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Wenn ein Ereignis deine Welt auf den Kopf stellt und du dein ganzes Leben hinterfragst. Donna Grimes liebt ihren Job als Deputy und unterstützt ihren Vater bei der Leitung einer kleinen Farm. Zeit, den Mann fürs Leben zu finden, hat sie keine. Und überhaupt braucht sie niemanden. Wenn da nicht Ash Gray wäre, Nervensäge und Weiberheld Sun Valleys. Seit dem Brand in der Lagerhalle der Grays sind die Brüder obdachlos und Donna bietet Alex an, sich um seinen Bruder zu kümmern. Ash wirkt verändert und in sich gekehrt. Wo ist der lebenslustige Kerl, der für jede Frau – selbst für Donna – ein Lächeln übrighatte? Sie hasst diesen Zustand und beschließt, dem jüngsten Gray auf den Zahn zu fühlen. Liebesroman im Kleinstadt-Setting mit Happy End Garantie!
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Veröffentlichungsjahr: 2024
1. Auflage, 2024
©Danara DeVries – alle Rechte vorbehalten.
Danara DeVries
c/o easy-shop
K. Mothes
Schloßstraße 20
06869 Coswig (Anhalt)
Lektorat: Lektorat Franziska Schenker
Coverdesign: Dream Design - Cover and Art
Bildnachweise: @qimono, pixabay, depositphotos.com
Verwendete Schriften: Moontime, Linus Libertine
https://www.danara-devries.de
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Donna
»Lass mich raus, verdammt!« Ash reißt an der Wagentür.
»Nein. Du kannst daran rütteln, wie du willst, aber solange ich den Motor nicht abstelle, bleibt die Verriegelung zu.« Und ich bin ziemlich froh darum.
»Bitte!« Er deutet auf das brennende Lagerhaus.
»Hör zu. Ich muss das Fire Department verständigen. Außerdem werde ich den Teufel tun und dich da rauslassen. In deinem Zustand kannst du nicht klar denken.« Eindringlich sehe ich ihn an. »Also bleib hier und mach keine Dummheiten. Lass mich arbeiten. Okay? Ich kann mich nicht um Alex und Peach kümmern, wenn ich auf dich aufpassen muss.«
Panik flackert in Ashs Blick. Einen Atemzug lang zweifle ich daran, dass er mich überhaupt verstanden hat, bevor er nickt. »Okay.«
Schnell greife ich nach dem Funkgerät und aktiviere es. »Hier Streife 1188, habe einen 10-41 unbekannter Ursache oberhalb des Fire Departments in Richtung Elkhorn in Sun Valley. Möglicherweise sogar einen 10-41 Code 1. Erbitte sofortige Unterstützung sämtlicher verfügbarer Einheiten.«
Der Funk klickt. »Verstanden, 1188. Stand-by.«
Ich lege das Gerät zurück in die Halterung und wende mich Ash zu. »Ich werde jetzt aussteigen und sehen, was ich tun kann. Du wirst hierbleiben. Hast du mich verstanden?«
Er lässt den Kopf hängen, seine Schultern sacken durch und seine Atmung geht flach.
Scheiße.
Zum Glück ist beim 10-41 immer eine Ambulance-Alarmierung mit dabei. Alle verfügbaren Feuerwehren der Umgebung werden hergeschickt. Die Löschwagen aus Sun Valley stehen keine fünfhundert Meter von hier entfernt. Herrje, schaut denn keiner aus dem Fenster? Sie müssen doch sehen, dass es hier brennt.
Verdammt, ich muss da raus.
Doch die Sorge um Ash, der jeden Moment ausrasten könnte, lässt mich innehalten.
Ich greife nach seinem Nacken und rüttle leicht an ihm. »Bitte antworte mir. Ich muss wissen, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Ein Ruck durchzuckt ihn, doch er scheint mich gar nicht wahrzunehmen. Sein Blick geht durch mich hindurch.
»Ash, verdammt!«
Er blinzelt, ganz langsam dreht er den Kopf zur Seite und richtet seinen Fokus auf mich.
»Ah, da ist er ja wieder.« Ich lächle ihn an, drücke seine Schulter. »Bleib einfach hier, ja?« Dieses Mal warte ich nicht auf eine Reaktion von ihm, vertraue darauf, dass er sich an meine Anweisungen hält.
Davon könnte das Überleben seines Bruders und Peachs abhängen.
Verdammt.
Von wegen Langeweile.
Ich werde mich nie wieder über eine ruhige Nachtschicht beschweren.
Zügig schnalle ich mich ab und steige aus, knalle die Tür des Streifenwagens hinter mir zu, verzichte jedoch darauf, ihn abzuschließen.
Ich kann Ash nicht einsperren, selbst dann nicht, wenn es seiner Sicherheit dient.
Zögerlich trete ich einen Schritt nach vorn, bleibe aber abrupt stehen. Flammen schlagen aus den Fenstern, hinter denen sich das Büro befindet.
Kabelbrand? Keine Ahnung.
Das Feuer hat bereits das Treppenhaus erreicht. Soweit ich weiß, führt nur diese eine Treppe ins Obergeschoss. Mein Blick sucht die oberen Fenster ab.
Niemand zu sehen.
Ich greife zu meinem Telefon und wähle Alex‘ Nummer. Es läutet, doch niemand nimmt ab. Ich nehme das Gerät vom Ohr und lausche.
Nur das Knistern der Flammen ist zu hören. Hitze schlägt mir entgegen und erwärmt meine Wangen.
Verdammte Scheiße.
Neben mir wird eine Autotür aufgerissen.
Ash.
Mist.
Ich drehe mich zur Seite.
Er steigt aus und taumelt voran, stützt sich am Streifenwagen ab und sieht zu den Fenstern der Loftwohnung. Die Flammen tanzen in seinen Pupillen.
»Wie sicher bist du dir, dass Alex heute Nacht hier schläft? Könnten sie es sich nicht vielleicht anders überlegt haben und in der Stadt über dem Laden übernachten?«
In der Ferne heulen Sirenen.
»Ich weiß es nicht.«
Tief atme ich durch. Der beißende Geruch verbrannten Gummis steigt mir in die Nase. Ich suche den Parkplatz nach Alex‘ Wagen ab, doch auf die Schnelle kann ich ihn nicht finden. Vielleicht sind sie doch nicht hier.
»Gut, warte, Ash. Nicht bewegen.« Ich deute auf die Motorhaube des Streifenwagens. »Bleib genau hier.«
Seine Aufmerksamkeit ist auf die oberen Fenster wie festgetackert – und dann rennt er los. Direkt auf das Gebäude zu.
»Ash!«
Er läuft … weiter.
Das ist wieder typisch Ashton Gray.
Immer muss er seinen Kopf durchsetzen.
Zornig balle ich die Fäuste.
Wenn ich ihn erwische, kann er was erleben.
Ich sprinte mit dem Telefon am Ohr hinterher. Trotz seines gehörigen Alkoholpegels ist er verdammt schnell.
Beinahe hat er das Gebäude erreicht, aber ich ergreife seinen Arm, wirble ihn herum.
Dann schubst er mich.
Hart lande ich auf dem Boden.
Er dreht sich um, reißt die Bürotür auf, verharrt.
»Hallo, Donna?«, meldet sich eine verschlafene Stimme aus dem Hörer.
Alex?
Scheiße.
Ich blinzle. »Alex? Bist du das?«
»Ja. Was ist denn los?«
»Ash!«, schreie ich. »Dein Bruder ist nicht im Loft! Er ist in Sicherheit. Er ist nicht hier.« Schnell will ich mich aufrappeln, doch Ash verschwindet bereits im orangefarbenen Licht des leuchtenden Treppenhauses.
Das obere Stockwerk steht komplett in Flammen.
Oh, mein Gott!
Ash
Meine Gedanken rasen.
Die Luft flimmert und brennt mir in der Lunge. Mit jedem Atemzug sauge ich heiße, trockene Hitze ein, die mich von innen heraus versengt.
Betrunken taumle ich zur Stahltreppe, greife nach dem Metallgeländer, zucke kurz, ziehe mich daran hinauf. Stufe für Stufe. Oben ramme ich die Schulter gegen die Wohnungstür.
Einmal, zweimal, rutsche ab, rapple mich wieder auf und nehme erneut Anlauf. Dieses Mal jedoch mit mehr Kraft. Voller Wucht donnere ich die Schulter samt Oberarm gegen das massive Türblatt.
Nur ein Gedanke zählt. Alex!
Die Angeln knirschen, doch erst beim fünften Mal gibt die Scheißtür endlich nach.
Stures, altes Teil.
»Gott sei Dank keine Stahltür.« Ich stolpere in die Wohnung, sehe mich um.
»Alex!« Rauch verschluckt den Namen meines Bruders, dringt in meine Lunge ein und zwingt mich zu husten. Qualmschwaden treiben im Loft und nehmen mir die Sicht.
»Scheiße!« Ich würge und schnappe nach Luft, ziehe mir den Kragen des Shirts über Mund und Nase.
Doch das verschafft mir nur bedingt Linderung.
Das Parkett löst sich wellenartig, sodass ich ständig hinfalle und nur mäßig vorankomme.
Rauch und Flammen strömen durch jede noch so kleine Ritze im Fußboden. Das Feuer muss sich direkt unter mir befinden.
Fuck.
»Alex!« Meine Ohren rauschen. Nur Knistern und Heulen, wie die Schreie eines Monsters.
Scheiße, bei der Rauchentwicklung könnten Alex und Peach bereits ohnmächtig sein.
Die Angst treibt mich weiter.
Ich kann Alex nicht verlieren und Peach auch nicht. Die beiden sind das, was einer Familie am nächsten kommt.
Ich kann nicht!
Tränen beißen in meinen Augen, während ich mich an der Küchentheke entlanghangle.
Ein orangerotes Leuchten durchdringt den Boden.
Scheinbar steht das komplette Lager samt Büro in Flammen.
Wir müssen hier raus, schnell.
Gedanklich gehe ich jeden Fluchtweg durch, aber außer dem Fenster will mir nichts einfallen.
Doch erst einmal muss ich die beiden finden.
Blind und hustend taste ich mich durch das verräucherte Dunkel bis zum Schlafzimmer meines Bruders, stoße die Tür mit der Schulter auf und stolpere in Richtung Bett.
Ich reiße mir das Shirt vom Mund und stürze auf die Matratze, suche nach Füßen, Beinen, irgendetwas.
»Alex! Peach!«
Ich greife ins Leere.
Peach und Alex sind nicht hier.
Fuck.
Donna
Mit jeder Zelle meines Körpers will ich ihm hinterherrennen, doch ich hocke wie paralysiert da. Wenn ich ihm folge, bringe ich nur uns beide in unnötige Gefahr. Ich verfüge weder über ein Atemschutzgerät noch über entsprechende Ausrüstung.
Leben zu retten gehört zwar zu meinen obersten Pflichten, aber ich darf mich dabei nicht selbst in Gefahr bringen.
So habe ich es in der Ausbildung gelernt. So hat mich Fletcher vorbereitet.
Ich höre noch seine Worte in meinem Ohr. ›Rette Leben, Donna. Aber setze dich niemals einem unkalkulierbaren Risiko aus.‹
Ash ist betrunken, nicht zurechnungsfähig. Die Sorge um seinen Bruder lässt ihn nicht klar denken. Ich bin für ihn verantwortlich, er saß in meinem Wagen und stürmt nur deshalb in ein brennendes Gebäude, weil ich nicht aufgepasst habe.
»Scheiße!«
Hinter mir ertönen Sirenen. Mit flackernder Rundumleuchte und dem ohrenbetäubenden Geheul rollt der Leiterwagen des örtlichen Fire Departments aufs Gelände.
Gut, die Jungs sind hier.
Die Sirenen verstummen.
Etwas anderes erklingt. Erst leise, dann immer lauter. »Alex! Peach!«
O mein Gott. Das ist Ash.
Hektisch rapple ich mich auf und renne los, habe beinahe das Gebäude erreicht.
»Donna Grimes! Ich glaube, du spinnst! Bleib verdammt noch mal hier!«
»Fuck.« Wie angewurzelt verharre ich, starre das brennende Gebäude an, bin paralysiert. »Graham, ich muss da rein!« Panisch deute ich auf die oberen Fenster, während Graham Walker in voller Montur neben mir zum Stehen kommt.
»Gar nichts musst du.« Er packt meine Oberarme und bohrt seinen festen Griff schmerzhaft in meine Muskeln. »Ich bin jetzt da, ich übernehme. Atme tief durch und dann erstatte mir Bericht. Ich kann nicht helfen, wenn ich nicht über alle Informationen verfüge.«
Meine Augen brennen, mein Verstand rast.
Das alles braucht zu viel Zeit.
Zeit, die Ash eventuell nicht hat.
Aber Graham hat recht. Das ist nicht unser erster Einsatz, wo ich als Ersthelferin vor Ort bin.
Ich weiß, was zu tun ist.
Eigentlich.
Es kostet mich unglaublich viel Konzentration, Grahams Anweisungen Folge zu leisten, doch er hält mich so fest, dass ich mich nur mit Gewalt von ihm losreißen könnte.
»Okay, Graham. Du kannst mich jetzt wieder loslassen. Ich hab mich im Griff.« Vorerst. Später kann ich zusammenbrechen.
Der Chief nickt. »Dein Bericht?«
»Ash. Er ist reingelaufen, weil er denkt, sein Bruder und Peach befänden sich im Gebäude. Aber sie sind nicht hier.«
»Sondern? Ich muss wissen, nach wie vielen Personen wir suchen.«
Hinter Graham entrollen seine Männer bereits Schläuche, schließen die Verbindungsstücke an die Hydranten an, während andere das Endstück des Schlauchs öffnen und den Wasserstrahl auf das Büro richten, denn dort tobt der Brand am heftigsten.
»Höchstwahrscheinlich befindet sich Ash in der Wohnung in einem der Schlafzimmer.« Nachdenklich kratze ich mich am Kopf. »Ich war nie im Loft, aber ich glaube, die befinden sich nach hinten raus.«
Graham nickt mir zu. »Gut gemacht, Donna. Ich übernehme jetzt. Geh an die Straße und …«
»Ich weise die anderen Rettungskräfte ein.«
»Wir finden ihn. Keine Sorge.« Er klopft mir auf die Schulter und macht sich dann an die Arbeit.
Wie in Trance vergehen die nächsten Minuten. Ich stehe an der Straße, weise Feuerwehren ein, sperre das Gelände ab, damit die Schaulustigen nicht näherkommen, tue meinen Job, nur um nicht nachdenken zu müssen.
Männer in voller Schutzausrüstung mit Atemmasken und Sauerstoffflaschen auf dem Rücken verschwinden im Gebäude, während die Wasserwerfer auf das Dach gerichtet den oberen Bereich kühlen. Ein anderes Team kümmert sich um das Büro. Graham möchte das obere Stockwerk so kühl wie möglich halten – um Ash eine Chance zu geben.
Scheiße.
Ich würge den Kloß in meinem Hals herunter und wende mich wieder der Straße zu.
»Weiterfahren, Leute. Fahrt weiter!« Mit Handbewegungen leite ich die Fahrzeuge um.
Mittlerweile ist die Fahrbahn beidseitig mit parkenden Fahrzeugen zugestellt. Zum Glück befinden sich alle angeforderten Wehren auf dem Gelände. Selbst der Rettungswagen ist bereits vor Ort.
Fehlt nur noch einer.
Alex.
Ich entdecke ihn etwas weiter unten. Mit Peach an seiner Seite eilt er im Laufschritt hinauf.
»Alex!« Ich winke ihm zu, woraufhin er noch einmal beschleunigt, Peach abhängt, die stehen bleibt, sich vornüberbeugt und auf den Knien abstützt.
»Ich muss zu meinem Bruder!« Atemlos will er an mir vorbeilaufen, doch dieses Mal bin ich vorbereitet.
Ich bekomme ihn am Kragen seiner Jacke zu fassen, zerre ihn zurück und stoße ihn gegen meinen Streifenwagen.
»Donna, scheiße, was soll das? Ash ist da drin!« Wild deutet er auf das brennende Gebäude.
»Und es sind bereits Rettungskräfte im Gebäude, die ihr Leben dabei aufs Spiel setzen, deinen dummen Bruder zu suchen.« Ich schubse ihn gegen die Schulter. »Glaubst du, ich habe besondere Lust, dich auch noch aus den Flammen zerren lassen zu müssen.«
»Aber, Ash …« Er schluckt, beißt sich in die Faust und schreit.
Sein Schmerz zerreißt mich förmlich. Ein Zittern durchläuft mich. Ash. Fuck.
»Alex.« Ich greife nach ihm, ziehe ihn in eine Umarmung und drücke ihn an mich, versuche verzweifelt, mich selbst zusammenzuhalten, indem ich ihn festhalte.
Peach taucht neben mir auf, greift nach dem Arm ihres Freundes und reibt ihm über den Rücken. »Sie finden ihn. Sie finden ihn.« Dabei sieht sie mir fest in die Augen.
Meine Augen brennen. Mit einigem Widerwillen ringe ich mir ein Nicken ab, bevor ich Alex sanft von mir schiebe und seinen Blick suche.
Immer wieder zuckt seine Aufmerksamkeit zu dem brennenden Lagerhaus.
Mittlerweile schlagen Rauchsäulen aus den geborstenen Fenstern.
Es qualmt, knackt und knistert.
Wie in einem überdimensionalen Kamin.
Und Ash ist da drin.
Mir wird schlecht.
Hastig wende ich mich ab und konzentriere mich auf Alex. »Sieh mich an.«
Er braucht ein paar Atemzüge, doch schließlich dreht er mir seinen Kopf zu und blinzelt mich an. Tränen schimmern im Schein der Scheinwerfer und Rundumleuchten.
»Wir müssen wissen, ob ihr brennbare Materialien, Farbe oder Lösungsmittel lagert. Graham braucht die Informationen.«
»Donna, ich kann nicht …« Fahrig schüttelt er den Kopf. »Ich muss da rein, ich muss meinen Bruder finden.« Er will sich losreißen, doch ich drücke ihn mit aller Kraft gegen den Streifenwagen.
»Nein, musst du nicht. Hör zu, ich weiß, wie du dich fühlst, Alex. Ich würde auch am liebsten da rein und nach Ash suchen. Aber damit helfe ich Ash nicht. Wenn wir beide kopflos da reinstürmen, behindern wir die Rettungskräfte. Das Einzige, was wir tun können, ist unseren Job erledigen. Für mich bedeutet das, Kräfte einweisen und dich davon abhalten, da hineinzurennen.« Meine Finger graben sich in seine Schultern. Ich bin kurz davor, ihn anzuschreien. »Du kannst gerade nicht klar denken, ich verstehe das. Aber du musst, hörst du? Von deinem Wissen könnte möglicherweise das Leben deines Bruders abhängen.«
Alex reißt die Augen auf und starrt mich entsetzt an.
Jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit. Gut.
»Also erzähle mir alles, was ihr im Gebäude lagert.«
Er atmet tief durch, reibt sich übers Gesicht und nickt. »Also –«
»Stopp. Komm mit.« Ich packe Alex am Arm und führe ihn zur Einsatzleitung, die sich in einiger Entfernung des Lagerhauses mit Funkgeräten und gutem Blick auf den Brandort postiert hat.
»Graham? Hier ist Alex Gray.« Der Angesprochene dreht sich um. »Ich denke, er kann dir hilfreiche Informationen geben.«
»Super, danke, Donna.« Graham klopft Alex auf die Schulter, wobei er seine Finger fest um dessen Nacken legt, ein Griff, der dafür sorgt, dass er ihn festhalten kann, sollte er den Kopf verlieren.
Genau so hätte ich Ash auch festhalten müssen.
Ich weiß das, denn das ist mein Job.
Nur meinetwegen ist er jetzt in dem Gebäude, kämpft womöglich um sein Leben.
Die Flammen erreichen mittlerweile den ersten Stock.
Fuck, entweder sie kommen bald raus, oder …
Ich schlucke die Tränen hinunter, die sich unbemerkt gelöst haben, wende mich um und will wieder Richtung Einfahrt an meine Position, doch der Lärm verändert sich.
Wo bis eben noch die gebellten Befehle der Gruppenführer das Knistern der Flammen überlagern, werden plötzlich aufgeregte Rufe laut.
Unwillkürlich weite ich die Augen, mein Puls beschleunigt sich. Neben mir laufen Brad und Carlee von den Rettungskräften Richtung Gebäude.
Ich kenne die beiden, denn sie fahren regelmäßig in unserer Gegend Dienst. Sie sind gut, haben letztens erst Skylars Dad geholfen.
Wenn sie aktiv werden, dann haben sie Ash gefunden und bringen ihn höchstwahrscheinlich gerade aus dem Gebäude.
Doch ich wage nicht, mich umzudrehen und nachzusehen.
Was, wenn sie ihn reanimieren müssen?
Was, wenn …
»Er lebt!« Alex‘ Schrei löst sämtliche Anspannung in mir.
Oh, Gott.
Erleichtert sacke ich zusammen, beuge mich nach vorn und stütze mich auf den Knien ab.
Er lebt.
»Danke, danke, danke.« Meine Worte gehen in ein Wimmern über, ringen mich zu Boden. Als hätte mir jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst, doch das Gefühl könnte nicht schöner sein.
Ash lebt.
Eine Welle der Erleichterung peitscht durch mich hindurch.
Beruhigt atme ich, richte mich auf und wische mir die Tränen mit dem Handrücken von den Wangen, bevor ich mich umdrehe … und mich erneutes Entsetzen erfasst.
Ash
Beißender Qualm verätzt mir die Naseninnenwände, dringt in jede Pore meines Körpers, klebt auf meiner Haut und hängt in meinen Haaren. Es ist mir ein inneres Bedürfnis, unter die Dusche zu springen und mir den Gestank von der Haut zu schrubben.
Doch so bald wird das nicht möglich sein.
Mein Blick fällt auf die Bettdecke, auf meine …
Hastig zwinge ich mich, wieder nach oben zu starren und die Platten an der Decke zu zählen.
Eins … Zwei … Drei …
Worte dringen an meine Ohren, doch ich weigere mich, ihnen meine Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich will das alles nicht hören.
Ich will …
»Ash?« Jemand berührt mich an der Schulter.
Automatisch fällt mein Kopf zur Seite.
Peach steht an der Tür, schaut mich sorgenvoll an. Und dann begegne ich dem lächelnden Gesicht meines Bruders. Seine Wangen sind rußig und die Tränen haben deutliche Spuren hinterlassen.
»Wie geht es dir?«
Ich will meine Hände hochhalten, doch dann fällt mir wieder ein, dass das nicht mehr geht.
Alex sieht so besorgt aus, so traurig.
»Asche zu Asche, mh?« Ich zwinkere ihm zu. »Mein Name ist Programm, was?«
Schmerz durchzieht Alex‘ Miene. Erschöpft schließt er die Augen. »Mach keine Witze. Das kommt grad nicht gut.«
»Wie bitte?« Ich lache auf. »Witze sind das Einzige, was mir noch bleibt.« Wie im Reflex will ich mit den Armen herumfuchteln, doch an meinen Muskeln hängen einhundert Kilogramm Blei.
Heißes, flüssiges, brennendes Blei.
»Es tut mir so leid.« Er drückt meine Schulter. »Wenn ich da gewesen wäre –«
»Wärst du verbrannt. Erstickt. Tot.« Schnell wende ich den Blick ab, will nicht, dass er die Tränen in meinen Augen sieht. »Es ist gut, dass du bei Peach geschlafen hast. Ich hätte es nur wissen müssen.«
»Scheiße, Ash. Es tut mir leid.« Alex sinkt auf meine Matratze und hebt die Hand, streckt sie aus, doch dann erstarrt er und lässt sie neben meinem Arm sinken.
Ohne mich zu berühren.
Im Augenblick würde ich mich auch nicht anfassen.
Dieser Gestank ekelt mich an.
Vielleicht sollte ich dem Qualmgeruch dankbar sein. Er überlagert zumindest den Duft nach Barbecue …
Hastig werfe ich mich zur Seite und entleere meinen Mageninhalt in eine Nierenschale, die mir Alex hinhält.
Schwarzbraune Schlacke landet in der Metallschale, gefolgt von Rotze und Spucke. Alles schwarz.
Die Schwestern haben mich darauf vorbereitet. Ich hätte zu viel Rauch geschluckt und mein Körper müsse die nächsten Tage damit verbringen, die Schadstoffe abzubauen. Ich hänge zwar am Sauerstoff, doch meine Lunge ist tief verschleimt und das Zeug muss raus.
Fuck!
Meine Brust schmerzt. Der Schweiß bricht mir aus.
Am liebsten würde ich mir diesen verdammten Sauerstoffschlauch aus der Nase reißen, aber … meine Hände!
Alex reibt mir über den Rücken. »Ist ja schon gut.«
Scheiße, ich halte das nicht aus. Nicht von ihm.
Obwohl ich tief in mir drinnen weiß, dass er mir nur helfen will, ertrage ich seine Nähe nicht.
Seine Blicke.
Das Mitleid.
»Geh weg.«
Ich stütze mich mit dem Ellenbogen auf der Matratze ab, keuche, versuche zu atmen, doch meine Lunge fühlt sich an, als hätte jemand sie mit glühenden Kohlen gefüllt.
»Was?« Er packt mich bei den Schultern und drückt mich zurück in eine halb liegende Position. »Leg dich zurück. Die Schwestern sagten, dass das passieren wird. Du hast zu viel Rauch eingeatmet, der zudem noch versetzt war mit giftigen Dämpfen.« Zerknirscht reibt er sich den Nacken. »Ich werde auf ökologische Farben umstellen, damit so was nicht noch mal passieren kann.«
Ich blinzle verwirrt. »Das ist dein Problem? Dass die Farben giftige Dämpfe beim Verbrennen ausgestoßen haben?«
Er atmet tief durch.
»Scheiße, Bruder, deine Firma ist abgebrannt. Dem Erdboden gleichgemacht. Und du machst dir Sorgen um giftige Dämpfe?«
Alex‘ Kinn zittert. Seine Augen schwimmen.
Jeden Moment verliert er die Beherrschung.
Über den Punkt bin ich längst hinaus.
»Ich … hätte dich verlieren können. Die Firma ist mir egal. Es ist nur ein Gebäude. Das können wir wieder aufbauen. Aber du …«
Wenn er heult, Gefühle zeigt und weiter diesen Mist labert, flippe ich aus.
»Geh, Alex. Lass mich bitte allein. Ich … bin müde.«
Fuck!
Was ist nur los mit mir?
Mir fehlt sogar die Kraft, meinen Bruder anzuschreien.
Früher ist mir das so leicht gefallen. Wir haben uns verbal die Köpfe eingeschlagen und manchmal flogen auch die Fäuste.
Aber noch nie in meinem Leben habe ich mich so … hilflos gefühlt.
»Ash.« Zögerlich streckt er die Hand nach mir aus.
Ich sehe ihm an, dass er nicht weiß, wie er mit mir umgehen soll. Sehe die Fragen in seinem Blick, die unausgesprochene Bitte, dass ich ihm sagen soll, wie er mir helfen kann.
Aber die Wahrheit ist, dass ich keine Ahnung habe.
Tränen brennen hinter meinen Augen, doch ich halte sie mit aller Kraft zurück. Ich muss nur noch einen Moment stark sein, bis er gegangen ist. Dann darf ich zusammenbrechen.
»Bitte, Alex. Geh duschen, ruh dich aus. Mir geht es gut.« Die Lüge schreit mich förmlich an, doch ich stelle mich taub. »Hier im Krankenhaus wird alles für mich getan, was ich brauche, um mich zu erholen. Du musst dich um dich selbst kümmern, okay?« Ich ringe mir ein Lächeln ab, auch wenn es mir schwerfällt, die Mundwinkel anzuheben.
Alex atmet erleichtert aus. »Okay.« Er steht auf, beugt sich vor und will seine Hand auf meine Schulter legen, zögert und zieht sich im allerletzten Moment zurück.
Zum Glück.
Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn er mich tatsächlich berührt hätte.
Zusammenbrechen ist keine Option.
Noch nicht.
»Aber wenn du etwas brauchst, ruf an. Ja?«
»Na klar.« Ich schlucke und verbiege die Mundwinkel, geht fast schon automatisch.
So hätte der alte Ash reagiert.
So kennen sie ihn und ich werde den Teufel tun, ihnen etwas anderes zu zeigen.
Ich will noch einen draufsetzen und den Daumen nach oben zeigen, doch der Versuch bleibt in den Kinderschuhen stecken. Meine Hand rührt sich nicht.
»Gut, ich komme später noch mal.« Alex wirft mir noch einen prüfenden Blick zu, bevor er sich umdreht und geht.
Peach nimmt ihn an der Tür in Empfang.
Ich will weder das Mitleid meines Bruders noch ihres.
Mit zusammengebissenen Zähnen gegen die Schmerzen in meinen Armen, die eigentlich ruhig gestellt auf den Kissen liegen bleiben sollten, drehe ich mich auf die Seite, wende meinem Bruder und seiner Freundin den Rücken zu und gebe vor, zu schlafen.
Doch ich weiß nicht, ob ich je wieder die Augen schließen kann, ohne die Flammen zu sehen. Sie schlagen aus dem Boden, verschlingen das Parkett, das ich eigenhändig gelegt habe, und kriechen auf das Schlafzimmer meines Bruders zu, lecken an seinem Bett. Am Ende halte ich nur eine Decke in den Händen.
Mein Bruder ist nicht da.
Er hat mich allein gelassen.
Alex ist fort.
Stumm laufen mir die Tränen über die Wangen.
Donna
»Du musst da nicht reingehen.« Fletcher gibt mir einen Kaffeebecher, lehnt sich neben mir an die Motorhaube des Streifenwagens und folgt meinem Blick die Fassade des Krankenhauses in Twin Falls hinauf.
»Doch, muss ich.« Ich nehme einen tiefen Schluck und verziehe angewidert das Gesicht. Krankenhauskaffee, wie passend. »Ich drücke mich seit drei Tagen vor diesem Besuch. Heute muss ich da rein.«
Die Schuldgefühle fressen mich auf.
Was ich getan habe, war falsch.
»Ich hätte ihn aufhalten müssen. Es war mein verdammter Job, für seine Sicherheit zu sorgen.«
»Der Kerl hatte wer weiß wie viel Alkohol im Blut. Er läuft seit Wochen neben der Spur. Seit der Sache mit Peach und seinem Bruder ist er nicht mehr der Gleiche.« Fletcher seufzt. »Vor ein paar Wochen dachte ich, das renkt sich wieder ein. Aber ich habe mit Owen und Sam geredet. Er trinkt mehr als Cody zu seinen besten Zeiten.« Kopfschüttelnd richtet sich Fletcher auf und reckt sich. »Herrje, da haben wir endlich einen Idioten weniger in der Stadt, da tickt der nächste aus. Ehrlich, wo soll ich ’ne zweite Skylar hernehmen? Du denkst nicht, dass sie sich ebenfalls um Ash kümmern kann?«
Grinsend verziehe ich das Gesicht. »Ich glaube nicht, dass du Ash und Cody unter einem Dach erleben willst.«
»Stimmt. Das knallt auch wieder.« Nachdenklich blickt er zum Krankenhauseingang. »Nur was machen wir mit Ash?«
Ich zucke mit den Schultern, trinke einen großen Schluck aus dem Thermobecher und stoße mich vom Streifenwagen ab. »Keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich mich bei ihm entschuldigen muss.«
»Wofür genau? Du hast vollkommen vorschriftsmäßig gehandelt.«
Seufzend drücke ich Fletcher den Kaffeebecher in die Hand. »Dafür, dass ich ihn nicht sofort eingebuchtet habe. Trunkenheit in der Öffentlichkeit. Eigentlich hätte er die Nacht in meiner Zelle verbringen müssen. Stattdessen habe ich ihn nach Hause gefahren. Das war ein eklatanter Verstoß gegen die Vorschriften.«
»Donna.« Sein Blick wird weich. »Ash ging es nicht gut. Ihn einzubuchten, wäre keine Lösung gewesen. Manchmal muss man eben die Vorschriften ein wenig biegen. Zugunsten der Allgemeinheit.«
»Du verstehst das nicht, Fletcher. Hätte ich vorschriftsmäßig gehandelt, hätte Ash …« Meine Augen brennen.
Ich kann es nicht denken.
Scheiße.
»Ich warte hier auf dich.« Fletcher nickt beklommen. »Aber gib dir nicht zu sehr die Schuld. Er ist ein erwachsener Mann.«
»Nein.« Ich verziehe das Gesicht. »Er ist Ashton Gray.« Mit diesen Worten wende ich mich dem Krankenhauseingang zu.
Endlos ziehen sich die Flure dahin.
Ein beißender Geruch nach Desinfektionsmitteln und … Krankheit verpestet die Luft.
Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mich umsehe, doch natürlich ist niemand hier. Nichtsdestotrotz lauert die Erinnerung wie ein Schatten in meinem Nacken.
Zügig wische ich sie beiseite und richte meine Konzentration auf die Anmeldung.
Hinter dem Tresen sitzt eine junge Frau, deren Gesicht mir vertraut vorkommt.
»Entschuldigen Sie, ich möchte zu Ashton Gray.« Meine Hände zittern. Hastig schiebe ich sie in die Tasche meiner Uniformhose und zwinge mir eine neutrale Miene auf, doch ich spüre fast noch das warme Blut von meinen Fingern laufen.
Herrje.
Schnell ziehe ich die Hand aus der Tasche und lege sie auf den kühlen Tresen. Erleichtert atme ich auf.
»Donna!«
»Kate. Hey.« Meine Selbstbeherrschung wankt.
»Wie geht es dir? Ich hab dich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.« Kate erhebt sich und schenkt mir ihr strahlendes Lächeln, so wie ich sie in Erinnerung habe.
Fröhlich, flippig und gut gelaunt.
»Bin nicht mehr in Twin Falls. Hab nach Ketchum gewechselt. In die alte Heimat … Dort ist es ruhiger.«
Kate nickt. »Wie lang ist es jetzt her? Drei Jahre?«
Ich zucke mit den Schultern. »Möglich. Aber eigentlich bin ich nicht hier, um in der Vergangenheit herumzukramen. Ich möchte zu Ashton Gray.«
»Oh, ja. Natürlich.« Sie lächelt entschuldigend und nimmt wieder hinter ihrem Tresen Platz. »Das Brandopfer, das vor drei Tagen eingeliefert wurde.« Sie klickt ein wenig herum. »Da bist du wegen der Ruhe in die Berge gewechselt und dann das.« Gedankenverloren schüttelt sie den Kopf. »Ein Brand dieser Größenordnung kommt normalerweise in Salt Lake City vor, aber doch nicht bei uns. Selbst in Twin Falls nicht. Kennt ihr schon die Ursache?«
»Die Halle ist komplett ausgebrannt. Sämtliche Büros, die Wohnung darüber, einfach alles. Aktuell sichern wir noch die Brandstelle und achten darauf, dass sich keine versteckten Glutnester mehr auf dem Gelände befinden.« Ich beuge mich nach vorn. »Aber du weißt doch. Selbst wenn, könnte ich dir über den eigentlichen Stand der Ermittlungen keine Auskunft geben.«
Kate kichert. »Natürlich. Warte kurz, ich suche dir Mr. Grays Zimmernummer heraus.« Sie tippt auf ihrer Tastatur herum. »Er befindet sich in der Plastischen zur Beurteilung.« Sie verzieht das Gesicht. »Sein Termin war heute Morgen. Also dürfte er wieder auf seinem Zimmer sein.« Sie nennt mir eine Zimmernummer sowie die Abteilung.
Mit einem Lächeln bedanke ich mich und mache mich auf den Weg. Wie in Trance laufe ich die Krankenhausflure entlang und versuche, mich nicht von der Erinnerung einholen zu lassen.
Aber der Geruch triggert mich.
Schweiß bricht mir aus, obwohl das Innere des Gebäudes deutlich kühler ist als die Außentemperaturen.
Damals war es auch viel zu warm.
Er hat entsetzlich gefroren.
Wegen des Blutverlustes.
Intuitiv streiche ich meine Hand am Hosenbein ab, will mir das Blut von den Fingern wischen. Es bleibt ein klebriges Gefühl zurück.
Als ich meine Hand betrachte, ist da nichts.
Kein Blut.
Gar nichts.
»Scheiße.« Ich schüttle mich und gehe zu den Aufzügen, drücke den Rufknopf und wippe auf meinen Fersen herum, während ich warte.
Die Türen öffnen sich.
Panik flackert in mir auf.
Ich höre die Rufe der Schwestern und Ärzte, sehe vor meinem inneren Auge, wie eine Liege in den Fahrstuhl gerollt wird. Jemand hämmert auf das Bedienpanel an der Seite.
»Wollen Sie nicht einsteigen?«
Ich zucke zusammen.
Ein junger Mann in der typischen Montur eines Krankenhausmitarbeiters hält die Tür mit der Hand auf und mustert mich besorgt. »Geht es Ihnen gut?«
»Ja.« Mit klopfendem Herzen ringe ich mir ein Lächeln ab. »Fahren Sie nur. Ich glaube, ich nehme lieber die Treppe.«
Auf dem Absatz wirble ich herum und laufe in Richtung des grünen Symbols für die Fluchtwege.
Ich muss hier raus, muss das Krankenhaus verlassen.
Das ist der Ort, an dem ich am allerwenigsten sein will.
Um Atem ringend, werfe ich mich gegen die Tür, schnappe nach Luft und sauge sie in meine Lunge. Sie ist warm, heiß, riecht nach Abgasen und Müll.
Ich schiele zur Seite.
Vor mir befindet sich ein Hinterhof mit Abfallcontainern.
Na wunderbar.
»Fuck!« Müde reibe ich mir übers Gesicht und atme noch etwas länger gegen die Panikattacke.
Der … nennen wir es … Vorfall ist drei Jahre her und noch immer leide ich unter den Folgen. Ich dachte, ich hätte es überwunden, doch offensichtlich ist dem nicht so.
Tja, fortlaufen bedeutet nicht verarbeiten.
So viel habe ich heute gelernt.
Aber es nützt nichts. Ash ist mir wichtig.
Patrick kann ich nicht wieder lebendig machen, aber ich kann Verantwortung übernehmen und für meine Fehler geradestehen.
Also straffe ich die Schultern, sauge eine Ladung Abfallgeruch in mich ein und nehme den Gestank mit ins Innere des Gebäudes. Zielstrebig durchquere ich die Flure, konzentriere mich nur aufs Laufen und blende jegliche Erinnerungsfetzen aus.
Hier geht es nicht um Pat, sondern um Ash. Fertig.
Mit diesem Mantra schaffe ich es zu der von Kate angegebenen Zimmernummer. Die Tür steht halb offen, sodass ich mich eingeladen fühle. Etwas hält mich jedoch zurück.
Was, wenn Ash keinen Besuch möchte?
Er war schwer verletzt, hat womöglich gerade erst eine schlechte Nachricht bekommen?
Fuck.
»Donna?«
Ich zucke zusammen.
»Warum stehst du denn hier draußen herum? Komm rein.«
Zögerlich drehe ich den Kopf zur Seite und begegne dem freundlichen Lächeln von Ashs Bruder. Alex grinst mich an und tritt mit einer einladenden Geste einen Schritt zurück. »Schau mal, Ash. Du hast Besuch. Donna ist hier.«
Ja, vielen Dank auch.
Alex verbaut mir jegliche Chance, mich ungesehen zu verdrücken.
Ich grummle vor mich hin, bevor ich mir ein Lächeln ins Gesicht zimmere und in den Türrahmen trete.
Alex blinzelt mich verblüfft an.
Ich blende ihn aus und betrete das Zimmer. Als würde ich ein Pflaster von einer schmerzhaften Wunde reißen, stürme ich voran, verstecke meine Beklemmung und Ängste hinter einem Dienstlächeln und poltere gespielt fröhlich drauflos. »Hey, Ash! Ich war grad in der Stadt und dachte, ich schau mal nach dir –« Meine Worte bleiben mir im Hals stecken. Wie angewurzelt verharre ich mitten in der Bewegung.
Ashton Gray sitzt aufrecht gegen die aufgestellte obere Hälfte seines Bettes gelehnt, den Blick starr aus dem Fenster gerichtet. Seine Haut hat die übliche Bräune verloren, wirkt fahl und macht seinem Namen alle Ehre. Sie trägt die Farbe von kalter Asche, das Zeug, welches ich am Morgen im Winter aus dem Kamin hohle. Fahle Asche. Sein Haar ist durchsetzt mit Staub, sein Gesicht scheint nur notdürftig gewaschen worden zu sein. Brandwunden, welche von einer dicken Schicht Cremes überdeckt sind, übersäen seine Haut.
Doch das Schlimmste sind seine Arme und Hände, die bis weit über die Ellenbogen bandagiert sind.
Fuck.
Ich wusste, was mich erwartet. Es allerdings zu sehen, zieht mir wortwörtlich den Boden unter den Füßen weg.
Alex tritt neben mich und legt mir einen Arm um die Schultern. »Ash?«
Er reagiert nicht.
»Ash, Donna ist hier.« Alex spricht leise, während er mich an sich drückt. »Vielleicht möchtest du dich mit ihr unterhalten? Sie fragt sich bestimmt, wie es dir geht.« Seine Finger graben sich in meinen Oberarm und er zittert.
Er zittert!
Alex gibt sich alle Mühe, seine eigene Verfassung zu verbergen. Wenn er mich nicht berühren würde, ich täte es nicht einmal bemerken.
Wie auf Autopilot lege ich meine Hand auf seine und lächle zum Zeichen, dass ich seine Sorge um mich verstanden habe, sie jedoch unnötig ist.
Er braucht gerade jede Stütze, die er bekommen kann. Um mich muss er sich nicht auch noch kümmern.
Oh, Alex.
Ich schlucke, löse vorsichtig seine Finger von meinem Oberarm und richte mich auf. Niemand muss mich stützen.
Dann trete ich ans Fußende von Ashs Bett.
Peach sitzt auf einem Stuhl am Fenster und schenkt mir ein sanftes Lächeln. Ihre Augen sind gerötet und ihre Hände liegen in ihrem Schoß auf einem Sommerkleid mit Kirschblüten. Sie umklammern ein Taschentuch.
Okay, scheinbar sind hier bereits viele Tränen geflossen. Offensichtlich gab es keine guten Nachrichten. Und nun komme ich und störe die Party. Wie unpassend.
»Vielleicht sollte ich einfach wieder gehen.« Ich will einen Schritt nach hinten machen und mich aus dem Raum schleichen. Mit dem Rücken pralle ich gegen etwas – oder jemanden. Ich werfe einen Blick über die Schulter.
Alex steht direkt hinter mir und schüttelt den Kopf. »Nein. Du bleibst. Möglicherweise bist du die Einzige, die etwas gegen diesen Zustand unternehmen kann.«
Ich blinzle. »Wieso ich?« Rasch drehe ich mich um, deute auf die Bandage. »Ich bin doch diejenige, die dafür verantwortlich ist.«
»Schuld? Weshalb?« Ashs Stimme klingt rau und belegt, als ob er sie eine ganze Weile nicht benutzt hätte.
Peach zuckt zusammen, Alex seufzt.
Ich schaue Ash direkt ins Gesicht.
Sein Blick ist so anders als … davor?
Wird es jetzt immer so sein? Werden wir von davor und danach reden? Versuchen wir, wie auf Glasscherben um diesen Vorfall herumzueiern?