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Allision »Peach« Matthews lebt für ihre Familie. Aufopferungsvoll hilft sie bei der Versorgung ihres kranken Vaters und unterstützt ihre Mutter im Maple’s. Dazwischen schmachtet sie Ashton Gray an. Als er sie beim Sommerfest zum Tanzen auffordert, erfüllt sich ihr geheimer Traum. Doch als er versucht, sie zu küssen, entpuppt sich seine Aufmerksamkeit als Schwindel. Alex Gray hat keine Zeit für die Liebe. Neben der Firma muss er sich um seinen nichtsnutzigen Bruder Ash kümmern, der immer wieder für Ärger sorgt. Als Alex zu Ohren kommt, dass Ash die arme Peach verarscht hat, verlangt er Wiedergutmachung. Doch diese mündet in ein katastrophales Date, bei dem Alex seinen Bruder verprügelt. Hat sich Peach etwa jahrelang nach dem falschen Gray verzehrt? Liebesroman im Kleinstadt-Setting mit Happy End Garantie!
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Veröffentlichungsjahr: 2024
1. Auflage, 2024
© Danara DeVries – alle Rechte vorbehalten.
Danara DeVries
c/o easy-shop
K. Mothes
Schloßstraße 20
06869 Coswig (Anhalt)
Lektorat: Lektorat Franziska Schenker
Coverdesign: Dream Design - Cover and Art
Bildnachweise: @qimono, pixabay, depositphotos.com
Verwendete Schriften: Great Vibes, Linux Libertine, Trajan Pro 3
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Deine
Peach
Die untergehende Sonne taucht die Berge in der Ferne in goldenes Licht, verleiht ihnen einen strahlenden Kranz und wirft die restlichen Sonnenstrahlen über die Gipfel auf den mit Buden und Menschen übersäten Parkplatz. Eine nach der anderen werden die Beleuchtungen angeschaltet, denn das Frühlingsfest ist noch in vollem Gange und anscheinend verspürt niemand den Drang, nach Hause zu gehen. Musik spielt auf, Gespräche und Gelächter reichern die mit köstlichen Düften geschwängerte Luft an. Ein wärmendes Summen liegt in der Luft dieser magischen Frühlingsnacht.
Sobald die Kinder das Fest verlassen, tauscht Mom die Kaffeekannen gegen Kübel voll heißem Cidre aus, während ich die dickwandigen Gläser, die wir extra aus dem Maple’s mitgebracht haben, auf der Theke verteile. Statt Kuchen gibt es nun vorgefertigte Canapés, schwere, in Fett gebackene Hefeteilchen mit einer Knoblauchcreme und Käse sowie andere herzhafte Beläge. Zusätzlich bauen wir dieses Jahr eine Sandwichbar auf, sodass sich alle ihre Lieblingsbeläge selbst zusammenstellen können. Außerdem steht am Ende unserer Theke noch ein großer elektrischer Suppentopf mit einer deftigen Gulaschsuppe.
Seufzend wische ich mir über die Stirn und kontrolliere ein letztes Mal unseren Aufbau. »Wir hätten Skylar wirklich gut gebrauchen können. Oder eine deiner Angestellten.«
»Ach was, lass sie nur mit ihrem Cody den Abend genießen. Wir schaffen das schon. Und Pamela und Madison brauchen auch mal einen Tag frei.«
Mom ist wie immer übermotiviert, dabei weiß sie genau, dass nur zwei Paar Hände eindeutig zu wenig sind für den zu erwartenden Andrang.
Ich rolle mit den Augen und mache mich wieder an die Arbeit. Manchmal hasse ich es wirklich.
Von der Bühne dringt lockere Countrymusik zu uns. Clive Bernson aus Ketchum ist mit seiner Linedance-Truppe herübergekommen. Die Tanzenden heizen dem Publikum ordentlich ein und schon bald verkaufen wir die ersten Getränke – mit einem deutlich höheren Alkoholgehalt. Die Stimmung ist ausgelassen und die Party in vollem Gang. Menschen lachen und schwatzen, stoßen an, genießen den heißen Apfelcidre.
Fröstelnd reibe ich mir die Arme und streife eine Strickjacke über, während ich ein Glas nach dem anderen verkaufe. Trotz der bereits sommerlichen Temperaturen tagsüber sind die Nächte noch kalt und die Menschen brauchen etwas Warmes.
Für den Hals natürlich.
Ich schmunzle.
»Du solltest auch einen Cidre trinken.« Ashton Gray lehnt an einem Pfosten, der das Dach unseres Verkaufsstandes stützt, und mustert mich mit unverhohlenem Interesse. Er nippt an seinem Bier.
»Ich trinke nicht bei der Arbeit.« Lächelnd reiche ich den Cidre an Mrs. Williams weiter. Unter das Glas halte ich eine Serviette. »Vorsicht, heiß. Nehmen Sie die Serviette. Nicht, dass Sie sich verbrennen.«
Ashton ignoriere ich, genau wie er mich mein Leben lang ignoriert hat. Mehr als ein paar Wortwechsel habe ich mit ihm in den vergangenen Jahren nie geführt. Nichts, was über »Guten Tag« und »Auf Wiedersehen« hinausgegangen ist.
Das ist praktisch das erste Mal, dass er mich anspricht, ohne etwas zu wollen.
Halt, Moment.
Vielleicht will er ja doch etwas von mir?
Mir?!
Hitze schießt mir in die Wangen.
Ich danke der Person, die für die Beleuchtung gesorgt hat, denn sie lässt Ashton hoffentlich nicht erkennen, ob ich rot werde oder einfach nur auf die Kälte reagiere.
Leider kann ich Ashton nicht mit der Gleichgültigkeit behandeln, die er verdient, weil er … solch ein unfassbares Arschloch ist. War. Immer sein wird.
Die ältere Dame greift mit beiden Händen zu. »Danke, Kindchen. Auf den Cidre freue ich mich schon das ganze Jahr. Habt ihr die alten Äpfel vom Herbst verwendet?«
»Natürlich, Mrs. Williams. So wie das traditionelle Rezept es vorschreibt. Meine Mutter käme nie auf die Idee, gespritztes oder importiertes Obst zu benutzen. Alles zu einhundert Prozent hausgemacht.«
»Dann werde ich mir gleich nachher noch einen genehmigen.« Mit ihrem Glas geht sie weg. »Schau mal, Eddie, ich hab Cidre. Willst du kosten?«
Kopfschüttelnd sehe ich ihr hinterher.
Mrs. Williams spricht unserem Apfelwein jedes Jahr gut zu und dementsprechend beschwipst wankt sie meist am Arm ihres Mannes nach Hause. Sie wird nicht die Einzige sein, die heute Abend ordentlich einen im Tee hat.
»Und du willst dir wirklich keinen gönnen? Du bist schon ganz durchgefroren, Peach.« Ash stößt sich vom Pfosten ab und bringt damit das Dach unseres Verkaufsstandes zum Wackeln.
»Vorsicht, deinetwegen stürzt noch alles zusammen.« Besorgt blicke ich nach oben, um ihn ja nicht anzusehen.
›Er kennt meinen Namen.‹
Der Gedanke genügt, um eine ganze Ladung Schmetterlinge in meinem Magen freizusetzen.
Er. Kennt. Meinen. Namen.
»Ach was, das hält.« Er klopft gegen den Balken und grinst. »Willst du tanzen?«
Genervt atme ich durch.
Ein Name genügt nicht, um all das, was er in den letzten Jahren verbockt hat, auszulöschen. Der Kerl ist ein wandelnder Chaosmagnet, wobei er stets unbeschadet davonkommt. Nur die anderen müssen seinen Mist ausbaden.
»Was soll das, Ash? Nach allem, was über dich und Annabelle herausgekommen ist, glaubst du wirklich, dass irgendeine Frau mit dir ausgehen möchte?«
Am allerwenigsten ich, obwohl das gelogen ist. Wenn Ashton Gray mich vor zehn Jahren um ein Date gebeten hätte, wäre ich vor Verzückung in Ohnmacht gefallen. Er sah so verdammt gut aus, tut er immer noch.
Er verzieht das Gesicht, schiebt sich die Hand in die Hosentasche und verteilt mit der Spitze seines Stiefels das Stroh, welches den Asphalt bedeckt. »Das ist eine Ewigkeit her.«
»Und du hast es nicht für nötig gehalten, die Anschuldigungen gegen Cody zurückzunehmen? Nein, du hast den Mund gehalten und so getan, als wäre alles in Ordnung.« Ich presse die Lippen aufeinander und bin unglaublich stolz auf mich, dass ich die Worte ausspreche, was ich nur kann, weil ich ihn auf Abstand halten will.
So heiß ich ihn auch finde, er ist kein guter Kerl. Leider macht ihn das so verdammt reizvoll.
Meine Fingerspitzen kribbeln.
»Schätzchen, vielleicht hat Ash recht und du solltest wirklich eine Pause machen.« Mom legt ihren Arm um meine Schultern und drückt mich an sich. »Trink ein Glas Cidre, geh etwas tanzen. Amüsier dich. Ich kümmere mich um den Stand.«
»Aber –«
»Nichts, aber. Du bist jung und solltest nicht den ganzen Abend arbeiten. Du hast genug getan.«
»Und was«, flüstere ich, »wenn ich nicht mit Ash tanzen will?« Verbissen starre meine Mom an.
»Das weißt du doch erst, wenn du es versucht hast, oder?« Sie schenkt mir eines dieser hinterhältigen Lächeln, die sie immer dann aufsetzt, wenn sie eine neue Bekanntschaft für mich aus dem Hut zaubert.
»Willst du mich verkuppeln?« Misstrauisch verenge ich die Augen, doch Mom lacht nur.
»Mit Ash? Ich bitte dich. Jeder weiß, wie sehr ihr euch mögt.« Sie macht Zeichen in der Luft.
»Nicht mehr seit der dritten Klasse.«
Ash kommt auf mich zu geschlendert und grinst unverschämt. »Das tut mir übrigens auch leid, dass ich dir den Kakao in die Schultasche gekippt habe.«
Missmutig verziehe ich das Gesicht. »Okay, aber nur ein Glas und wir tanzen nicht, wir sehen nur zu. Und für den Kakao bist du mir einiges mehr schuldig. Du hast meine Ausgabe von Robinson Crusoe vernichtet. Das verzeihe ich dir nie. Das verzeiht dir Robinson nie!«
Ash lacht, worauf sich ein Kribbeln in meinem Magen einnistest. Dieser schöne Mann scheint es tatsächlich ernst zu meinen.
»Okay, okay.« Er greift in seine Gesäßtasche und zieht einen großen Geldschein hervor, den er an meine Mom weiterreicht. »Für Peachs Cidre.«
Mom schnappt nach Luft. »Dafür kannst du den ganzen Kübel kaufen.«
»Na dann tue ich das.« Ash zwinkert und hält mir den Arm hin.
Ich verdrehe die Augen, schöpfe mir einen Becher und hake mich bei ihm unter.
Das tue ich tatsächlich, dabei bin ich noch stocknüchtern.
Was ist nur in mich gefahren?
»Aber nur ein paar Minuten.«
Die Antwort ist so einfach wie simpel.
Er.
An Ashton Grays Arm über den Markt zu flanieren, ist der Traum meiner feuchten Nächte seit Teenagertagen. Ihn zu berühren, ist eine Versuchung, der ich nicht widerstehen kann.
Verdammt, schon mein ganzes Leben lang will ich wissen, wie er sich anfühlt.
Meine Hand ruht auf seinem Arm. Unter dem rot-karierten Flanell ertaste ich harte, gestählte Muskeln.
Oh, Mann!
Er grinst, sodass seine strahlend blauen Augen das Licht der Standbeleuchtung widerspiegeln. »Wenn du das sagst.«
Und dann lasse ich mich in Richtung Tanzfläche entführen.
Fünf Gläser Cidre später – und der heiße Apfelwein steigt mir langsam zu Kopf. Die Stimmung kocht und ich lache ausgelassen, lehne mich gegen Ash, an seine Schulter.
Wir sitzen auf einer Holztribüne, die an der Seite der Bühne aufgebaut ist. Immer wieder kommt er mir näher, streichelt mich, lässt seine Hände über meine Strickjacke gleiten, während ich die Tanzenden beobachte.
Er beugt sich zu mir und schiebt seine Nase in meine roten Locken. Ich erschauere wohlig, genieße seine Nähe, gebe jedoch vor, nichts von seinen Annäherungsversuchen mitzubekommen, sondern konzentriere mich auf das Geschehen vor mir.
Das geht mir alles viel zu schnell.
Na ja, er fühlt sich toll an. Stark und muskulös, mit einer breiten Brust zum Dahinschmelzen.
Wann immer ich meine Hand auf ihn lege, grinst er zufrieden. Ihm scheint es zu gefallen, also erlaube ich ihm auch, mich anzufassen.
Ich trage noch meine Jacke. Gleichwohl fühlen sich seine Berührungen seltsam an. Doch ich sage nichts, denn es ist … Ash.
Die Band spielt eine schwungvolle Melodie, das Stampfen der Absätze lässt die Bühne erzittern, die Drehungen verwirbeln mir den Kopf und die Nähe dieses Mannes geben mir den Rest.
»Also ich könnte das nicht«, murmle ich.
Ash legt seine Hand auf meinen weichen Bauch, schiebt sie unter meine Strickjacke und hält meine Taille. »Was?« Er reibt seine Nase an meinem Hals. Lippen berühren mich, setzen einen sanften Kuss hinterher.
Erschrocken fahre ich zusammen.
Das hat er nicht wirklich gerade getan, oder?
Ich meine, ich hocke hier mit Ashton Gray, Womanizer, der praktisch jede rumkriegt.
Will ich mich als Kerbe in seinem Bettpfosten wiederfinden?
Nein, niemals.
Aber es fühlt sich so gut an, begehrt zu werden.
Nur noch eine Minute, dann bremse ich ihn ein.
Meine Sinne schwinden, mein Verstand verliert sich irgendwo zwischen Alkohol und Berührungen. In meinem Schädel summt es und ich fühle mich ganz benommen.
Etwas umfasst mein Kinn, dreht langsam meinen Kopf. Anschließend sehe ich Ash tief in die Augen.
»Peach?«
»Mh?« Ich schlucke.
»Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich jetzt küsse?«
»Mh?« Ich lehne mich in seine Richtung, die Lippen leicht geöffnet, schon halb in dem Kuss versunken, bis mir schlagartig klar wird, mit wem ich hier hocke.
Ashton Gray will mich küssen.
Ja, verdammt! Ich müsste vor Begeisterung schreiend im Kreis rennen, doch irgendwie versetzt mich seine Frage in Panik.
Das ist es, was ich mein Leben lang wollte. Dass er mich küsst. Als es so weit ist, weiß ich nicht, ob ich das wirklich will.
Was für ein Mist.
»Tanzen!« Ich schrecke hoch. »Du wolltest doch mit mir tanzen? Das sollten wir dringend machen, bevor ich wegen des Alkohols nicht mehr stehen kann.«
Ash lässt mein Kinn los und grinst. »Wie du möchtest.« Dann erhebt er sich und hält mir die Hand hin. »Darf ich bitten?«
Der drohende Kuss ist vergessen. Ich kichere, ergreife seine Hand und lasse mich von ihm auf die Beine ziehen. Er wirbelt mich einmal im Kreis herum, sodass ich am Ende der Drehung in seinen Armen lande und intuitiv nach seinem Ellenbogen greife.
Verblüfft blinzle ich. »Wie hast du das gemacht?«
Ash zuckt mit den Schultern. »Offensichtlich kann ich im Gegensatz zu dir tanzen.«
»Nein, kannst du nicht. Ich erinnere mich noch an die Tanzstunde in der achten Klasse. Die hast du ständig geschwänzt.«
Er führt uns die Tribüne hinunter und beugt sich dann zu mir. »Die Tanzstunde war immer nachmittags und da hatte ich keine Zeit. Weil ich meinem Bruder auf dem Bau helfen musste.«
»Was wirklich schade war. Wir hatten solchen Jungs-Mangel.«
»Och, nicht so schade wie die Blicke der Mädels auf meinen vom Bretter schleppen gestählten Körper.«
Ich pruste. »Das hat dich bestimmt entschädigt.«
»Oh ja.« Er streichelt meine Hand. »Ich weiß, dass du mich auch angeschaut hast, Peach.«
Plötzlich ruht sein intensiver Blick auf mir. »Das hat jede gemacht.«
Ich ahne, was er mit diesem Spruch erreichen will. Soll ich zugeben, dass ich auf ihn stehe?
Tja, leider tue ich das, aber ich habe ihm bereits genug Bestätigung gegeben. Sein Ego verträgt nicht noch mehr.
Wir erreichen die Tanzfläche, steigen die Stufen hinauf und wollen uns gerade in die hinterste Ecke einreihen, als die schwungvolle Country-Musik endet und die Band zu einem ruhigeren Slowfox übergeht.
Ich ziehe eine Schnute. »Toll, da trinke ich mir einmal Mut an, um endlich beim Linedance mitzumachen und dann kommen die mir mit Kuschelsongs.«
Ash platziert sich vor mir, nimmt meine Hände und legt sie in seinen Nacken. Er zieht mich an sich und wiegt uns langsam hin und her. »Das gibt mir allerdings die einmalige Gelegenheit, dort weiterzumachen, wo wir eben aufgehört haben.«
»Als ob ich das wollte.« Automatisch passe ich mich Ashs Bewegungen an.
Er übt Druck auf meine Hüften aus und zwingt mich so in seinen Rhythmus. Mit sanften Schritten bewegt er uns über die Tanzfläche, löst gelegentlich die Verbindung, dreht mich im Kreis und zieht mich wieder an sich.
»Wow! Ich wusste gar nicht, dass du tanzen kannst.«
Ash verzieht das Gesicht. »Du weißt so einiges nicht.« Er neigt den Kopf zur Seite und betrachtet meine Lippen. »Darf ich dich nun endlich küssen?«
Ich verenge die Augen. »Wieso willst du das tun? Weil ich betrunken bin?«
Er hält mich so fest, dass ich gar keine andere Möglichkeit habe, als mit ihm zu tanzen. Seine Führungsqualitäten sind fantastisch, sehr dominant, was ich mag. Nur bei ihm fühle ich mich ein wenig unwohl, doch es ist Ash und er will mich.
Mich!
Wie könnte ich Nein sagen?
»Sonst kriege ich ja nie eine Chance. Du lässt mich immer nur abblitzen.«
Ich lasse ihn abblitzen?
Pah!
Seit Jahren lechze ich nach seiner Aufmerksamkeit, doch das kann ich ihm unmöglich sagen, also greife ich nach dem ersten Strohhalm, der mir in den Sinn kommt.
»Wegen Annabelle.«
Der arme Cody. All die Jahre.
Aber irgendwie bewirkt der Alkohol, dass ich Ashs Verhalten relativiere.
Was hat er denn schon groß getan?
Er hat sie zur alten Mine gefahren und nicht aufgepasst. Das hätte jedem von uns passieren können.
Ist es nicht etwas unfair, ihn deswegen ein Leben lang zu verurteilen? Ihn leiden zu lassen?
Ja, ist es.
Außerdem will ich einen Kuss von ihm. Ich will wissen, wie er schmeckt. Das wäre ein Erlebnis, das meinen Alltag im Maple’s erleichtern würde. Daran kann ich mich immer erinnern, wenn ich wieder einmal von Selbstzweifeln geplagt das Mädchen für alles für meine Mom spiele.
Ja, wenn Ashton Gray mich küsst, dann bin ich wer. Nicht mehr Peach mit den roten Haaren und dem seltsamen Namen.
»Okay, du darfst. Aber wenn es mir nicht gefällt, dann … dann hörst du sofort auf. Okay?«
Ash streichelt meine Wange und sieht mir tief in die Augen. »Das versteht sich doch von selbst.« Dann beugt er sich vor, neigt den Kopf zur Seite und spitzt die Lippen.
»Hier?« Hastig drücke ich ihn weg. »Du kannst mich doch nicht in aller Öffentlichkeit küssen?«
Eigentlich bin ich fast schon so weit, meine Bedenken über Bord zu werfen.
Ich meine, Ashton Gray, der Frauenschwarm von Sun Valley, will mich küssen und ich beschwere mich über den Ort?
»Ja, das will ich.«
Ich schlucke.
Jetzt oder nie.
Er ist Ashton Gray.
Ashton Gray!
»Dann tu es, bevor ich schreiend davonlaufe.«
Ash hebt die Mundwinkel, schmunzelt mich an und gräbt seine Hände in mein Haar.
Ich schließe die Augen, lecke mir über die nach Apfel und Alkohol schmeckenden Lippen, warte auf seine Berührung.
Oh, Mann.
Ich ertaste die harten Muskeln unter seinem Hemd, erfühle die Kraft, die von ihm ausgeht, und dann erst seine Hitze.
Er strahlt so viel Wärme aus, dass ich in meiner Vorstellung schon meine eiskalten Füße zwischen seine Waden schiebe und mich wohlig an ihn kuschle.
Ashton und ich. Wow!
»Ah, Kumpel, gleich hast du es geschafft! Ich glaubs ja nicht! Du hast den Pfirsich gepflückt!«
»Nein, hab ich nicht. Weil du deine Klappe nicht halten konntest.« Ash klingt gepresst.
Ich erstarre, als hätte man einen Kübel Eiswasser über mir entleert. Jegliche Wärme weicht aus meinen Gliedern. Den Kopf wie zum Kuss zur Seite geneigt, weiche ich zurück, ohne jedoch die Augen zu öffnen. Die sanften Klänge der Band gehen im Rauschen unter und ich höre nur noch die Worte. Sie versengen meine Selbstachtung.
›… du hast den Pfirsich gepflückt.‹
Diese Stimme würde ich überall wiedererkennen.
Jon Shaffer, Football-Ass, Quarterback der Wood River High und bester Freund von Ashton Gray.
Dieses verdammte Arschloch!
Meine Augen brennen, ein Beben erfasst mich. Heiße Schauer rasen durch meinen Körper. Ich glühe in meiner Scham und gleichzeitig friere ich, als würde ich nackt in der Arktis stehen.
Hemmungslos fange ich an zu zittern.
»Peach …«
Ganz langsam öffne ich die Augen, begegne Ashs schuldbehafteten Blick, erkenne seinen Kumpel hinter ihm stehend und feixend. In dem Moment weiß ich, dass ich mir Jon Shaffers Gebrüll nicht eingebildet habe.
»Was zur Hölle sollte das?« Mit den Worten kommt die Wut.
Jahrelang haben mich die Kerle herumgeschubst, auf mich eingehackt und meine Highschool-Zeit zur Hölle gemacht. Aber ich bin nicht eingeknickt, niemals. Egal, wie viel Dreck sie auf mir abgeladen haben, ich bin stark geblieben. Weil ich Skylar und Donna hatte. Weil ich nicht allein war. In der Zeit habe ich mir einen Panzer aus Gleichgültigkeit zugelegt, hinter dem ich mein angekratztes Selbstbewusstsein verstecken kann.
Und da passe ich einmal nicht auf, denke, dass es nach all den Jahren anders sein könnte, und dann passiert es.
Heftig stoße ich Ash gegen die Brust, sodass er zurücktaumelt und gerade noch von Jon und Alex aufgefangen wird. Jon stolpert, verschüttet dabei etwas Bier. Feixend schlingt er seinen Arm um Ashs Hals und hält ihn im Schwitzkasten.
»Du hast es geschafft, Kumpel, du hast die Maple-Queen endlich geknackt. Ich hätte nicht gedacht, dass irgendjemand es je schaffen könnte.«
»Gar nichts habt ihr geschafft.« Alex schiebt die Hände in die Hosentaschen und sieht beklommen zu Boden. »Ich hätte euch aufhalten müssen. Es war eine blöde Idee. Tut uns leid, Peach.« Er wirft seinem jüngeren Bruder einen zornigen Blick zu. »Los, entschuldige dich bei ihr.«
Ash ringt mit Jon, seine Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet, doch er soll keine Gelegenheit bekommen.
Scheiße, ich will es nicht hören.
Tränen brennen in meinen Augen. »Ihr seid solche Arschlöcher!«, schreie ich, wirble herum.
So schnell ich kann, renne ich, ohne mich von Mom zu verabschieden oder ihr beim Abbau zu helfen.
Ich renne, bis ich zu Hause bin, Dad ignoriere, der in seinem Sessel sitzt und mich fragt, wie der Abend war.
Ich renne, bis ich die Tür meines Zimmers hinter mir ins Schloss pfeffere und kopfüber in mein Bett stürze.
Erst dann lasse ich den Tränen freien Lauf.
Alex
»Wie konntest du das tun?« Ich packe meinen Bruder bei den Schultern und schüttle ihn, bis seine Zähne rhythmisch aufeinanderschlagen. Gequält verzieht er das Gesicht. Erst dann lasse ich ihn los.
Ash grinst dämlich. »Hast du ihre roten Wangen gesehen? Die Kleine war total scharf auf mich.« Er boxt Jon gegen die Schulter. »Schade, dass du mich unterbrochen hast. Ich war so kurz davor, sie zu kosten. Oh, dieser reife Pfirsich.« Ash setzt eine enttäuschte Miene auf. »Jetzt weiß ich immer noch nicht, wie sie schmeckt, oder wie sich ihr praller Hintern unter mir anfühlt.«
Jon lacht dreckig.
Fassungslos starre ich die zwei an. »Seid ihr noch ganz bei Trost? Ihr könnt doch nicht so mit Peach spielen. Sie hat Gefühle, Ash. Für dich. Du weißt das.«
Ash winkt ab. »Seit der Highschool starrt sie mir auf den Arsch. Ich wollte nur wissen, wie weit sie bereit wäre zu gehen. Ich hätte nichts dagegen gehabt.« Er greift sich vielsagend in den Schritt und rückt sich zurecht.
Angewidert verziehe ich das Gesicht.
Und das soll mein Bruder sein?
»Ich meine, ich hätte es ihr gegeben.«
Jon schlingt seinen Arm um Ashs Nacken. »Ich wär auch nicht abgeneigt. Ihr praller Arsch hat schon was.«
Hastig nehme ich Jon das Bier aus der Hand. »So, das reicht für heute. Ihr seid beide sturzbesoffen. Peach wird uns die Hölle heißmachen, sobald wir wieder im Maple’s auftauchen. Irgendwo müssen wir essen. Ash, du kannst nicht jeden vergraulen.« Finster mustere ich ihn.
Er winkt ab. »Ach, was. Skylar mag mich wieder, nachdem ich mich mit Cody vertragen habe. Ich meine, der Kerl kann ja nichts dafür, dass seine Schwester zu dämlich für die richtige Menge Koks war.« Er zuckt mit den Schultern. »Aber jetzt sind wir uns wieder grün. Also können wir in die Station gehen, wenn Peach uns nicht mehr mag.«
Fassungslos starre ich ihn an.
Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?
Er reißt Witze über Annabelles Tod.
Zum Glück hat Cody das Fest vor ein paar Stunden mit seiner süßen, kleinen Tochter verlassen. Wenn er mitbekäme, wie Ash über seine Schwester redet, wäre die Aussöhnung dahin.
»Du bist unmöglich, wenn die betrunken bist.«
Ash grinst.
»Und dämlich! Was ist nur in dich gefahren?«
»Ich!« Jon klopft sich auf die Brust. »Diese Wette war meine Idee.«
Böse stiere ich Jon an. »Ja, klar. Von dir habe ich auch nichts anderes erwartet. Betrunken bist du echt 'ne Lachnummer.«
Jon fängt an zu kichern, dass er sich verschluckt und schließlich mit einem Hicks auf den Brettern der Sitztribüne, zu der wir ihn gemeinsam schleppen, zusammenbricht.
»Oh, Gott, ist mir schlecht!« Und dann übergibt er sich zwischen den Reihen. Seine Kotze landet zum Glück im Gras unter uns.
Ash reibt ihm den Rücken und blickt mich plötzlich ungewohnt nüchtern an.
Findet sich in diesem vom Alkohol umnebelten Hirn tatsächlich ein Hauch Verstand?
»Meinst du, ich habe es übertrieben? Ich meine, ich hatte nie was für Peach übrig. Dieses ganze Starren hat mich echt abgeschreckt. Aber als ich sie vorhin hielt …« Sein Mundwinkel zuckt.
Ich sehe auf. »Wie hat sie sich angefühlt?«
Ash blinzelt. »Was meinst du?«
Nervös ringe ich die Hände.
Diese Frage sollte ich nicht einem Betrunkenen stellen, doch mit etwas Glück weiß er morgen nicht mehr, was er mir erzählt hat. Also wage ich den Sprung und hoffe das Beste.
»Ihr Hintern. Ihre Haut. Wie hat sie gerochen? Ihr Haar? Du hast dran geschnuppert, oder?«
Er hebt die Augenbraue. »Alter, was geht denn bei dir ab?!«
Offensichtlich ist er nicht so betrunken, wie ich angenommen habe. Fuck.
»Nichts, ich frage mich nur, ob sie … wirklich wie ein Pfirsich riecht? Ich meine, der Name?«
Ash schüttelt ganz langsam den Kopf, verengt die Augen und beugt sich über Jons Rücken hinweg zu mir. »Was genau schwebt dir vor? Willst du sie pflücken?«
Schockiert starre ich ihn an. »Nein, wie kommst du denn auf die Idee?«
»Alter, ich bin vielleicht besoffen, aber noch längst nicht so betrunken, dass ich nicht merke, was du vorhast. Du hast mich noch nie nach einer Frau gefragt oder bist ausgetickt, wenn ich meine Spielchen gespielt habe.« Ash verdreht die Augen. »Okay, bei Annabelle warst du ziemlich sauer, dass ich sie mit auf die Party genommen habe. War nicht gerade meine Glanzleistung. Aber mich nach Peach zu fragen, ist neu für dich. Also was geht in diesem Hirn vor?« Er tippt mir mit dem Finger gegen die Stirn.
Ich ringe die Hände. »Vergiss es. Ich will es gar nicht wissen.«
Ash wirft lachend den Kopf zurück. »Und wie du es wissen willst. Die Kleine geht dir an die Eier.«
»Könnten wir aufhören, Peach in Zusammenhang mit Geschlechtsteilen zu erwähnen, ja?« Mühsam beherrscht balle ich die Hände und grabe die Nägel in die Handflächen. Der Schmerz verdrängt ein wenig von dem roten Nebel, der sich um mein Sichtfeld zieht.
So viel habe ich gar nicht getrunken, oder?
Gerade wegen diesen beiden Idioten hier halte ich mich zurück. Irgendwer muss schließlich ihren Scheiß bereinigen.
Ash zuckt mit den Schultern. »Wenn du meinst.«
»Er steht auf sie, ganz eindeutig.« Jon hebt den Kopf, Kotze läuft ihm vom Kinn.
»Echt, Alter! Du siehst aus wie 'ne Schnapsleiche und willst mir erklären, worauf ich stehe? Krieg dich erst mal selbst in den Griff!« Schwungvoll erhebe ich mich, springe über das Sitzbrett vor mir aufs Gras, gehe ein paar Schritte und schiebe die Fäuste in die Hosentaschen.
Diese beiden Hornochsen nerven mich und ich habe keine Lust mehr auf ihre blöden Sprüche. Sollen die zusehen, wie sie heimkommen.
»Hey, Mann! Nun sei doch nicht gleich angepisst.« Ash breitet die Arme aus, versucht, meinen Sprung zu wiederholen, landet auf einem Bein und strauchelt. Im letzten Moment fängt er sich ab und stolpert in meine Richtung. Dabei grinst er mich an, sodass ich gar nicht anders kann, als ihn aufzufangen.
»Hey, war nicht so gemeint.« Er sieht zu mir auf und hängt sich an meinen Arm. »Ich bin manchmal echt ein Arsch.«
»Mh.« Ich presse die Lippen aufeinander, um mir jede Bestätigung zu verkneifen. Für den heutigen Abend ist mein Maß an Streitereien voll.
Ash schlingt seinen Arm um meinen Hals und zieht mich an seine Seite. Ich umklammere seine Taille und schiebe ihn in eine aufrechte Position. Langsam drängt er mich vorwärts.
»Sie riecht köstlich. Ganz nach dem Apfelpunsch, den sie heute Abend ausgeschenkt hat. Und ihre Haut.« Ash reckt die Nase in den Nachthimmel und tut so, als würde er schnuppern. »Unwiderstehlich. Ich sags dir. Daher hat sie ihren Namen. Weil sie sich anfühlt wie ein Pfirsich. Sie ist warm und so saftig. Ich wette, sie ist saftig.«
Ich knurre warnend.
»Hey, das ist kein Geschlechtsteil!«
Ashs Kommentar bringt mich zum Schmunzeln. »Nein, aber es weckt Vorstellungen, die ich nicht mehr aus meinem Kopf kriege.«
»Mh, ja, wenn ich es mir recht überlege, klingt es wie –«
Hastig schlage ich gegen seine Brust. »Kein Wort, Bruder. Sonst vergesse ich mich. Wir reden nicht so über Frauen, verstanden? Wir respektieren sie, auch wenn wir betrunken sind.«
»Aber …«
»Dann trink das nächste Mal weniger.« Ich boxe ihn gegen die Schulter.
»Au!« Ash reibt sich die Stelle. »Warum tust du das? Das tut scheißweh!«
»Weil du ein Arsch bist und es verdient hast.« Ich zerre ihn vorwärts in Richtung unseres Wagens, der auf der anderen Seite der Grünfläche parkt.
Wir erreichen mühsam meinen weißen Pick-up. Erschöpft lehne ich Ash gegen den Kotflügel auf der Beifahrerseite und krame nach den Schlüsseln.
»Und was ist mit Jon?«
Genervt stöhne ich auf.
Der Mistkerl hockt immer noch auf der Tribüne und kotzt sich hoffentlich nicht mehr die Seele aus dem Leib.
Ich kann ihn trotzdem nicht dort lassen. Mist.
»Den hole ich gleich, nachdem ich dich auf dem Beifahrersitz abgeladen habe.« Ich schließe den Wagen auf und schiebe meinen Bruder auf die Sitzfläche. Schwungvoll knalle ich die Tür hinter ihm zu.
»Na, Alex, alles klar bei euch?« Fletcher Ford klopft auf die Ladefläche meines Wagens, kommt herum und späht zur Beifahrerseite hinein.
»Ja, Sir. Alles bestens.«
»Uh, Ash hat wohl zu viel von Harriets Punsch getrunken?« Er wedelt sich vor der Nase herum. »Und gekotzt, was?«
»Ne.« Ich mustere einen Fleck auf meiner Hose. »Die Kotze ist von Jon. Der parkt noch auf der Tribüne. Und der Apfelpunsch ist von …«
»Peach!« Ash lehnt sich genüsslich zurück. »Sie hat Punsch getrunken und roch so lecker, Fletcher. Sie hat so lecker gerochen!«
»Ash, sei still!«, zische ich, doch mein dummer Bruder grinst nur blöde vor sich hin.
»Alex steht auf sie. Wusstest du das, Sheriff?«
Fletcher hebt die Augenbraue. »Ich glaube, den solltest du heimbringen. Aber dringend.« Er wirft mir einen kritischen Blick durch den Wagen zu. »Wie viel hast du getrunken, Alex? Bist du fahrtüchtig?« Fletcher verschränkt die Arme und stützt sich auf das geöffnete Fenster der Beifahrertür.
»Nur ein Bier, Sir.«
»Muss ich dich blasen lassen?«
Ash kichert. »Wenn Peach es tut.«
Fletcher kommentiert Ashs Spruch mit einem Klaps gegen den Hinterkopf.
»Au!«
»Nein, Sir. Du hast mein Ehrenwort«, erwidere ich. »Nur ein Bier. Wenn ich auf Jon und Ash aufpassen muss, kann ich mir nicht mehr leisten. Die beiden machen nur Blödsinn, sobald sie Alkohol im Blut haben.«
»Guter Mann.« Fletcher nickt. »Hol Jon und bring sie heim. Ich hoffe für dich, Ash, dass du und Jon einen ausgewachsenen Kater habt. Und sucht euch das nächste Mal ein anderes Opfer für eure Blödeleien. Peach ist vorhin vollkommen aufgelöst nach Hause gerannt. Ich kann so was nicht gutheißen, Jungs.« Er wirft Ash einen warnenden Blick zu. »Noch so ein Ding und du übernachtest mal in der Ausnüchterungszelle. Haben wir uns verstanden?«
Ash hebt die Hand an die Stirn. »Ja, Sirrrrrrrrr.«
Fletcher schüttelt den Kopf, bevor er sich noch einmal an mich wendet. »Hoffen wir, dass er sich morgen noch an all seine Dummheiten erinnert und bereut.«
»Oh, das wird er, Fletch, das wird er.« Ich grinse still in mich hinein, während sich der Sheriff verabschiedet und Richtung Festplatz geht, vermutlich um den ein oder anderen Betrunkenen zurechtzuweisen.
Es ist jedes Jahr das Gleiche. Sobald jemand öffentlich Alkohol ausschenkt, mutieren einige Bewohner zu regelrechten Charmebolzen.
Gott sei Dank ist das alles, was hier passiert.
»So, und jetzt holen wir Jon. Dann ab nach Hause.« Ich steige ein und lasse den Wagen an, will schalten, doch Ash kippt in dem Augenblick zur Seite und lehnt seinen schweren Kopf gegen meine Schulter.
»Nicht nötig, kann auch hier schlafen«, säuselt er, klammert sich an meinen Arm und schmatzt genüsslich. »Und von Peach träumen.« Ein seliges Lächeln umspielt seine Lippen. Sein Gewicht hindert mich am Schalten.
Genervt fällt mein Kopf nach vorn.
Na toll, der Abend kann nur noch besser werden.
Peach
Meine Granny pflegte immer zu sagen, dass man nur eine Nacht darüber zu schlafen braucht. Dann verschwindet der Schmerz.
Mittlerweile weiß ich es besser.
Der Schmerz verschwindet nicht, du lernst, damit umzugehen. Er wird ein Teil von dir, egal, wie viele Nächte du schläfst, er ist immer da. Du passt dich nur an, nimmst ihn weniger wahr, weil er längst zu dir gehört.
Als ich an diesem Morgen die Augen öffne, brennen sie. Ungeweinte Tränen belauern mich. Gestern Nacht war nicht genug. In mir staut sich so viel Schmerz, dass ich eine Woche durchheulen müsste, um nur an seiner Oberfläche zu kratzen. Die Narben meiner Highschool-Zeit sind nicht verschwunden, ich habe nur gelernt, sie zu verstecken. Wie einen langärmeligen Pulli über die Arme zu streifen.
Wenn man sie nicht sieht, sind sie nie dagewesen, oder?
Heute weiß ich es besser. Sie verschwinden niemals.
Im Spiegel sehe ich die gleiche Person, nur zehn Jahre älter. Sie zwingt sich das gleiche Lächeln auf die Lippen wie damals und der Schmerz verbleibt still im Hintergrund. Wie ein guter Bekannter sieht er mir über die Schulter. Ich lächle ihm entgegen und verdränge die Tränen.
Heute nicht.
Niemals.
Gestern Abend war ein Ausrutscher, der nie wieder vorkommen wird. Ich bin eine Kämpferin und werde nicht zulassen, dass mich Erinnerungen aus der Fassung bringen. Es kostet Kraft, doch ich nehme sie, packe sie in eine Kiste, Deckel drauf und ab in die hinterste Ecke meines Verstandes.
»Peach!« Dads Ruf lässt das ganze Haus erschüttern. »Ich brauche Sauerstoff!«
Genervt verdrehe ich die Augen. Immer braucht er irgendetwas. Genau deshalb habe ich keine Zeit, mich den Tränen hinzugeben. Irgendeiner will ständig etwas von mir. Nie kommen meine Gedanken zur Ruhe.
»Komme schon.«
Hastig verteile ich etwas Concealer, um meine Augenringe zu verstecken, trage einen dünnen Lidstrich auf und betone meine Wimpern. Kritisch mustere ich mein Spiegelbild, verfluche die rote Mähne, die sich über meinen Rücken wölbt, und schlinge sie zu einem hastigen Knoten, den ich mit einem Holzstäbchen in meinem Nacken fixiere.
Auf dem Weg nach unten nehme ich eine frische Sauerstoffflasche mit. Das 4 kg schwere Teil klemme ich mir unter den Arm und laufe in den Wohnbereich.
Dad sitzt am Küchentisch und blättert in der Sun Valley Gazette. Ein großer Artikel über das Frühlingsfest ziert die Titelseite.
»Hier passiert echt nie etwas, dass sie über so Banales wie das Fest berichten müssen, was?« Ich knie mich neben seinen Stuhl, löse die Verbindungen seiner Atemschläuche, schraube die Flasche aus dem Wägelchen und tausche sie gegen die Neue aus.
»Danke, Herzchen.« Dad schenkt mir ein schwaches Lächeln. »Du hast mir gestern Abend gar nicht erzählt, wie es gelaufen ist. Deine Mutter kam erst nach Mitternacht heim. Ich muss im Wohnzimmer eingeschlafen sein. Aber du warst so schnell weg, dass ich dich nicht mehr um Hilfe bitten konnte.«
»Tut mir leid, Dad.« Ich richte mich auf und drücke seine Schultern. »Der Abend war gut, viele Verkäufe. Ist Mom schon wach?«
Dad schüttelt den Kopf. »Aber ich habe Pancakes gemacht.« Er schenkt mir ein schweres Lächeln. Stolz deutet er auf den mageren Stapel auf der Küchentheke. Die Teigschüssel ist noch halb voll und der Herd ausgeschaltet.
»Dad.« Ich seufze. »Du sollst dich nicht anstrengen. Deine Lunge kriegt das nicht mehr hin. Du musst dich ausruhen.«
»Ach was. Das bisschen Pancakesbraten.« Er versucht, lässig abzuwinken, aber ich sehe ihm an, wie schwer ihm die Tatsache fällt, dass er es einfach nicht mehr kann.
»Deine Lunge …«
»Ich tue das, was mir Spaß macht. Das hat mir der Arzt verordnet. Und ich wollte Pancakes backen. Für euch. Aber …« Er bricht ab und holt schwerfällig Luft.
Es zerreißt mich, ihn so zu sehen.
Hastig stehe ich auf und drücke seine Schulter, eile in die Küche.
»Ich brauche nur eine kleine Pause«, ruft er mir hinterher.
Ich schalte den Herd ein und quirle den Teig durch. »Kein Problem, ich mache das gern fertig. Die Hauptarbeit hast du doch schon erledigt.« Ich schenke ihm ein Lächeln, das er flüchtig erwidert. Seine Augen schwimmen.
»Danke, Herzchen.«
»Und, was schreiben sie über das Fest?« Ein kleiner Klecks Teig landet in der heißen Pfanne, nun wende ich mich der Kaffeemaschine zu. Der Kaffeesatz liegt halb neben dem Mülleimer.
Mist.
Es tut mir in der Seele weh, meinem Vater bei seinem Verfall zuzusehen. Ich will jeden Tag mit ihm genießen und bete, dass er noch lange bei uns sein wird.
Angeblich kann man noch Jahre mit einer Herzinsuffizienz leben, wenn man sich schont. Dad knabbert jedoch am stärksten an seinen Einschränkungen.
»Nicht viel. Nur, dass es ein voller Erfolg war. Clive war da und hat Linedance gemacht?«
Ein schmerzlicher Stich durchfährt mich. »Ja.«
Mehr habe ich dazu nicht zu sagen, die Erinnerung an den Linedance bringt eine weitere, sehr viel weniger schöne, mit sich.
»Oh, ich erinnere mich noch gut daran, wie deine Mom und ich bei Clive getanzt haben. Wir sind jeden Samstag nach Ketchum gefahren und haben getanzt, was das Zeug hielt. Und danach …« Er schweigt sich aus und grinst. Selbstzufrieden lehnt er sich zurück und atmet schwer. »Noch einmal tanzen. Das wäre toll. Hast du es mal versucht?«
Ich schüttle den Kopf und gebe vor, mich um die Pancakes kümmern zu müssen. Nebenbei setze ich eine neue Pfanne auf, lege Speck hinein und schlage Eier auf, damit er bloß nicht auf die Idee kommt, mich noch nach mehr auszuquetschen.
»Ich tanze nicht, das weißt du doch.«
»Aber du solltest es versuchen.« Dad deutet mit der Gabel auf mich. Eine hat er immerhin bereits auf dem Tisch liegen.
Die Kaffeemaschine blubbert zufrieden vor sich hin, der Speck brutzelt.
»Ach, dafür habe ich keine Zeit.« Hastig fische ich die ausgelassenen Streifen aus der Pfanne, lege sie auf Küchenpapier und gebe die aufgeschlagenen Eier in das heiße Fett.
»Natürlich, mit einem netten jungen Mann.« Er lächelt.
»Dad«, tadle ich ihn liebevoll.
›Mich will doch sowieso keiner.‹
»Mit Ashton Gray zum Beispiel.« Mom steht im Morgenmantel in der Tür, verschränkt die Arme und schenkt mir ein vielsagendes Grinsen.
Toll.
»Mom!« Ich deute mit dem Pfannenwender auf sie, während ich den Griff so fest umklammere, dass es schmerzt.
Es muss wehtun, denn wenn es das nicht tut, könnte die frische Narbe von gestern Nacht aufreißen.
»Das hatte überhaupt nichts zu bedeuten.«
»Laut Rosie Miller sah das aber ganz anders aus.« Sie stößt sich vom Türrahmen ab und schlendert mit in den Manteltaschen vergrabenen Händen zu mir. »Angeblich sollt ihr euch geküsst haben.« Sie beugt sich vor und wirft einen prüfenden Blick in meine Teigschüssel. »Mach noch etwas Wasser rein. Der sieht so dickflüssig aus.«
Empört schnaube ich. »Was immer Rosie Miller zu sehen glaubt, da war nichts. Wir haben uns weder geküsst noch sonst was gemacht, außer …« Ich hole tief Luft, ringe mit mir, wie viel ich tatsächlich preisgeben soll, ohne meine aufgewühlten Gefühle zu verraten.