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Juna ist verzweifelt: Ihre geliebte Gärtnerei steht kurz vor dem Aus. Da erreicht sie ein Anruf von ihrer alten Freundin Maria: Juna soll den Olivengarten auf Marias prachtvollem Anwesen auf Capri neu gestalten. Voller Freude nimmt sie den Auftrag an. Nur Marias Neffe Gino ist davon wenig begeistert.
Doch dann gerät die Zukunft des Gartens in Gefahr, und Juna und Gino müssen ihre Differenzen überwinden und zusammenarbeiten, um Marias Erbe zu wahren und den Garten zu retten. Dabei erkennt Juna, dass sich hinter Ginos harter Schale ein charismatischer Mann verbirgt, zu dem sie sich mehr und mehr hingezogen fühlt. Aber Gino wird noch immer von einem Ereignis aus der Vergangenheit verfolgt, und seine Vorstellungen von der Zukunft könnten kaum unterschiedlicher sein als die von Juna ...
Die Italien-Liebesroman-Reihe von Kerstin Garde geht weiter und verspricht jede Menge Romantik und italienisches Flair.
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Seitenzahl: 353
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
Esmeraldas Prosciutto e Melone
Über die Autorin
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Impressum
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Juna ist verzweifelt: Ihre geliebte Gärtnerei steht kurz vor dem Aus. Da erreicht sie ein Anruf von ihrer alten Freundin Maria: Juna soll den Olivengarten auf Marias prachtvollem Anwesen auf Capri neu gestalten. Voller Freude nimmt sie den Auftrag an. Nur Marias Neffe Gino ist davon wenig begeistert.
Doch dann gerät die Zukunft des Gartens in Gefahr, und Juna und Gino müssen ihre Differenzen überwinden und zusammenarbeiten, um Marias Erbe zu wahren und den Garten zu retten. Dabei erkennt Juna, dass sich hinter Ginos harter Schale ein charismatischer Mann verbirgt, zu dem sie sich mehr und mehr hingezogen fühlt. Aber Gino wird noch immer von einem Ereignis aus der Vergangenheit verfolgt, und seine Vorstellungen von der Zukunft könnten kaum unterschiedlicher sein als die von Juna …
KERSTIN GARDE
Juna
»Juna, hast du einen Moment? Wir brauchen dich im Rosarium«, krächzte es so laut aus dem Funkgerät, dass es in meinen Ohren schmerzte. Fast fiel es mir vor Schreck aus der Brusttasche meiner Latzhose, doch in letzter Sekunde konnte ich das Walkie-Talkie noch auffangen.
Rosarium? Das war doch gar nicht mein Aufgabenbereich. Ich war eigentlich für den Staudengarten zuständig. Auch wenn ich in den letzten Wochen immer wieder in anderen Pflanzenbereichen auf dem weitläufigen Gelände ausgeholfen hatte, doch bisher noch nie im Rosarium.
»Juna? Bist du da?« Mein Chef klang alles, nur nicht entspannt, obwohl er sonst immer gut drauf war. Eine echte Frohnatur. Normalerweise.
Besorgt drückte ich auf die Sprechtaste und hielt mir das Gerät vor den Mund.
»Bin ich. Was gibt’s denn, Luuk?« Mit der Schulter schob ich die Tür meines Spints zu, schloss ab und ließ den Schlüssel in meiner Hosentasche verschwinden, bevor ich mich auf den Weg nach draußen machte.
Das Sonnenlicht blendete mich, als ich den Personalbereich durch die offen stehende Tür verließ, weswegen ich die freie Hand wie einen Schutzschirm über meine Augen hielt, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatten.
Ein großes Banner wehte am Haupteingang im Wind, auf dem in dicken Lettern Floriade – International Garden Exhibition 2022 stand. Darunter in kleinerer Schrift April – Oktober. Die ersten Besucherinnen und Besucher standen schon Schlange. »Das schaust du dir am besten selbst an«, schnarrte es aus dem Walkie-Talkie zurück. »Beeil dich bitte. Es ist eine Katastrophe!« Luuks Stimme überschlug sich fast.
Überrascht starrte ich das Gerät an, als könnte es meine aufkeimenden Fragen beantworten. Was es natürlich nicht tat.
»Bin gleich bei dir«, versprach ich und steckte das Funkgerät in die Brusttasche meiner Latzhose zurück, um mich auf den Weg zum Rosarium zu machen, das, wie ich wusste, eine Saison-Attraktion war, die noch in der Vorbereitung steckte und erst in zwei Wochen ihre Pforten öffnen würde. Dann nämlich, wenn die Blütezeit der Rosen begann.
Entschlossen eilte ich zu den Fahrradständern nahe dem Haupteingang.
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich unter Tausenden Bewerberinnen und Bewerbern für das Praxissemester in der Landschaftsarchitektur ausgesucht worden war, um bei einem Event dieser Größenklasse aushelfen zu dürfen. Es erfüllte mich jedes Mal wieder mit Stolz. Denn dies war mein Traum, den ich nunmehr seit zwei Monaten im niederländischen Almere leben durfte. Eine einmalige Chance für mich als angehende Landschafts- und Gartenarchitektin, für die ich sogar mein Zimmer in meiner WG in Hamburg untervermietet hatte, nur um für ein halbes Jahr in diese kleine Stadt nahe Amsterdam ziehen zu können.
Geschwind schnappte ich mir meinen Drahtesel, der mir als Mitarbeiterin zur Verfügung gestellt worden war, um die weiten Strecken des Geländes zügig zurücklegen zu können.
Mit Schwung ließ ich mich auf meinem Sattel nieder und trat kräftig in die Pedale, radelte über den sandfarbenen Hauptweg und kam vorbei an dem französischen und dem niederländischen Pavillon, vor denen zwei Kollegen die landestypische Flora mit einem Gartenschlauch bewässerten.
Ich hob grüßend die Hand und bog nach links in einen kleinen Seitenweg ein, der eine Abkürzung darstellte. Wohin ich blickte, strahlten mir die unterschiedlichsten Grüntöne entgegen. Ein echtes Paradies für jeden Blumen- und Pflanzennarren. Nicht umsonst wurde die Expo auch »grüne Weltausstellung« genannt.
Für ein paar Meter ließ ich das Rad einfach gleiten, ohne in die Pedale zu treten, und streckte die Beine nach vorne aus, um meine Waden etwas zu entspannen, nachdem ich so kräftig losgeradelt war.
Der süße Duft der Blumenwiesen folgte mir, bis ich endlich zum Eingangstor des Rosariums gelangte.
Jemand von der Security bewachte einen grünen Bogen mit unzähligen Knospen, der zusätzlich mit einem Absperrband versehen war, ringsherum dienten gestutzte Hecken als natürliche Begrenzung. Ich bremste ab, stieg vom Rad und zeigte meinen Ausweis vor, woraufhin der Mann von der Security mir das Band hochhielt, sodass ich drunter hindurchschlüpfen konnte.
Hinter dem ersten Rosenbogen befanden sich weitere, die eine Art Gang formten.
Nach und nach wurde die Sicht auf einen Garten frei, der einzig aus Rosenbeeten bestand. Diese reihten sich in dreimal drei Meter großen Feldern aneinander. Unzählige Knospen reckten sich der Sonne entgegen, bereit, sich jeden Augenblick zu öffnen. Ein paar von ihnen taten es sogar schon.
Ein Spiel aus Farbenpracht und sanften Noten, die sich noch nicht gänzlich entfaltet hatten.
Ich entdeckte Luuk, der mitten auf dem Kiesweg stand und mir mit ausgestrecktem Arm zuwinkte. Neben ihm erspähte ich eine ältere Frau in einer Strickjacke, die Arme um sich geschlungen, als müsste sie sich an sich selbst festhalten. Ich merkte gleich, wie angespannt die beiden wirkten.
Irritiert ließ ich meinen Blick schweifen, doch die Beete sahen gut aus. Keine Katastrophe weit und breit.
»Da ist sie ja. Sie ist Studentin aus Hamburg, im letzten Semester vor den Abschlussprüfungen, aber lassen Sie sich davon nicht täuschen. Sie hat wahre Wunder in unserem Staudengarten vollführt, mit ihrem grünen Daumen mehrere Pflanzen gerettet, die andere schon aufgegeben hatten«, hörte ich Luuk auf Englisch über mich sagen, sein niederländischer Akzent war kaum herauszuhören. »Juna ist nicht nur im Begriff, eine hervorragende Landschaftsarchitektin zu werden, sie ist auch sozusagen unsere Ärztin für die Pflanzenwelt.« Für mich gingen Gartendesign und Pflanzenpflege Hand in Hand, sah ich die Gewächse doch auch als Zöglinge.
Die Dame nickte lediglich und zupfte an ihrer Strickjacke, als hätte sie dort eine zu lange Masche entdeckt.
»Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte«, erklärte ich atemlos, ebenfalls auf Englisch, weil man auf dem Eventgelände mit dieser Sprache am besten zurechtkam, und bemühte mich, erst einmal tief Luft zu holen.
Als ich die beiden erreichte, legte mir Luuk, ein breitschulteriger Mann mit einem rötlichen Dreitagebart, die Hand auf die Schulter. Gut, dass du endlich da bist, schien sein Blick zu sagen.
»Darf ich Ihnen vorstellen: Juna Jakobus.«
»Hallo«, meinte ich nur und hob die Hand. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was überhaupt vorgefallen war.
»Das ist Signora Maria di Castello«, sagte er und deutete zu der älteren Frau, die sich die grauen Strähnen mit beiden Händen hinter die Ohren strich.
»Oh«, machte ich und signalisierte Luuk, dass ich nun genau wusste, wen ich vor mir hatte.
Maria di Castello war niemand Geringeres als die Züchterin der bekannten Sophia Rose, die im Zentrum der Rosenfelder als besondere Blüte geehrt werden sollte. Diese war das Highlight des Rosariums. Die Königin der Rosen. Und Maria unser Ehrengast. Davon wussten alle Mitarbeitenden der Ausstellung, und auch in der hiesigen Presse hatte es Erwähnung gefunden.
Doch es war kein Wunder, dass die Sophia so viel Aufmerksamkeit auf sich zog, war sie doch etwas ganz Besonderes. Ein Zartrosa mit silbrigem Glanz überzog ihre Blüten, ähnlich der Sterling Silver Rose. In bestimmtem Licht wirkte sie geradezu ätherisch.
»Sehr erfreut«, sagte ich und nickte der Dame zu.
»Ich bin ein bisschen früher angereist, um vorher ein paar Freunde in Amsterdam zu besuchen und Geschäftstermine wahrzunehmen. Bei der Gelegenheit wollte ich auch einen Blick auf meine Rosen werfen«, erklärte sie. »Sie können sich denken, dass mir als Züchterin sehr wichtig ist, wie die Sophia hier präsentiert wird. Und dann musste ich diese … furchtbare Entdeckung machen.«
Entdeckung?
»Luuk, was ist denn nur los?«
Mein Chef atmete tief ein, sodass sich nicht nur sein Brustkorb aufblähte, sondern sich seine breiten Schultern fast bis zu seinen Ohren hoben.
»Wir hatten an einem angrenzenden Beet einen Schädlingsbefall, der mit einem biologisch abbaubaren Pflanzenschutzmittel behandelt wurde. Zur Sicherheit haben wir auch die Nachbarbeete mitversorgt. Es scheint jedoch, als hätte ausgerechnet die Sophia die Behandlung nicht vertragen«, erklärte mir Luuk.
»Aber wir testen solche Mittel doch vorher an einzelnen Exemplaren, bevor wir sie großflächig anwenden.«
Mein Chef nickte bedauernd. »Das haben wir natürlich gemacht. Es gab auch zunächst keine Probleme. Aber dann zeigte die Sophia eine unerwartete Spätreaktion.«
Das war ja furchtbar. Endlich verstand ich, was passiert war.
»Wir haben auch schon mit Katja geredet.« Katja war die Hauptverantwortliche für das Rosarium. »Sie meint, wir können nichts mehr tun. Ich möchte aber, dass du dir das Beet noch mal anschaust, vielleicht fällt dir etwas ein, um es zu retten. Wenn es jemand schafft, dann du.«
Ich war berührt von seinem Vertrauen in mich. Bisher hatte ich keine Pflanze aufgegeben, egal ob Stauden, Tulpen oder Frühlingsanemonen. Ich nickte daher, wollte sofort los und drehte mich spontan um. Prompt stieß ich gegen eine Wand und verlor das Gleichgewicht. Überrascht taumelte ich zurück, bis eine Hand nach meinem Arm griff, um einen Sturz zu verhindern. Und diese Hand gehörte der Wand, oder vielmehr dem Mann, den ich aufgrund seiner enormen Größe zuerst für eine Wand gehalten hatte. Erstaunt schaute ich zu ihm hoch. Wie aus dem Nichts war er hier plötzlich aufgetaucht.
Noch immer hielt er mich fest, während ein überraschend angenehmes Aroma in meine Nase stieg. Eines, das den zarten Duft der ersten geöffneten Rosenblüten überdeckte und eine Note von Moschus enthielt.
»Entschu…«
»Haben Sie denn keine Augen im Kopf?«, unterbrach er mich jäh und ließ ärgerlich von mir ab.
Verdattert starrte ich diesen Hünen mit den dunklen schulterlangen Haaren an. Der angenehme Duft war sofort wie verflogen.
Brummend hob er sein Handy vom Boden auf, das ihm bei unserem Zusammenprall aus der Hand gefallen war. »Ich habe alles mit Fotos dokumentiert, Prozia.«
Prozia … das bedeutete Großtante. War mein Italienisch also doch noch nicht ganz eingerostet. Beiläufig ließ er das Handy in seiner Hosentasche verschwinden. Dabei warf er mir einen weiteren verärgerten Blick zu. Genervt pustete ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
»Wenn ich vorstellen darf, das ist Giorgio di Castello. Er begleitet mich zu der Ehrung.«
Tja … sehr erfreut? Ich verkniff mir jeden bissigen Kommentar. So wie der mich angefahren hatte, wäre die Retourkutsche alles, nur nicht professionell. Außerdem ging es nicht um persönliche Animositäten, sondern um die Rettung einer Rose.
»Die Ehrung, die, wie es aussieht, wohl ins Wasser fällt. Das ganze Beet ist verwelkt«, ergänzte er.
»Wir werden sehen, was man da machen kann«, entgegnete ich.
»Nicht viel, es sei denn, Sie können zaubern«, gab er bissig zurück.
»Vielleicht kann ich das.« Herausfordernd reckte ich ihm das Kinn entgegen, was ihm nur ein halb amüsiertes, halb arrogantes Kopfschütteln entlockte. Doch bevor ich mich weiter mit ihm stritt, wollte ich mir einen Überblick verschaffen.
Wir liefen ein Stück um die Anordnung herum und bogen in einen kleinen Seitenweg in die Beete ein.
Der pyramidenförmige Aufbau führte uns zu dem Sophia-Rosen-Beet, das in der Mitte der Anlage prangte. Mir blieb in derselben Sekunde das Herz stehen, als wir es erreichten. Giorgio di Castello hatte die Wahrheit gesagt. Die Blüten waren schlaff und hatten ihre schöne Farbe verloren. Hängende Sträucher ohne jede Kraft.
»Und? Habe ich Ihnen zu viel versprochen?«, fragte er und fixierte mich mit seinen intensiven Augen, in denen ein stiller Vorwurf lag, als machte er mich persönlich für den Schlamassel verantwortlich. Ich hatte noch nie so dunkle Iriden gesehen, die trotz ihrer Härte etwas Faszinierendes an sich hatten. Ein bisschen hatte ich das Gefühl, dass er tief in mich hineinschauen konnte, was mich nervös machte. Verwirrt über meine eigene Reaktion, richtete ich mein Augenmerk wieder auf das Feld.
»Darf ich es mir näher ansehen?«, fragte ich die Signora, die mir zunickte.
Vorsichtig schob ich mich an einigen Sträuchern vorbei, musterte die verfärbten Blätter, prüfte die Kraft der Stängel und tastete mit den Fingerspitzen vorsichtig die Erde ab, die sich angemessen feucht anfühlte. Ich seufzte ernüchtert. Katjas Einschätzung war nicht falsch. Die meisten Rosen waren nicht mehr zu retten. Selbst ich vermochte es nicht, denn sie waren bedauerlicherweise eingegangen. Zu meiner Überraschung hatten jedoch ein paar wenige Exemplare der Sophia überlebt. Immerhin. Das musste meiner Kollegin wohl entgangen sein. Oder sie hatte schlicht gedacht, dass die paar verbliebenen Rosen das Beet kaum retten konnten.
Ich kehrte zu den anderen zurück.
»Was werden Sie nun unternehmen?«, fragte Maria di Castello unglücklich und schaute zwischen Luuk und mir hin und her. »So können wir das Beet nicht der Öffentlichkeit präsentieren.«
Mit mehr Zeit wäre es sicher zu bewerkstelligen, das Beet neu zu bepflanzen, aber in zwei Wochen war schon die Ehrung. Unmöglich, das zu schaffen. Die neuen Rosen müssten erst aus Italien hergeschickt werden und würden eine Weile brauchen, ehe sie sich von den Strapazen des Einpflanzens erholt hätten. Mindestens einen Monat, schätzte ich, was natürlich viel zu lange wäre.
Es brauchte also eine andere Idee. Just in der Sekunde hatte die angehende Landschafts- und Gartenarchitektin in mir einen Geistesblitz. Denn mit den verbliebenen Rosen konnte man doch etwas anfangen!
»Was halten Sie von einem italienischen Renaissance-Garten?«
Es wäre das perfekte Motto für die Sophia, die ja auch eine Italienerin war.
»Oder vielmehr eine Miniatur-Variante mit kleinen Brücken und Wasserspielen, wie man sie in einem Modellbauladen erstehen kann. Ich konnte eben ein paar wenige Sträucher ausmachen, die nicht von dem Mittel angegriffen wurden. Wir belassen diese, wo sie sind. Eine Umpflanzung würde sie gefährden, doch wir bauen alles andere um sie herum auf. Ihre Besonderheit und Einzigartigkeit wird dadurch erst richtig zur Geltung kommen. Stellen Sie sich vor, wie die Leute an diesem Beet vorbeigehen, all die wunderbaren kleinen Details entdecken und sich ihr Augenmerk schließlich auf das Highlight des Kunstwerks richtet. So bleibt Ihre Rose in Erinnerung, weil sie eingerahmt wird von bunten Blumen und fantastischen Arrangements.«
Maria und Giorgio schauten auf das Beet und ich konnte ihnen ansehen, wie sie sich meine Vision vor ihrem geistigen Auge vorstellten.
Ganz langsam zeigte sich ein Lächeln auf Marias Gesicht. Und ja, ich bildete es mir nicht ein, auch auf Giorgios. Obwohl man das unter diesem wilden Dreitagebart kaum erkennen konnte.
»Ihr Vorschlag gefällt mir«, sagte Maria.
Luuk atmete sichtlich auf. »Mir ebenfalls. Ich werde es arrangieren, dass Juna sich ab sofort um die Fertigstellung des Beets kümmern wird. Auch die Materialien werden zur Verfügung gestellt. Schließlich geht es hier um die Eröffnung der Rosengärten und die Ehrung der Sophia Rose, unserem Highlight! Da wird sich also auf jeden Fall etwas machen lassen.«
»Das hört sich gut an, aber wenn Frau Jakobus sonst für die Stauden zuständig ist … da möchte ich ihr keine doppelte Arbeit aufhalsen.«
»Katja wird die Stauden für diesen Zeitraum übernehmen, dort stehen auch ein paar Umgestaltungen für den nächsten Monat an. Zudem, unsere Mitarbeiterinnen kennen sich in der Pflanzenwelt aus und sind flexibel. Ich spreche nachher mit ihr. Damit wird sie einverstanden sein«, war Luuk überzeugt.
»Wunderbar. Die Ideen von Frau Jakobus finde ich fantastisch. Ich habe Vertrauen in sie. Außerdem möchte ich meine Hilfe bei der Fertigstellung des Beets anbieten. Ich bin ja nun sowieso die nächsten Tage bis zur Ehrung hier und könnte aktiv mitgestalten. Sofern nichts dagegenspricht. Es würde mir große Freude machen.«
»Und deine Termine in Amsterdam?«, gab Giorgio zu bedenken.
»Ich bekomme schon alles unter einen Hut.«
»Na schön, Prozia.«
»Es wäre mir eine Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten«, stimmte ich begeistert zu und zugleich berührt von dem Vertrauen, das alle in mich setzten.
Giorgio wandte sich zu mir um. »Grazie, dass Sie meiner Großtante helfen, Frau Jakobus. Bitte verzeihen Sie, wenn ich unleidlich auf Sie gewirkt habe, doch dieser Moment ist für meine Prozia sehr bedeutsam.«
»Schon vergessen.« Immerhin entschuldigte er sich nun. Außerdem hatten wir alle unter Anspannung gestanden. Aber jetzt war ein Licht am Horizont zu sehen. Ich war sicher, zusammen würden wir ein wunderbares Beet kreieren.
Juna
Zwei Jahre später
»Es waren drei Absagen?« Marla nippte an ihrem Milchkaffee und blickte mich über den Rand der Tasse hinweg an. In ihren Augen schimmerte Sorge.
Meine alte Freundin aus Schulzeiten trug eine schrille Frühlingsjacke mit einem undefinierbaren Muster, das sicher als abstrakte Kunst durchging und somit die perfekte Wahl für sie war, war sie doch die kreativste Person, die ich kannte.
Sogar eigene Ausstellungen hatte sie schon präsentiert mit ihren vielseitigen Werken, unter denen sich Gemälde bis hin zu Stahlkonstruktionen mit Neonlichtern befanden. Eben abstrakte Kunst.
Aber heute saßen wir nicht in dem kleinen verträumten Café in der Nähe des Hamburger Hafens, um über Kunst zu reden.
»Drei Absagen«, bestätigte ich betrübt.
Das Durchstarten hatte ich mir nach Almere und der Beendigung meines Studiums wirklich anders vorgestellt. Ich hatte gehofft, dass meine Teilnahme an der Grünen Weltausstellung für einen Karriere-Schub sorgen würde. Insbesondere, nachdem Bilder von meinem Renaissance-Garten mit der Sophia Rose in Fachmagazinen veröffentlicht worden waren. Die Rettung des Beetes war ein voller Erfolg gewesen, und der Miniatur-Garten zu einem Highlight der ganzen Expo geworden. Maria di Castello war überaus zufrieden und die Sophia in aller Munde gewesen.
Für mich waren die Auswirkungen der Ausstellung jedoch gering. Almere war eben nicht in Deutschland. Hier waren die Wellen nicht so hoch geschlagen. Die Folge war, dass meine eigene kleine Gartenbau-Firma, die ich nach dem Studium gegründet hatte, um ihre Existenz kämpfte. Ich hatte drei Kunden in nur zwei Wochen verloren. Das war eine schlechte Bilanz.
»Und was hast du jetzt vor?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Die Werbeanzeigen und Annoncen haben nicht viel gebracht.«
Dabei war jetzt, im Frühjahr, die perfekte Zeit, um sich den Garten für den Sommer gestalten zu lassen. Allerdings bevorzugten derzeit wieder Menschen, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Aus Kostengründen.
»Ich werde mal in meinem Bekanntenkreis herumfragen, ob jemand eine professionelle Gartengestaltung benötigt.«
»Danke, das ist lieb.«
»Wenn ich selbst einen Garten hätte, würde ich dich sofort engagieren. Ich habe ja keinen grünen Daumen und bin sicher, du würdest das Optimum herausholen.«
Ich lächelte. Marla schaffte es irgendwie immer, einen aufzubauen.
»Vielleicht war die eigene Firma ja doch ein Fehler.« Ich nippte an meinem Cappuccino.
»Was soll das denn heißen? Das war doch immer dein Traum. Seit wir in der Neunten die Praktika gemacht haben! Du warst bei diesem Landschaftsbauer und danach total verliebt in die Arbeit.«
Ja, genau so war es gewesen, ich hatte fortan unbedingt selbst Gärten und Anlagen gestalten wollen. Als Neuling und Ein-Frau-Unternehmen kam ich aber für größere Projekte kaum infrage. Und nun haperte es auch noch an einem zuverlässigen Kundenstamm. Manche Träume erfüllten sich eben nicht.
»Du wirst doch jetzt nicht so schnell aufgeben.« Marla stützte ihr Kinn in die Hand, während sie mit der anderen ihren Kaffee umrührte und noch etwas Zucker nachgab. Mir taten die Zähne schon beim Anblick weh, der Cappuccino musste bereits extrem süß sein.
»Wer weiß, vielleicht meldet sich ja bald ein Großkunde bei dir?«
»Ach, so etwas passiert in Filmen, aber nicht im realen Leben.«
»Ich sage immer, wer aufgehört hat, an Wunder zu glauben, hat schon verloren.«
Das war schön gesagt, änderte aber nichts daran, dass es im Moment ein wenig düster aussah. Um die Firma gründen zu können, hatte ich einen Kredit für Start-ups aufnehmen müssen, um Gartengerätschaften und deren Unterbringung anschaffen zu können. Zudem hatte ich einen gebrauchten Minitransporter erworben und die Aufschrift Grüne Wunder – Wir bringen Ihren Garten zum Blühen anbringenlassen. Ich hatte damit gerechnet, alles innerhalb von drei Jahren komplett zurückzahlen zu können, doch stattdessen war eine Kreditumschuldung nötig geworden, die mir bei der Bank zum Glück gewährt worden war. Ich hatte somit den ersten Kredit mithilfe des zweiten beglichen, wobei der zweite bessere Konditionen aufwies und mir dadurch ein Puffer blieb. Jetzt zahlte ich weniger, aber dafür länger zurück. Natürlich auch mehr Zinsen, und ich blieb auch länger an die Bank gebunden. Aber das war die Sache wohl wert. Da ich außerdem noch immer in derselben WG lebte wie vor zwei Jahren, war zumindest die Mietzahlung relativ gut zu bestreiten. Durch die noch bestehenden Aufträge verdiente ich gerade genug, um für meinen Lebensunterhalt aufzukommen. Wenn nun aber weitere Kundschaft absprang, wonach es leider aussah, würde sich die Situation abermals verschärfen.
»Tja, an Wunder zu glauben ist ein Luxus, den ich mir im Augenblick nicht leisten kann.« Ich blickte über Marlas Schulter hinweg die Straße runter und schaute dann auf die Uhr auf meinem Handydisplay. »Sag mal, kommt Minna heute gar nicht?« Das hier war immerhin ein regelmäßiger Termin. Einmal die Woche trafen wir uns in der Kakao-Bar, um über alte Zeiten zu plaudern. Oder die Widrigkeiten des Lebens.
»Oh, das habe ich völlig vergessen, dir zu sagen. Sie schreibt an ihrem Roman und hat absolut keine Zeit. Nicht mal für eine Mittagspause im Café.«
»Verstehe. Na ja, egal. Ich muss leider auch los, ein Auftrag wartet.« Einer der wenigen, die ich noch hatte. Rasch trank ich meinen Cappuccino aus und kramte in meiner Börse nach ein paar Münzen.
»Lass mal stecken, ich lade dich natürlich ein!«
»Ehrlich?«
»Aber ja doch.«
Ich drückte Marla. »Du bist die Beste.«
»Weiß ich. Und du gib nicht auf, hörst du? Es ist dein Traum, vergiss das nicht.«
Ich nickte. Sicher, auch wenn ich wenig Hoffnung hatte, das Ruder rumzureißen. Schon eilte ich zu meinem Kleinbus, um zu meinem Kunden zu fahren. Doch kaum hatte ich mich hinters Steuer gesetzt, bimmelte mein Handy.
Ich ging rasch ran und stockte, als ich die Stimme von Herrn Wegener erkannte, den ich jetzt eigentlich aufsuchen wollte, um seinen Garten in Form zu bringen, wie ich es schon letztes Jahr getan hatte. Ein komplette Neuanordnung und Neubepflanzung, mit Hinblick auf Platzeinsparung.
»Tut mir sehr leid, Ihnen so kurzfristig absagen zu müssen, aber uns ist etwas dazwischengekommen. Wir melden uns bei Ihnen, wenn wir wieder Ihre Hilfe benötigen.«
Aufgelegt.
Wie ich solche Anrufe liebte. Der hatte nicht mal den Mumm gehabt, direkt abzusagen und hatte etwas Kurzfristiges, was dazwischengekommen war, vorgeschoben. Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen das Lenkrad sinken. Wieso ging nur alles in letzter Zeit schief?
Als ich abends nach Hause kam, hatte ich zumindest noch einen treuen Stammkunden aufsuchen können, der mit meiner Arbeit überaus zufrieden war. Ich hatte eine Pergola aufgestellt und mit Ranken bepflanzt. Außerdem einen neuen Weg fertiggestellt, den ich letzte Woche begonnen hatte. Aber mein Kundenstamm wurde kleiner und kleiner. Ich musste mir langsam etwas einfallen lassen, um über die Runden zu kommen. Normalerweise waren solche Dinge einkalkuliert in meiner Jahres-Planung, aber da das Geschäft nicht lief, konnte ich auch nicht von meinen Reserven zehren, weil sie schlicht nicht da waren. Da musste wohl ein Nebenjob her.
Meine Eltern hatten mir geraten, das Geschäft aufzugeben. Was ich abgelehnt hatte.
»Arbeite doch in einem kleinen Blumenladen«, hatte Mama vorgeschlagen. Als wenn das auch nur annährend dasselbe wäre. Nichts gegen Blumenläden und die Kunst, ein Gesteck zu flechten. Ich bewunderte diese Fähigkeit.
»Oder schau mal, ob dieser Großgärtner eine Verkäuferin brauchen kann.«
Wozu hätte ich dann studiert? Ich war weder Floristin noch Gärtnerin. Ich wollte nicht nur die Erde unter meinen Händen spüren, Unkraut jäten und Blumen anpflanzen, ich wollte ein komplexes, in sich schlüssiges Design kreieren, die Fläche, die zur Verfügung stand, neu strukturieren, nachhaltige Aspekte berücksichtigen und neueste Technologien anwenden.
Trotz der etwas ungeeigneten Vorschläge fürchtete ich allmählich, dass Mama und Papa in zumindest einer Hinsicht recht hatten: dass es für kleine Gartenbaufirmen wie meine einfach nicht mehr möglich war zu existieren. In den letzten beiden Jahren hatte sich einfach viel geändert. Die Leute hatten kein Geld oder wollten nicht für eine professionelle Umgestaltung zahlen, sondern diese selbst vornehmen. Es wurde an allen Ecken und Enden gespart, dank steigender Preise für Energie und Lebensmittel. Und auch für mich waren die Kosten für Substrate, Pflanzen, Düngemittel oder Benzin für meinen Transporter in die Höhe geschnellt.
Und natürlich wollte auch der neue Kredit abbezahlt werden, ebenso wie der Vermieter meiner WG seine Miete kassieren wollte. Einen Umzug in meine eigenen vier Wände hatte ich noch nicht gewagt, was sich nun als Glück herausstellte. So war zumindest dieser Posten noch erschwinglich. Trotzdem, ich brauchte händeringend einen Zweitjob. Irgendeinen.
Ich duschte, zog mich um und schnappte mir die Tageszeitung, die ich genau zu dem Zwecke heute mitgenommen hatte, und blätterte darin. Nageldesigner/in für Studio gesucht. Sie sind Arzthelfer/in? Bewerben Sie sich jetzt.
Nichts mit Garten. Nichts mit Pflanzen. Seufzend legte ich die Zeitung wieder zur Seite. So sah es also aus. Mit Anfang dreißig hatte ich mich offenbar völlig verkalkuliert und in die Nesseln gesetzt.
Und wenn ich doch verkaufte? Konnte ich dann den Kredit zurückzahlen und verschaffte es mir Zeit, etwas Neues zu finden? Es gab ja durchaus erfolgreiche Gartenbaufirmen. Vielleicht hatte jemand den Mut, eine Berufseinsteigerin einzustellen?
Just in dem Moment bimmelte mein Handy. O nein! Wann immer mein Mobiltelefon sich meldete, fürchtete ich, dass jemand aus meinem Kundenstamm absagen wollte.
Ich zuckte vor Schreck zusammen.
Allein bei dem Gedanken klopfte mein Herz schneller. Aber es half ja nichts, ich musste mich dem stellen.
Ich zog das Mobiltelefon aus meiner Hosentasche und warf einen Blick aufs Display.
Maria di Castello.
Was wollte denn Maria von mir?
Schon hatte ich das Gespräch angenommen.
»Maria? Das ist ja eine Überraschung, was kann ich für dich tun?« Seit Almere duzten wir uns, waren gute Freundinnen geworden. Zudem beherrschte ich ein wenig Italienisch, dank der unvergesslichen Sommerurlaube mit meinen Freundinnen in unserer damaligen Schulzeit. Wie doch die Rettung eines Beetes zusammenschweißen konnte.
»Liebe Juna, wie gut, dass ich dich erreiche. Ich habe eine ganze wichtige Frage an dich.«
»Ach ja?«
»Weißt du, ich muss immer wieder an deinen Renaissance-Garten in Almere denken. Du hast mir damals so sehr geholfen, und deine Kreativität und Liebe zu den Pflanzen hat mir sehr gefallen. Ich habe mich in dir wiedererkannt. Wir sind – wie man so schön sagt – aus demselben Holz geschnitzt. Und deswegen rufe ich an. Ich hätte gerne einen Renaissance-Garten für mein Anwesen auf Capri, diesmal allerdings in echter Größe.«
Sie lachte herzlich. Mir hingegen blieb die Spucke weg.
»Auf meinem Anwesen gibt es einen Bereich mit vielen wunderschönen Olivenbäumen. Ich denke, es ist der ideale Platz für das Ambiente. Was meinst du?«
Mein Herz schlug sofort schneller. Sollte das etwa ein Jobangebot werden? Ausgerechnet jetzt?
»Ich weiß nicht, wie deine derzeitige Auftragslage ist und ob du die Zeit für das Projekt erübrigen könntest. Aber wenn es möglich wäre, würde ich mich sehr freuen, dich auf Capri begrüßen zu dürfen.«
Jetzt wurde mir vor Aufregung regelrecht schwindelig. Das war ja … wie ein Wunder! Genau was ich brauchte.
»Du möchtest, dass ich deinen Garten neu arrangiere?«, hakte ich zur Sicherheit nach, bevor ich noch etwas falsch verstanden hatte.
»Ganz genau!«, bestätigte Maria. »Die Details würden wir vor Ort besprechen. Ich möchte etwas frischen Wind in das Anwesen bringen. Hier ist alles sehr alt und verstaubt. Natürlich wärst du außerdem mein Gast, müsstest dich um nichts kümmern. Die Anreise, Unterkunft, Logis, das alles ginge selbstredend auf mich. Was sagst du, Juna? Kannst du dir das vorstellen?«
Und ob! Das klang wie ein Traum! Ich konnte nach Italien? Ich durfte Capri kennenlernen? Und das tun, was ich liebte? Einen Garten gestalten!
War das nicht genau der Auftrag, auf den ich händeringend gehofft hatte, um mein kleines Geschäft halten zu können?
»Ich würde sehr gerne für dich arbeiten!«, rief ich aus.
»Wunderbar. Ich freue mich sehr darüber. Vielleicht besprechen wir alles Weitere morgen in Ruhe, wenn ich wieder in meinem Büro bin und den Terminkalender vor mir habe.«
»Natürlich!«
»Grazie, Juna. Bis bald.«
Schon hatte sie aufgelegt, und ich konnte immer noch nicht glauben, was soeben passiert war. Marlas Wunder war eingetreten! Ich hatte einen riesigen Auftrag an Land gezogen, der alles noch mal verändern konnte.
Marla!
Ich musste es ihr sofort mitteilen und rief sie direkt an.
»Ja, Süße, was gibt’s denn?«, ging sie schon ran, und ich redete einfach drauflos. Ich war nicht sicher, ob sie mir folgen konnte, weil ich so aufgeregt war, dass alles aus mir hervorsprudelte wie bei einem Wasserfall.
»Habe ich das richtig verstanden? Du hast einen Auftrag in Italien an Land gezogen?«
»Ja, ganz genau! Du hattest recht, Marla. Es gibt Wunder.« Ich konnte es selbst noch nicht glauben.
»O mein Gott, ich freue mich ja so für dich! Und dann auch noch Italien«, seufzte Marla. »Wie gerne würde ich dich begleiten.« Italien hatte einen ganz besonderen Platz in unser beider Herzen, und es steckte auch eine aufregende Geschichte dahinter.
»Das waren damals wirklich zwei tolle Sommer.«
Ich schloss einen Moment die Augen, dachte daran zurück, wie unsere Clique Sommerjobs in Italien angenommen, die Sprache und das Land kennengelernt hatte. Wir waren an der Amalfi-Küste und in Rom gewesen. Wir vier Schulfreundinnen.
Dazu gehört hatten noch Minna, die heute Romane schrieb, und Helene, die letztes Jahr sogar die große Liebe auf Sizilien gefunden hatte.
Wir Freundinnen hatten uns damals Hals über Kopf in dieses wunderschöne Land am Mittelmeer verliebt. Entsprechend war auch Marlas Reaktion auf meine Neuigkeiten.
»Der Wahnsinn!«
Das konnte sie aber laut sagen. Und es kam genau zur rechten Zeit.
»Aber sag, wer hat dir denn diesen Job gegeben?«
»Maria di Castello.«
»Ist das die Rosenzüchterin, von der du mir so viel erzählt hast?«
»Aus Almere, genau.«
»Das hat etwas zu bedeuten, da bin ich mir ganz sicher. So viele Zufälle kann es ja nicht geben, oder? Erst triffst du sie in Almere, rettest ihr Beet, und nun rettet sie womöglich dein Geschäft! Das ist Karma!«
Ich schmunzelte, vielleicht hatte sie recht.
In meinem Kopf ging es drunter und drüber. Ich musste packen. Nein, ich wusste ja noch gar nicht, wann genau ich anreiste. Das klärten wir ja erst morgen. Ich musste außerdem meine Mitbewohnerin Elise fragen, ob sie ein Auge auf meine Post haben würde. Das würde sie bestimmt machen.
»Jetzt hast du keine andere Wahl, außer mir recht zu geben, Wunder gibt es wirklich!«
Ich hörte förmlich, wie sie zwinkerte.
Sie hatte recht. Ich sollte das Wunder genießen. Das war genau das, was ich jetzt brauchte.
Ein Job in Italien, um den Kopf freizubekommen, mir in aller Ruhe zu überlegen, wie es danach mit meiner Firma weitergehen würde, und außerdem konnte ich noch meine eigene kreative Ader ausleben. Besser ging es nicht!
Juna
Ich hatte es getan. Zwei Wochen nach Marias Anruf stieg ich aus dem Flieger am Flughafen von Neapel, spürte, wie die italienische Frühlingssonne meine Wangen wärmte, während ich in den Bus stieg, der uns zum Flughafengebäude brachte.
Mein Herz hüpfte vor Glück, dass ich die Möglichkeit bekam, eine neue Seite meines Sehnsuchtslandes kennenzulernen. Nachdem ich mit meinen damaligen Schulfreundinnen Sommerferien in Rom und an der Amalfi-Küste verbracht hatte, war dies mein dritter Besuch. Erneut in der Region Kampanien. Und die Tatsache, dass es diesmal nach Capri ging, versetzte mich in Euphorie. Vom Hafen aus sollte es direkt auf die Trauminsel gehen.
»Un piacevole soggiorno«, wünschte der Fahrer. Einen schönen Aufenthalt. Den würde ich haben!
Es war alles geregelt. Um meine Wohnung, meine Pflanzen und meine Post wurde sich dank Elise gekümmert. »Ist doch Ehrensache«, hatte meine Mitbewohnerin gesagt. Termine hatte ich verlegt, um für diesen Auftrag Zeit zu haben. Mein Kostenvoranschlag war bei Maria eingegangen und ihm war zugestimmt worden. Ich konnte mich also voll und ganz aufs Hier und Jetzt konzentrieren.
Die Fluggäste stiegen aus dem Bus und strömten durch Drehtüren in den Aeroporto di Napoli-Capodichino, der durch seine kastenförmige Bauweise mit verglasten Fronten imponierte. Ein bisschen, als wäre man in einem äußerst stylischen Schaukasten.
Wenn mich jemand fragen würde, was ich an Italien liebte, gäbe es darauf keine einfache Antwort, weil so vieles mit reinspielte. Ich liebte das Flair, die Landschaft, die Atmosphäre, die Menschen, das gute Essen und die wunderbare Musik, die Kunst und Kultur, die alten Ruinen, für die die Region Kampanien berühmt war.
Ich könnte wohl eine ganze Abhandlung über all dies verfassen und es wäre immer noch nicht ausreichend.
Ich folgte der Menge zu dem Gepäckband und wartete auf meine zwei Koffer. Da ich einige Zeit hier verbringen würde, hatte ich entsprechend viel Gepäck mitgenommen. Zwei Monate Capri, so hatten es Maria und ich vereinbart. Mein Aufenthalt ging also bis in den Sommer hinein. Und dabei verdiente ich sogar noch Geld!
Ihr Anwesen hatte ich mir bereits mit Google Maps angesehen. Es sah traumhaft aus und befand sich an der nordöstlichen Spitze der Insel, nahe der bekannten Villen Lysis und Jovis. Zweifelsohne konnte sich dort eine Landschaftsarchitektin austoben.
Ich beobachtete, wie die Leute, die mit mir im Flugzeug gesessen hatten, bereits ihr Gepäck vom Band nahmen. Meine Koffer wollten aber einfach nicht auftauchen. Das machte mich allmählich nervös.
Aber schön, gut Ding will Weile haben. In Gedanken war ich schon längst am Molo Beverello, ging an Bord der Fähre und setzte mit dieser zur Insel Capri über.
Nach einer weiteren halben Stunde vergeblichen Wartens wurde ich allerdings noch unruhiger. Neue Leute kamen an das Band, schnappten sich ihre Taschen. Meine blieben verschwunden. Und eine Viertelstunde später war ich mir schließlich sicher, dass kein einziger Gast meines Flugs mehr hier war und meine Koffer verloren gegangen sein mussten. Meine Knie wurden weich. Ich wischte mir über die Stirn, das fing ja gut an! Weiter zu warten, brachte jedenfalls nichts, so viel stand fest.
Was machte man in so einer Situation? Ich googelte rasch mit dem Handy, wer jetzt mein Ansprechpartner war, und fand heraus, dass es ein Servicebüro jeder Fluggesellschaft gab, das für genau solche Fälle zuständig war.
Mit zitternder Hand verschwand das Mobiltelefon wieder in meiner Handtasche. Wenigstens hatte ich alle wichtigen Dokumente und mein Geld im Handgepäck. Hektisch schaute ich mich um, stieß fast gegen ein junges Paar, das mit Trolleys durch den Gang eilte, auf der Suche nach ihrem Check-in.
Ich erlaubte mir erst aufzuatmen, als ich vor dem Servicebüro der Fluggesellschaft hielt, mit der ich geflogen war. Mit gestrafften Schultern betrat ich es, um meinen Fall zu schildern. Zum Glück war mein Italienisch recht gut. Während meiner Sommerjobs hatte ich gar nicht anders gekonnt, als mir diese wohlklingende Sprache anzueignen. Dadurch fühlte ich mich gewappnet. Ein bisschen eingerostet war ich natürlich schon, aber für diese Sache würde es reichen.
Kaum hatte ich das Büro betreten, linste mir eine junge Frau hinter dem Tresen müde entgegen.
Bestimmt musste sie sich im Laufe des Tages sicher viel von unzufriedenen Fluggästen anhören. In die Kerbe wollte ich nicht schlagen.
»Meine Taschen waren nicht auf dem Band, können Sie mir helfen?«, fragte ich daher freundlich und auch ein bisschen stolz, wie fließend mir die Sprache nun doch über die Lippen kam. Zudem nannte ich ihr die Nummer meines Gepäcks.
Die Frau nickte nur, gab etwas in den Computer ein und schaute eine Weile konzentriert auf den Bildschirm. »Es ist noch in Hamburg.«
»Wie kann denn das sein?«
Sie zuckte mit den Schultern. »So etwas kommt vor.«
Routiniert zog sie ein Formular hervor, um den Bericht über den Verlust aufzunehmen.
Ich musste die Taschen so genau wie möglich beschreiben, während die Angestellte meine Bordkarte kopierte. Im Gegensatz zu mir hatte sie die Ruhe weg.
Ich füllte den Bogen aus und reichte ihr diesen zurück. »Wie geht es denn jetzt weiter? Bekomme ich es nachgeschickt? Nach Capri?«, fragte ich besorgt.
»Selbstverständlich senden wir es Ihnen so schnell wie möglich nach. Ihre Aufenthaltsadresse haben Sie ja im Formular angegeben.«
»Okay, und wie lange wird das alles dauern?«
»Ein bis fünf Werktage.«
»Fünf? Was soll ich denn so lange anziehen? Alles ist in meinem Gepäck. Ich muss mir neue Garderobe kaufen!«
»Keine Sorge, sollte dieser Fall wirklich eintreten, kommt die Fluggesellschaft dafür auf.«
»Okay«, sagte ich mürrisch. Immerhin etwas.
Und was machte ich jetzt?
Vielleicht erst mal Maria anrufen und erklären, dass ich mich verspätete. Denn durch das Warten aufs Gepäck war mindestens eine Stunde verstrichen. In der Zeit hätte ich schon auf der Fähre sein sollen.
Ich verließ das Servicebüro und nahm das Handy aus meiner Handtasche, um sie anzurufen.
»Hatte dein Flug Verspätung?«, fragte sie besorgt.
»Nein, aber mein Gepäck ist noch in Hamburg. Ich musste gerade eine Meldung aufgeben.«
»Ach du liebe Güte. Aber keine Sorge, Juna, wir haben hier sicher was Schönes für dich zum Anziehen. Und auch alles andere lässt sich notfalls ersetzen. Es war doch kein bedeutsamer Gegenstand dabei?«
»Na ja, Laptop, Lieblingsklamotten, persönliche Dinge.«
»Wie ärgerlich! Dann hoffen wir das Beste. Ich helfe dir aus, so oder so.«
»Das ist … wirklich lieb.« Es ging mir sofort besser. Langsam atmete ich auf. »Dann komme ich jetzt erst mal mit der Fähre zur Insel.«
»Gut, ich sage eben Gino Bescheid, dass er dich nicht länger suchen muss.«
»Gino?«
»Meinem Großneffen … Giorgio, du erinnerst dich vielleicht an ihn?«
Für eine Sekunde erstarrte ich. Wie hätte ich auch den Mann mit dem intensiven Blick und dem überraschend sinnlichen Duft vergessen können? Aber warum nannte sie ihn Gino? Klar, weil Namen, die auf gi oder gio wie eben Giorgio endeten, zum Spitznamen Gino umgeformt wurden. Darauf hätte ich kommen können.
Meine Begeisterung hielt sich allerdings in Grenzen. Ich erinnerte mich nämlich auch, dass er ungehobelt und unfreundlich gewesen war und somit jemand, dem ich lieber aus dem Weg ging. Auch wenn er sich letztlich bei mir entschuldigt hatte, schien er doch ein Hitzkopf zu sein.
»Aber wieso sucht er denn nach mir?«
»Nun, da du dich weder gemeldet hast, noch ans Handy gegangen bist oder auf der Fähre warst, der arme Fillipe hat über eine Stunde am Hafen auf dich gewartet, habe ich mir Sorgen gemacht und Gino gebeten, mal nach dem Rechten zu sehen. Er lebt in Neapel und hat sich sofort auf den Weg zum Flughafen gemacht.«
Fillipe? Wer war Fillipe? Ein Nachbar? Oder guter Freund?
Ich verwarf die Frage, wichtiger war, dass ich Marias Großneffen nicht auch noch dankbar sein wollte.
»Dann sag ihm bitte, dass alles in Ordnung ist und seine Dienste nicht mehr benötigt werden.«
Denn auf noch mehr Ärger hatte ich im Augenblick wirklich keine Lust. Zwar hatte er sich für seine unleidliche Art entschuldigt, jedoch war ich sicher, er war ein Kerl, mit dem ich nur schwer auskommen würde. Es wäre also besser, wenn Maria ihn direkt nach Hause schickte.
Zu spät.
Genau in dem Moment kam ein Mann in einem luftigen Hemd auf mich zu, das so weit aufgeknöpft war, dass sein Brustansatz hervorschimmerte. Um einen Kopf überragte er alle anderen, die durch die Halle hechteten. Energisch und selbstbewusst trat er auf, während in sanften Stufen schwarze Haare bis auf die Schultern fielen. Er verströmte etwas Wildes, während er durch den Gang lief. Wenn er eines zu viel hatte, war es Selbstbewusstsein.
Und natürlich hatte er mich längst entdeckt, was seinen Schritt nur noch beschleunigte.
»Juna, was ist denn los? Bist du noch dran?«
»Ich glaube, dein Großneffe … hat mich gerade gefunden.«
»Ach, wie schön. Dann löst sich ja alles in Wohlgefallen auf. Ich freue mich, dich dann bald bei mir begrüßen zu dürfen. Ich bitte Fillipe noch mal, dich abzuholen. Bis gleich.«
»Bitte keine Umstände.«
Die Stille am anderen Ende der Leitung verriet, sie hatte schon aufgelegt. Ich steckte das Mobiltelefon in meine Handtasche zurück, da stand Giorgio di Castello auch schon vor mir, mit seinem Duft nach Moschus, der mir entgegenströmte. Die Note war sinnlich, und ich musste zugeben, dass sie mir gefiel. Wenngleich das schon alles war, was ich an diesem Mann leiden mochte.
»Hier stecken Sie also!« Seine Stimme war tief und viel lauter als nötig. Wieder lag da dieser stille Vorwurf in seinem Blick, der aber auch etwas Faszinierendes an sich hatte. Wie ein Gewitter über dem Meer. Genau derselbe Ausdruck wie in Almere.
»Scusi! Ich … wollte Ihnen keine Umstände machen.«
»Was um alles in der Welt tun Sie denn immer noch hier? Sollten Sie nicht längst auf Capri sein?«, ächzte er und schaute mich ungeduldig an. Als hätte ich absichtlich alles verzögert.
Ich blickte herausfordernd zu ihm hoch, hielt seinem Blick stand. Es irritierte ihn, das sah ich ihm an, denn sein Lid zuckte unwillkürlich. Das war er wohl nicht gewohnt.
»Mein Gepäck ist weg«, sagte ich. »Das ist passiert.«
»Oh«, machte er nun und seine Züge wurden weicher. Beinahe sah er nett aus. »Das wusste ich nicht …«
»Schon gut. Es wird mir ja nachgeschickt.« Hoffte ich zumindest.
»Na schön, Frau Jakobus, ich bringe Sie nun am besten zum Molo Beverello Porto di Napoli.«
»Das müssen Sie nicht …«
»Ich habe meiner Zia versprochen, dafür zu sorgen, dass Sie sicher auf Capri ankommen. Und meine Versprechen halte ich.«
Ein Mann, der sein Wort hielt.
»Kommen Sie.« Seine Stimme hatte einen weicheren Klang angenommen, fast, als wäre der unleidliche Giorgio für einen Augenblick verschwunden.