Mercy, die Straßenritze – Buch 14 – Der Zerhackte und die Hure - Sabine Benda - E-Book

Mercy, die Straßenritze – Buch 14 – Der Zerhackte und die Hure E-Book

Sabine Benda

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Beschreibung

Meine lieben begrenzt Denkenden! Als Fach-Engel für himmlische Fragen kann ich bestätigen, ja, es gibt noch Zeichen und Wunder. Doch die Sache mit dem höllischen Sektionschef der Dunklen, den man auch als Shitface kennt, hat selbst mich überrascht. Ich sage ja immer: Letztendlich sind wir alle völlig grau, weder richtig schwarz noch richtig weiß. Farben werden ohnehin überbewertet und erinnern stark an Ausgrenzung, Rassismus und Diskriminierung. Aber ich möchte euch nicht mit meiner himmlisch zynischen Philosophie langweilen, sondern auf die fiese Psycho-Sache mit dem fiesen Psycho-Benjamin Micker neugierig machen! Und was hat eine Bronxer Hinterhofgasse damit zu tun? Aha, jetzt läuten bei dem einen oder anderen die Glocken wie an Weihnachten oder in einem ordentlichen Porno, nicht wahr? Euer Samuel, der Erste Gärtner Gottes

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MOBI

Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sabine und Thomas Benda

Mercy, die Straßenritze – Buch 14 – Der Zerhackte und die Hure

Ein 25-teiliges Serien-Genre-Crossover – ein himmlisch-höllisches Epos – eine unvergessliche Geschichte

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Zusammenfassende Worte

2. Eigentlich

3. Etwas Süßes, Freches und Paranormales

4. Manche Wahrheiten sind für später

5. Die Nachricht

6. Die unheilvolle Frage

7. Ich freue mich nicht!

8. Feindseligkeit

9. Züngeln

10. Giftiges

11. Interne Beziehungen und Engpässe

12. Blut

13. Der einzelne Satz

14. Ich ... bin ... wirklich ... gefährlich!

15. Wenn eine Kollegin eine Kollegin besucht

16. Die Absoluten

17. Bettgeflüster über Schlangen

18. Blanche

19. Zitronenlimonade und Eingebungen

20. Keine Lüge

21. Psychospielchen

22. Stück für Stück

23. Der Versorger und sein Mündel

24. Engelslust und Engelssorgen

25. Am Palmenhain

26. Golga kommt

27. Ein gutböses Intermezzo

28. Nomadenzelt Talk

29. Fleischliches, Feistes und eine Überraschung

30. Völlig aus dem Konzept

31. Und was soll das jetzt?

32. Es ist vorbei!

Über die Autoren:

Impressum neobooks

1. Zusammenfassende Worte

»Mein Name ist Mercy Bendermann. Ich bin eine Auserwählte des Großen Gründers – ich bin die Macht! Okay ... nebenbei bin ich auch eine mega erfolgreiche Geschäftsfrau und Multimilliardärin in New York City! Mein Leben war in den letzten fünf Jahren sehr abwechslungsreich. Davor war ich eine Kunststudentin, die nebenbei als Hobbyhure auf den Bordsteinkanten der Bronx sehr gut Kohle gescheffelt hat. Doch diese Zeit ist längst vorbei! Vieles, was ich früher einmal war, bin ich heute nicht mehr. Nach sexlosen Jahren in Trauer um meinen verstorbenen Ehemann Thomas bin ich nun wieder mit meiner Herzliebe zusammen! Ja, Ansgar und ich sind endlich wieder ein Liebespaar! Und er lässt mein Herz, meine Seele und meinen Körper erbeben wie eh und je! Das ist kein rosarotes Teenagergeschwätz! Ich bin … räusper-räusper … schon 32 Jahre alt! Ohne Zweifel – ich liebe ihn herzenstief, selbst wenn es mitunter schwierig ist!«

»Mein Name ist Lydia Wisemeyer. Ja, und wenn Sie Papier und Stift zur Hand haben, bekommen Sie ein schönes Autogramm von mir! Sagen Sie Liddi zu mir! Wir kennen uns inzwischen sehr gut! Yes, ich bin voll motiviert, obwohl meine Prophezeiung ja schon durch ist! Mein Lied, komponiert von meiner verstorbenen Jugendliebe Tim Schmitt, hält sich seit Jahren in den Top 100-Charts der internationalen Hitparaden! Die Rockballade übt einen besonderen Zauber auf die Menschen aus. Der Song kann böse Gedanken in gute Gedanken umwandeln, schon ... wenn man ihn hört! Verrückt, was? Ja, und ich bin und bleibe eine Rocklady, die Stimme vor dem Herrn! Zudem bin ich eine coole Mutter und eine erstklassige Ehefrau, die für Spontansex noch immer zu haben ist, wenn mein Söhnchen im Kindergarten herumtobt! Natürlich ist mein Karl mein alleiniges Herz- und mein Sex-Ding! Ich hab damals so ein Schwein gehabt, dass er sich in mich verschossen hat und nichts mehr von Mercy wissen wollte! Lange ist das her! Und bevor Sie fragen: Richtig, er liebt mich ebenfalls abgöttisch! Das sollte jetzt nicht irgendwie blasphemisch rüberkommen, kapiert!«

»Mein Name ist Firesaa. Ich bin – wie Liddi – eine Stimme! Allerdings habe ich noch viel zu lernen! Meine Pflegeeltern Yamina und Limhaa fördern mein Talent, und mein Schutzengel Hubertus Allmenhausen übt jeden Tag mit mir! Zwischendurch ziehe ich mir komplizierte Schulsachen rein! Ich bin erst fünf – und trage das Wissen eines Teenagers in mir! Doch das lasse ich mir nicht anmerken! Ich will doch niemand erschrecken oder überfordern. Besonders nicht meinen Freund, mit dem ich oft im Palastgarten von Hidsania spiele. Yannick ist schon sechs – und sowas von süß! Außerdem hat er geheime Verstecke für Comics und Schokolade!«

»Mein Name ist Estelle Brukner. Ich bin eine der vier Auserwählten des Großen Gründers oder wie auch immer Sie das Wesen über den Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen nennen sollten! Ich bin eine lebende Prophetin und die Religionsgründerin von FISH! Schwanger bin ich ebenfalls, doch ich finde kaum Zeit darüber nachzudenken! Während andere Frauen sich in dieser Phase mit Baby-Literatur und Eltern-Ratgeber zuschütten, versuche ich dauerhaft mit meinem Team das Dunkle in der Welt zu bekehren beziehungsweise das Böse zu vernichten! Klingt anstrengend und hart? Es ist anstrengend und hart! Und das Sahnehäubchen meiner Lebensgeschichte: Ich habe eine Halbschwester, die in der Hölle geboren wurde! Da schauen Sie, was? Genau, mein Leben ist kompliziert! Genau, mein Leben ist komplex! Genau, mein Leben ist völlig durchgeknallt, wenn ich darüber nachdenke! Es nützt nichts, tränenreich zu jammern: Jemand muss den Job machen! Ich wurde nicht ohne Grund auserwählt. Denn laut meinem Schutzengel und Lehrmeister, genannt Samuel, bin ich – und ich zitiere wörtlich! – eine Raubkatze aus der Guf! Ich verwirre Sie? Nun, das geht meinem Traumprinzen, dem gutmütigen und edelherzigen Hidsaa, andauernd so! Manchmal frage ich mich, ob ich seine Großzügigkeit und sein Wohlwollen verdient habe! Dann sehe ich in seine liebevollen Augen und schmelze dahin! Ja, ich bin eine Romantikerin und glaube daran, dass jedes hübsche Mädel einen wahren Prinzen verdient hat! Hätten Sie jetzt nicht gedacht, was? Doch ich bin auch unberechenbar! Ich mute meinen Lieben um mich herum einiges zu! Doch das muss so sein, denn die Hellen und die Dunklen haben einen gemeinsamen unbarmherzigen Feind, die Togen! Deshalb habe ich mich zu einer Zusammenarbeit mit Mina aus der Hölle entschlossen und sie zu Erstgesprächen in den Palast von Hidsania eingeladen. Ja, Sie können jetzt wieder Ihre Kinnlade schließen! Manchmal verwischen die Grenzen zwischen Hell und Dunkel – und manchmal muss ich neue Wege beschreiten, um die Hellen zum Sieg zu führen! Ich hoffe sehr, dass der Große Gründer ein besonders wachsames Auge auf mich und mein Handeln wirft, sonst sind wir alle dermaßen gefickt! Oh, entschuldigen Sie meine unüberlegte vulgäre Äußerung! Ich wollte sagen, sonst sind wir alle dermaßen am Arsch! Ja, ich vergesse hin und wieder meinen Anstand, wenn die Gefühle mit mir durchgehen – aber ich arbeite daran, versprochen!«

2. Eigentlich

Hidsania, im Palastgarten, zur Mittagszeit

Smalltalk.

Wenn sich Fremde näher kennenlernen wollen oder gar kennenlernen müssen, ist es hilfreich, ein unverbindliches Gespräch zu beginnen. Meist wählen die Gesprächspartner einfache Themen für den Einstieg, wie zum Beispiel die aktuelle Wetterlage oder die Tätigkeit, den Beruf oder gar die Berufung. Einige reden über besuchte Urlaubsziele oder angeschaute Kinofilme, gelesene Lektüre oder Lieblingsmusikstücke oder gern gehörte Lieder.

An diesem sonnigen Tag im Schatten des Holzpavillons gab es allerdings eine in der Hölle geborene 13-Jährige, die hasste so einen unverbindlichen und oberflächlichen Smalltalk. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass dem blondhaarigen Mädchen folgende Frage über die feinen Lippen kam:

»Wann hast du deinen ersten Menschen ermordet?«

Tara Wilcox, die in ihrem grünen Minikleid und der übergroßen Sonnenbrille nach allem anderen nur nicht nach der Sicherheitschefin der Prophetin Estelle Brukner aussah, holte tief Luft.

»Mina, hör zu, bitte!«

»Hast du das Gefühl, dass ich dir nicht zuhöre?«, stellte Mina keck eine weitere Frage.

»Nein, das ist es nicht! Ich meine, ich will etwas deutlich machen, bevor unsere Unterhaltung in eine schräge Richtung abdriftet.«

»Ich bin nicht der Meinung, dass unser Gespräch in eine schräge Richtung abdriftet. Ich wollte nur von dir wissen, wann du deinen ersten Menschen ermordet hast. Mehr nicht!«

»Normalerweise stellen wir hier auf Erden nicht solche Fragen, Mina!«, hielt die Sicherheitschefin hart dagegen.

»Wieso, Tara? Ist das zu persönlich?«

Tara Wilcox, die in Wirklichkeit die ehemalige Auftragskillerin Sandrina Rossi war, schnaufte wieder erschöpft durch, denn Estelle Brukners Bitte, ihre Halbschwester Mina aus der Hölle besser kennenzulernen, erwies sich mitunter als Geduldsspiel. Und Tara Wilcox war die Erste, die sich diesem Geduldspiel freiwillig ausgesetzt hatte. Naiverweise hatte die Sicherheitschefin geglaubt, es wäre ein Leichtes, sich mit einem Teenager aus der Hölle zu unterhalten.

Eine totale Fehleinschätzung, wie sich herausstellte, denn dieses Mädchen war eine Herausforderung ohnegleichen.

»Richtig!«, stellte Tara Mina gegenüber klar. »Es ist zu persönlich, mich nach meinem ersten Mord zu fragen! Zumal ich mit meiner dunklen Vergangenheit abgeschlossen habe!«

Ist ja so was von klar, dass das Gör weiß, dass ich eine Auftragskillerin für die Dunklen war, dachte Tara und hoffte, dass Mina nicht imstande war, Gedanken lesen oder hören zu können.

Diana Venandi, Taras innere Dämonin, Freundin und Lehrmeisterin, hatte jedenfalls behauptet, dass Dunkle dies nicht könnten. Aber ... war diese Mina eine normale Dunkle wie die anderen? Wer wusste schon, was dieses Mädchen wirklich alles konnte?

Mina zupfte am Saum ihres schwarzen Kleides herum. Da stand ein Fädchen ab, das sie störte.

»Hast du eine Fingernagelschere zur Hand?«, fragte sie mit einem lieben Blick.

»Ob ich ... was habe?« Tara glaubte, sich verhört zu haben.

»Der olle Faden stört mich«, erklärte Mina, reffte das Kleid kurz hoch und biss das Fädchen ab. Schließlich spuckte sie es auf den Pavillonboden. »Viel besser! Ich hasse es, schlampig auszusehen! Du doch auch, nicht wahr, Tara? Denn du wirkst immer sehr gepflegt! Und in deiner Freizeit – ja, ich habe dich beobachtet! – bist du ausnahmslos elegant und stilvoll gekleidet! Dein korpulenter Freund ist da viel ungezwungener. Vom Kleidungsstil her, meine ich!«

»Du hast Arthur und mich beobachtet?«

»Zufällig gesehen – das trifft es besser!«, sagte Mina fröhlich. »Ihr habt händchenhaltend einen Spaziergang durch die Parkanlage gemacht, während ich mich mit Firesaa auf der Picknickdecke unterhalten habe. Ihr schaut euch ja ziemlich verliebt an – wie lange kennst du Arthur McFadden schon?«

Tara Wilcox schüttelte ihren Kopf. »Warum fragst du? Du scheinst es doch zu wissen, Mina, oder? Habt ihr Dunklen uns, den Feind, nicht ausgiebig studiert?«

Mina krauste ihre glatte Stirn. »Tara, weshalb wirst du plötzlich so feindselig mir gegenüber im Tonfall? Wir sollen uns doch besser kennenlernen, oder? Meine Schwester findet das gut! Und ich freue mich so sehr darauf! Gerade auf dich!«

»Wieso auf mich?«, blaffte Tara. »Vielleicht weil ich früher eure Marionette für Mord und Totschlag war?«, schob sie zynisch nach.

»Nein«, entgegnete Mina und klang sehr aufrichtig dabei. »Weil du früher eine perfekte Mitarbeiterin der Dunklen warst, du dich gegen uns aufgelehnt hast, den unseligen Pakt mit uns gebrochen hast und ... nun die Karriereleiter erneut hochsteigst! Und das bei den Hellen! Ich bewundere dich total!«

»Du bewunderst mich?«

»Aber natürlich! Solch starke Persönlichkeiten, die uns entkommen konnten«, erklärte das blonde Mädchen, »kann man doch nur bewundern! Deine mentale Stärke ist wahrlich enorm!«

»Das ist es nicht alleine. Diana hat mit mir zusammen die Seiten gewechselt und mich damit mental unterstützt. Und Arthur war im rechten Moment damals da ...«, sagte Tara leise. »Ohne ihn hätte ich es nicht ...«, erklärte sie und verschluckte den Rest.

»Kannst du nicht wissen, Tara!«

»Was meinst du, Mina?«

»Ob du es auch ohne Arthur geschafft hättest, den Pakt zu brechen. Aber es ist zu mühsam, darüber nachzudenken. Lass es sein! Du bist eine ganz Starke, Tara! Mein dunkles Herz spürt das bei jedem unseligen Schlag! Und … ich weiß, dass du einst eine besondere, eine unentschlossene Seele warst!«

Tara zeigte sich verwirrt, weitete ihre blauen Augen, sahen das munter erzählende Mädchen eindringlich an. »Was heißt das nun wieder? Eine unentschlossene Seele?«

»Du warst schon bei diesem üblen Vulkanausbruch in Pompeji dabei! Doch du wurdest gerettet! Jawohl, du warst mal der Hauptpreis für den Gewinner eines vergangenen Seelenspiels! Du warst ein wertvoller Seelenstein, eine unentschlossene Seele, gleichermaßen kostbar für die Hellen und die Dunklen!« Mina seufzte laut. »Dumm für uns, dass die Hellen dich gewonnen haben und du dich letztendlich auch für sie entschieden hast! Aus dir hätten wir etwas besonders Dunkles machen können – und zudem hast du Stil und Eleganz! Etwas, das diesen verdreckten Kerlen in der Hölle ziemlich am Ar... ähm ... am Hintern vorbeigeht! Du glaubst nicht, was da für niveaulose Prolls herumhängen, Tara! Es ist zum Verzweifeln für eine Schöngeistige wie mich! 80 Prozent männliches Gesocks ohne Manieren lungert da herum! Und bei den restlichen 20 musst du auch aufpassen! Wusstest du, dass fast alle Männer in der Hölle Stehpinkler sind – und danach nicht sauber abwischen! Pinkeln ohne Grazie, sag ich nur! Einfach grässlich! Mein Versorger ist glücklicherweise anders – der hockt sich hin!«

Tara Wilcox lachte herzhaft laut. Auf solche delikaten Äußerungen des höllischen Teenies war sie nicht gefasst gewesen. »Wie köstlich unterhaltsam du sein kannst, Mina! Fast wie ein Geschenk des Himmels!«

»Nun ja, deine etwas unbedachte Bemerkung mit dem Himmel habe ich mal großzügig überhört!«, grinste Mina und zog danach absichtlich einen Schmollmund, der in ein Lächeln überging. »Oder ... wolltest du mich gar himmlisch beleidigen, Tara? Wenn ja, dann sage ich das meiner großen Schwester und dann gibt’s was auf die …!« Der Rest ging in beiderseitigem Lachen unter.

Ja, da lernten sich eine Helle und eine Dunkle ziemlich humorvoll kennen und spürten, dass sie den oft zitierten Draht zueinander hatten. Zwei, die eigentlich erbitterte Todfeinde waren. Eigentlich.

3. Etwas Süßes, Freches und Paranormales

Es war mitunter eine nervige Feinarbeit: die Bartpflege.

Limhaa, der persönliche Assistent des Prinzen von Hidsania, stand vor seinem illuminierten Badezimmerspiegel und überprüfte sein gepflegtes Oberlippenbärtchen. Der stets korrekt gekleidete Mann hasste es, wenn sich weiße Barthaare zwischen den schwarzen zeigten. Da musste er mit einer kleinen Haarschere ran, um Harmonie ins haarige Chaos zu bringen.

»Ich werde alt«, jammerte er übertrieben, als er seine Liebste, seine Ehefrau Yamina, bemerkte, die gerade nackt aus der Dusche stieg.

»Mein Guter, du jammerst auf einem extrem hohen Niveau«, bemerkte sie fröhlich und frottierte sorgsam ihre langen dunklen Haare.

Er warf kurz einen Blick auf sie und meinte: »Du hast ja auch kein Problem mit weißen Haaren.«

»Weil du nicht dabei bist, wenn ich sie entferne. Außerdem mache ich nicht viel Aufhebens, wenn sich erste kleine und unbedeutende körperliche Defizite zeigen. Für dich ist es ja gleich der Weltuntergang! Ach, was sag ich – es ist schlimmer für dich!«

»Autsch!«, fluchte Limhaa.

»Reißt du dir jetzt die Haarwurzel mit raus?«, schaute die Frau ihn verwundert an und wickelte sich in einen weißen Bademantel. »Ziemlich masochistisch, wenn du mich fragst. Seid ihr Männer in der Hinsicht überhaupt leidensfähig?«

»Ist jemand verletzt?«, fragte die kleine Firesaa, die plötzlich im Türrahmen des Badezimmers erschien.

»Noch nicht!«, antwortete Yamina, ihre Pflegemutter, heiter. »Limhaa kämpft gegen das Alter und gegen einzelne weiße Barthaare!«

»So alt ist Limhaa ja noch gar nicht, oder etwa doch?«, grinste die Kleine und ergriff eine Bürste vom Wandregal, um sich ihr seidig glänzendes Haar zu bürsten.

»Sag mal, Firesaa?«, fragte Limhaa. »Hast du schon Geografie und Geschichte gelernt?«

»Kann es sein, dass du mir jetzt unterschwellig mit Schulwissen drohst?«, fragte sie, zeigte sich gespielt entsetzt. »Ich habe doch nur gesagt, dass du nicht alt bist! Männer können so schnell empfindlich sein!«

»Ja, da hast du recht!«, pflichtete Yamina ihrer Pflegetochter sofort bei. »Aber Limhaa ist sonst ein toller und guter Mann! Und er hat extrem viiiel Geduld – besonders bei der Bartpflege!« Mit frechem Blick sah sie ihn an und streichelte die Wange ihres Ehemanns.

»Und alt ist er doch auch nicht – oder muss ich mir Sorgen machen?«, platzte Firesaa heraus und kicherte, wie nur Fünfjährige kichern können, wenn sie sich köstlich über Erwachsene amüsieren.

»Ist Yannick eigentlich nicht empfindlich?«, wollte Limhaa wissen, hatte viel Humor in der Stimme.

»Doch ... und er wird schnell rot im Gesicht, wenn ihm etwas peinlich ist!«

»Limhaa ebenfalls! Das sind Männer mit viiiel Gefühl!«, sagte Yamina, und Firesaa kicherte noch mehr.

»Ladys, ihr macht euch lustig über mich?, fragte Limhaa theatralisch. »Habe ich, der Bartträger in der Familie, das wirklich verdient?«

»Nein«, sagte Firesaa, war sehr ernst geworden. Dann warf sie ihm einen Luftkuss zu. »Du hast unsere ehrliche Liebe verdient, Limhaa!«

Man kann ihr einfach niemals böse sein, dachte der Mann, war voll guter Gefühle, als er der Fünfjährigen zulächelte.

»Ich muss los!«, trällerte Firesaa. »Hast du meinen Sonnenhut gesehen, Yaminchen?«

»Ach, du verlässt das Palastanwesen?«, hakte die Frau nach.

»Qui, Madame! Heute ist doch schulfrei, und ich möchte mit Daphne in Gasmoo ein Eis schlecken gehen!«

»Hast du ihr das erlaubt, Schatz?«, fragte Yamina Limhaa verwundert.

»Ich würde doch niemals ohne Erlaubnis meines gutherzigen Pflegevaters gehen!«, meinte das Mädchen, bevor der Mann antworten konnte.

»Wir haben gestern darüber gesprochen«, erzählte Limhaa. »Und mit Daphne ist es sicher! Sicherer ... als mit manch Normalem!«

»Oh, ganz üble Wortwahl!«, widersprach Firesaa. »Daphne ist eine normale Frau!«

»Ja«, antwortete er keck. »Allerdings ... paranormal!«

»Deswegen ist sie meine beste Freundin!«, konterte das Mädchen spontan. »Du vergisst bitte nicht, wer ich bin, werter Limhaa!«

»Qui, Mademoiselle! Du bist die vierte Auserwählte, mein Kind!«, sagte er, trug ein bewunderndes Lächeln im Gesicht. »Der Allmächtige über den Dingen hat stetig ein waches Auge auf dich gerichtet. Und du wirst ...«

»... das Böse immerzu in den Hintern treten oder in Grund und Boden singen!«, ergänzte Firesaa lockerlippig. »Schon klar! Und mach dir keine Sorgen! Und noch was … du bist nicht alt! Und ich liebe euch beide total, ganz dolle!« Wild und ungestüm umarmte Firesaa Yamina und Limhaa gleichzeitig. »Ihr seid cool und herzensgut! Das ist eine vorbildliche Kombination!«

Yamina grinste schief und zog eine Augenbraue hoch.

»Dein Sommerhut liegt übrigens auf deinem wieder nicht gemachten Bett«, sagte sie und runzelte ein wenig ermahnend die Stirn. »Gleich neben dem Shirt, das du wieder nicht in den Wäschekorb für Schmutzwäsche gelegt hast!«

»Upps, sorry!«, sagte Firesaa, tat auf betroffen. »Ihr seht, auch Auserwählte haben ihre menschlichen Schwächen! Ich wünsche euch einen super guten Tag! Hab euch lieb!«

Und im nächsten Moment sauste sie davon.

»Wen ziehen wir da bloß groß?«, fragte Yamina und schaute der Kleinen lächelnd nach.

»Etwas Süßes, Freches und … Paranormales!«, schmunzelte Limhaa und überprüfte nochmal seinen Oberlippenbart.

Das Smartphone auf der Spiegelablage brummte. Limhaa ergriff es und erkannte auf dem Display die Nummer der Polizeistelle von Gasmoo. Es war Bertrand Tillier, der Leiter der Dienststelle. Nach einem kurzen Gespräch wurde das Telefonat beendet.

Yamina war inzwischen in Jeans und Shirt geschlüpft. »Du siehst besorgt aus, mein Lieber! Ist etwas geschehen?«

»Es gab einen mysteriösen Todesunfall in einem der umliegenden Dörfer.«

»Sprichst du von ... Mord?«

»Das weiß man noch nicht. Die Polizei möchte eine offizielle Vertretung der Garde dabeihaben. Vielleicht geht es um etwas Übernatürliches!«

»Um etwas Übernatürliches?«, wiederholte Yamina, sah besorgt aus.

»Ja, eine Männerleiche! Und der Tote sieht aus, als wäre etwas aus ihm herausgeplatzt!«

4. Manche Wahrheiten sind für später

Estelle Brukner, in einem leichten Sportdress und mit einem pinkfarbenen Schweißband über der prophetischen Stirn, stöhnte der 30. Liegestütze entgegen. Ihr Gebieter und Herzprinz Hidsaa, der Regent von Hidsania, studierte auf dem glatten Display seines PC-Tablets die aktuellen Weltnachrichten und die internationalen Börsenkurse. Der stabile Goldkurs entlockte seiner vertriebsorientierten Wesensart ein zufriedenes Lächeln. Auch motivierte ihn der langanhaltende Reiseboom, der Hidsania beziehungsweise die touristischen Zentren um die Hauptstadt Gasmoo seit Jahren finanziell beflügelte, zu neuen Gedanken.

Vielleicht ist ein Abenteuer-Wasserpark für ausländische Touristen an einer malerischen Wüstenoase eine weitere gewinnbringende Attraktion?

Hidsaa verwarf rasch den Gedanken, da er sich an die sehr aktiven Naturschutzgruppen in seinem Land erinnerte. Aktivisten hatten ihm schon das Leben beim Bau der zahlreichen Luxushotels im Norden schwer gemacht.

»40 ...«, keuchte Estelle und hörte mit ihren Sportübungen auf.

»Und du bist dir sicher, dass du in deinem Zustand solche Sportübungen machen kannst?«, fragte der Prinz, während sich die Prinzessin vom Boden erhob.

»Klar! Himmlischer Schutz«, meinte die Blondhaarige schnaufend. »Samuel hat mir versichert, dass unserer Tochter nichts geschehen wird. Ich kann Sport machen, bis der Bauch stört!«

»Tochter?« Hidsaa hob eine prinzliche Augenbraue an. »Du meinst ... Sohn, oder?«

Ein verbaler Schlagabtausch, den sich das Paar immer mal wieder gerne lieferte. Tatsache war, dass beide das Geschlecht nicht vor der Geburt wissen wollten.

»Unsere Tochter-Sohn, unser Sohn-Tochter ... oder wer auch immer?«, meinte Estelle heiter. »Es, das Baby, kommt gewiss nicht zu Schaden! Danke, Geliebter, dass du so besorgt um mich bist!«

»Du bist mein ganzes Herz – und unser Sohn ebenfalls!«

»Ja, ich sage es ihr, wenn ich heute Nacht mein Bäuchlein streichle!«

»Apropos ... Bäuchlein streicheln ...«, sagte der Prinz und blickte verzückt.

»Vielleicht ... nach dem Joggen?«, flüsterte sie. »Und dann zu zweit unter die Dusche zum Abkühlen?«

»Du ... du gehst noch eine Runde Joggen? Zur Mittagszeit? Ernsthaft?«

»Hidsaa-Schatz, ich stamme aus New York City! Im Central Park habe ich unendlich viele Laufschuhe zerschlissen, als ich Studentin war!«

»Du warst aber keine Sportstudentin, oder doch?«

»Nein, Hidsaa. Ich war ein legendäres Mathe-Ass! Doch das Laufen hat mir geholfen, wenn ich im Geiste schwierige Gleichungen bearbeitet habe. Joggen und Mathe, die beiden Themen passen für mich zusammen wie manch andere Dinge auf sexueller Ebene!«

»Apropos ... andere Dinge, Estelle!«

»Wie gesagt, du ungeduldiger Königssohn, nach dem Joggen kommt das Bocken!«

»Gut, gut!«, sagte Hidsaa lachend. »Ich habe verstanden!«

Estelle schnürte sich die Laufschuhe, da fiel Prinz Hidsaa noch etwas ein.

»Wie macht sich deine Schwester? Gibt es Bedenken deinerseits?«

»Mina und die mir Nahestehenden beschnuppern sich manchmal zaghaft, manchmal gründlich! Das wird wohl noch ein paar Tage so gehen, bis wir uns gemeinsam an den großen Konferenztisch setzen.«

»Und du selbst hast keine Befürchtungen, weil du dir ...?«

»... den Feind ins eigene Nest gehockt hast?«, beendete die Prophetin die Frage des Prinzen. »Nein, Hidsaa, ich vertraue Minas Worten. Diese Togen sind der gemeinsame Gegner. Solange dieser Geheimbund aktiv ist, herrscht ein ungeschriebenes Waffenstillstandsgesetz zwischen Himmel und Hölle!«

»Und wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass du gemeinsame Sache mit der Hölle machst? Was dann?«

Estelle zeigte mit ihrem prophetischen Zeigefinger auf das ausgeschaltete TV-Gerät in der Zimmerecke.