2,99 €
Flurseelen, L.A. »Flurseelen, L.A.« – eine faszinierende Odyssee durch die schillernde und zugleich erbarmungslose »Stadt der Engel« – Los Angeles. Sabine und Thomas Benda verweben meisterhaft fiktive Lebensgeschichten mit realen historischen Ereignissen, die sich über Jahrzehnte ereignen. Erleben Sie das pulsierende Herz L.A's in all seinen Facetten: von den gleißenden Lichtern Hollywoods bis zu den Schatten der Verzweiflung, von zarten Anfängen bis zu bitteren Enden. Eine Reise, die so schön wie hart, so hoffnungslos wie hoffnungsvoll ist. Lassen Sie sich mitreißen von Schicksalen, die Sie an die Hand nehmen und durch die Höhen und Tiefen einer Metropole führen, die Glanz und Finsternis in sich vereint. »Flurseelen, L.A.« ist mehr als nur ein Buch – es ist eine Liebeserklärung an eine Stadt, die sich immer neu erfindet und deren Bewohner allen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder Lebensmut finden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2025
Sabine und Thomas Benda
Flurseelen, L.A.
Erzählungen von den ungesehenen Gesichtern Hollywoods – von Menschen, die ihr Schicksal meistern oder daran zerbrechen.
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Flurseelen, L.A.
1. Flurseelen, L.A. in den 50ern
2. Klick
3. Ausdauer und Geduld
4. Schwengel unter sich
5. Nebenszene: Doris und Burger
6. Whiskey, Wodka und Bier
7. Flurseelen, L.A. in den 60ern
8. Film-Fans
9. 22. November 1963
10. Scheiße zu Gold
11. Von der Wahrheit
12. Sharon
13. Gut haben
14. 1969: Fucking the Astronauts
15. Flurseelen, L.A. in den 70ern
16. Genie
17. Farbgespritze und Blutgespritze
18. Schmutz-Ergüsse eines saufenden Autors
19. Mary, eine Modedesignerin
20. Wenn man die Tür öffnet
21. Von Honig und Scheiße
22. Flurseelen, L.A. in den 80ern
23. Der Rezeptionist
24. Ein schöner Tag für eine Beerdigung
25. Mike, der Kammerjäger
26. Europa konnte strahlen
27. Die letzten Tage der 80er
28. Flurseelen, L.A. in den 90ern
29. Airbag
30. Schwarzweiß
31. Keine Macht den Drogen
32. Asphalt-Philosophie im Schatten der Palmen
33. Flurseelen, L.A. in den 2000ern
34. Schatten des Ficks
35. Fubar nett
36. Flurseelen, L.A. in den 2010ern
37. Zwei alte Grantler am Pool
38. Flurseelen, L.A. in den Jahren 2020 bis 2024
39. Sommer 2025: Ein Blick in eine hoffnungsvolle Zukunft
Über die Autoren:
Impressum neobooks
Kurzgeschichten/Drama
Sabine & Thomas Benda
IMPRESSUM
© 2025 Sabine Benda, Thomas Benda
Korrektorat und Lektorat: Sabine Benda
Coverdesign: Sabine Benda
Sabine und Thomas Benda
Josef-Schemmerl-Gasse 16
A-2353 Guntramsdorf
E-Mail: [email protected]
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Hinweis der Autoren: Unsere Bücher sind nur für Erwachsene geeignet!
04.07.2025
Tauchen wir ein in das Herz von Los Angeles in den 1950er-Jahren – einer Stadt, die so widersprüchlich, so magnetisch und so brutal ehrlich war. Es war eine Ära, in der der American Dream in einem Glanz erstrahlte, doch unter seiner polierten Oberfläche brodelte eine dunkle Realität, die das wahre Gesicht einer Nation offenbarte, die sich in ihrem eigenen Mythos zu verlieren drohte. Los Angeles war in dieser Zeit nicht einfach nur eine Stadt. Es war ein pulsierender Mikrokosmos der amerikanischen Seele, ein Brennspiegel der Hoffnungen und Albträume einer ganzen Generation.
In den 50ern war Hollywood das unbestrittene Epizentrum des globalen Glamours. Ein Meer aus Neonlichtern flimmerte über dem Sunset Boulevard, wo die Stars der Leinwandgeschichte – von Marilyn Monroe bis James Dean – zu Ikonen erhoben wurden. Die Filmstudios, diese gewaltigen Traumfabriken, spuckten Blockbuster aus, die die Welt in ihren Bann zogen. Hier wurden Mythen gesponnen, die das Bild des perfekten Lebens prägten: strahlende Gesichter, makellose Gärten, ewiges Glück. Die Welt blickte sehnsüchtig auf Los Angeles, dieses Mekka der Schönen und Reichen, wo das Leben ein einziger schillernder Cocktail war, der im Glanz der Scheinwerfer gekonnt gerührt wurde.
Die Boulevardpresse fütterte die Öffentlichkeit mit Geschichten von extravaganten Partys, skandalösen Affären und der Jagd nach dem nächsten großen Ding. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben, jeder träumte davon, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden. Doch hinter den Kulissen, fernab der Kameras und Klatschkolumnen, verbarg sich eine andere Wahrheit. Eine Wahrheit, die von Enttäuschung, Ausbeutung und gebrochenen Versprechen sprach. Die Traumfabrik war auch eine Illusionsfabrik, die genauso viele Seelen verschlang, wie sie hervorbrachte. Viele, die mit großen Hoffnungen nach Hollywood kamen, fanden sich in der harten Wirklichkeit der Ablehnung und des Vergessens wieder. Der Druck, immer perfekt zu sein, immer zu liefern, war immens und trieb viele an den Rand des Abgrunds.
Abseits der grellen Scheinwerfer, dort, wo das Dunkel die Wahrheit verbarg und die Schatten länger wurden, thronte ein heruntergekommenes Hotel. Es war mehr als nur ein Gebäude, es war ein vergessener Altar des Überlebenskampfes, ein stummer Zeuge all dessen, was im Glanz von L.A. verloren ging. Dieses Hotel hatte einen Namen, der so bedeutungslos war, dass er in den Annalen der Stadt nicht mehr auftauchte – vielleicht war er nie wichtig genug, um überhaupt festgehalten zu werden. Es war eine Zuflucht für die Verlorenen und die Vergessenen, für diejenigen, die von den süßen Versprechungen des American Dream betrogen und ausgespuckt wurden.
Wir (die Autoren) nennen diese Menschen, diese gespenstischen Gäste des hoffnungslosen Hoffnungsortes, einfach nur Flurseelen. Sie waren die Namenlosen, wie so viele andere in den Elendsvierteln anderer Städte, in den verborgenen Winkeln anderer Länder. Ihre Gesichter waren gezeichnet von Entbehrung und Enttäuschung, ihre Körper trugen die Narben eines Lebens am Rande. In diesem Hotel mit seiner rissigen und bröckelnden Fassade schliefen die Hoffnungen und Träume derer, die sich am Rande der Gesellschaft wiederfanden. Jeder einzelne Ziegel schien eine Geschichte des Scheiterns und der Resignation zu erzählen. Die Luft war erfüllt vom Geruch abgestandener Zigaretten, alter Teppiche und der stillen Verzweiflung, die sich wie ein Schleier über alles legte.
Während draußen die Welt in einem Strudel aus politischen Intrigen, sozialen Unruhen und der drohenden Gefahr des Kalten Krieges versank, war das Hotel eine mikroskopische Blase der Stagnation. Die Flurseelen lebten in ihren kleinen Zimmern, gefangen in ihren eigenen Welten, mit Blick auf eine Welt, die sie vergessen hatte. Sie waren die Kehrseite des Glamours, die unbequeme Wahrheit, die man lieber ignorierte. Manche waren gescheiterte Schauspieler, andere waren ehemalige Soldaten, die nach dem Krieg keinen Platz mehr in der Gesellschaft fanden. Wieder andere waren einfach nur vom Pech verfolgt, unfähig, im schnellen Tempo der Stadt mitzuhalten.
Die Amerikaner dieser Zeit strebten nach einem vermeintlich perfekten Leben – einem Leben im Schatten des aufblühenden Kapitalismus, in dem die Rasenmäher vor den weißen Jägerzäunen der Vorstädte schnurrten und das Klirren der Gläser auf den sorgfältig inszenierten Cocktailpartys das leise Knistern der sozialen Unzufriedenheit überdeckte. Die Ideale der Vorstadtfamilie wurden in Werbespots und Fernsehserien glorifiziert: der fleißige Ehemann, die perfekte Hausfrau, die gehorsamen Kinder. Ein glänzendes Auto in der Einfahrt, ein makelloser Rasen und ein Lächeln, das nie verrutschte – das war das Bild, das man nach außen trug.
Doch in den Gassen von Los Angeles, in den tristen Vorstädten und den verlassensten Ecken fand sich die schmerzliche Realität einer Gesellschaft, die zwischen ihrem Glanz und ihrer Dunkelheit hin- und hergerissen war. Die sauberen Fassaden der Innenstadt konnten die Armut und die sozialen Klüfte, die sich in den Randbezirken ausbreiteten, nicht verbergen. Der Rassenkonflikt schwelte unter der Oberfläche, die Diskriminierung war allgegenwärtig, auch wenn sie oft hinter einem Vorhang des Optimismus verborgen wurde. Viele Minderheiten, die nach L.A. kamen, um ihren Traum zu verwirklichen, fanden sich in Ghettos und Vierteln wieder, in denen der Kampf ums Überleben eine tägliche Realität war.
Die Spaltung zwischen Arm und Reich wurde immer deutlicher. Während die Reichen in luxuriösen Villen residierten und das Leben in vollen Zügen genossen, lebten andere in überfüllten Wohnungen und kämpften mit ihren Jobs und der Angst vor dem morgigen Tag. Der Aufstieg des Konsumverhaltens vergrößerte diese Kluft noch weiter. Man wurde dazu angehalten, immer mehr zu kaufen, immer mehr zu besitzen, um dem Ideal des perfekten Lebens zu entsprechen. Doch für viele war dieses Ideal unerreichbar, ein ferner Horizont, der sich mit jedem Schritt weiter entfernte.
Die Straßen von Los Angeles waren ein wahrer Schmelztiegel der Kulturen und der Konflikte, ein Ort, an dem die Träume aufeinanderprallten und die Realitäten sich auf oft brutale Weise vermischten. Von den sonnigen Stränden von Santa Monica bis zu den rauen Straßen von Downtown – hier, in den düsteren Gassen und den grellen Lichtern, spielten sich täglich Dramen ab, die das wahre Gesicht einer Nation offenbarten, die sich in ihrem eigenen Glanz verloren hatte.
Kriminelle Unterweltbosse stritten um die Vorherrschaft, während die Polizei oft korrupt und überfordert war. Drogenhandel und Prostitution waren allgegenwärtig, ein Zeichen der Verzweiflung und des Überlebenskampfes. Die Jazz-Clubs vibrierten mit rebellischer Energie, doch auch hier spiegelten sich die gesellschaftlichen Spannungen wider. Die afroamerikanische Gemeinschaft kämpfte gegen Diskriminierung und für Bürgerrechte, oft unterdrückt und ignoriert von der weißen Mehrheitsgesellschaft. Die Einwanderer, die nach L.A. strömten, um ein besseres Leben zu finden, standen vor der Herausforderung, sich in einer neuen Kultur zurechtzufinden und gleichzeitig ihre eigenen Traditionen zu bewahren.
Und inmitten all dessen stand das heruntergekommene Hotel, stummes Zeugnis von all dem, ein Ort der Hoffnung und der Verzweiflung, der Liebe und des Verrats. Seine bröckelnden Mauern hatten unzählige Geschichten gehört, unzählige Tränen gesehen. Es war ein Refugium und gleichzeitig ein Gefängnis für jene, die sich in den Schatten der strahlenden Metropole verbargen.
Die 1950er-Jahre in Los Angeles waren eine Zeit der Dualität, des Glanzes und der Schatten, der grenzenlosen Möglichkeiten und der tiefen Enttäuschungen. Es war eine Epoche, in der der Begriff des American Dream auf die Probe gestellt wurde und die Stadt zu einem lebendigen, atmenden Denkmal für die Komplexität der menschlichen Existenz wurde. Los Angeles war in den 50ern nicht nur eine Stadt, es war ein Spiegelbild der kollektiven Seele, ein ewiges Drama, das sich unaufhörlich fortsetzte.
Der hagere Mann kroch beinahe durch die neonbeleuchteten Straßen von Los Angeles, ein scharfer Kontrast zu den Schatten, die ihm wie ein ständiger Begleiter folgten.
Die 50er-Jahre in Los Angeles präsentierten sich in all ihrer allesverzehrenden Pracht: glitzernde Fassaden, ausgelassene Menschenmengen, ein Rausch aus Glamour und Verheißung. Doch hinter der Fassade brodelte es. Die Politik war ein Spiel der Mächtigen, Korruption und Vetternwirtschaft regierten das Land. Der Glanz und Glamour der Filmindustrie spiegelten die Sehnsüchte der Menschen wider, übertönten aber gleichzeitig die bittere Realität des sozialen Elends.
Inmitten dieses Treibens versuchte der hagere Mann, seinen Platz zu finden. Er war ein Beobachter, ein Suchender, ein Mann auf der Durchreise. Seine Gedanken kreisten um die Widersprüche der Gesellschaft, um die Ungerechtigkeit und die Oberflächlichkeit, die ihn umgaben. In ihm wuchs ein Gefühl der Entfremdung, der Isolation. Schließlich lenkte er seine Schritte zu einem heruntergekommenen Hotel. Hier hatte er mit seinem wenigen Hab und Gut vor ein paar Wochen eingecheckt. Die bröckelnde Hausfassade, die quietschende Tür, der muffige Geruch im Inneren – alles spiegelte den Verfall wider, der auch in ihm selbst wuchs.
Er betrat sein Zimmer, ein karges Loch voller Schatten und Staub. Ein schäbiges Bett, ein kaputter Tisch, ein vergilbter Vorhang – mehr war es nicht.
In der Stille des Zimmers setzte er sich auf das Bett und starrte auf die kahle Wand. In seiner Hand hielt er den Revolver, ein Erbstück seines Vaters, der ihn sein Leben lang verhöhnt und gedemütigt hatte. Ein kaltes Lächeln huschte über seine Lippen. War es der Tod, den er suchte? Er schob den Revolver in seinen Mund, ein letztes Zeichen der Rebellion gegen ein Leben voller Enttäuschung.
Fuck you, Uncle Sam, dachte er bitter, als er abdrückte.
Klick. Ladehemmung. Ein weiteres Klicken, ein Versagen der Patronen, die er billig gekauft hatte.
Ein drittes Klicken.
Der Mann starrte auf die Waffe in seiner Hand. War es ein Wink des Schicksals? Ein Zeichen für einen Neuanfang?
Stundenlang dachte der hagere Mann nach, ließ sein Leben Revue passieren. Spätnachts nickte er seinem zersplitterten Spiegelbild zu.
Ja, trotz alledem, beschloss er.
In dieser Stadt, in der die Engel verloren gehen können, sah er plötzlich die Chance auf einen Neuanfang. Und etwas Besseres als den Tod fand man schließlich überall. Er blickte durch das geöffnete Fenster. Draußen verhießen die Lichter der Stadt Hoffnung, funkelnd wie Seelenlichter. Wieder nickte der hagere Mann.
Er war nicht alleine in seiner Verzweiflung, in seiner Suche nach Sinn.
In den Schatten der Stadt, in den verlassenen Gassen und heruntergekommenen Hotels, gab es unzählige Geschichten, die darauf warteten, erzählt zu werden.
Der hagere Mann beschloss, seine Geschichte aufzuschreiben, die Geschichte eines Mannes, der in der glitzernden Welt der 50er-Jahre seinen Platz finden musste. Mit neuer Entschlossenheit steckte er den Revolver zurück in seine Tasche und verließ das Hotel.
Die Stadt pulsierte um ihn herum, voller Leben und Widersprüche. Er war bereit, sich ihr zu stellen, mit all seinen Facetten, mit all seinen Herausforderungen. Los Angeles, die Stadt der Engel, war ein Ort der Träume, aber auch ein Ort der harten Realität.
Der hagere Mann war bereit, beides zu erfahren.
Eines würde er dabei niemals vergessen, dieses Geräusch: Klick.
In ihrem schäbigen Hotelzimmer saß Clara auf der Bettkante und starrte auf die neonbeleuchtete Skyline von Los Angeles. Die grellen Farben spiegelten sich in ihren feuchten Augen, ein trauriger Kontrast zu der Tristesse des Zimmers. Ein kalter Luftzug pfiff durch die undichten Fenster, und der Geruch von abgestandenem Rauch hing schwer in der Luft.
Clara war nach Los Angeles gekommen, um Schauspielerin zu werden. Mit einem Koffer voller Träume und naiver Hoffnung war sie vor zehn Jahren in die glitzernde Metropole eingetaucht. Doch die Realität holte sie schnell ein. Schauspielerinnen gab es hier wie Sand am Meer, und viele träumten rosarote Seifenblasen, die meist schon auf der berüchtigten Besetzungscouch einiger geiler Produzenten zerplatzten.
Ernüchterung und Zweifel nisteten sich in Claras Seele ein. Der Kampf ums Überleben war hart, und die Miete musste jeden Monat bezahlt werden. So prostituierte sie sich, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ein schmutziger Weg, der ihr Herz verbitterte, aber gleichzeitig ihre Willenskraft stählte.
»Niemand wird mich brechen!«, murmelte sie leise, während sie ihre zitternden Hände zu Fäusten ballte. Die Werte, die ihr in die Wiege gelegt worden waren, Ausdauer und Geduld, kämpften in ihr gegen die Verzweiflung und den schmutzigen Sumpf, in dem sie versank.
Clara beschloss, weiterzumachen. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. So schminkte sie sich trotz der Tränen in den Augen, schlüpfte in ihr rotes Kleid und trat hinaus in die Nacht. Die Straßen von Los Angeles waren ihr Laufsteg, ihr Körper die Ware, mit der sie handelte.
Zehn Jahre später war Clara immer noch eine Nutte, wie man es ihr oft genug spottend ins aufgedunsene Gesicht rotzte. Die einst rosigen Träume von der Schauspielkarriere waren verblasst, aber der Kampfgeist in ihr war ungebrochen.
In den endlosen Nächten in dem kalten Hotelzimmer träumte sie von einem anderen Leben. Ein Leben voller Freiheit und Selbstbestimmung, fernab von der glitzernden Hölle Los Angeles und den nach Urin stinkenden Seitenstraßen.
Aber die Stadt hatte ihre Krallen tief in Claras Seele geschlagen. Der Moloch der Verlockung und des Scheins hielt sie fest, wie ein Sog, dem sie nicht entkommen konnte. So trieb sie weiter auf der Suche nach dem nächsten Freier, der nächsten Illusion, die ihr Leben erträglich machen sollte.
Clara war eine von vielen. Ein für andere namenloses Gesicht in der Masse der gescheiterten Träume, der zerbrochenen Flurseelen. Los Angeles, die Stadt der Engel, war für sie zum Monster geworden, das ihre Seele verschlang.
Und doch, in den Tiefen ihrer Verzweiflung, glimmte noch ein Funke Hoffnung. Die Hoffnung auf ein anderes Leben, auf ein Leben, in dem sie nicht nur Fleisch und Ware war, sondern ein Mensch mit Würde und Wert.
Vielleicht würde dieser Funke eines Tages wieder zu einem Feuer entfachen, das sie aus dem Sumpf der Hurerei befreien und ihr Leben in eine neue Richtung lenken würde. Bis dahin aber würde Clara weiterkämpfen, weitermachen, überleben. Denn sie war eine Überlebenskünstlerin, eine Frau, die sich niemals unterkriegen lassen würde.
I will fuck you, L.A., dachte sie oft zynisch, aber voller Vorfreude auf ein besseres Dasein.
Heute ist Clara die Besitzerin eines gutgehenden Diner-Restaurants in Los Angeles. Zu ihren Gästen gehören natürlich auch viele Frauen und Männer, die von einer steilen Schauspielkarriere träumen.
In der schwülen Atmosphäre der Gogo-Bar in Los Angeles waberten der Duft von Schweiß, Rauch und Alkohol. Bühnenscheinwerfer tauchten den Raum in ein rotes Licht, das die schwitzenden Körper der Tänzerinnen an den Stangen in Szene setzte. Ihre Bewegungen waren verführerisch, ihre Blicke sehnsüchtig, träumten sie doch von einer Karriere als Filmstar oder Model.
An den Tischen saßen Männer, rauchten Zigarren und prosteten sich mit Whiskey zu. Gierige Blicke klebten an den Tänzerinnen, Geldscheine wurden zwischen nackten Beinen und glitzernden Kostümen versenkt.
Zwei Männer am Tresen diskutierten angeregt über den Skandal um das Fotomodel Christine Keeler.
»Die Keeler«, sagte der eine, ein widerlicher Mann mit fettigem Haar und einem glasigen Blick, »die hatte doch sicher gleichzeitig mit beiden Politikern was am Laufen. Bei den Titten würde mich das auch wundern. Nippel machen jeden Schwengel scharf!«
Der andere Mann, mit einer Zahnlücke, die beim Sprechen ein leises Pfeifen ertönen ließ, unterbrach ihn. »Ach, die Schauspielerinnen und Fotomodels sind doch alle gleich. Wenn es ihrer Karriere nützt, halten sie gerne den Hintern hin.«
Der Barkeeper, ein bulliger Mann mit einem grimmigen Blick, mischte sich ein. »Politiker sind auch nur Böcke«, sagte er mit rauer Stimme. »Gut bezahlte Böcke. Wenn da ein Schlitz vorbeikommt, dann reagiert der Schwengel halt.« Er nickte in Richtung Bühne. »Die Keeler, die bewundere ich. Die hat Entschlossenheit, die nimmt die Dinge selbst in die Hand.« Beim letzten Satz machte er mit der Hand eine wichsende Bewegung.
Die Musik dröhnte weiter, die Tänzerinnen wirbelten um die Stangen und führten dabei obszöne Bewegungen auf, rieben sich am glänzenden Metall, als wären es lange und kalte Penisse.
Zigarrenqualm und der Geruch von billigem Whiskey erfüllten die erhitzte Luft der Gogo-Bar.
An der Theke beugte sich inzwischen der Barkeeper verschwörerisch zu den beiden Männern hin, die mit hochprozentigem Gebräu ihre Kehlen benetzten. »Wisst ihr, Jungs, was heute hier um die Ecke passiert ist?«, raunte er ihnen zu, während er mit flinken Fingern die Gläser erneut füllte. »Eine Filmcrew hat in einer ausrangierten Garage versucht, ihr ganz großes Ding zu machen. War ein Schiss in die Hosen! Angeblich haben sie Szenen gedreht, die so heftig waren, dass man sie kaum glauben kann. Illegales Zeug, voller Gewalt und Perversion. Nackte Haut, Pisse und Scheiße – wenn ihr versteht, was ich meine.«
Der Mann mit der Zahnlücke, dessen Gesicht tiefe Furchen von einem Leben voller Sorgen und zweifelhafter Genüsse trug, rülpste vernehmlich und prostete dem Barkeeper zu. »Die Welt versinkt eben im Dreck, mein Freund«, verkündete er mit prophetischem Ton. »Fleisch und Fick, das ist alles, was noch zählt. Von der Gosse bis in die High Society!«
»Ja, ja, und Uncle Sam hat manchmal fette Läuse am Sack!«, grinste der Barkeeper und nickte zustimmend. Ein schmutziges Lachen entfuhr ihm, das in dem Stimmengewirr der Bar unterging.
Die Musik dröhnte aus den Boxen, peitschte die Stimmung in die Höhe. Auf der Bühne begannen die Tänzerinnen ihre Nacktshow, entkleideten sich Stück für Stück unter den johlenden Rufen der Männer. Die Hüften kreisten im Takt der Musik, verführerische Blicke flogen durch die Luft.
Inmitten des schummrigen Raumes, umgeben von schwitzenden Körpern und dem Rausch der Musik, vergaßen die Männer für kurze Zeit die Sorgen des Alltags. Die Realität versank im Nebel des Alkohols und der Begierde. Nur der Moment zählte, die rohe Lust und die Illusion von fickender Freiheit und grober Geilheit.
Der Mann mit der Zahnlücke schlurfte durch den engen Gang, gefangen in einem Labyrinth aus bunten Lichtern und dem penetranten Gestank von altem Schweiß. Er betrat die stinkende Toilette der Gogo-Bar. Das sanfte Summen der Musik im Hintergrund wurde von einem dumpfen Klopfen der Bässe durchdrungen. Einzelne Glühbirnen flackerten über den schmuddeligen Spiegeln und enthüllten die verzerrten Abbilder der verlorenen Seelen, die hierher strömten, um vor ihren Dämonen zu fliehen.
Der Mann ließ den tiefgelben Urin in die verstopfte Schüssel plätschern, während seine Gedanken durch die trüben Gewässer seines Lebens trieben. Einmal war er ein Schriftsteller mit Zielen gewesen, voller Träume und motivierender Ambitionen, aber nun war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Seine Geschichten waren verblasst, verloren in den dunklen Winkeln seines Geistes, begraben unter den Schichten des Scheiterns und der Enttäuschung.
Er schüttelte seinen Schwanz ab, stopfte ihn in die Hose zurück.
Das Knarren der Tür riss ihn aus seinen düsteren Gedanken, als ein Paar halbnackter Gestalten hereintrat, lachend und taumelnd vor Betrunkenheit. Sie warfen ihm flüchtige Blicke zu, doch er ist für sie unsichtbar, nur ein weiteres Gespenst in dieser düsteren Welt.
Der Mann mit der Zahnlücke spülte die Toilette, die nun überschwappte und auf den versifften Fliesenboden floss. Er scherte sich einen Dreck darum, wie man sich einen Dreck um ihn scherte. Vor dem Rausgehen betrachtete er sein Spiegelbild mit leerem Blick. Sein Gesicht war gezeichnet von den Jahren des hoffnungslosen Kampfes, die traurigen Augen trüb vor verpassten Chancen und verlorenen Träumen. Er seufzte schwer, ein Klang, der in der stickigen Luft der Toilette verloren ging, ein weiteres Echo seiner gebrochenen Existenz.
Langsam verließ er die Toilette und die Dunkelheit seiner Erinnerungen umhüllte ihn wie ein unsichtbarer Mantel. Er wusste, dass er nie wieder der Mann sein würde, der er einmal war, dass seine Worte nie wieder die Welt erleuchten würden.
Doch in diesem Moment, inmitten der Trostlosigkeit und des Verfalls, fand er eine seltsame Art von Frieden. Denn selbst in der Dunkelheit gab es eine gewisse Schönheit, eine unergründliche Tiefe, die nur diejenigen verstehen konnten, die verloren hatten und dennoch weitermachten.
Und so setzte der Mann mit der Zahnlücke seinen Weg fort, ein Schritt nach dem anderen, hinein in die Nacht, auf der Suche nach einem Hauch von Licht in der Finsternis seiner Existenz.
Er lief die Straßen von Los Angeles entlang, hielt sich nicht mit deren Blendwerk auf, sondern verfolgte sein Ziel, folgte seinem inneren Drang wie lange nicht mehr.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch hatte er das alte Hotel erreicht, in dem er seit letztem Jahr billig leben konnte und wo ihn niemand störte und kannte.
In seinem kargen Zimmer setzte er sich an seine Schreibmaschine, legte Papier ein und begann zu tippen wie in alten Zeiten, als er noch sauber und verheiratet gewesen war.
Stunden tippte er im Wahn, im Kampf gegen die Verdammnis, gegen das Verlorensein, gegen den Unrat in sich und in seinem Geiste.
Als die Sonne durch das verdreckte Fenster schimmerte, hörte er auf und las das begonnene Manuskript.
Science-Fiction war gerade hoch im Kurs, und der Beginn seiner Geschichte um einen übermächtigen Supercomputer namens LAH, der die Besatzung eines Raumschiffes in Gefahr brachte, klang nicht schlecht. Daraus ließe sich etwas machen.
Dummerweise begann der Mann mittags, mit seiner Whiskeyflasche zu liebäugeln, und gegen Nachmittag wichste er einige Male, weil er seine Traurigkeit herausspritzen wollte.
Gegen Abend zerriss er das begonnene Manuskript mit der Science-Fiction-Geschichte und warf es in den Mülleimer, wie viele Manuskripte zuvor.
Er schlief einige Stunden, aß einen fettigen Burger im Diner nebenan, ehe er sich wieder auf den Weg zur Gogo-Bar machte.
Eines Tages würde er wieder aufsteigen wie ein Komet. Darin war sich der Mann mit der Zahnlücke sicher.
Eine Woche später fand man ihn tot mit seinem Schwengel in der Hand auf seinem Hotelzimmerbett.
Der Mann mit der Zahnlücke wurde nur 43 Jahre alt … dann war er vergessen.
Und Los Angeles machte weiter … wie immer.
Die 1950er-Jahre in Los Angeles waren eine Zeit des Umbruchs und der Widersprüche. Einerseits war es eine Zeit des Wirtschaftswachstums und des Optimismus, geprägt vom Nachkriegsboom. Die Bevölkerung wuchs rasant, und die Stadt expandierte in alle Richtungen. Vorstädte wie Levittown boten jungen Familien den Traum vom Eigenheim und einem perfekten Leben.
Andererseits war die Gesellschaft der 1950er-Jahre auch stark konservativ geprägt. Rassismus und Sexismus waren weit verbreitet. Die Gemeinschaft der Homosexuellen musste ihre Identität im Geheimen leben. Die McCarthy-Ära führte zu einer Atmosphäre der Angst und des Misstrauens, da überall Kommunisten vermutet wurden.
Los Angeles war in den 1950er-Jahren eine stark autogerechte Stadt. Das Straßennetz wurde ausgebaut, und der Besitz eines Autos war fast schon ein Muss. Die Stadt zeigte sich mit Einfamilienhäusern und weitläufigen Parkplätzen. Die Innenstadt verlor an Bedeutung, während die Vorstädte wuchsen.
Hollywood war das Herzstück von Los Angeles und die Traumfabrik der Welt. Die Filmindustrie boomte, und Stars wie Marilyn Monroe und James Dean prägten das Bild der Stadt.
Doch es gab auch etwas Neues, das fettig und verlockend war …
Louise und Sarah, zwei junge Teenager-Mädchen in ihren hinreißenden Petticoats, verließen das Kino im pulsierenden Herzen von Los Angeles. Ihre Augen strahlten vor Begeisterung, denn sie hatten gerade eine neue Doris-Day-Komödie gesehen und waren voller Bewunderung für die zeitlose Schönheit und den Charme der Schauspielerin.
»Wie fabelhaft war Doris Day in diesem Film!«, schwärmte Louise, ihre Stimme erfüllt von Ehrfurcht. »Sie verkörperte wirklich das Bild der perfekten Frau: schön, talentiert und immer gut gelaunt.«
Sarah nickte zustimmend, während sie die lebhaften Straßen von Los Angeles entlangschritten.
Plötzlich stießen sie auf ein neues Drive-in-Restaurant, dessen leuchtendes Schild sie wie ein Magnet anzog.
»Ein Drive-in!«, rief Louise aufgeregt aus. »Das ist ja das neueste Ding!«
Sarah betrachtete das Restaurant skeptisch. »Ja, es scheint, als würden diese Fast-Food-Restaurants wie Pilze aus dem Boden sprießen. Aber ich frage mich, wie sich die amerikanische Küche dadurch verändert hat. Ist Fast Food wirklich die Zukunft des Essens? Ich denke, das hält sich nicht lange, oder?«
»Louise, ich schwöre, diese neumodischen Drive-ins sind der Untergang der amerikanischen Esskultur!«, rief Sarah mit empörter Stimme, während sie ihre Nase rümpfte und auf das grell beleuchtete Schild des »Burger One« starrte.