Im Bann seiner Macht SAMMELBAND - Sabineee Berger - E-Book
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Im Bann seiner Macht SAMMELBAND E-Book

Sabineee Berger

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Beschreibung

Der keltische Kriegsgott Condatis ist überschäumend an Macht und Energie. So zeugt er vier Söhne und teilt seine Qualitäten mit ihnen, um nicht völlig überzuschnappen. Allerdings belegt er sie auch mit einem Fluch: Sie müssen eine Gefährtin mit Feenanteil finden, um nicht in die Schattenseite ihrer göttlichen Qualitäten zu kippen. Zu allem Übel ist jedoch genau diese Frauengattung so gut wie ausgestorben. !! Alle vier Bände der Erfolgsserie in einem Sammelband !!

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Inhaltsverzeichnis

1.Kapitel

2.Kapitel

3.Kapitel

4.Kapitel

5.Kapitel

6.Kapitel

7.Kapitel

8.Kapitel

9.Kapitel

10.Kapitel

11.Kapitel

12.Kapitel

13.Kapitel

14.Kapitel

15.Kapitel

16.Kapitel

17.Kapitel

18.Kapitel

19.Kapitel

20.Kapitel

21.Kapitel

22.Kapitel

23.Kapitel

24.Kapitel

25.Kapitel

26.Kapitel

27.Kapitel

28.Kapitel

29.Kapitel

30.Kapitel

31.Kapitel

32.Kapitel

33.Kapitel

34.Kapitel

35.Kapitel

36.Kapitel

37.Kapitel

38.Kapitel

39.Kapitel

40.Kapitel

41.Kapitel

42.Kapitel

43.Kapitel

44.Kapitel

45.Kapitel

46.Kapitel

47.Kapitel

48.Kapitel

49.Kapitel

50.Kapitel

51.Kapitel

52.Kapitel

53.Kapitel

54.Kapitel

55.Kapitel

56.Kapitel

57.Kapitel

58.Kapitel

59.Kapitel

60.Kapitel

61.Kapitel

62.Kapitel

63.Kapitel

64.Kapitel

65.Kapitel

66.Kapitel

67.Kapitel

68.Kapitel

69.Kapitel

70.Kapitel

71.Kapitel

72.Kapitel

73.Kapitel

74.Kapitel

75.Kapitel

76.Kapitel

77.Kapitel

78.Kapitel

79.Kapitel

80.Kapitel,

81.Kapitel

82.Kapitel,

83.Kapitel

84.Kapitel

85.Kapitel

86.Kapitel

87.Kapitel

88.Kapitel

89.Kapitel

90.Kapitel

91.Kapitel

92.Kapitel

93.Kapitel

94.Kapitel

95.Kapitel

96.Kapitel

97.Kapitel

98.Kapitel

99.Kapitel

100.Kapitel

101.Kapitel

102.Kapitel

103.Kapitel

104.Kapitel

105.Kapitel

106.Kapitel

107.Kapitel

108.Kapitel

109.Kapitel

110.Kapitel

111.Kapitel

112.Kapitel

113.Kapitel

114.Kapitel

115.Kapitel

116.Kapitel

117.Kapitel

118.Kapitel

119.Kapitel

120.Kapitel

121.Kapitel

122.Kapitel

123.Kapitel

124.Kapitel

125.Kapitel

126.Kapitel

127.Kapitel

128.Kapitel

129.Kapitel

130. Kapitel

131.Kapitel

132.Kapitel

133.Kapitel

134.Kapitel

135.Kapitel

136.Kapitel

137.Kapitel

138.Kapitel

139.Kapitel

140.Kapitel

141.Kapitel

142.Kapitel

143.Kapitel

144.Kapitel

145.Kapitel

146.Kapitel

147.Kapitel

148.Kapitel

149.Kapitel

150.Kapitel

151.Kapitel

152.Kapitel

153.Kapitel

154.Kapitel

155.Kapitel

156.Kapitel

157.Kapitel

158.Kapitel

159.Kapitel

160.Kapitel

Impressum

1.Kapitel

Silke kaute gerade an der blassroten Biotomate, als sie ein komisches Gefühl beschlich und sich die Härchen auf ihrem Unterarm aufrichteten. Seltsam! Verwirrt sah sie in alle Richtungen, um die Ursache dafür zu finden, doch eigentlich war nichts wirklich Ungewöhnliches zu erkennen. Bis auf ein paar Blätter vielleicht, die sich am Rande der Lichtung heftig bewegten. Bei genauerer Betrachtung bemerkte sie allerdings, dass diese Bewegung völlig geräuschlos und nur auf einen Teil des Gebüsches beschränkt war. Es gab keinen Wind und Tiere waren auch nicht zu sehen.

Partielle Bewegung ohne das geringste Rascheln? Das war dann doch ein wenig seltsam. Rundum schien alles völlig normal zu sein, aber in einem Abschnitt von vielleicht fünf mal fünf Metern spielte das Unterholz definitiv verrückt. Es war wohl mehr Instinkt, als das Erkennen von Gefahr, warum Silke aufstand und ein paar Schritte auf Abstand ging. Das Phänomen machte sie durchaus neugierig, aber sie wollte auch nicht riskieren unter die Hufe eines Wildschweins zu geraten. Es war Mitte April und die kleinen Frischlinge kamen zumeist zwischen März und Mai zur Welt. Mit einer wild gewordenen Bache wollte sie sich aber nicht unbedingt anlegen. Selbst als gut trainierte Sportlerin hätte sie solch einem Biest nicht davonlaufen können.

Je länger sie aber überlegte und das Ereignis beobachtete, desto eher konnte sie ein Tier ausschließen. Ab einer gewissen Größe waren diese Viecher nicht völlig geräuschlos. Und da war noch etwas, das Silke immer mehr davon überzeugte, es mit keinem Wildschwein zu tun zu haben: Die Luft stellte seltsame Sachen an, begann sich in dem Abschnitt zu verändern und irgendwie eigentümlich zu schimmern. Sogar die Farben der Blätter änderten sich. Ja, tatsächlich! Das Schauspiel wurde immer intensiver und vollkommen bizarr. Silkes Mund stand vor Staunen offen und ihre Handflächen begannen zu schwitzen, als die Blätter nun in sattem Rosa aufleuchteten, blau wurden und dann wieder zu Grün wechselten. Wie paralysiert stand sie da und konnte nicht glauben, was vor sich ging. Die Wanderstrecke zur Weichtalalm kannte sie wie ihre Westentasche und auf dieser kleinen Lichtung am Rande der Baumgrenze hatte sie wohl schon gut ein Dutzend Mal ihr Käsebrot mit Biotomaten genascht. Aber in all den Jahren hatte sie ein solches Naturschauspiel noch nie erlebt. Als würden Luftschichten brechen und sich wieder zusammenschieben, Verzerrungen hervorrufen und nebenbei seltsame Farben produzieren. Die Energie, die von diesem Platz ausging, war auf ihrer Haut zu spüren, fühlte sich elektrisch an und warm. Silke machte einen weiteren Schritt rückwärts. Allmählich wurde ihr richtig unheimlich, obwohl das Ereignis auch irgendwie schön anzusehen war. Es schien sich sogar auszudehnen oder zu intensivieren, ehe es ein puffendes Geräusch gab und alles plötzlich wieder normal wurde. Was irgendwie viel zu schnell ging.

Silke blieb stehen und wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Die Blätter bewegten sich nun nicht mehr und ihre Farben waren wie zuvor. Auch die Konturen und Luftschichten wirkten nun nicht mehr verzerrt. Als wäre nie etwas Ungewöhnliches passiert! Gut, das Phänomen hatte nur ein paar Sekunden gedauert und es hatte dabei auch kein Geräusch verursacht. Doch zum Schluss war es wie eine große, schillernde Seifenblase zerplatzt.

Silkes Herz klopfte wie verrückt und sie getraute sich nicht gleich näher zu kommen. Spooky, dachte sie noch etwas benommen, obwohl das Unterholz nun wieder so aussah wie zuvor. Dann allerdings wehte ein Duft von dieser Stelle zu ihr herüber, der sie völlig in den Bann zog. Er hatte eine so ungewöhnlich interessante Note, dass sie nicht nur wie verrückt schnupperte, sondern auch den ersten Schritt vorwärts wagte. Was so gut roch, konnte nicht gefährlich sein.

Aber was ist, wenn das Militär hier irgendeinen obskuren Versuch macht? Silke war ein kleiner Umweltfreak, aß so gut wie kein Fleisch und stand auf diversen Listen von Hilfsorganisationen. Dazu spendete sie regelmäßig und sammelte im Wald den Müll zusammen. Sie hatte zwar Respekt vor Männer mit Waffen, sah es aber als ihre Pflicht an zu prüfen, ob hier gerade eine Umweltsünde passiert war. Vielleicht hockte ja sogar ein schießwütiger Soldat hinter dem Gebüsch oder es war plötzlich alles verstrahlt. Sicherheitshalber schnappte sie sich ihren Rucksack und hielt ihn wie eine Waffe vor sich. Er war bereits bis zur Hälfte mit Müll gefüllt und ein wenig schwerer, als bei ihrem Aufbruch. Vielleicht wäre ein Ast besser gewesen, doch so weit dachte sie gerade nicht. Außerdem war ihre Neugier bereits so groß, dass sie einfach vorwärtsgehen musste. Noch ein Schritt, dann war sie an der Stelle, wo das betörende Aroma nach Leder, Rauch und einem Duft, der ihr gänzlich unbekannt war, in die Nase stieg. Die Luft wirkte entladen, wie nach einem Blitz, fühlte sich dünn an und klar. Silke bekam schon wieder Gänsehaut, dieses Mal dafür am ganzen Körper. Sie ging eigentlich nicht von einem fantastischen Phänomen aus, sondern eher von einer Umweltsünde oder einem militärischen Experiment, war aber nachhaltig fasziniert von der erlebten Schönheit des bizarren Farbspiels. Ein kleiner Teil von ihr wollte vermutlich sogar an Fantastisches glauben, aber als nüchtern denkende Zahnarztassistentin hatte sie nicht allzu viel Spielraum in Sachen Fantasie. Sie war ja auch stets mit rationalen Dingen und der Sterilität der Medizin konfrontiert, musste organisieren und bodenständige Arbeit leisten. Lediglich zum Ausgleich gönnte sie sich manchmal romantische und fantastische Romane. Heimlich, versteht sich, denn sie wollte sich nicht lächerlich machen.

Ihre Haut kribbelte vor Aufregung bei dem Versuch, im dichten Laubwerk mehr zu erkennen, als nur die schnöden Blätter, die sich mit einem Mal so unschuldig grün und schlicht präsentierten.

Von wegen unschuldig! Ihr seid gerade noch rosa und blau gewesen ... dachte sie und sah so provokant zu den Blättern hinunter, als müssten die sich nun ein Plädoyer zu ihrer Verteidigung überlegen. Mit einem Finger stupste sie eines der Dinger an und wurde gleich darauf durch eine schnelle Bewegung im Inneren des Gebüschs erschreckt. Da war doch etwas! Automatisch zog sie die Hand zurück und versuchte mit reiner Willenskraft den dichten Blätterschirm zu durchdringen.

Noch eine Bewegung!

Silke stolperte einen Schritt rückwärts, doch sie war nicht schnell genug. Nicht einmal annähernd! Denn völlig unvorhergesehen spuckte das Gebüsch etwas unbeschreiblich Riesiges aus! Und das stürzte sich schon im nächsten Moment mit aller Kraft auf sie. Silke konnte nicht einmal mehr schreien, so schnell und stark wurde sie zu Boden gerissen. Ihr Hinterteil landete zuerst auf dem harten Untergrund, dann folgte ihr Kopf mit einem dumpfen Geräusch. Für einen Moment sah sie bunte Sterne – mit ähnlichen Farben, wie die der Blätter. Doch viel schlimmer war das mörderische Gewicht, das nun auf ihr lastete und ihr die Luft abdrückte. Sie fühlte sich wie unter einer Dampfwalze, japste nach Sauerstoff, stemmte sich dagegen und versuchte endlich zu erkennen, was sie da überhaupt so brutal angefallen hatte. Doch die gefühlte Tonne auf ihr rührte sich keinen Millimeter, schien nur schwerer und schwerer zu werden. Silke strampelte so gut es ging und versuchte sich zu befreien, doch das Gewicht war einfach mörderisch.

Erst nach etlichen Sekunden konnte sie tatsächlich ein wenig nach oben rutschen und einen besseren Überblick gewinnen. Zuerst hatte sie nur schwarze Haare vor Augen, aber irgendwann auch die Möglichkeit mehr zu erkennen. Und diese Erkenntnis war nicht gerade einfach, denn es handelte sich weder um ein Wildschwein noch um einen Bären.

Nein, kein Tier! Ein Mensch!Und was für einer! Silke war völlig platt (und das im doppelten Sinn). Da hatte sich doch tatsächlich mitten im Grünen ein wild aussehender Mann wie ein Irrer auf sie gestürzt und niedergewalzt!

Was für ein Spinner hockt heimlich im Gebüsch und fällt fremde Frauen an? Verwirrt schüttelte sie den Kopf, doch eigentlich konnte ihr der Grund egal sein. Sie wollte sich das einfach nicht gefallen lassen! Schließlich nahm sie regelmäßig Boxunterricht, war fit und durchtrainiert und eigentlich geschult, sich aus genau solch einer erdrückenden Lage zu befreien. Sie versuchte einen ihrer legendären Hebel mit dem Bein, verstärkte ihren Druck zusätzlich mit dem Einsatz ihres Ellenbogens und ... konnte rein gar nichts ausrichten. Der Kerl war entweder tot oder schlicht bekloppt.

Übergewichtig war er allemal.

„Geht’s noch? Ich meine ...“, ächzte sie und versuchte ihn nun mit einem anderen Hebel von sich fortzudrücken. „Scheiße! Runter von mir!“ Der Mann rührte sich immer noch nicht, blieb wie bewusstlos auf ihr liegen. Silke aber gab nicht auf, arbeitete weiter und verschaffte sich tatsächlich ein wenig Freiraum. Sie stöhnte und wand sich einfach so lange wie eine Schlange, bis es ihr tatsächlich gelang unter ihm hervor zu robben. Sein schwerer Körper rollte zur Seite und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Rücken. Entweder war der Kerl wirklich tot oder ziemlich und sehr bewusstlos. Silke war ein wenig außer Puste, kam in die Hocke und ging auf Abstand, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Immerhin hatte er sich gerade noch wie ein tollwütiger Hund auf sie gestürzt und vollkommen überrumpelt. Sie mochte ja trainiert sein und wissen, wie man sich abrollt, aber durch seine massive Attacke war sie doch recht ungeschickt gelandet.

Jammernd rieb sie sich über ihren Allerwertesten und untersuchte ihren Hinterkopf auf Platzwunden. Der Kopf war in Ordnung, der Hintern auch, schmerzte aber und würde vermutlich blau werden. Verdammt! Sie wusste gerade nicht, ob sie wütend sein sollte oder dem bewusstlosen Riesen Hilfe leisten musste.

Die Situation war aber auch verrückt und verwirrend!

Nach ein paar Sekunden Bedenkzeit seufzte sie leise und entschied sich für beides. Schließlich konnte sie auch wütend Hilfe leisten.

Als sie näherkam, bemerkte sie wieder diesen eigentümlichen Duft, der ganz klar von ihm und seinem braunen Ledermantel ausging. Der Mann war gut einen Kopf größer als sie und um mindestens fünfzig Kilo schwerer. So wie er da lag, sah er zwar nicht dick aus, wirkte aber doppelt so breit wie sie. Nein, dick war nicht das richtige Wort. Wuchtig traf es eher. Silkes Mund wurde trocken und ihre Hände begannen zu zitterten. Selbst bewusstlos strahlte dieser fremde Mann Kraft und Macht in einer Stärke aus, die ihr die Knie weich werden ließ. Am liebsten wäre sie weglaufen, hätte alles liegen und stehen lassen und sich nicht weiter um den Irren aus dem Wald gekümmert. Lediglich ihr Ehrgefühl ließ das nicht zu. Auf der Wange hatte er einen blutigen Kratzer, aber unter seinem Mantel verbargen sich womöglich noch mehrere Verletzungen. Warum sonst sollte er bewusstlos sein? Schließlich war ER ja bei dem Sturz weich gelandet … nämlich auf ihrem Körper.

Vorsichtig stupste sie mit einem Finger an seine Schulter. Das Leder knirschte. Oder waren es seine Zähne? Nein, keine Reaktion! Sie stupste noch einmal. Fester, dieses Mal. Eine kleine Duftexplosion berauschte ihre Nase, als hätte sie eine Kapsel herrlich herben Parfums geknackt. Der Mann aber rührte sich immer noch nicht und Silke wurde allmählich nervös. So wie es aussah, musste sie wegen ihm jetzt gar die Fakten ihres Erste-Hilfe-Kurses durchgehen! Als Zahnarztassistentin gehörte so etwas zwar zum 0815-Repertoire, doch bisher hatte sie davon nie etwas anwenden müssen.

Was war noch schnell zu tun, wenn jemand bewusstlos war? Atmung prüfen, ansprechen, berühren, notfalls Herzmassage einleiten! Sie wurde deutlich nervöser, denn der riesige Kerl machte ihr selbst bewegungsunfähig noch Angst. Schwarzes, langes Haar verteilte sich über sein Gesicht, verdeckte das Meiste von seinen harten Ecken und Kanten, ließ lediglich etwas von seinem vollen Mund erkennen. Einem Mund, der in seiner Sinnlichkeit nicht ganz zum Rest seiner Züge passte. Silke musste sich konzentrieren, atmete tief durch und begann mit ihrer Hilfsaktion. Zuerst kam sie mit dem Ohr ganz nah an seinen Mund, um seine Atmung zu hören. Die Nähe kribbelte und machte die Haut auf ihrem Ohr überempfindlich, obwohl sie keine Atmung erkennen konnte. Zur Sicherheit wollte sie noch den Puls an seinem Hals ertasten und schob dafür gerade ihre Hand vor, als eine schnelle Bewegung sie ablenkte. Im nächsten Moment lag sie schon wieder auf dem Rücken und er war über ihr.

„Wen haben wir denn da?“, zischte er gehässig, und fixierte sie aus dunkelgrünen Augen durch ein Meer von schwarzen Haaren. Sein Blick war extrem und ihr Magen dadurch plötzlich ganz klein und schrumpelig. Dieses Mal hielt er sie ganz bewusst mit seinem Gewicht in Schach.

Silke konnte gar nicht fassen, dass sie schon wieder überrumpelt worden war und musste sich erst einmal sammeln. Dann aber versuchte sie sich so rasch als möglich aus seinem Griff zu befreien. Wendig und mit aller Kraft, wie sie meinte, doch die seine war einfach unglaublich. Und er strengte sich noch nicht einmal richtig an! Problemlos rammte er ihre Hände rechts und links von ihrem Kopf in den Boden und hielt ihre Beine mit dem Rest seines Körpers unter Kontrolle. Egal was Silke auch versuchte und welche kämpferischen Tricks oder Hebel sie anzuwenden versuchte ... er parierte augenblicklich so geschickt, dass sie keine Chance hatte auch nur einen Millimeter mehr Spielraum zu bekommen. Dabei begann der Typ noch nicht einmal zu schwitzen!

„Was-soll-das-denn?“, keuchte sie hektisch und versuchte wütend zu wirken. Dabei raste ihr Puls so stark, dass sie viel zu schnell atmete. Selbst ein Idiot hätte ihre Angst hundert Meter gegen den Wind gewittert. Doch dieser Mann hier schnupperte gerade an ihr wie ein wildes Tier. Laut, beinahe obszön. Als könnte er aus ihrem Duft alles Mögliche herausriechen und damit auch irgendwie ihre Seele erkennen. Seine dunkelgrünen Augen reicherten sich dadurch mit blauer Farbe an und begannen von innen heraus zu leuchten, sodass Silke wie verrückt zu zwinkern begann. Das gibt’s doch alles nicht!

„Woher kennst du diesen Ort?“, fragte der Mann mit einer tiefen Stimme, die an ein Reibeisen erinnerte. Entweder war er heiser, oder aber nur darauf aus sie noch mehr zu verwirren. Und das gelang ihm ganz gut! Alleine die Augen waren ja schon intensiv, aber dann auch noch diese Stimme! Silke war wie paralysiert und konnte nicht antworten, starrte blöd in seine Augen und zwinkerte immer wieder heftig. Der Griff um ihre Handgelenke verstärkte sich daraufhin und sein Blick wurde finster. Offenbar war er es nicht gewohnt auf Antworten zu warten.

„Verdammt, lass mich los, du Irrer“, kreischte sie plötzlich hysterisch, weil sie sein Gewicht ebenso unerträglich fand wie seinen harten Griff um ihre Handgelenke. Er aber reagierte nicht auf ihre Forderung, sondern verstärkte – im Gegenteil – nur noch mehr seinen Druck. Silkes Hysterie wechselte daraufhin augenblicklich zu einem Alarmstufe-Rot-Modus. So laut sie konnte schrie sie um Hilfe. Hatte man keine Chance auf Flucht oder Gegenwehr, musste man so laut brüllen wie möglich. Es war so die allgemein gültige Grundregel der Selbstverteidigung, die sie sich endlich doch noch in Erinnerung gerufen hatte. Für einen kurzen Moment gelang ihr das sogar recht gut. Doch nach einer Sekunde schon konnte sie nur noch ein „Hmpf“ von sich geben.

Volle Lippen schlossen sich fest um ihren Mund, Zähne bissen zu. Silke war wie erstarrt, spürte den Schmerz und versuchte nicht mehr zu schreien, nur noch zu atmen. Seine Zähne wurden augenblicklich milder, seine Lippen weicher. Schon schickte er seine Zunge als Verstärkung hinterher, drang in ihren Mund ein und begann sie auf verspielte Weise zu umgarnen. Silke war fassungslos über seine Dreistigkeit, wollte zubeißen und ihn aus ihrem Mund stoßen. Doch auch jetzt parierte er jeden Angriff und jede Ausweichtaktik so geschickt, dass sie ihn einfach nicht zu fassen bekam. Und das, obwohl sie ihn überall so intensiv spürte! Nichts an diesem Kuss war erotisch und nie hätte sie gedacht, sich je solch eine Handlung aufdrängen lassen zu müssen. Dabei war doch klar, dass man zubeißen musste! Schnapp und Zunge ab! Was wusste sie, warum das hier und jetzt nicht klappte! Frustriert stöhnte sie auf und versuchte ihn mit blödem Zungengehampel zu nerven. Doch das schien ihn kein bisschen aus der Fassung zu bringen. Im Gegenteil! Die Härte seiner Leibesmitte sprach eine deutliche Sprache und bestätigte einmal mehr, dass Männer tatsächlich anders tickten als Frauen. Auch wenn sie jedes Maß an Erotik negierte, schien es ihm doch bis zu einem gewissen Grad zu gefallen. Das-ist-jetzt-bitte-nicht-wahr! Er würde sie doch nicht hier mitten im Wald vergewaltigen? Nein, das kam ihr zu absurd vor. Obwohl ... allmählich dämmerte ihr schon, dass es eine durchaus einsame Lichtung war, wo kaum Wanderer auftauchten.

Aber dann ließ er endlich von ihr ab und sie konnte Luft schöpfen. Silke zitterte am ganzen Körper und war fassungslos, dass sie sich nicht einmal gegen einen Kuss hatte wehren können. Mein Gott, was für eine Niederlage! Sie schluchzte leise, weil sie es nicht für möglich gehalten hätte, gegen einen einzelnen Mann keine Chance zu haben. Gut, der Kerl war ein Riese und so stark wie ein Bär, aber dass er gar so leichtes Spiel mit ihr hatte, erschütterte sie. Silke fühlte sich beschämt und konnte nicht verhindern, dass sich eine leise Träne aus ihrem Augenwinkel schummelte.

Er bemerkte es.

„Na, na, Süße! Ich hatte einfach keine Hand mehr frei. Wie hätte ich dich daran hindern sollen, dämlich um Hilfe zu rufen?“ Er wollte ihr sein Vorgehen erklären, sie womöglich sogar beruhigen und nett sein, doch sie hörte nur das Wort dämlich und vergaß jede Art von Verzweiflung.

„Dämlich?“, fuhr sie ihn an. „Du Perverser! Wer ist hier wohl dämlich?“ Mist, das war ihr nun doch schneller herausgerutscht, als beabsichtigt. Die Frage konnte sie dann wohl auch gleich mit ihrem eigenen Namen beantworten. Aber wer rechnete schon mit einem Giganten, der wie aus dem Nichts auftauchte, sich auf sie stürzte und küsste. Hm? Das klang gerade irgendwie gar nicht nach der Situation in der sie sich befand. Allem Anschein nach hatte sie aber mit ihrer patzigen Antwort seine Wut entfacht, denn er zog seine Augenbrauen wütend zusammen und das Grünblau seiner Augen veränderte sich zu einem dunklen, rauchigen ... jesses ... Schwarz. Silke japste schon wieder, dieses Mal aber vor Schreck. Ein Mann, der seine Augenfarbe verändern konnte, war nicht von dieser Welt, konnte nicht real sein. Sie begann automatisch wieder zu strampeln und sich zu wehren. Irgendwie bekam sie sogar eine Hand frei und fasste nach seinem Gesicht, um sich zu vergewissern, dass er aus Fleisch und Blut war. Der knurrende Ton, den er dabei ausstieß, bestätigte ihr sofort, dass er durchaus real war. Sie hörte sofort auf zu strampeln.

Scheiße, der Kerl ist echt, dachte sie. Hektisch versuchte sie ihre zitternde Hand unter Kontrolle zu bringen, doch wie unter Zwang wanderte die plötzlich zu dem schönen Schwung seines Mundes und fuhr mit den Fingerspitzen über die leicht geöffneten Lippen. Was ihm ein leises Brummen entlockte und seine Augen schlagartig milder färbte. Das Schwarz verschwand gänzlich und seine Iris wurde wieder zu diesem leuchtenden Grünblau, das zuerst Sinnlichkeit ausstrahlte und dann die absolute Gier auf Sex.

Silke bekam sofort wieder Panik.

„T‘schuldige“, kreischte sie auch sofort und presste die Augen fest zusammen, weil sie glaubte, so seiner Naturgewalt entkommen zu können. Doch der Typ war unheimlich, unberechenbar und schien völlig unter Strom zu stehen. Sie rechnete mit dem Schlimmsten, presste die Lippen ebenso fest zusammen wie die Augen und erstarrte regelrecht, als er plötzlich … zu lachen begann. Lauthals und völlig ungezwungen.

Er lacht? Verdutzt öffnete Silke ein Auge und sah geradewegs in seinen offenen Mund, der unter schallendem Gelächter vor ihrer Nase auf und ab schwebte. Ja, war der Kerl jetzt vollkommen übergeschnappt? Sofort regte sich wieder Wut in ihr. Sie öffnete auch das zweite Auge, um ihn genauer zu beobachten. Weiße, ebenmäßige Zähne, wohin das Auge reichte, keine Plomben. Er lachte immer noch und Silke hatte den Verdacht, dass er sich die ganze Zeit nur lustig über sie machte.

„Runter mit dir!“, befahl sie wütend und beendete damit seinen Lachanfall. Seine Augen tränten ein wenig und leuchteten dadurch noch intensiver. Aber er lachte nicht mehr. Vielmehr sah er ihr tief in die Augen, betrachtete ihren vollen Mund und ihre blonden Haare. Dann stand er abrupt auf, ohne sie dabei loszulassen. Es war schlicht ein Wunder, dass sie bei seiner Vorgehensweise nicht auf ihn draufpurzelte oder unelegante Komikeinlagen lieferte. Irgendwie schaffte er es also in die Höhe zu kommen und Silke vor sich aufrecht auf die Beine zu stellen. Viel zu nahe, wie sie feststellte, denn sie musste sich förmlich das Genick verrenken, um ihm weiterhin in die Augen sehen zu können. Wer oder was war auch bitteschön so groß und hatte dann noch diese Augenfarbe? Das karibische Meer ist ja ein Dreck dagegen! Verwirrt schüttelte sie den Gedanken ab und versuchte sich zu ermahnen, dass dieser Mann sie brutal überfallen hatte.

Ein Riese.

Aus dem Nichts.

Mit einem unglaublich erotischen Duft.

Scheiße! Hatte sie das gerade wirklich gedacht? Sie biss sich unbewusst auf die Unterlippe.

„Ich sehe, ich bringe dich durcheinander“, lachte er und sie trat ihm wütend gegen das Schienbein. Wirklich fest und gezielt, aber das verpuffte quasi im Nichts, denn er hob nur leicht seine Augenbrauen. Als hätte der Kerl Schienbeinschützer aus Stahl oder überhaupt kein Gefühl in den Beinen! Silke war sprachlos. Immerhin hatte sie feste Wanderschuhe an.

„Was ist? Spürst du gar nichts?“, fauchte sie frustriert und wollte noch einmal zutreten, als er ihre linke Hand fester packte und zu seiner Leibesmitte zerrte, geradewegs auf seine steinharte Erektion. Silkes Augen wurden groß wie Tennisbälle.

„Und ob ich etwas spüre“, grinste er schäbig, bevor er ihre Hand hinauf- und hinunterschob, um Reibung zu erzeugen. Das Glimmen in seinen Augen und das genüssliche Brummen dabei verschlugen ihr schlicht die Sprache. Sie war keine Zimperliese und hatte schon Erfahrung mit Männern, doch diese Dreistigkeit konnte sie kaum fassen. Mit aller Kraft wollte sie zupacken und ihm zerquetschen, was er so genüsslich rieb, doch auch dieses Mal wusste er schon im Ansatz, was sie vorhatte und schob ihre Hand rechtzeitig fort. Silke war außer sich vor Wut und Frust, versuchte ihn zu boxen und zu treten. Doch dem wich er jedes Mal geschickt aus. So cool und unbeeindruckt, dass es schon unheimlich war.

Erst nach einiger Zeit begann er mit seinem persönlichen Gegenschlag und zog sie ruckartig an seinen harten Körper. So schnell konnte Silke nicht einmal „uff“ denken, presste er schon wieder seine Lippen auf ihren Mund. Silke verkrampfte sich noch mehr, hielt ganz still und ihren Mund so fest geschlossen wie möglich. Doch der Mistkerl zeigte nicht nur Ausdauer, sondern auch eine gewisse Raffinesse. Sie wollte atmen ... ja, das war wohl der Grund, warum sie den Mund erneut öffnete, denn schon nach wenigen Versuchen, war er mit einem tiefen Brummen in ihr, kostete ihren Geschmack und bewegte sich ganz anders als zuvor.

Silke stöhnte auf ... nein! Natürlich atmete sie nur schwer, denn sie bekam ja kaum Luft! Zumindest redete sie sich das ein. In Wahrheit aber war sie vollkommen gefangen von seinem Ansturm und dem neuen Werben seiner Zunge. Das erste Mal hatte nur dazu gedient ihren Schrei zu dämpfen, doch der Kuss jetzt war eine einzige Verführung. Dieser Mann erforschte sie mit einem kühnen Interesse und einer Leidenschaft, die Silke dahinschmelzen ließen. Seine rhythmischen Bewegungen gingen dabei direkt über auf seinen Körper und ließen Silke jeden Zentimeter seiner Statur auf neue Weise spüren. Was sie vollkommen überraschte und verwirrte, denn die Intensität ihrer Empfindung ließ sie gerade erzittern, vor Lust stöhnen.

Himmel, der Mann war gut ... und überall um sie herum. Offenbar wollte er ihr auf ganz spektakuläre Weise zeigen, wer hier der Stärkere war und immer sein würde. Wie sonst sollte sie sich ihr Gefühlschaos erklären, wenn der Kuss doch nur Mittel zum Zweck sein konnte? Der Mann war schließlich rücksichtslos, draufgängerisch ... und schmeckte dennoch einfach nur teuflisch gut.

2.Kapitel

Sein Atem ging flach. Der letzte Schlag hatte ihm eine Menge gekostet und nichts gebracht. Der Dämon fletschte die Zähne und kam näher. Jeden Moment würde er sein doppelreihiges Gebiss tief in seinen Leib schlagen und so oft zubeißen, bis nur noch Matsch von seinem Körper übrigblieb. Doch er war noch nicht am Ende, wollte sich nicht geschlagen geben, lieber nach der Waffe greifen. Das runde Ding konnte er wenigstens als Wurfgeschoss verwenden. Es war nicht sonderlich groß, aber aus Metall und zurzeit seine letzte Chance. Seine Beine waren gebrochen, doch mit den Händen konnte er sich noch in die richtige Richtung ziehen. Er keuchte vor Anstrengung, während das Biest unaufhaltsam näherkam. Blutiger Geifer tropfte aus dessen Maul, fauliger Atem drang bis zu ihm herüber. Er robbte weiter, zog sich mit letzter Kraft zum Tisch und erwischte endlich das verflucht kleine Ding, das ihm jetzt noch helfen sollte. Seine Finger schlossen sich langsam um das kalte Metall, er begann zu zielen, doch genau in dem Moment ging das Ding plötzlich los ... und erzeugte einen Heidenlärm.

Wie von der Tarantel gestochen fuhr John in die Höhe. Sein Atem ging schnell, seine Haut war fahl und schweißbedeckt. Mit großen Augen starrte er auf den Wecker in seiner Hand, lauschte auf das schnarrende Geräusch ... und drückte auf den Abstellknopf. Allmählich kam er wieder ganz zu Bewusstsein und zwang sich tief einzuatmen. Sein Herz raste und seine Beine schmerzten als hätte er gerade wirklich gegen einen Dämon gekämpft. Bewusst atmete er in tiefen, langen Atemzügen weiter.

„Verdammt“, fluchte er und knallte den Wecker mit mühsam verhaltener Wut zurück auf den Nachttisch. Müde fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht. Dieser Traum kostete ihm eine Menge Schlaf und er wiederholte sich viel zu oft, als dass er ihn ignorieren könnte. Allmählich überlegte er sich sogar ernsthaft einen Traumtherapeuten in Erwägung zu ziehen, obwohl er die meisten für Scharlatane hielt und er es als Niederlage empfinden würde. Doch dann schüttelte er wie immer den Kopf und nahm sich stattdessen vor, das Ding im nächsten Traum schon irgendwie zu erledigen.

„Irgendwann ...“, brummte er und schob das schwarze, seidene Laken zur Seite. „... kill ich dich!“ Mit einem grimmigen Ausdruck ging er, nackt, wie Gott ihn erschaffen hatte, zur Fensterfront seines 200 m² Penthouses. Er hatte kein direktes Gegenüber und selbst wenn, hätte er es sich nicht nehmen lassen nackt den Sonnenaufgang über New York abzuwarten. Er liebte es, wenn die ersten Lichtstrahlen am Horizont auftauchten und diese herrliche Stadt zum Leben erwachte. John Baxter lebte im obersten Stock des Condatis-Towers, der ihm zur Gänze gehörte und hatte den besten Überblick über jenen Stadtteil New Yorks, der zuallererst von der Morgensonne beleuchtet wurde. Als erfolgreicher Geschäftsmann war er nicht allzu oft Zuhause, doch wenn er es schaffte, dann ließ er sich sein morgendliches Ritual nicht nehmen.

Es klopfte an der Tür und John rief ein „Herein“, ohne sich wirklich umzudrehen. Vermutlich war es sein Assistent, der den frühen Morgen ebenso schätzte und Johns Vorliebe für Sonnenaufgänge kannte. Nackt hatte der ihn auch schon gesehen, also warum sollte er ihn nicht hereinbitten? Unter Männern war das kein Ding. John löste die letzten Verspannungen der Nacht, bewegte seinen Kopf und drehte seine Schultern, als ein lautes, sehr weiblich klingendes Keuchen seine Aufmerksamkeit erregte. Hoppla, der morgendliche Besuch war also doch anderer Natur!

„Verzeihung, ich ...“ Sonja fiepte, als hätte sie noch nie einen nackten Mann gesehen. „... ich komme ... ich meine, später ...“ Sie hustete verlegen in ihre Hand und John deutete ihr, dass sie sich umdrehen sollte, damit er sich ebenfalls umdrehen konnte. Ihm war das Ganze nicht wirklich peinlich, doch er wollte die Assistentin seines Pressesprechers nicht noch mehr in Verlegenheit bringen.

„Natürlich, Mr. Baxter, ich ... ich bin dann soweit“ Sie wandte ihm den Rücken zu und verdrehte die Augen, weil sie sich wie die letzte Idiotin benahm. Ihren Chef nackt zu sehen, war nicht gerade das, was ihre Karriere beschleunigen würde. Ihr Gesicht war feuerrot und dann hatte sie auch noch so etwas Schwachsinniges wie „ich komme“ oder „ich bin soweit“ von sich gegeben. Mist aber auch! Sie musste mehr an ihrer Contenance arbeiten! Baxter war ein überaus attraktiver Mann, aber dass er solch einen perfekten Körper besaß, war bis jetzt nur eine Annahme gewesen. Bis jetzt! Vor Ärger hätte sie am liebsten aufgestampft und vor Verlegenheit dafür ein Loch gebuddelt, um darin zu verschwinden. Grimmig biss sie die Zähne zusammen, während Baxter hinter ihr mit Stoff raschelte.

„Also Mrs. Light. Was kann ich so früh am Morgen für Sie tun?“, fragte er und sie wandte sich vorsichtig um. Falls er die Frage zweideutig gemeint hatte, ging sie lieber nicht darauf ein. Wenigstens hatte er sich jetzt eine Pyjamahose übergezogen, das Oberteil dazu hatte er offenbar verloren. Sonja schluckte beim Anblick seines nackten Oberkörpers. Der Mann war trainiert wie ein Leistungssportler und schlicht zu schön, um wahr zu sein. Zuerst der Knackarsch, dann auch noch ein Sixpack. Sie starrte ein wenig und fuhr sich mit der Zunge über die trocken gewordenen Lippen.

„Also?“, fragte er und wirkte genervt.

„Ihr Assistent hat mir gesagt, dass ich um diese Uhrzeit kommen dürfte. Er hat gesagt ...“

„Schon gut, Mrs. Light. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Das nächste Mal frage ich am besten, wer vor meiner Tür steht.“ Er sagte es so charmant, dass sie endlich ihre Befangenheit verlor und ihren Blick mehr unter Kontrolle brachte.

„Sie wollten doch den Text für die Presseaussendung so rasch als möglich haben und da ich die ganze Nacht daran gearbeitet habe, dachte ich ...“ Sie sprach nicht weiter, sondern überreichte ihm stolz die dünne Mappe. Sonjas Arbeitseinsatz war unumstritten, denn sie achtete ganz besonders engagiert auf das Image von Condatis Concern. In den letzten Tagen hatte es des Öfteren böse Gerüchte über die Firma gegeben, was als gezielte Imageschädigung zu werten war. Gestern allerdings war sogar ein Artikel über angebliche Umweltsünden der Firma in einem nichtssagenden Provinzblatt erschienen. Sonjas Aufgabe bestand nun darin, diese Rufschädigung wieder ohne gröbere Knitterfalten auszubügeln. Generell war es ihr Job, Gerüchte und Stimmungen zu beobachten und das Image der Firma regelmäßig zu polieren. John Baxter legte sehr viel Wert darauf, denn nur ein gut gepflegtes Image konnte eine Marke entsprechend stärken. Dafür musste die Pressestelle stets erste Anzeichen von Imageschädigung identifizieren und möglichst eliminieren. Manchmal genügten Telefonate, aber oft musste ein ganzes Konzept erarbeitet werden, um den Schaden gering zu halten, komplett zu eliminieren oder ins Gegenteil zu kehren. In dem Fall sollte mit Sonjas Gesamtpaket ein ausgeklügelter Rundumschlag gegen die Verleumder gelingen und das Provinzblatt zur Ordnung gemahnt werden, ohne gleich dabei vernichtet zu werden. Es musste nicht immer auf die harte Tour gefochten werden, um zu seinem Recht zu kommen. Ein kurzer Widerruf, eine ehrliche Entgegnung des Zeitungsinhabers und schon war die Sache erledigt.

John Baxter klappte die Mappe auf und überflog den Inhalt. Er war einer der schnellsten Querleser, den Sonja je erlebt hatte. Schon nach einer Minute erhellte ein zufriedenes Grinsen sein kantiges Gesicht. Als er aufblickte, sah er seine Assistentin mit neuem Interesse an. Diese schüchterne, kleine Person überraschte ihn immer wieder mit wirklich guten, ausgeklügelten Schachzügen.

„Wo haben sie denn die Information zu Ramses Enterprises her?“, fragte er interessiert und Sonja lachte ihm spitzbübisch entgegen.

„Das ist eigentlich mein Geheimnis, aber ich war mal mit einem Mitarbeiter von ihrem Erzfeind liiert. Es war nur eine kurze Sache und privat, aber er hat mir davon berichtet und ich habe es heute Nacht überprüft. Es stimmt.“ Sie war immer noch stolz, aber John Baxters Blick wurde streng.

„Das ist wirklich gute Arbeit, Sonja. Aber hätten sie mir diese Liaison nicht bei Ihrer Bewerbung mitteilen müssen?“ Er schätzte sie, aber er verlangte bedingungslose Loyalität und Ehrlichkeit.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass ich bei meiner Bewerbung alle meine Bettpartner aufzählen musste“, antwortete sie jedoch, weil sie seit über drei Jahren für ihn arbeitete und sich nie etwas zu Schulden kommen hatte lassen. Sie liebte ihren Job und sie mochte ihren Chef. Warum also stellte er jetzt ihre Loyalität in Frage, wo sie doch ein geniales Konzept lieferte? John Baxter fixierte sie noch lange aus seinen dunkelgrünen Augen, doch sie zwinkerte kein einziges Mal. Sie war eine aufrichtige Mitarbeiterin, das wusste er.

„Ist gut. Ich wollte nur noch einmal verdeutlichen, wie wichtig mir ihre Ehrlichkeit ist.“ Er reichte ihr die Mappe zurück. „Gute Arbeit! Das gibt einen Bonus für sie.“

„Danke Mr. Baxter!“ Am liebsten hätte sie einen Luftsprung gemacht und danach einen Knicks. Für sie war John Baxter der Inbegriff eines guten Chefs und dazu noch so verflucht knackig und sexy. „Auf Wiedersehen.“

„Ach, bevor sie nach Hause gehen, schicken sie mir doch bitte Dennis herein. Ich schätze ich sollte mal ein Hühnchen mit ihm rupfen.“

„Wegen mir?“, fragte sie und fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl in ihrer Haut. Der Assistent des Chefs hatte sie zwar wegen dem frühen Termin in eine unangenehme Lage gebracht, aber sie wollte nicht, dass ihm wegen ihr die Ohren langgezogen wurden.

Baxter nickte nur. Er wusste genau, dass Dennis ihr einen Streich gespielt hatte. Vermutlich hatte er das süße Ding mit einem nackten Chef so richtig aus der Reserve locken wollen. Doch das sollte er ihm gefälligst selber erklären!

„Sie werden ihm doch nicht etwa den Kopf abreißen?“, fragte sie vorsichtig und John Baxter zwinkerte ihr beruhigend zu.

„Nein, ich schätze ich werde mit ihm reden und frühstücken. Aber beides wird ihm heute vermutlich nicht so ganz schmecken.“

3.Kapitel

Kurz bevor Silke ihr Auto erreichte, stürzte sie und schürfte sich die Handflächen auf. Mist! Hektisch klopfte sie ihre Jeans ab, saugte an den kleinen, offenen Kratzern und lehnte sich erschöpft gegen die Fahrertür ihres Autos. Die paar Wunden auf ihrer Handfläche waren nicht der Rede wert. Vielmehr interessierte sie, warum sie die Wurzel nicht gesehen hatte, oder warum sie so gehetzt zum Auto gelaufen war. Doch, wenn sie ehrlich war, hatte sie keine Ahnung, was in den letzten Stunden passiert war. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. So schlimm war sie ja wohl nicht gestürzt und den Kopf hatte sie sich auch nicht gestoßen. Also was war los? Warum wusste sie nicht einmal, ob sie oben auf der Alm angekommen war oder nicht? Ihre Armbanduhr zeigte gerade einmal 16.00 Uhr und das war eigentlich viel zu früh für das Ende dieser Wandertour.

Am liebsten hätte sie laut geschrien und gegen ihr Auto geboxt, so durcheinander war sie und so verflucht abgehetzt und verschwitzt. Was war nur los mit ihr? Warum hatte sie mitten am Weg umgedreht und war zum Auto gelaufen? Außerdem spürte sie jeden Muskel ihres Körpers, als hätte sie nicht nur eine einfache Bergtour hinter sich gebracht, sondern ein stundenlanges Sparring mit einer Boxgegnerin der Extraklasse gehabt. Erschöpft stützte sie sich an ihrem Auto ab und holte tief Luft. War sie etwa den ganzen Weg nach unten gelaufen? Immer noch Kopf schüttelnd sperrte sie ihre alte Klapperkiste auf und schnappte sich das Handtuch vom Beifahrersitz. Damit wischte sie sich den Schweiß vom Gesicht, rieb sich die Achseln trocken und fuhr mit dem Handtuch unter ihr T-Shirt und ihren BH.

BH??? Verdutzt hielt sie inne und bemerkte, dass sie gar keinen mehr trug. Was zur Hölle ...? Das war dann doch die Steigerung zum Verrückten! Silke war nicht gerade mit einem kleinen Busen gesegnet und musste jeden Tag einen BH tragen. Sport mit Cupgröße C war nicht gerade ein Honiglecken. Wenn sie aber nicht einmal wusste, warum sie vorzeitig umgedreht hatte, wie sollte sie dann wissen, wo ihr BH geblieben war? Den verlor man schließlich nicht so einfach am Wegesrand! Ihr Kopf schmerzte und ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Hastig nahm sie ein paar Schlucke aus ihrer Mineralwasserflasche. Schon beim Ansetzten bemerkte sie den leichten Schmerz, aber als sie sich die Lippen trockenwischte, zuckte sie verwundert zusammen. Ihr Mund war geschwollen und wund und ihr Kinn spürte sich an, als wäre sie ein paar Mal gestürzt oder über Schleifpapier radiert. Verständlich war das alles nicht und allmählich fragte sie sich, ob sie überfallen worden war und nun an transienter Amnesie litt. Vielleicht hatte sie nur einen Sonnenstich, aber wirklich übel war ihr eigentlich nicht. Silke rauchte nicht, trank keinen Alkohol und konsumierte auch sonst keine Drogen. In ihrem Leben gab es nur ihren Job, ihren Sport und Wandern, mehr nicht. Aber körperliche Verausgabung hatte noch nie ihren Verstand vernebelt. Zumindest bisher nicht.

Irgendwann gab sie die Grübelei auf und startete das Auto. Nach einer ordentlichen Dusche würde die Welt schon wieder anders aussehen! Mit quietschenden Reifen fuhr sie los, überschritt jede Geschwindigkeitsbegrenzung, die ihr in die Quere kam, und war schon nach zwei Stunden wieder in ihrer Wohnung. Dort riss sie sich bereits im Vorzimmer die Kleidung vom Leib, hastete ins Bad und duschte so lange, bis ihr Körper von der Hitze krebsrot war. Danach schlüpfte sie ins Bett, obwohl es erst kurz vor 19.00 Uhr war, und schlief augenblicklich ein.

Am nächsten Morgen erwachte sie nach mehr als zwölf Stunden komatösen Schlafs und fühlte sich immer noch wie gerädert. Zum Glück war Sonntag und sie hatte keine Termine oder Verpflichtungen. So konnte sie den ganzen Tag verbummeln und versuchen sich daran zu erinnern, was zur Hölle gestern eigentlich passiert war. Sie war ein ziemlicher Ordnungsfreak und hatte sich im Vorfeld für die Wanderung einen exakten Zeitplan zusammengestellt. Die Bewältigung der Höhenmeter wurde mit Kondition und Tempo auf eine Zeitschiene gelegt und durch ein oder zwei Pausen verlängert. Meist war das oberste Ziel, sich wie ein Tier zu schinden, um den Kopf frei zu bekommen. Sie hatte genug Stress im Job, mochte ihren Chef nicht sonderlich und fand so manche Patienten nervenaufreibend. Sie war auch eine sehr engagierte Tier- und Umweltschützerin, die manchmal an den Problemen der Welt verzweifeln und dennoch ihre Finger nicht vom Fleisch lassen konnte. Das war vermutlich eines ihrer Hauptprobleme, denn sie konnte keine gerade Linie ziehen. Sie wollte nicht auf ihr Schinkenvollkornbrot am Morgen oder auf das eine oder andere gute Steak verzichten. Sie konnte es während dem Essen sogar richtig genießen, hatte danach aber durchaus ein schlechtes Gewissen. Freunde verspotteten sie bereits als Öko-Freak, meinten es aber nie wirklich böse. Silke war im Prinzip beliebt, nur eben nicht blind gegenüber dem Lebensmittelwahnsinn, der sich tagtäglich in den Supermärkten abspielte. Massentierhaltung, Antibiotika und industrielle Zusätze, Transportwahnsinn und alle möglichen Umweltsünden machten ihr jeden Tag zu schaffen. Mehr als anderen jedenfalls. Kein Wunder also, dass Silke auf diversen Listen von Umweltorganisationen stand, regelmäßig spendete und im Großen und Ganzen auf ihre Ernährung achtete. Selbst während ihren Wanderungen konnte sie es ja, wie gesagt, nicht lassen den Müll zusammenzuklauben. Für sie war es eine Mission und eine Art Wiedergutmachung. Für andere war es die pure Spinnerei. Sie brauchte regelmäßiges Boxtraining und stundenlange Wanderungen, um den Kopf frei zu bekommen und zugleich ihren Körper vom gelegentlichen Fleischkonsum zu reinigen. Sie aß ausschließlich Biofleisch, aber selbst das veränderte ihren Körpergeruch. Bei ihr war es nur ein Hauch, aber die übliche Massenware konnte sie selbst über Tage am Körper anderer riechen. Von Bakterien über Chemie bis hin zur Qual des Tieres – alles wurde ihrer Meinung nach im Fleisch gespeichert und somit auch mit der Nahrung aufgenommen. Silke war bei Gott keine Heilige und nicht übersinnlich begabt, um hochwertiges Fleisch mit freiem Auge erkennen zu können, aber sie hatte gelernt sehr vorsichtig zu wählen.

Ein Krampf im Unterbauch lenkte sie für einen Moment von ihren Überlegungen ab. Außerdem hatte das Gedankenwälzen sowieso nichts gebracht. Der Filmriss vom Start der Wanderung bis hin zu ihrer Ankunft beim Auto war geblieben. Silke stöhnte auf und rieb sich über ihren Unterbauch. Offenbar bekam sie viel zu früh ihre Tage und das stimmte sie, bei Gott, nicht gerade fröhlicher.

Den Vormittag verbrachte sie mit wirrer Hausarbeit, um sich abzulenken. Als sie zum fünften Mal über ihre abgestellten Flipflops im Vorzimmer stolperte, wurde sie so derart wütend, dass sie laut losbrüllte und die Latschen extra weit durch den Raum kickte. Sie war nicht gerade von der vernünftigen Sorte, wenn sie ihre Tage hatte, aber nach einem Samstag, der ihr wie aus dem Gedächtnis gestrichen war, konnte sie schon mal den ganzen Wohnblock zusammenschreien.

Erst das Klopfen an ihrer Haustür beruhigte sie ein wenig und ließ sie tief durchatmen. Dann riss sie, ohne weiter zu überlegen, die Tür auf. Egal, welcher Idiot sie jetzt nerven wollte, sollte sie von der unangenehmen Seite kennenlernen. Wenn sie Glück hatte, war es ihre bescheuerte Nachbarin, die stets empfindlich auf Lärm reagierte und sich wegen jedem kleinen Quieks beschwerte. Wild starrte sie nach draußen, wo sie ihr Opfer erwartete. Doch statt einer süßen, kleinen Nachbarin stand dort ein Riese von einem Mann. Düster, zerlumpt und mit einer unterschwellig bösen Ausstrahlung. Silkes Wut verpuffte schlagartig. Der Typ wirkte gefährlich und kam ihr irgendwie bekannt vor.

„Was ...?“, krächzte sie, weil das plötzliche Flattern in ihrem Magen ungewohnt war. Sie war kein ängstlicher Typ, aber dieser Bettler war schlicht und ergreifend so groß wie ein Wolkenkratzer!

„Silke Environ?“, fragte er, obwohl ihr Name groß und deutlich auf dem Türschild stand. Sie verbiss sich eine spöttische Bemerkung und war sowieso zu sehr mit der Wirkung seiner Stimme beschäftigt. Rau und vibrierend war sie über sie hinweg gerollt, als hätte jemand mit einem Reibeisen eine gefährliche und doch sinnliche Note männlichen Timbres erschaffen. Noch nie hatte jemand ihren Namen wie eine Kampfansage und zugleich wie eine Streicheleinheit ausgesprochen. Diese unmögliche Mischung beeindruckte sie auf unbewusster Ebene. Dabei war der Kerl mit Sicherheit ein Obdachloser und stank erbärmlich zum Himmel.

„Wer will das wissen?“, fragte Silke schroff und räusperte sich kurz, weil der Typ sie durcheinander brachte. Sicherheitshalber straffte sie die Schulten und verbesserte ihren Stand. Es war nur eine kleine Abwehrbewegung, vielleicht kombiniert mit einem kämpferischen Ausdruck, aber der Fremde schien es mit einem amüsierten Funkeln in seinen schwarzen Augen zu registrieren.

Sehr witzig! So leicht kommst Du nicht in meine Wohnung. Sie war kein Duckmäuschen und wollte vor allem keine Angst zeigen. Vielleicht kam sie deshalb nicht auf die Idee, die Tür zu schließen.

„Ich komme vom Umweltschutzverband“, antwortete er trocken und Silke erstarrte. Das war ja wohl das Letzte!

„Wie bitte?“, japste sie verblüfft, weil sie nicht glauben konnte, was der Mann da von sich gab. Umweltschutz? Mit allem hatte sie gerechnet. Mit einem Überfall, mit Bettelei, mit sonst was. Aber sicher nicht mit einer Unterschriftensammlung.

„Das ist nicht Ihr Ernst?“

„Was?“, knurrte der Mann mürrisch, aber Silke ließ sich nicht einschüchtern.

„Sagen sie mir jetzt nicht, dass der Verband Bettler aussendet, um Unterschriften zu sammeln“, ätzte sie, weil sie doch in Sachen Umwelt recht engagiert war und es geradezu obszön fand, wenn solch ein Penner auf die Leute losgelassen wurde. Niemals würde er so auf die richtige Anzahl Unterschriften kommen.

„ICH-BIN-KEIN-BETTLER“, knurrte er lauter. „Ich brauche auch keine Unterschriften.“

„Nicht?“ Sie stellte sich dumm und sah provokant auf sein zerlumptes Erscheinungsbild. „Warum dann der Gestank?“ Sie wusste selber nicht, warum sie das fragte. Sie konnte sich auch nicht erklären, warum sie überhaupt noch mit dem heruntergekommen wirkenden Mann redete. Vielleicht war es seine Stimme, seine dunklen Augen, die schwarzen, langen Haare, die ihm strähnig ins Gesicht fielen. Ihhhh. Nein, die waren es wohl nicht. Vielleicht kam der Gestank ja gar nicht von dem zotteligen Mantel, den er trug, sondern von seinen schmierigen Haaren. Angeekelt sah sie hinauf, um nach Läusen Ausschau zu halten.

Das amüsierte Funkeln in seinen Augen erstarb zur Gänze und die Luft zwischen ihnen wurde von einer Sekunde auf die andere explosiv. Alles an diesem Mann war nun von unsichtbarer Energie umgeben und verwandelte ihn in ein brodelndes Pulverfass. Silke konnte es sehen und ganz deutlich bis in die kleinste Zehe spüren. Sein heruntergekommenes Aussehen und das Geplänkel hatten die Gefahr heruntergespielt und sie unvorsichtig werden lassen. Dabei strahlte der Kerl ein solches Maß an Aggression und Gewaltbereitschaft aus, dass ihr förmlich die Luft wegblieb. Sie war nicht feige, durchaus für einen Streit zu haben und sicher nicht auf den Mund gefallen, aber der Wandel des Mannes war so krass, dass sie instinktiv die Tür zuknallen wollte. Wollte! Denn sein Fuß war schneller und blockierte sofort die Tür.

„Nicht! Verschwinde oder ich rufe die Polizei“, schrie sie so laut, dass die lärmempfindliche Tussi von nebenan längst alarmiert sein müsste. In Silkes Gedanken war der Freund und Helfer quasi schon auf dem Weg, während sie noch mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür drückte. Der Fuß des Penners musste ja schier aus Beton bestehen, wenn er nicht darauf reagierte. Eine Tatsache, die ihr plötzlich ziemlich bekannt vorkam.

„Ich möchte nur reden“, knirschte er und versuchte sich weiter hereinzudrängen.

„Ja klar! Das sehe ich!“ Mit aller Kraft hieb sie ihre Ferse auf seine Zehen und drückte weiter gegen die Tür. Er fluchte laut und warf sich zeitgleich mit aller Kraft nach vorne. Die Tür wurde förmlich aus ihrem Rahmen gesprengt und Silke gut zwei Meter nach hinten geschleudert. Das ging so schnell, dass sie es erst richtig realisierte, als sie unsanft auf ihrem Allerwertesten landete. Auch das kam ihr bekannt vor.

Ein Déjà vu. Der Fremde aber stand bereits in ihrem Vorzimmer, lächelte spöttisch auf sie herab und schloss betont langsam die Tür hinter sich, die ja doch wie durch ein Wunder heil geblieben war. Silkes Herz begann zu rasen und sie versuchte in die Höhe zu kommen, nach hinten zu robben oder wenigstens zu schreien. Doch die Luft blieb aus und ihre Kraft ebenso. Wenigstens gelang es ihr, sich am Boden ein wenig nach hinten zu schieben. Doch da war der Riese schon bei ihr und packte sie hart am Oberarm. Am rechten! Als wüsste er, dass er ihr durch die Attacke genau dort weh getan hatte.

„Aua! Verdammt, was ...“ Sternchen tanzten vor ihren Augen. Selbst das spürte sich bekannt an und allmählich hatte sie die Nase voll davon, alles so zu erleben, als wäre es schon einmal passiert.

„Ab jetzt hältst du den Mund! Ist das klar?“ Er zerrte sie endgültig in die Höhe, bugsierte sie ins Wohnzimmer und schleuderte sie dort auf die Sitzbank ihrer Essecke. Dann baute er sich vor ihr auf und ließ ihr etwas Zeit, um sich zu beruhigen. Was schlicht ein Witz war im Angesicht seiner bedrohlichen Statur. Wie ein Schrank ragte er vor ihr auf, nur, dass er mit Sicherheit kein Einrichtungsgegenstand ihrer Wohnung war. Die Sternchen in ihrem Kopf beruhigten sich, aber ihr Atem ging noch viel zu schnell.

„Hier wirst du kein Geld finden“, stellte sie bemüht sachlich fest, doch das kostete ihm nicht einmal ein müdes Lächeln.

„Ich brauche dein Geld nicht. Ich brauche dich“, knurrte der Fiesling und Silke wurde gleich noch eine Nuance blasser. Das-ist-jetzt-bitte-nicht-wahr! Vergewaltigung am hellen Tag in ihrer eigenen Wohnung? So bescheuert konnte das Leben doch nicht verlaufen! Nicht ihres! Silke war versucht erneut laut zu schreien, doch ein Finger über seinem Mund deutete schon im Vorfeld, dass sie es lieber nicht probieren sollte.

„Keine Angst ich tue dir nichts.“

„Aber ... was soll das dann?“

„Es geht um eine Umweltsache und du bist im Moment die Einzige, die helfen kann.“

„Ja, klar! Wem willst du hier was vormachen?“

„Ich weiß nicht was du meinst“, sagte er, umfasste ihre Schultern und beugte sich so weit herunter, dass sie das böse Funkeln seiner schwarzen Augen noch viel intensiver sehen konnte. Oder waren es Sterne? Verwirrt starrte sie ihn an und versuchte ihre Augen von seinen zu lösen. Lieber guckte sie da schon auf seine öligen Haare, die ihm ins Gesicht hingen und einen Teil seines Mundes verdeckten, der – huch – gar nicht einmal so schlecht aussah. Woher kam ihr der sinnliche Schwung plötzlich so bekannt vor? Silke blinzelte nervös und rieb sich ihren rechten Arm. Er schmerzte immer noch, von seinem brutalen Schlag gegen die Tür.

„Sorry wegen dem Arm“, flüsterte er und kam noch näher. Der Geruch von Abwasser, Dreck und Fäkalien wurde unerträglich.

„Gott, du stinkst vielleicht“, zischte Silke und dachte sich ein leises ups, weil sie ihn ja nicht provozieren wollte.

„Du törichtes Weib, du sollst den Mund halten, sonst werde ich ungemütlich“, grollte er und seine buschigen Augenbrauen zogen sich unwirsch zusammen. Das „Noch ungemütlicher?“ lag ihr förmlich auf der Zunge, aber sie konnte es sich noch rechtzeitig verkneifen. Vielmehr schaffte sie es sogar den Blick demütig zu senken, um ihn nicht weiter zu ärgern. Was nichts daran änderte, dass sie ihre Möglichkeiten abcheckte. Selbst mit Boxkenntnissen war ihr der Typ haushoch überlegen, aber in der Küche befanden sich durchaus ein paar Utensilien, die zu erwischen erstrebenswert waren. Wenn da nur nicht ständig seine riesigen Pranken auf ihren Schultern lägen! Jede kleinste Bewegung schien er zu registrieren und vorauszuahnen. Mit nur etwas mehr Kraftaufwand könnte er ihr vermutlich sogar die Schlüsselbeine brechen. Er versuchte eine Erklärung.

„Ich komme gerade aus dem Kanal vor Deiner Siedlung. Da kann der Geruch schon mal unangenehm sein.“ Silke wollte etwas sagen, doch sein Knurren brachte sie sofort wieder zum Schweigen. „Dort unten gibt’s ein massives Problem mit Giftmüll. Es ist nicht viel, droht aber ins Wasser zu gelangen. Im Prinzip ist es eine Kleinigkeit, aber ich brauche weibliche Hilfe, um den Dreck zu neutralisieren.“

„Oh, natürlich“, japste Silke, weil sie kein Wort verstand oder glaubte. Verärgert kam er wieder näher und versuchte in ihren Augen etwas zu finden, was sie nicht mal erahnen konnte. Weibliche Unterstützung bei Giftmüll? Wie bescheuert war das denn?

„Du stehst auf einer unserer Listen“, erklärte er und sah ihr immer noch penetrant aufdringlich in die Augen. Fast schien es so, als ob er selbst nicht glauben könnte, die gesuchte Person vor sich zu haben.

„Das ist ein Irrtum“, erklärte sie daher möglichst selbstbewusst. Vermutlich hatte der Spinner sie aus dem Telefonbuch herausgesucht und ganz schlau ihren Namen aus dem Englischen übersetzt. Environ wie environment für Umwelt, Umgebung. Daher die Umweltmasche und der Giftmüll. Lediglich das mit den Englischkenntnissen passte nicht so recht zu seinem Gesamtbild. Aber egal was der Typ auch erzählte ... er hatte eine gehörige Macke und das machte ihn zur tödlichen Gefahr. Vom tödlichen Gestank einmal abgesehen.

„Kein Irrtum“, brummte er und packte sie dieses Mal am linken Arm. Mit einem Ruck zerrte er sie in die Höhe und stellte sie vor sich auf die Beine. Bei seiner Größe war selbst das eine Herausforderung, weil sie immer noch kerzengerade nach oben gucken musste. So große Männer waren eher eine Seltenheit in ihrem Leben.

„Du bist die Richtige“, zischte er und ihr Magen verkrampfte sich augenblicklich. „Also komm jetzt mit in den Kanal“, befahl er und Silkes Sicherungen brannten endgültig durch. Ihre bisher eher passive Haltung wurde schlagartig durch hysterische Gegenwehr abgelöst. Wie eine Furie begann sie zu schreien und auf ihn einzuschlagen. Und obwohl sie trainiert war, schlug sie wie die letzte Idiotin um sich. Waschechte Panik veränderte eben auch eintrainierte Schlagfolgen oder effiziente Abwehr. Der Mann war jedenfalls durch nichts zu erschüttern, wirkte wie ein Mensch ohne Gefühle oder wie ein Roboter. Sie wehrte sich dennoch mit allem was sie hatte. Fäuste, Zähne, Nägel und Füße kamen zum Einsatz, doch es half alles nichts. Sie kassierte eine Ohrfeige und hörte dennoch nicht auf. Er packte sie fester und schleuderte sie auf die Couch neben dem Esstisch. Danach warf er sich mit einem Hechtsprung auf sie und zermalmte sie regelrecht unter seinem Körper.

Was total irre war.

Wie alles an dem Mann und seinem Vorgehen.

Unter seinem Gewicht bekam sie kaum Luft, fühlte sich wie von einem Lastwagen angefahren ... und dachte an Wald, interessanten Duft, einen Kuss. Hoppla, wohin drifteten denn ihre Gedanken plötzlich ab? Silke schüttelte den Kopf, versuchte noch kurz zu kämpfen und musste sich doch eingestehen, dass sie keine Kraft mehr dafür hatte.

„Genug getobt, Lady?“, fragte er gelangweilt und hielt sie weiterhin mühelos in Schach. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt, aber das wäre nur eine kurze Genugtuung gewesen.

„Was-willst-du?“, keuchte sie, weil sie kaum Luft bekam.

„Wie gesagt: Ab in den Kanal mit dir!“ Das war ein klarer Befehl.

„Nein“, kreischte Silke und versuchte erneut sich zu wehren. Die Vorstellung in das unterirdische Kanalnetz verschleppt zu werden, aktivierte ihre letzten Kraftreserven. Aber auch das änderte nichts an ihrer Lage. Wenigstens hielt er sie nur fest und wartete ab. Klar, der Fremde hat Kraft ohne Ende und vermutlich ewig Zeit. Silke wusste, dass ihre Lage aussichtslos war und unterdrückte ein Schluchzen. Sie wollte nicht in den Kanal, um dort abgeschlachtet zu werden. Sie wollte hier nicht liegen, diesen Typen ansehen oder riechen. Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel, obwohl sie so lange versucht hatte, sie zurückzuhalten.

„Sch, sch!“, flüsterte er plötzlich und wischte sie ihr von der Wange. „Ich sagte doch, dass ich dir nichts tun werde!“

„DAS nennst du nichts? Herrgott, was ist los mit dir?“

„Naja, du hast mich provoziert. Eigentlich wollte ich ganz höflich fragen.“

„Wie bitte? Ich habe dich provoziert? Ha!“ Zu all der Angst gesellte sich gleich wieder Wut. Doch das beeindruckte den Mann nicht. Vielmehr schien er verwirrt zu sein, weil sie ihm nicht glaubte.

„Schon irgendwie. Du sollst mir schließlich nur kurz helfen. Mehr nicht. Ich werde dich nicht töten“, versicherte er und drang erneut mit seinen kohlrabenschwarzen Augen in ihre blauen ein, als würde er dort etwas suchen oder vermissen. Seinen Irrsinn vielleicht? Silke meinte schon wieder kleine Sterne in seiner schwarzen Hölle zu sehen, aber das konnte auch an seinem mörderischen Gewicht liegen, das ihr die Luft abdrückte. Trotzdem waren diese Augen seltsam und irgendwie schwärzer als schwarz. Anders als alles, was sie bisher gesehen hatte. Wenigstens war mittlerweile klar, dass der Typ kein Bettler, sondern ein total kranker Freak und Mörder war, der seine Opfer in den Kanal zerrte, sie dort aussaugte, klein schnippelte oder sonst was mit ihnen anstellte.

Giftmüll, pah, dachte sie.

Genervt rollte er mit den Augen.

„Noch einmal für ganz Langsame: Ich brauche dich für einen kurzen Job. Du kommst mit mir in den Kanal und bist in einer Stunde wieder gesund und munter hier. Versprochen.“ Silke hätte am liebsten gelacht, wenn ihr der Kiefer nach seiner Ohrfeige nicht so weh getan hätte. Job ... ja klar, dachte sie. Mit dem kleinen Zusatz von Blow oder wie?

Seine Augenbrauen zogen sich arrogant zusammen, als hätte er ihre Gedanken gelesen oder erkannt, dass sie ihm geistig nicht folgen konnte. Das machte ihn offenbar noch wütender, denn er schüttelte den Kopf und schaltete augenblicklich einen Gang höher.

4.Kapitel

„Wo warst du gestern?“, fragte Erika verärgert und schlürfte ihren Kaffee Latte mit Vanillegeschmack aus einem Pappbecher. Silke hasste dieses künstliche Zeug – sowohl vom Inhalt, als auch von der Verpackung her.

„Was meinst du?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage, während sie ihr Passwort in den Computer eingab und versuchte den Geruch des Getränks zu ignorieren. Ihr Chef sah es nicht gerne, wenn sie sich länger als zehn Minuten am Arbeitsplatz befand und den Computer nicht hochgefahren hatte. Erika schnaubte erbost und knallte ihrer Kollegin demonstrativ den Kaffeebecher auf den Tisch. Sofort verbreitete sich ein intensiver Duft von künstlichem Vanillearoma.

„Verdammt, musst du so eine Scheiße trinken?“, entfuhr es Silke, während sie versuchte sich die Nase zuzuhalten.

„Lenk nicht ab! Du hast mich total im Stich gelassen“, stellte Erika fest und stupste den Becher extra noch einmal an, um Silke zu quälen.

„Redest du bitte ENDLICH Klartext, bevor ich den Becher hier nehme und ihn dir aufsetze!“ Silke war bereits ziemlich gereizt.

„Hallo-o! Wir wollten uns gestern mit Rambo und Conan treffen. Schon vergessen?“ Erika war nicht nur stinksauer, sie war vor allem fassungslos, weil ihre Arbeitskollegin so ahnungslos tat. Dabei sprachen sie seit Tagen nur von dem Boxer verliebten Forum, wo sie als Kriegerin Xena (Erika) und die Kriegsgöttin Bellona (Silke) bei Rambo und Conan chattender Weise hängen geblieben waren. Die beiden Typen hatten sich in den Mails als recht witzig erwiesen und zudem Muskelmasse und Hirn angepriesen. Seit ein paar Tagen nutzten Silke und Erika jede erdenkliche Arbeitspause um im World Wide Web wild zu flirten. Diese vier W’s waren schließlich zum running Gag bei ihren Gesprächen geworden und ihr Chef drückte ausnahmsweise beide Augen zu, wenn sie in ihrer Pausenzeit im Netz rumhingen und lachten. Sofern sie es unter ihrem privaten Account erledigten und keine Dateien herunterluden.

Endlich ging Silke ein Licht auf! Das Date am Sonntag mit den beiden Muskelheinis hatte sie total vergessen. Genervt rieb sie sich mit zwei Fingern über ihre Nasenwurzel. Höllische Kopfschmerzen bahnten sich an.

„Sorry, Erika. Ich habe das echt total vergessen. Keine Ahnung warum. Eigentlich war ich gestern zuhause und hatte keinen Termin, also ...“

„Also was?“

„Ich habe keine Ahnung“, stellte Silke erschüttert fest. Wieder ein Tag, der ihr abhandengekommen war! Auch wenn sie sich konzentrierte und versuchte sich zu erinnern, wollte es ihr nicht gelingen. Zuerst der Samstag, dann noch der Sonntag! Derart viele Blackouts machten ihr eine Heidenangst. Vielleicht war sie ja krank oder hatte sich den Kopf beim Wandern gestoßen. Gehirnerschütterung fiel aus, denn sie hatte sich nicht übergeben. Ein Tumor oder etwas Abartiges wie Schizophrenie kamen da schon eher in Frage. Scheibenkleister!

„Alte, wenn du nicht die mörderisch gute Ausrede hast, dann bekommst du heute beim Sparring so derart was auf die Nase, das kann ich dir garantieren! Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich gestern durchgemacht habe?“ Unter Boxkolleginnen war ein rauerer Ton kein Ding und Erika sowieso nicht gewöhnt sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Silke hätte also, trotz der Frechheit, sicherlich geantwortet, war aber gerade noch zu verwirrt von ihren Blackouts. Sie war auch deutlich blasser als sonst und das bemerkte dann selbst Erika endlich einmal.

„Hey, was ist los mit dir? Geht es dir nicht gut?“, fragte sie besorgt und tätschelte die Schultern ihrer Freundin.

„Du ... ich bin ...“ Silke musste sich auf ihren Drehsessel setzen und Luft holen. Dabei atmete sie viel zu schnell. Erikas medizinisch geschultes Auge erkannte das sofort.

„Mensch, du bist ja gleich am Hyperventilieren! Jetzt machst du mir aber Angst, Süße.“ Besorgt umrundete Erika den Empfangstisch und ging neben ihrer Kollegin in die Knie. „So viel Schiss brauchst du nun auch wieder nicht vor unserem Sparring zu haben“, scherzte sie, doch in Wirklichkeit hatte sie Angst, dass etwas Gravierendes nicht stimmte. Ihre Kollegin war immer die taffe Siegerin, die Ausgeburt an Kraft und Ausdauer. So blass und nach Luft ringend hatte sie sie noch nie erlebt, selbst bei Grippe nicht.

„Angst vorm Sparring? Träum weiter, du Nuss!“, versuchte Silke im Boxerjargon zu kontern, doch schon überkam sie der nächste Schwächeanfall und sie beugte sich vornüber, um nicht zu schnell zu atmen. Sie war offenbar einer Panikattacke nahe, auch wenn sie nicht verstand was dafür der Auslöser sein könnte.

Wie durch Zauberhand hatte ihre Kollegin plötzlich eine kleine Tüte bei der Hand und hielt sie Silke vor den Mund.

„Atme sofort hier rein!“ Ihr Befehlston entlockte Silke fast ein Lächeln, doch der Versuch scheiterte kläglich. Sie hatte schlicht keine Kraft zu lächeln und nahm dankbar die Tüte in die Hand, um hinein zu atmen. Ein-aus-ein-aus …, keuchte sie selbst in Gedanken und wurde dabei immer eine Spur langsamer. Die Panik wurde besser, das Atmen tatsächlich ruhiger. Erika streichelte ihr sanft über den Rücken. In Silkes Augen hätte sie eigentlich Medizin studieren sollen, anstatt in einer Zahnarztpraxis als Helferin zu vergammeln.

„So ist es gut. Verflucht, mach so etwas nie wieder!“, zischte sie und Silke fiel prompt wieder ein, warum Erika das mit dem Medizinstudium vielleicht doch lieber lassen sollte. Mit Diplomatie und Feingefühl hatte es die liebe Kollegin nicht so.

„Sorry ...“, krächzte Silke, weil sie die Fürsorge trotzdem zu schätzen wusste.

„Das hast du zuerst schon gesagt. Aber was ist eigentlich los mit dir? War das gestern schon so? Ich meine, warst du krank, bewusstlos, beim Arzt?“

„Erika! Bitte! Ich habe nur meine Tage, mehr nicht.“