himmelblauen Augen wurde von Gold glänzendem Blondhaar umrahmt. An diesem Morgen hatte Anna es einfach zu einem Zopf im Nacken geflochten. Ihre schlanke, gut gewachsene Figur steckte in Jeans und einer hellen Bluse.

Zauberhaft schaut sie aus, dachte Thomas und übersah den leicht amüsierten Blick, mit dem sie ihn musterte. So ein Madel sollte sich mal zur Abwechslung in mich verlieben …

»Grüß dich, Thomas, was treibt dich denn schon so früh her?«, fragte sie freundlich. »Hast was auf dem Herzen?«

Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf, oder zumindest das, was er dafür hielt.

»Wie kommst du denn auf die Idee?«

»Ich weiß net. Du schaust so verdrießlich.« Sie kraulte Zamperl, dessen dicker, an einen Staubwedel erinnernder Schwanz seit ihrem Auftauchen wie ein Scheibenwischer hin und her ging, den runden Kopf und fügte verschmitzt hinzu: »Hat der Zamperl dir wieder mal einen Schreck eingejagt?«

Thomas fühlte sich an der Ehre gepackt.

»So ein alter Köter und mir Angst einjagen?« Er lachte verächtlich.

Zamperl schien seine despektierliche Bemerkung sehr wohl verstanden zu haben. Er trottete ein paar Schritte vor, hob den Kopf und musterte den Burschen sehr missbilligend. Dann fing er wieder an zu bellen wie in seiner Sturm- und Drangzeit.

»Geh, Zamperl, ist das eine Art? Ab ins Häusel!«, befahl Anna streng, woraufhin er sich sofort trollte.

»Darf ich kurz reinkommen? Ich wollte dich was fragen«, erklärte der Bursch nun erleichtert.

»Freilich, komm nur! Wenn es dir nix ausmacht, dass ich dabei was tue. Ich bügele gerade.«

»Was soll mir das ausmachen? Ein fleißiges Madel wird mal eine gute Ehefrau«, schmeichelte er.

Anna sagte dazu lieber nichts. In gewisser Weise fand sie Thomas’ ausdauerndes Engagement rührend. Wäre ihr nicht klar gewesen, was dahintersteckte.

Ganz davon abgesehen gefiel der Bursch ihr einfach nicht. Das hatte nicht mal unbedingt etwas mit seinem Äußeren zu tun. Es lag vielmehr daran, dass er der bloße Schatten seines Vaters war, sozusagen der verlängerte Arm vom alten Walter. Und daran würde sich wohl kaum je etwas ändern. Ein Mann, den Anna respektieren und gern haben konnte, sah anders aus.

Thomas folgte ihr in den Hauswirtschaftsraum und setzte sich, um ihr eine Weile beim Bügeln zuzuschauen. Er schien sich dabei ganz wohlzufühlen.

»Was hast du mich denn nun fragen wollen?«, erinnerte Anna ihn schließlich an den eigentlichen Zweck seines Besuchs.

»Ach so, ja …« Er lächelte verlegen. »Sei mir net bös, ich bin halt gern in deiner Nähe. Freilich muss ich auch an meine Arbeit, aber vorher wollte ich dich noch einladen. Was hältst du davon, wenn wir zwei heut Abend nach Bayrischzell fahren, fein essen gehen und nachher noch ein bisserl tanzen? Ich versprech dir, dass du dich net langweilen wirst.« Er hob die Schultern. »Jedenfalls werde ich mir Mühe geben, net allzu fad zu sein.«

»Mei, Thomas, du bist doch net fad! Das Problem ist nur, dass du wieder einmal den Hebel am falschen Punkt ansetzt.«

Der Jungbauer machte kein sehr intelligentes Gesicht, als er wissen wollte: »Wie ist denn jetzt das zu verstehen?«

»Ganz einfach.« Anna stellte das Bügeleisen ab und faltete eine Bluse ordentlich zusammen. Dabei erklärte sie: »Ich bin sicher, dass es viele Madeln gibt, die gerne mit dir ausgehen und sich auch net langweilen. Aber ich eben net.«

»Bin ich dir denn so zuwider?«, fragte er bekümmert.

»Du bist mir gar net zuwider …«

»Also dann …«

Sie hob die Hand, um ihn zu stoppen. »Net so schnell! Ich hab mich erst kürzlich vom Lukas Wedel getrennt, weil der mir einfach net treu sein konnte. So was steckt man net so leicht weg, immerhin waren wir so gut wie verlobt. Da muss erst mal ein bisserl Zeit vergehen, bis man wieder an eine neue Liebe denken kann. Und wenn das der Fall ist, dann stehst du leider net auf meiner Liste, Thomas. Tut mir leid.«

Er schwieg eine Weile, dann erhob er sich und bekannte: »So leicht gebe ich net auf. Ich mag dich nämlich sehr, Anna. Und ich hab eine große Geduld. Ich melde mich wieder bei dir!«

»Unser Land scheint deinem Vater ja sehr wichtig zu sein«, merkte sie feinsinnig an.

Der Bursch wurde rot, denn ihm fiel keine passende Erwiderung ein. Rasch verabschiedete er sich. Anna hatte also mal wieder ins Schwarze getroffen.

***

Wenig später war Anna mit dem Bügeln fertig und ging hinüber in die Küche, um ihrer Mutter beim Kochen zu helfen.

Das Madel hatte mit Erfolg die Haushaltsschule in Bayrischzell besucht und war eine hervorragende Wirtschafterin. Anna hatte an allem Spaß, was im Haushalt so anfiel, am liebsten aber kochte sie, und das Anrichten süßer Nachspeisen sowie das Backen waren ihre erklärte Leidenschaft.

Ein wenig wehmütig dachte das Madel daran, dass sie und Lukas Wedel dieser Tage ihre Verlobung hatten feiern wollen. Sie war sehr verliebt gewesen in den feschen Jungbauern, und er hatte ihr sozusagen das Blaue vom Himmel herunter versprochen, besser gesagt, geschwindelt. Von ewiger Treue hatte er geredet und sich heimlich mit anderen Madeln getroffen.

Als Anna dahintergekommen war, hatte sie Lukas nicht mehr sehen wollen. Er hatte sie bekniet, ihm noch eine Chance zu geben, hatte behauptet, die Gspusis wären ihm nicht wichtig, nur Spielerei. Und er hatte sie allen Ernstes geben, ihm etwas mehr Freiheit zu lassen.

Anna war klar geworden, dass Lukas nicht der Mann war, um ihr Leben mit ihm zu verbringen. Treue war ihr ebenso wichtig wie Ehrlichkeit. Sie konnte mit vielen Dingen leben, denn schließlich war niemand perfekt. Aber eine Ehe, die musste ihrer Meinung nach auf einem festen Fundament gebaut werden. Und das bestand nun mal aus Treue und Ehrlichkeit.

»Schon wieder der Thomas? Ich mein fast, der hat feste Absichten«, merkte Vroni Mayerhofer an, als ihre Tochter die Küche betrat. »Wie denkst du darüber?«

Die Hoftochter ließ sich an der Eckbank nieder und begann, Erdäpfel zu schälen. Ein vielsagendes Lächeln umspielte ihren schön geschwungenen Mund, als sie erwiderte: »Darüber müssen wir gewiss net reden, Mutterl. Der kommt net infrage.«

»Er ist eine gute Partie«, sinnierte die Bäuerin. Betrachtete man sie, so wurde einem klar, woher Anna ihre Schönheit hatte. Vroni war noch mehr als ansehnlich mit dem blonden Haar, den klaren Augen und der schlanken Figur. Ihr Mann Sepp machte ihr auch heute, zwei Jahre nach der Silberhochzeit, noch jeden Tag Komplimente. »Aber wohl nur für ein Madel, das ihn beherrschen kann. Er braucht eine feste Hand.«

Anna lachte. »Die hat er doch schon: die seines Vaters.«

»Du nimmst ihn also net ernst.«

»Na ja, er meint es wohl ehrlich. Aber es ist doch klar, was hinter seinem plötzlichen Interesse für mich steckt. Seit ich nimmer mit dem Lukas beeinand’ bin, wittert der alte Walter Morgenluft. Er ist doch schon lange hinter unserem Land her.«

Vroni seufzte. »Du hast einen glasklaren Verstand, Madel. Den musst du von deinem Vater geerbt haben. Ich hab es allerweil vorgezogen, die Dinge ein wenig mehr mit dem Gefühl zu betrachten. Weißt du, Illusionen sind net immer schlecht.«

»Die hab ich mir beim Lukas gemacht und bin auf die Nase gefallen. Da bleibe ich lieber Realistin.« Anna stellte die Erdäpfel auf den Herd. »Nächste Woche kommt der Christoph mit seiner Tochter zurück nach Gasting. Weißt du was, Mutterl? Ich freu mich ehrlich, ihn wiederzusehen.«

»Ihr wart ja schon als Kinder unzertrennlich.« Vroni lächelte versonnen. »Ich mein fast, ich seh ihn noch dort auf der Eckbank hocken, ein hochgeschossener Bub von zwölf oder dreizehn, der auf seine kleine Freundin wartet. Du warst gerade im zweiten Schuljahr, und er hat dir den Ranzen getragen.«

Anna nickte. Ein feiner Glanz trat in ihre Augen bei dieser Erinnerung. Christoph Baumgartner, der Nachbarsbub, war ihr bester Freund aus Kindertagen. Er hatte sie vor frechen Buben und größeren Schülern beschützt, die sie hänseln wollten, hatte ihr den Ranzen getragen und besonders im Sommer die Nachmittage mit ihr verbracht.

»Der Christoph hat mir das Angeln beigebracht und das Schwimmen. Damals konnte ich mir net vorstellen, dass es mal anders sein würde, dass er nimmer zu meinem Leben dazugehören könnte. Aber als wir älter wurden, da haben sich unsere Wege getrennt.«

»Die Paula und der Hans hatten schwer daran zu kauen, dass ihr Einziger den Erlenhof net hat übernehmen wollen. Dass der Christoph studieren wollte, statt Bauer zu werden. Aber am End waren sie doch stolz auf ihn. Er hat es ja auch zu etwas gebracht. So ein großes Architekturbüro in München, das ist doch was.« Vroni schaute ihre Tochter nachdenklich an. »Meinst du, er wird sich hier in Gasting noch wohlfühlen? Wo er doch ein ganz anderes Leben gewöhnt ist?«

»Als seine Frau mit dem Auto verunglückt ist, da war sein Leben kaputt. So hat er es ausgedrückt. Ohne seine kleine Tochter wäre er vielleicht ganz verzweifelt.«

Annas Stimme vibrierte vor Mitleid. Als Christoph vor einer Weile nach Gasting gekommen war, um nach dem Hof zu sehen und Handwerker mit nötigen Reparaturen zu beauftragen, hatte er ihr spontan sein Herz ausgeschüttet. Sie hatte schon damals heißes Mitleid mit ihm empfunden, und ihr war bewusst geworden, dass das alte Band der Freundschaft zwischen ihnen noch Bestand hatte.

»Er wollte dann alles ändern, woanders neu anfangen. In München hat ihn alles an sein altes Leben erinnert. Deshalb hat er beschlossen, hierher zurückzukommen. Und auch ein bisserl wegen seiner kleinen Tochter. Sie soll auf dem Land aufwachsen, in der guten Luft und in der Geborgenheit einer Dorfgemeinschaft.« Anna lächelte warm. »So wie wir damals. Ich glaub, er hat da die richtige Entscheidung getroffen.«

»Hast du ihn noch gern?«

Diese Frage überraschte Anna, denn darüber hatte sie bislang nicht nachgedacht. Das warme Gefühl in ihrem Herzen, das sich immer einstellte, wenn sie an Christoph dachte, hielt sie für eine freundschaftliche Zuneigung. Und das sagte sie der Mutter auch, die allerdings ein skeptisches Gesicht machte.

»Ihr seid beide erwachsen. Und ihr habt schon eure Erfahrungen gemacht. Vielleicht verbindet euch das mehr, als du jetzt glaubst«, gab Vroni zu bedenken.

»Ja, mag sein«, gestand Anna der Mutter daraufhin zu. »Aber der Kummer, den wir erlebt haben, der wird gewiss auch dafür sorgen, dass da ein Abstand zwischen uns bleibt. Wir sind nimmer so schnell dabei, uns zu verlieben.«

»Alte Liebe rostet net. Und alte Freundschaft?«

Anna schüttelte entschieden den Kopf. »Schmarren.«

»Wie hast du das Wiedersehen mit dem Christoph denn empfunden? Er stand ja ziemlich unerwartet wieder vor unserer Tür.«

»Damals war ich noch mit dem Lukas beisammen«, erinnerte Anna ihre Mutter. Sie horchte in ihr Herz und bekannte: »Ich hab mich gefreut, ihn zu sehen. Und ich freu mich jetzt, dass er wieder unser Nachbar wird. An mehr denke ich net.«

Damit gab die Bäuerin sich zufrieden. Und auch Anna schnitt das Thema nicht mehr an, denn es war ihrer Meinung nach erledigt. Am Abend aber, als sie in ihre Schlafkammer ging, trat sie hinter das Fenster und blickte eine ganze Weile gedankenverloren nach draußen.

Von hier droben konnte sie auf die Südseite des Seebergs schauen. Nun war es freilich finster. Der klare, samtig schwarze Himmel funkelte von ungezählten Sternen. Das Licht des zunehmenden Mondes beschien den majestätischen Gipfel des Seebergs und ließ ihn wie eine tiefschwarze Silhouette erscheinen. Auch der Nachbarhof lag in der Dunkelheit der Nacht. Am Tag hatten noch einige Handwerker dort ihre Arbeit getan, nun war alles still.

Anna stellte sich vor, wie es sein würde, wenn hinter den Fenstern wieder Licht brannte und Christoph dort drüben wohnte. Sie musste unwillkürlich lächeln. Ein schöner Gedanke war das. Und mit ihm schlief sie an diesem Abend selig ein.

***

»Hast du dir das auch wirklich gut überlegt, Chris? Es ist eine echt einschneidende Veränderung.«

»Ja, ich weiß, deshalb hab ich mich ja auch dafür entschieden. In Gasting komme ich vielleicht endlich zur Ruhe.« Der junge Architekt lächelte schmal. »Hier in München klappt das einfach net. Zu viele Erinnerungen.«

Paul Hofer hob sein Sektglas, sein Kollege Gerd Lechlinger tat es ihm gleich. Die beiden Architekten hatten gut mit Christoph Baumgartner zusammengearbeitet und bedauerten nun, einen Kompagnon zu verlieren. Sie kannten natürlich die Hintergründe und hatten auch miterlebt, wie schlecht es Christoph in den vergangenen Monaten seit dem plötzlichen Tod seiner Frau Uschi gegangen war.

Zeitweise hatten sie sich ernsthafte Sorgen um ihn gemacht. Seit Christoph sich entschieden hatte, seine Zelte in der Stadt abzubrechen und in sein Heimatdorf zurückzukehren, schien es allmählich bergauf zu gehen.

»Dann auf dich, Chris! Auf einen guten Neubeginn! Und was unser Angebot angeht, das steht: Du übernimmst weiterhin die kleineren Projekte. Und falls es dir auf dem Land zu fad werden sollte; dein Schreibtisch wird hier auf dich warten.«

Die drei Kollegen prosteten sich zu, Christoph meinte: »Es ist wirklich nett von euch, mich auch weiterhin an euren Projekten zu beteiligen. Für den Start in Gasting wird mir das gewiss helfen. Aber auf die Dauer werdet ihr wohl wieder einen dritten Kollegen einstellen. Und ich sollte mich auch auf dem Land etablieren können. Ihr wisst ja, dass Einfamilienhäuser meine Spezialität sind. Und wo werden die öfter gebaut als in der ländlichen Region?«

»Du willst uns wohl partout im Stich lassen«, frotzelte Paul. »Aber so leicht kommst du uns net davon. Schließlich hast du dir einen Namen gemacht. Und von deinem Image wollen wir auch was haben.«

Christoph lachte. Er mochte den nett gemeinten Flachs. Diese entspannte Stimmung im Büro würde ihm vermutlich in der ersten Zeit abgehen. Er musste sich erst wieder daran gewöhnen, allein zu arbeiten. Doch er hatte sich ja auch daran gewöhnen müssen, allein zu sein. Und das war weitaus schwieriger gewesen. Schwieger und schmerzhafter.

»Wie schaut denn dein Palast in Gasting nun aus? Sind die Handwerker mittlerweile mit den Reparaturen fertig?«, wollte Gerd nun interessiert wissen.

»Der Erlenhof ist bewohnbar«, antwortete Christoph. »Das ist erst mal die Hauptsache. Was noch zu machen ist, werde ich wissen, wenn wir umgezogen sind.«

»Oje, dann viel Spaß!«

Die drei lachten, dann fragte Paul: »Und Mia? Was hält sie eigentlich von eurem Umzug aufs Land? Sie ist doch ein waschechtes Münchner Kindel und damit ein Stadtkind.«

»Wir waren schon zusammen in Gasting. Und sie war begeistert. Wisst ihr, die Mia vermisst ihre Mutter sehr. Eine neue Umgebung wird auch ihr dabei helfen, über den Verlust hinwegzukommen. Immerhin stammt sie von Bauern ab. Gewiss wird sie das Landleben lieben. Im Herbst kommt sie in die Schule. Alles ist sozusagen neu. Ich hoffe, sie wird in Gasting glücklich.«

»Dann bleibt uns wohl nur, euch eine gute Reise zu wünschen. Und lass mal von dir hören.«

»Freilich. Beruflich bleiben wir in Kontakt. Und auch sonst … Ich werde euch zwei Stinker vermissen.«

Man verabschiedete sich mit herzlicher Frotzelei, um den Aufbruch leichter zu machen. Trotzdem wurde es Christoph schwer ums Herz, als er zum letzten Mal das schöne Haus im Gründerstil verließ, in dem er fünf Jahre lang gearbeitet hatte.

Er verhielt kurz den Schritt und schaute sich mit wachen Augen um. Es war ein sonniger Vormittag, viel Verkehr am Sendlinger Tor wie stets, ein Gewühl aus Fahrzeugen aller Art, Fußgänger, dazu das Gurren der ungezählten Tauben und ein Glockenschlag ganz in der Nähe. Es war München, wie Christoph es kannte. Er hatte sich hier gut eingelebt, bereits im Studium. Und als er Uschi kennengelernt und sich in die bildhübsche Sekretärin sozusagen auf den ersten Blick verliebt hatte, da hatte sein Herz auch angefangen, für die Weltstadt mit Herz zu schlagen.

Sie waren sehr glücklich miteinander gewesen. Die Geburt der kleinen Mia hatten sie beide als die Krönung ihrer Liebe angesehen. Nie und nimmer wäre Christoph auf den Gedanken gekommen, dass dieses Glück allzu bald und mit jäher Brutalität beendet werden sollte.

Doch genauso war es gekommen. Nach sechs glücklichen Jahren zu dritt hatte ein betrunkener Autofahrer die Vorfahrt missachtet, und ein paar schreckliche Sekunden hatten alles ausradiert, was für Christoph Leben und Glück gewesen war.

Manchmal wachte er nachts schweißgebadet auf, einem düsteren Traum entronnen, der nun allmählich verblasste, ihn nicht mehr jede Nacht quälte, wie direkt nach dem Unfall. Dann rannte er im Traum endlose Spitalsflure entlang, stets begleitet von dem lauten Piepsen, das den Herzschlag seiner Frau hörbar machte. Das immer schneller wurde, fiebrig rasend, wie der Schlag eines winzigen Vogelherzens, nur um dann abrupt auszusetzen. Er rannte, keuchte nach Luft, stolperte und fiel. Und dann umgaben ihn nur noch Stille und Dunkelheit. Er schrie nach Uschi, aber niemand antwortete ihm.

Wenn er dann erwachte, war er so verzweifelt, dass er nicht mehr wusste, wie er weiterleben sollte.

In diesen dunklen Momenten war Christoph dem Tod manchmal näher gewesen als dem Leben. Dass er es überhaupt geschafft hatte, sein Leben wieder halbwegs in den Griff zu bekommen, lag nur an Mia. Die Kleine musste ihn bloß ansehen, dann hatte er jeden Grund, um weiterleben zu wollen.

Irgendwann aber war ihm bewusst geworden, dass er etwas ändern musste. In München würde er seine Trauer niemals überwinden. Und da war ihm der Erlenhof eingefallen. Im Stillen hatte er seiner Mutter gedankt, die sich seinerzeit geweigert hatte, den alten Hof zu verkaufen. Der Vater war nicht strikt dagegen gewesen, auch wenn er ihn niemals dem alten Walter überlassen wollte. Die Mutter aber hatte gesagt: »Vielleicht will der Christoph mal dort mit seiner Familie wohnen.«

Damals hatte der junge Mann dies für sehr unwahrscheinlich gehalten. Nun jedoch war der Erlenhof seine Hoffnung auf ein neues Kapitel in seinem Lebensbuch, seine Hoffnung auf inneren Frieden. Und nicht zuletzt der Platz, an dem Mia behütet aufwachsen konnte und Wurzeln schlagen würde. So wie er das als Kind getan hatte.

Als er nach München gegangen war, um zu studieren, hatte er diese Wurzeln noch nicht gespürt. Doch jetzt war ein Gefühl tief in seinem Innern, das Heimkommen hieß. Und das erschien Christoph als gutes Zeichen.

Ein letztes Mal holte er Mia aus dem Kindergarten ab. Die Kleine sah ihrer Mutter so ähnlich, dass es Christoph fast wehtat. Die blonden Löckchen, die sich um das runde Gesicht kringelten, hatte das Kind ebenso von Uschi wie die klaren, rehbraunen Augen. Mia war sehr still gewesen in den vergangenen Monaten. Die Erzieherinnen hatte der Kleinen Zeit gegeben, darauf geachtet, dass Mia sich nicht abkapselte, nicht allein blieb in ihrer Einsamkeit, sie aber auch nicht gedrängt.

Christoph war froh, in ihnen erfahrene und auch einfühlsame Helferinnen gefunden zu haben. Er schätzte ihre Arbeit, der es wohl auch zu verdanken war, dass Mia nun fröhlich vor sich hin plapperte und bereits über das neue Haus fabulierte.

»Gewiss gibt es auch einen großen Obstgarten. Und in jeden alten Baum, da wohnt ein Geist«, meinte die Kleine.

»Ein Geist? Das wollen wir doch net hoffen«, erwiderte ihr Vater schmunzelnd. Mia liebte Geistergeschichten. »Oder doch wenigstens ein freundlicher Geist, gelt?«

»Die Geister in den Obstbäumen sind allerweil freundlich«, erklärte das Mädchen keck. »Sie bewachen die Blüten und sorgen dafür, dass viele Bienerln kommen und es dann auch ganz viele Äpfel gibt.«

»So, so. Du kennst dich ja bereits recht gut aus.«

»Freilich. Und einen Hausgeist, den gibt es ganz bestimmt auch. Der poltert ein bisserl und machte den Leuten Angst. Aber nur den bösen. Die netten lässt er in Ruh.«

Christoph musste lachen. »Hoffentlich kann er uns leiden.«

»Ganz bestimmt«, war Mia überzeugt. »Wir sind doch nett!«

An diesem Tag wurden noch die letzten Sachen in Kisten verpackt. Am Abend, als Mia bereits auf dem Gästebett lag, das in der letzten Nacht in München ihr Kinderbett ersetzte, machte Christoph noch eine Runde durch die leer geräumte Wohnung.

Im Wohnraum blieb er lange vor dem großen Fenster stehen und blickte auf das Lichtermeer der Stadt. Dabei war er in Gedanken wieder einmal in der Vergangenheit und dachte an all die glücklichen Stunden, die sie hier zu dritt erlebt hatten.

»Leb wohl, München!«, murmelte er. »Ich hoff, ich mach’s richtig.« Ein klein wenig unsicher war er nun doch. Aber tief im Herzen kannte er den Weg. Und der führte nach Gasting.

***

»Na, wie schau ich aus?« Georg Walter trug seinen besten Loden, sein stets kecker Schnauzbart schien an diesem Morgen noch ein wenig höher gezwirbelt als sonst zu sein. Der Großbauer schmunzelte zufrieden. »Gut oder besser?«

»Besser freilich«, versicherte Thomas seinem Vater. »Aber was hast du denn vor? Gehst du vielleicht auf Brautschau?« Er grinste dämlich.

»Das wäre bei einem Sohn wie dir keine schlechte Idee«, knurrte der Alte und ließ sich am Frühstückstisch nieder. »Bei der Anna hast du bis jetzt ja nix erreicht. Sie lacht höchstens über dich!«

Der Bursch lief rot an. »Das stimmt so net«, protestierte er. »Die Anna ist net leicht zu erobern. Sie denkt noch an den Lukas Wedel. Ihr Herz ist noch net frei, das hat sie mir gesagt.«

»Schmarren«, brummte der Großbauer und köpfte sein Frühstücksei mit Schwung. »Ein Madel will erobert sein. Das kann einer, oder er kann’s net. Und du … Na ja, Schwamm drüber! Außerdem bin ich heut im Feststaat, um unseren neuen Mitbürger zu begrüßen. Der junge Baumgartner kommt doch nach Gasting zurück.«

»Ich kann mir net denken, dass dir das schmeckt«, murmelte Thomas verhalten.

»Tut es ja auch net. Aber nur ein Dummerjan legt seine Karten gleich auf den Tisch. Ich werde recht nett und freundlich zu dem Burschen sein, und du wirst dafür sorgen, dass er rasch wieder verschwindet. So was nennt man Teamwork.«

»Ich? Und wie stellst du dir das vor?«

Georg stöhnte. »Hast du denn net das kleinste bisserl Fantasie? Du sollst ihn vergraulen, ihm das Leben hier bei uns sauer machen. Da wird dir doch wohl was dazu einfallen, oder?«

»Ich denk schon. Und was ist mit der Anna?«

»Was soll mit dem Madel sein? Das eine hat doch mit dem anderen net das Geringste zu tun. Die Anna wirst heiraten, damit ich an das Mayerhofer-Land komme. Das kann ich nämlich wunderbar für den neuen, großen Stall gebrauchen.«

»Ich mein nur, weil die Anna und der Christoph doch früher befreundet waren. Da könnte es freilich sein, dass …« Thomas verstummte, er schien den Faden verloren zu haben. Das passierte ihm öfter, und sein Vater nannte ihn dann stets einen Trottel. Diesmal war der Alte aber milde gestimmt.

»Du denkst, zwischen den beiden könnte noch was sein?« Er rieb sich nachdenklich das breite Kinn. »Hm, gar net so dumm! Sie sind beide allein, da wäre was möglich.« Er bedachte seinen Sohn mit einem strengen Blick. »Du wirst dafür sorgen, dass sich da nix anbahnt. Ich sag nur: Zweigleisig fahren, hast mich verstanden?«

»Ich fürcht, net so ganz«, gab der Bursch betreten zu. »Vielleicht drückst dich ein bisserl klarer aus …«

Georg Walter verzog verdrießlich den Mund. Seine selige Zenzi war ein kluges Weib gewesen, und er selbst war auch nicht eben auf den Kopf gefallen. Wie hatten sie beide nur eine solche Jammergestalt zustande gebracht?

»Damit meine ich, dass du weiterhin der Anna den Hof machst, zugleich aber dafür sorgst, dass es dem jungen Baumgartner bei uns net gefällt. Hab ich mich jetzt verständlich gemacht? Sonst gebe ich diesen Auftrag vielleicht besser an eine von unseren Fersen weiter. Ich bin gewiss, die hat’s schon beim ersten Mal verstanden.«

Thomas senkte den Blick. »Kannst dich auf mich verlassen, Vaterl. Ich tu doch allerweil alles, was du sagst.«

»Schon recht.« Der Großbauer leerte sein Haferl Kaffee und erhob sich. »Ich muss los, unser Neuzugang ist mir für heut gemeldet. Lass dich später mal bei der Anna blicken, dann kannst gleich die Lage peilen, verstanden?«

»Freilich. Und wenn sie den Christoph noch gern haben sollte, werde ich dafür sorgen, dass sie ihn ganz schnell vergisst.«

»Versuch lieber, dem Madel ein bisserl näherzukommen! Einer, der sich eben so aufs Gehen versteht, sollte net gleich ans Tanzen denken. Füat di.«

Thomas blickte seinem Vater ärgerlich hinterher. Er hasste es, wenn der Alte ihn wie einen Deppen behandelte!

Georg Walter fuhr wenig später mit seinem protzigen Jeep beim Erlenhof vor. Die Möbelwagen waren mittlerweile weg, weshalb er einfach mitten auf der Straße parkte. Wen das störte, der konnte sich ja beschweren …

Christoph und die kleine Mia waren mit Auspacken beschäftigt. Anna Mayerhofer hatte bereits vorbeigeschaut und die beiden zum Mittagessen eingeladen.

Als nun am Klingelstrang gezogen wurde, rief Mia: »Ich mach auf! Das ist bestimmt die nette Tante Anna!« Flink flitzte die Kleine zur Haustür und öffnete sie. Der große, breite Mann, der davor stand, gefiel ihr auf den ersten Blick gar nicht. »Was willst denn du da? Wir können keinen Besuch gebrauchen«, meinte sie naseweis und wollte die Tür wieder schließen.

Der Besucher stutzte, dann ging er ein wenig mühsam in die Knie und scherzte aufgesetzt: »So behandelt man aber keinen Besucher, kleines Fräulein. Ich denk, ich sollte wohl besser mal mit deinem Herrn Vater reden, gelt?«

»Mit wem?« Mia musste über diese geschraubte Ausdrucksweise kichern. »Was bist denn du für einer?«

Christoph trat nun hinter seine Tochter und sagte kühl: »Grüß Gott, Herr Walter. Kann ich Ihnen helfen?«

Der Großbauer kam wieder auf die Füße, streckte seine Rechte aus und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Grüß dich, Christoph. Mei, wie die Zeit vergeht! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass du selbst so ein kleiner Stoppel gewesen bist. Und jetzt schon stolzer Vater. Ein liebes kleines Ding.«

Er tätschelte Mia das Köpfchen, doch sie tauchte lieber unter der großen Hand weg.

»Ich will dich nur willkommen heißen und in meiner Eigenschaft als Mitglied des Gemeinderats meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass du dich in deinem Heimatdorf wieder recht wohlfühlen wirst!« Er lächelte zufrieden ob dieser kleinen, seiner Meinung nach sehr gelungenen Ansprache.

»Das ist nett, danke sehr. Kann ich Sie vielleicht auf einen Kaffee hereinbitten?«

»Da sag ich net Nein! Ich will dich aber auch net aufhalten, schließlich macht so ein Umzug eine Menge Arbeit. Vielleicht sollte ich dir zwei von meinen Knechten vorbeischicken. Wenn die fürs Grobe anpacken, geht das Ganze schneller von der Hand.«

»Papa, was ist denn ein Knecht?«, wollte Mia wissen.

»Ein Arbeiter auf einem Bauernhof«, antwortete Christoph automatisch und wandte sich dann an seinen Besucher. »Das ist net nötig, wir kommen schon zurecht. Die Möbelpacker haben das meiste bereits auf seinen Platz gestellt.«

Georg Walter tat so, als sähe er das Innere des Hauses seit langer Zeit zum ersten Mal wieder. Dass er hier heimlich ein und aus ging, wusste außer seinem Sohn Thomas niemand. Und das sollte auch so bleiben …

»Ist recht gemütlich«, urteilte er dann beim Kaffee, den er im Stehen in der Küche einnahm. »Fürchtest dich denn gar net?«

»Fürchten?«, wiederholte der junge Architekt verständnislos. »Wovor soll ich mich denn fürchten?«

»Na, vor dem Spuk, der hier sein Unwesen treibt«, erwiderte der Großbauer todernst. »Der Erlenhof heißt net umsonst im Volksmund ›Spukhof‹. Hier geschehen ja tatsächlich merkwürdige Dinge.«

Mia machte große Augen. »Ehrlich, Onkel? Erzähl mal!«

»Na, lieber net. Das ist nix für deine zarten Öhrchen, meine Kleine. Nachher träumst schlecht und hast Angst.«

Mia warf sich in die Brust, dass ihre blonden Löckchen flogen: »Ich hab nie Angst! Vor Geistern schon gar net. Und wenn es da einen gibt, dann werde ich den schon finden.«

»Nun reicht es aber. Geh und räum weiter deine Sachen ein!«, bestimmte Christoph leicht genervt.

Georg Walter nickte anerkennend. »Ein aufgewecktes Madel, eine richtige kleine Abenteuerin, gelt? Von wem sie das wohl hat?«

»Ich will net unhöflich sein, aber ich muss auch wieder an die Arbeit. Danke für Ihren Besuch, Herr Walter, und …«

Der Großbauer legte Christoph vertraulich einen Arm um die Schultern und bestimmte: »Zuerst lässt du einmal das dumme Siezen. Oder hast du vielleicht vergessen, dass man auf dem Land Du sagt? Und dann will ich dich bitten, die Sach mit dem Spuk net auf die leichte Schulter zu nehmen. Es könnte wirklich was dran sein, kein Witz.«

»Ich bitt Sie … dich! So was gibt es doch net. Schließlich hab ich meine Kindheit hier verbracht und nie …«

»Mag sein. Aber das Haus hat lange leer gestanden. Da übernehmen die Nachtgestalten manchmal das Regiment. Frag halt deine Nachbarn! Mehr als einmal hat man hier unheimliche Geräusche gehört oder fahle Lichter gesehen. Wenn du mich fragst: Das ist kein Haus, in dem man noch wohnen kann. Aber du musst selbst wissen, was du tust. Und wenn du mal Hilfe brauchst, Burschi, sag mir Bescheid! Füat di!«

Nachdem der Besucher endlich gegangen war, fragte Christoph sich ernsthaft, was er von diesem Auftritt zu halten hatte. Er erinnerte sich daran, dass sein Vater den Großbauern nie hatte ausstehen können. Die Gründe dafür hatte er nicht näher umrissen. Aber nach diesem Auftritt konnte der junge Architekt seinen Vater schon besser verstehen.

Die aufdringliche, dreiste Art Georg Walters war wirklich nur schwer zu ertragen. Doch was hatte er mit diesen seltsamen Andeutungen beabsichtigt? Oder glaubte er etwa an Geister?

***

Anna freute sich, dass Christoph ihre Einladung zum Essen angenommen hatte. Sie richtete eine besonders feine Nachspeise und summte dabei fröhlich vor sich hin. Ihre Mutter beobachtete dies mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck.

»Du willst die kleine Mia wohl gleich für dich gewinnen«, mutmaßte sie lächelnd. »So was Feines, da kann keiner widerstehen.« Sie schnupperte an der Karamellcreme mit den kandierten Erdbeeren, die Anna noch mit einer Zuckerhaube flambiert hatte. Die Nachspeise erinnerte im weitesten Sinne an eine Crème brullée, war aber ihre eigene Kreation und kam nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch.

»Das Madel ist mir gleich ins Herz gesprungen. Ein kleines Würmerl, das seine Mutter verloren hat. So was muss man doch lieb haben«, sinnierte die Hoftochter. »Aber einen Hintergedanken hab ich dabei freilich net.«

»Sicher? Ich hab gesehen, wie du gestrahlt hast, als der Christoph vor der Tür gestanden hat.«

»Mei, Mama, das ist übertrieben«, behauptete Anna gespielt gleichmütig. »Ich hab mich nur gefreut, ihn zu sehen.«

»Ja, und wie! Das wird dem Thomas net behagen.«

»Was geht das den an? Er weiß, dass er kein Recht an mir hat. Ich hab’s ihm oft genug gesagt. Wenn er sich was einbildet, dann ist das seine Sache.«

In diesem Moment wurde am Klingelstrang gezogen. Annas Miene hellte sich auf, rasch streifte sie die Schürze ab und rief: »Ich lass die beiden schon ein!«

»Hab ich mir fast gedacht«, murmelte Vroni vielsagend. Sie blickte auf, als ihr Mann die Küche betrat und wissen wollte, wann das Essen fertig sei. Sein Blick wurde fragend, nachdem er den besonderen Nachtisch entdeckt hatte.

»Gleich. Der Christoph und seine Tochter essen heut mit uns.«

»Sie hat ihn gleich eingeladen? Und dann mit dem Nachtisch?« Der Bauer seufzte, sagte aber weiter nichts. Doch sein Gesicht sprach Bände. Begeistert war er jedenfalls nicht.

»Die zwei kennen sich doch von Kindesbeinen an. Es ist nur eine alte Freundschaft, sagt die Anna.«

Sepp Mayerhofer lächelte schmal. »Sag einmal, Schatzerl, seit wann sind Burschen und Madeln in dem Alter nur befreundet? Ist mir da was entgangen, oder gibt’s das net?«

»Es wäre net das Schlechteste, wenn daraus was werden würde«, meinte die Bäuerin pragmatisch. »Der Christoph stellt was dar. Und die beiden haben sich schon als Kinder gemocht.«

»Das gefällt mir trotzdem net. Die Anna hat eine herbe Enttäuschung hinter sich. Ich war dagegen, dass sie sich mit dem Hallodri Wedel einlässt. Und ich hab recht behalten. Der Christoph ist Witwer, hat eine kleine Tochter. Da sind die Probleme vorprogrammiert. Nein, das ist nix. Die Anna soll sich einen anständigen, unbelasteten Burschen suchen, mit dem sie glücklich sein kann. Die Jugend geht so schnell vorbei. Die Sorgen kommen früh genug. In dem Alter sollte man sein Leben ganz einfach nur genießen.«

»Haben wir denn Sorgen?«, wollte Vroni irritiert wissen.

»Wir sind eben eine Ausnahme«, meinte ihr Mann und stahl ihr prompt ein Busserl, das noch recht verliebt ausfiel. »Ich will nur das Beste für unser Madel. Liebeskummer hatte die Anna genug. Sie soll glücklich werden.«

»Vielleicht sollte sie den Thomas Walter erhören«, frotzelte Vroni. »So unbelastet wie der ist sonst kein anderer.«

Sepp verzog unwillig den Mund. »Ich hab gesagt, sie soll sich einen anständigen Burschen suchen, keinen Deppen …«

Beim Mittagsmahl erzählte Christoph von seiner Arbeit, dem Umzug und erwähnte auch den Besuch Georg Walters. Da wurde der Bauer gleich hellhörig und wollte wissen, was der Großbauer denn gewollt habe.

»Angeblich einen Antrittsbesuch machen. Er war die Freundlichkeit in Person«, antwortete der junge Mann.

»Dann ist Vorsicht geboten. Wenn er sich anschleimt, führt er gewiss was im Schilde. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass er ständig einen Expansionskurs fährt. Unser Land und deines, das könnte er gewiss gut gebrauchen.«

»Aber er wird es net bekommen«, meinte Christoph entschieden.

Die Haltung gefiel Sepp Mayerhofer. Er konnte den Großbauern nämlich ebenso wenig ausstehen wie Christophs Vater.

»Und er hat vom Spuk erzählt«, meldete sich nun Mia zu Wort. Die große Runde am Esstisch, bestehend aus Bauersleuten und Gesinde, konnte sie nicht einschüchtern. Als alle Augen sich fragend auf sie richteten, nickte sie und wiederholte: »Einen Spuk soll es auf unserem Hof geben. Pfundig, gelt?«

Das allgemeine Gelächter, das folgte, gefiel ihr aber gar nicht. Denn wenn die kleine Mia etwas nicht leiden konnte, dann war das, von den Erwachsenen nicht für voll genommen zu werden.

»Das hat er aber gesagt, net wahr, Papa?«, rief sie ärgerlich.

Christoph nickte. »Ja, Spatzerl, das hat er.« Er warf Annas Vater einen fragenden Blick zu. »Was verspricht er sich von so einem Schmarren? Kannst du dir das denken, Bauer?«

»Es gibt da wirklich was«, merkte Anna an. »Wir haben alle schon seltsame Beobachtungen gemacht. Euer Hof hat schließlich lange leer gestanden. Ein jeder hat mal was gesehen.«

Christoph machte große Augen. »Im Ernst?«

»Lichter, Geräusche, Rumoren, einmal auch etwas wie ein leises Weinen.« Vroni hob die Schultern. »Was die Leut so erzählen. Ich hab noch nie was bemerkt.«

»Im letzten Jahr, als ich mit dem Lukas vom Tanz zu Kirchweih gekommen bin, da hab ich auch was gehört«, erzählte die Hoftochter. »So ein hohles Scheppern. Es schien aus dem Keller zu kommen. Der Lukas hat nachgesehen, aber nix entdecken können. Wir dachten, es wäre vielleicht ein Einbrecher.«

»Im Haus gab es keine Einbruchsspuren, als ich das erste Mal wieder drin war.« Christoph seufzte. »Vielleicht ein Witzbold, der ein bisserl was zur Legendenbildung beitragen wollte. Zum Glück hab ich lauter neue Schlösser einbauen lassen. Die sind einbruchsicher.«

»Gut gemacht!«, lobte Sepp Mayerhofer. »Hier bei uns ist zwar noch nie was gestohlen worden, aber man ist besser vorsichtig.«

Nach dem Essen begleitete Anna Christoph und Mia noch nach Hause. Die Kleine bestand darauf, dass Anna sie ins Bett brachte, und wollte dabei noch mehr Einzelheiten über den »Spuk« erfahren. Anna fabulierte ein wenig, aber bald fielen der Kleinen die Augen zu.

Als Christoph nach seiner Tochter schaute, schlief diese bereits tief und fest. Anna schloss leise die Tür zum Kinderzimmer und meinte: »Deine Tochter ist wirklich aufgeweckt. Und sie scheint vor nichts Angst zu haben. Kleine Kinder fürchten sich doch sonst vor Geistergeschichten. Mia scheint aber net genug davon zu bekommen.«

»Ja, sie hat ihr eigenes Köpferl.« Christoph reichte ihr ein Glas Wein. »Auf gute Nachbarschaft. Ich dank dir, Anna, dass du mir ein so liebes Willkommen bereitet hast. Heut beim Essen, da hab ich mich wieder richtig daheim gefühlt. Danke.«

»Ich bitt dich, das war doch selbstverständlich.« Sie errötete ein wenig und trank rasch einen Schluck Wein. »Ich freu mich einfach, dass du wieder da bist.«

»Ja, jetzt freu ich mich auch. Es ist schön hier, so vertraut. Ich denke, ich werde hier endlich zur Ruhe kommen können.«

Das Madel nickte mit ernster Miene. »Es dauert, bis Wunden heilen, vor allem die im Herzen«, murmelte Anna bekümmert.

»Du hast mich schon immer verstehen können.«

»Dazu hat man Freunde. Jetzt muss ich aber gehen, es ist spät. Wenn ihr mögt, könnt ihr jederzeit zu uns rüberkommen. Ich freu mich immer, dich zu sehen. Oder die Mia.«

»Da hast du schon eine Eroberung gemacht.« Er brachte sie zur Tür und lächelte ihr innig zu. »Bis morgen, Anna. Schlaf gut!«

»Du auch.« Sie ging mit einem warmen Gefühl der Zuneigung heim. Und als sie an diesem Abend nach drüben zum Erlenhof schaute, da brannte hinter einem Fenster noch Licht. »Schlaf gut, Christoph«, murmelte Anna und lächelte dabei versonnen.

***

»Sag, Papa, hast du heut Nacht auch den Spuk gehört?« Die kleine Mia löffelte ihre Cornflakes und schaute Christoph dabei mit ernster Miene an. »Er hat gegen die Wand geklopft und dann hat er leise gelacht.«

Der junge Architekt runzelte die Stirn. »Das hast du gewiss nur geträumt, Spatzerl. Es gibt hier keinen Spuk.«

»Aber der dicke Onkel mit dem Schnauzbart hat’s gesagt. Und die Tante Anna auch!«, beharrte die Kleine. Die Vorstellung, im eigenen Haus auf Geisterjagd zu gehen, war einfach zu verlockend. Dies wollte Mia sich nicht nehmen lassen.

»Der Walter hat sich nur was ausgedacht. Keine Ahnung, was er damit beabsichtigt«, sinnierte Christoph. »Aber so ein Geschaftelhuber hat doch allerweil was Unebenes im Sinn. Ich werde schon noch dahinterkommen, warum er so was behauptet.«

»Weil es stimmt!« Mia nickte nachdrücklich. »Es gibt hier einen Geist. Ich hab ihn heut Nacht gehört. Geträumt hab ich das jedenfalls net, weil ich nämlich mal rausmusste. Und als ich wieder in mein Zimmer gegangen bin, da hab ich es von drunten ganz deutlich gehört!«

Der junge Mann lächelte nachsichtig. »Ist schon gut, Spatzerl, ich glaub dir ja«, versicherte er, denn es schien unmöglich, Mia diesen Gedanken auszureden. Zum Glück konnte er sicher sein, dass kein Eindringling im Haus gewesen war. Schließlich hatte er ja lauter neue Schlösser einbauen lassen. Da konnte keiner mehr so einfach in den Erlenhof hineinspazieren, wie es ihm beliebte. Auch kein »Geist« …

Nach dem Frühstück machte Christoph sich daran, im Garten ein Schaukelgerüst aufzustellen. Er hatte es Mia versprochen. Für die kurze Zeit bis zu den Ferien hatte er seine Tochter nicht mehr im Kindergarten anmelden wollen. Bis zur Einschulung im Herbst sollte Mia im Garten ihr eigenes Spielparadies haben.

Allerdings entpuppte es sich als gar nicht so einfach, die vielen Stangen, Schrauben und Bolzen so zusammenzufügen, dass ein standfestes Gebilde dabei herauskam.

Christoph mühte sich eine Weile vergeblich damit ab. Er hatte dabei das deutliche Gefühl, eine Vorstellung zu geben, denn die neugierigen Blicke der Nachbarn waren fast greifbar.

»Geh mal rüber und hilf dem Christoph!«, sagte Anna zu Thomas Walter, der ihr wieder einmal einen seiner sinnlosen Besuche machte. »Du siehst doch, dass er das net allein schafft.«

»Was geht mich das an? Ich muss heim an meine eigene Arbeit. Außerdem hab ich dich besucht, net den Spinner vom Spukhof.«

»Was soll denn das heißen? Wenn du darauf ausgehst, den Christoph zu beleidigen, dann kannst dich schleichen, aber flott!«, rief das Madel verärgert aus. »Du weißt ganz genau, dass wir alte Freunde sind. Und ich dulde es net, dass einer hinter seinem Rücken über den Christoph herzieht, hast mich?« Sie blitzte ihn so böse an, dass Thomas erschrak.

»Ich wollte ja net über ihn herziehen. Ich sag nur, was alle in Gasting sagen. Dass einer, der auf dem Spukhof wohnt, selbst net ganz geheuer sein kann«, versuchte Thomas zu erklären.

»So ein Unsinn! Der Christoph hat den Erlenhof wieder herrichten lassen. Da gibt es nix Unheimliches mehr.«

»Du musst es ja wissen. Also, sehen wir uns heut Abend? Ich hab Karten fürs Bauerntheater gekauft. Es wird sicher lustig.«

»Dann viel Spaß. Hoffentlich findest eine Begleitung bis heut auf d’ Nacht. Ich komm nämlich net mit.«

»Und warum net?« Thomas machte ein verständnisloses Gesicht. »Gehst du etwa auf den Witwer aus? Der kann dir doch nix bieten. Jedenfalls net so viel wie ich.«

»Ich wär dir wirklich dankbar, wenn du jetzt endlich gehen könntest«, seufzte Anna entnervt. Sie fragte sich, was sie noch tun sollte, um Thomas endlich loszuwerden. Seine Sturheit war einfach grenzenlos. Da nutzte auch der Holzhammer nichts mehr.

»Schad, ich hätte den Abend gern mit dir verbracht.« Er musterte sie sehnsüchtig. »Ein andermal, gelt? Und versprich mir, dass du auf dich achtgibst, Anna!«

»Wie meinst du denn jetzt das?«, wunderte sie sich.

»Na ja, falls du den neuen Nachbarn besuchen solltest, am Abend vielleicht, wenn es schon dunkel ist …«

»Schon gut, ich hab verstanden. Füat di!« Sie schlug die Tür hinter ihm zu und schluckte einen Fluch herunter. Anna konnte sich nicht erinnern, dass ihr schon mal jemand dermaßen ausdauernd an den Nerven gesägt hatte …

Als das Madel wenig später nach drüben ging, hatte Christoph bereits Hilfe erhalten. Ihr Vater hatte mit angepackt, das Gerüst stand nun sicher, und die kleine Mia schaukelte bereits fröhlich juchzend. Christoph hatte sich mit einem Obstler bedankt, den Sepp Mayerhofer gern annahm. Nun machte er sich aber rasch wieder auf den Heimweg.

»Ich hab noch im Stall zu tun«, behauptete er knapp.

Der junge Architekt stutzte. »Dein Vater hat es ja plötzlich so eilig. Das versteh ich net. Eben war er noch ganz gemütlich.«

»Kein Wunder.« Das Madel deutete auf die Flasche Obstler, die auf dem Gartentisch stand. »Der Doktor hat dem Vater den Schnaps verboten. Die Mama und ich achten sehr drauf.«

»Oh, tut mir leid, das wusste ich net.«

»Ist net schlimm. Beim Obstler kann er leider nie Nein sagen, das ist seine Schwäche. Aber der Magen verträgt es halt nimmer.« Anna schaute sich um. »Hier ist noch eine Menge zu tun. Kannst du vielleicht Hilfe gebrauchen? Im Pflanzen und Beschneiden von Sträuchern bin ich ganz gut.«

»Ehrlich? Das wäre ja ein Segen. Ich hab schon daran gedacht, einen Gärtner zu engagieren, weil ich mich so gar net auskenne.«

Anna lachte. »Schmarren, das kriegen wir auch allein hin! Wie soll es denn aussehen?«

»Na ja, die alten Obstbäume will ich behalten. Der Rasen ist leidlich in Schuss. Aber die Beete … Ich weiß net, was man da machen soll.«

»Magst einen Nutzgarten oder lieber Blumen?«

»Ganz viele Blumen!«, rief Mia von der Schaukel her.

»Hörst? Der Chef hat gesprochen«, scherzte Christoph.

»Gut, dann pflanze ich dir ein paar Blumenbeete. Bei uns drüben blühen Lavendel, Rosen und Margariten. Ich glaub, das würde hier auch schön ausschauen, vor allem bei den alten Bäumen. Was hältst du davon?«

»Das überlasse ich ganz dir, du scheinst den grünen Daumen zu haben. Soll ich auch was tun?«

»Lieber net. Wenn ich dran denke, wie die Schaukel ausgesehen hat, bevor mein Vater mit angepackt hat …«

Er lachte. »Ja, du hast recht, in praktischen Dingen bin ich net so geschickt. Aber ich hab eine Idee; zum Dank für deine Hilfe bereite ich meine berühmte Lasagne zu. Du wirst staunen, wie gut die schmeckt. Einverstanden?«

»Lasagne, lecker!«, krähte Mia fröhlich.

»Gern.« Anna lächelte ihm lieb zu. »Dann fange ich gleich an.«

Es dauerte gar nicht so lange, wie das Madel geglaubt hatte, die Beete zu bepflanzen. Die Erde in dem alten Nutzgarten war fett und fruchtbar. Sie ließ sich leicht bearbeiten. Anna kaufte in der Gärtnerei im Dorf einige Stauden und Sommerblüher, pflanzte sie geschickt und goss zum Schluss alles an. Die kleine Mia ließ es sich nicht nehmen, ihr zu Hand zu gehen. Sie hatte ihre Freude daran, in der Erde zu buddeln, und förderte manch langen, dicken Regenwurm zutage, der auf der Hand ausgiebig bewundert wurde.

Als es vom Haus her sehr appetitlich zu duften begann, war Anna fast fertig mit ihrer Arbeit.

Christoph staunte nicht schlecht. »Der Garten ist ja net wiederzuerkennen. Anna, du bist eine Zauberin«, freute er sich. »Wunderbar hast du das gemacht!«

»Die alten Obstbäume müssen noch beschnitten werden, das mache ich morgen. Um den Rasen musst du dich allerdings selber kümmern, Mähen finde ich öde.«

»Ich lasse eine Blumenwiese stehen«, entschied er. »Dann spare ich mir diese Arbeit.«

»Eine weise Entscheidung.« Anna musste lachen, als Mia ihre kleinen »Grundpfötchen« in der Gießkanne waschen wollte. »Komm, das machen wir lieber im Badezimmer«, bestimmte sie, nahm Mia an der Hand und fragte Christoph: »Wann sollen wir denn zum Essen antreten, Herr Chefkoch?«

»Jederzeit, die Lasagne ist fertig. Beeilt euch lieber, jetzt schmeckt sie am besten!«

»Dann aber schnell!« Anna nahm Mia auf den Arm und eilte mit ihr nach drinnen. Christoph hörte seine kleine Tochter ausgelassen lachen und juchzen. Mit gemessenem Schritt folgte er den beiden. Er spürte, wie sich etwas in seinem Herzen regte. Seit Uschis Tod schien dort drinnen ein Stein zu liegen. Doch nun erwachte dieser plötzlich wieder zum Leben. Ein warmes Gefühl der Zuneigung ließ ihn ganz allmählich wieder geschmeidig und lebendig werden.

»Anna, du bist eine Zauberin«, murmelte er noch einmal versonnen vor sich hin. Und das stimmte, denn sie hatte nicht nur im alten Garten des Erlenhofs ein kleines Wunder vollbracht.

***

»Und? Hast du was erreicht? Geht sie heut Abend mit dir aus?« Georg Walter musterte seinen Sohn streng. »Oder hast du es wieder einmal versemmelt? Ich hoff für dich, dass das net der Fall ist. Die Karten für den Bauernstadel waren recht teuer.«

Thomas senkte den Blick. Diese Geste sagte eigentlich schon alles, noch bevor er zugab: »Sie will net, hat mir einen Korb gegeben. Ich versteh das net.«

»Aber ich.« Der Großbauer verzog verächtlich den Mund.

Thomas fühlte sich mal wieder wie ein Trottel. Es brodelte in seinen Eingeweiden, und eine rechte Wut erfüllte ihn. Doch nicht auf seinen Vater, der für den Burschen unantastbar war. Der Schuldige an der ganzen Misere war für ihn kein anderer als Christoph Baumgartner. Schließlich hatte er am Morgen ja erlebt, dass Anna nur Augen für den Nachbarn hatte. Alles, was dieser tat, interessierte sie, an allem nahm sie Anteil. Wenn Thomas etwas zu ihr sagte, hörte sie kaum hin.

»Der Baumgartner muss weg«, knirschte Thomas giftig.

»Wem sagst du das?« Sein Vater seufzte. »Und dafür werde ich wohl auch mal wieder sorgen müssen. Denn deine Anstrengungen, die laufen ja leider ins Leere.«

»Aber du willst doch net …« Der Bursch machte große Augen. »Jetzt, da der Erlenhof bewohnt ist, kannst nimmer dort ein und aus gehen, wie du magst, Vater. Stell dir nur vor, der Baumgartner erwischt dich und zeigt dich an! Mei, das wäre eine Blamage vor dem ganzen Dorf!«

Georg lachte verächtlich. »Heiß ich vielleicht Thomas? Ich weiß schon, was ich tue. Und ich will dir auch gern ein Geheimnis verraten: Ich war schon dort. Gleich in der ersten Nacht hat das kleine Madel einen Geist gehört …«

Dem Jungbauern blieb der Mund offen stehen vor Bewunderung. »Wie hast du das geschafft? Da sind doch überall neue Schlösser. Mei, Vater, du wirst doch keines geknackt haben wie ein richtiger Einbrecher?«

»Red keinen Schmarren. Ich hab mir vom Eberdinger einen zweiten Kellerschlüssel geben lassen. Es hat schon was für sich, wenn man gute Spezln in allen Berufen hat, vor allem, wenn auch ein Schlosser dabei ist …«

Thomas konnte es nicht fassen. »Willst du denn noch öfter dort ›spuken‹? Ist das net zu riskant?«

»Wenn man es richtig macht, geht alles. Ich will das finden, was ich schon so lange such. Und es ist mir ganz einerlei, ob auf dem Hof einer wohnt oder net. Heut Nacht geh ich wieder auf die Suche. Bei der Gelegenheit werde ich der Kleinen einen gehörigen Schrecken einjagen.« Er lachte dröhnend. »Es wird nimmer lang dauern, bis der Baumgartner wieder verschwindet, denn wer will schon auf einem Spukhof wohnen?«

Nach dem Abendessen fuhr Thomas in die Stadt, um sich das Theaterstück anzuschauen. Leider konnte er auf die Schnelle niemanden überzeugen, ihn zu begleiten. Nur die Altmagd zeigte Interesse, doch da winkte Thomas wiederum ab. Schließlich wusste ein jeder auf dem Erbhof, dass die alte Rosa jeden Abend beim Fernsehen innerhalb weniger Minuten einschlief und dann ausdauernd und lautstark sägte …

Georg Walter verließ sein Haus nach Mitternacht auf leisen Sohlen. Seinen Wagen ließ er stehen, schlich sich zu Fuß durch die Nacht wie ein Dieb. Er nahm einen Schleichweg, der zwischen einer seiner Weiden und einem Stadel direkt zum Erlenhof führte. So konnte er sein Ziel unbemerkt erreichen.

Es war eine milde Frühsommernacht, der Mond verschwand immer wieder hinter Wolken, was dem Großbauern nur recht sein konnte. Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass er des Nachts diesen Weg einschlug.

Georg Walter verfolgte mit dieser mehr als ungewöhnlichen Aktion ein spezielles Ziel. Es gab etwas auf dem Erlenhof, von dem nur er wusste und das er unbedingt in seinen Besitz bringen wollte. Alles hatte vor gut einem Jahr mit seinem Hobby, dem Sammeln regionaler Antiquitäten, angefangen …

Der Großbauer fuhr des Öfteren zu Auktionen, auf denen er dann antike Stücke aus dem näheren Umkreis ersteigerte. In seiner Sammelleidenschaft hatte er es schon auf eine beachtliche Anzahl von Spiegeln, Zierschränken, Kommoden und Gemälden gebracht. Vor etwas mehr als einem Jahr war er dann durch Zufall an den Nachlass eines Erlenhof-Bauern aus Gasting gelangt.

Der Hof befand sich erst in der dritten Generation im Besitz der Familie Baumgartner. Da das Anwesen aber mehrere Hundert Jahre auf dem Buckel hatte, waren hier schon viele weitere Generationen ein und aus gegangen.

Der Name des Bauern war Matti Brunner gewesen, er war 1931 verstorben. Neben einigen Büchern und persönlichem Besitz befand sich in dem Nachlass auch ein Tagebuch. Georg Walter hatte das Ganze nur deshalb ersteigert, weil es vom Erlenhof stammte. So hatte er zumindest ein klein wenig das Gefühl, schon etwas von dort zu besitzen.

Eher gleichgültig hatte er die Sachen zunächst durchgesehen, das Tagebuch einmal von vorne nach hinten geblättert und dann weglegen wollen, als sein Blick durch Zufall auf ein Wort gefallen war, das sogleich sein Interesse weckte: Goldtaler.

Er hatte die Stelle gelesen, dann weitergeblättert und sich schließlich völlig festgelesen. In einer Nacht hatte er das Tagebuch studiert. Danach hatte sein Entschluss festgestanden: Er musste den Goldschatz finden! Genau danach sah das, was der selige Matti Brunner da notiert hatte, nämlich aus, nach einem Schatz! Der Bauer hatte in den unsicheren Zeiten des Ersten Weltkriegs Angst gehabt, dass sein Erspartes verfallen könnte. Eine Inflation und alles wäre fort gewesen. Also hatte er sein Geld in Goldmünzen angelegt und diese dann im Haus versteckt. So jedenfalls stand es in dem vergilbten Buch.

Niemand wird sie finden. Mein Versteck ist narrensicher, hatte der Bauer notiert. Aus einigen weiteren Hinweisen hatte Georg Walter geschlossen, dass die Kiste mit den Goldmünzen sich im Keller des Erlenhofes befinden musste. Seither suchte er beinahe jede Nacht nach dem verborgenen Schatz. Bis jetzt ohne jeden Erfolg. Außer einigen kleineren Kellerräumen hatte er bereits jeden Zentimeter von Wänden und Fußböden abgeklopft und mit einem Metalldetektor untersucht – vergeblich.