Morde und Leben - Hans und Werner - Hans Müller-Jüngst - E-Book

Morde und Leben - Hans und Werner E-Book

Hans Müller-Jüngst

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Beschreibung

Nachdem Conchita Gutierrez, eine mexikanische Studentin, während eines Ferienjobs in Amsterdam ermordet worden ist, machen sich die beiden Essener Kommissare Hans und Werner auf die Tätersuche. Sie sind beide Essener Urgewächse und bestens mit den Essener Verältnissen vertraut. Sie nehmen Kontakt zu Wim, ihrem Amsterdamer Kollegen auf und fühlen sich bei einer Dienstreise nach Amsterdam an alte Zeiten zurückerinnert, als sie Jeansjacken trugen, Van Nelle´s rauchten und ab und zu auch mal einen Joint zu sich nahmen wie auch Wim, der in etwa in ihrem Alter ist. Die Ermordete ist schrecklich zugerichtet und vergewaltigt worden und obwohl die beiden Essener Kommissare einiges gewohnt sind, berührt sie der Anblick der Leiche doch sehr. Sie nehmen zunächst die nähere Umgebung von Conchita in Essen unter die Lupe, befragen ihre Mitbewohnerinnen in der Wohngemeinschaft am Viehofert Platz und kommen dort nicht weiter. Nachdem Conchitas Eltern nach Essen gekommen sind und die beiden Kommissare aufgefordert haben, ihre Untersuchungen in Mexiko fortzuführen, reisen die beiden mit ihren Frauen nach Mexiko und verleben dort zwei Wochen bei den reichen Eltern von Conchita in Oaxaca. Sie kommen in Kontakt zu Conchitas Bekanntenkreis und zu deren zapotekischen Kulthandlungen und begründen am Ende einen Verdacht gegen einen von ihnen, den sie nach Südafdrika verfolgen. Dort beginnt eine Vefolgungsjagd, in deren Verlauf weitere Morde geschehen, sie verfolgen den Mörder von Kapstadt über die Garden Route, Johannesburg, durch die Kalahari bis in den Krüger Park, wo sie den Mörder schließlich stellen und wo er sein Leben verliert. Am Ende reisen sie nocheinmal nach Mexiko und überbringen den Eltern des Mörders die Urne mit seiner Asche.

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Hans Müller-Jüngst

Morde und Leben - Hans und Werner

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Mord an Conchita Gutierrez

Conchitas Eltern in Essen

Ermittlungen in Mexiko

Ausflug nach Puerto Escondido

Mexico City

Zurück in Oaxaca

Zurück nach Deutschland

Kapstadt

Johannesburg

Upington

Die Kalahari

Gaborone

Krüger Park

Noch einmal in Oaxaca

Impressum neobooks

Mord an Conchita Gutierrez

In Amsterdam gab es etwas, das ich nirgendwo sonst erlebt hatte, möglicherweise verschloss es sich mir auch wegen fehlender Sprachkenntnisse in Rom, Paris oder Barcelona. Es tat sich auf, sobald man nach zwei Stunden Fahrt den Wagen abgestellt hatte, die Altstadt betrat und tief durchatmete. Mit der eingeatmeten Luft inhalierte man die Gerüche von Multikulturalität und Freiheit, es war tatsächlich so, dass man glaubte, den Mief von Zuhause hinter sich gelassen zu haben und in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Es umgab einen das Aroma von Pommes Frites, Van Nelle´s Tabak und Marihuana aus den Coffee-Shops.

Was daran so besonders wäre, fragten viele und ich musste antworten, dass ich das nicht wüsste, es wäre aber diese Geruchsmischung, kombiniert mit dem Blick auf die schönen alten Häuser und die Menschen aus aller Herren Länder, die sich zu einem Gesamteindruck verfestigten, zu einer Wahrnehmungsbesonderheit, wie sie vielleicht nur jüngere Menschen an sich heranließen. Immer, wenn ich in späteren Zeiten nach Amsterdam gefahren war, suchte ich diesen Eindruck, der sich mir in meiner Jugendzeit vermittelt hatte, vergebens, was nicht heißen musste, dass es ihn nicht mehr gäbe, die spezifischen Wahrnehmungskanäle, durch die er damals in einen eindrang, waren nur verschüttet von einem Wust von Erfahrungen, die man gemacht hatte, und durch die wie durch einen Filter alles an äußeren Reizen gehen musste. Schaffte man es, diesen Filter für eine Zeit auszuschalten, musste man sich womöglich überwinden und fand die auf einen einströmenden Eindrücke ekelhaft, ein Zeichen dafür, dass man nicht in der Lage war, unvoreingenommen Dinge in sich aufzunehmen, die man in seiner Jugend wertfrei an sich herangelassen hatte. Am Dam-Denkmal zu sitzen, einen Joint zu rauchen und sich die Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen, das war das Größte. Man saß mit unzähligen anderen und redete kaum ein Wort, alle waren wie weggetreten, was nicht nur am Joint lag, sondern was die Atmosphäre bewirkte, die sich zu etwas Unvergleichlichem verdichtete und die man auch niemandem, der sie nicht selbst erlebt hatte, mitteilen konnte, weil Worte oder Fotos nie ausreichten, zu beschreiben, was sich dort auf dem Dam ereignete, das gesamte Umfeld erzeugte ein Gefühl großer Toleranz, auch wenn jemand noch so schrill aussah.

Das alles empfand man heute nicht mehr, jedenfalls blieb einem der Zauber dieser zurückliegenden Zeit verbarrikadiert, man dachte wehmütig daran zurück, wenn man in Amsterdam gewesen war, den Dam gab es immer noch und auch die alten Häuser, es gab das „Paradiso“ in der Weteringschans und zweihundert Meter entfernt am Leidseplein „t´Cafe“. Das war eine Kneipe, die das Herz von Amsterdam in sich aufgenommen zu haben schien, in der, genauso wie im Paradiso, die Rolling Stones verkehrt hatten und wo man an der Theke stand, ein Pils trank, einen Joint rauchte. Nostalgisch, dieser Rückblick, aber das sollte er auch sein, ein unwiederbringliches Stück Leben, wie ich es nirgendwo anders mitbekommen hatte. Ich war damals noch Schüler am Gymnasium und nach dem Abitur zur Polizei gegangen, der Grund war einfach der, dass man sofort Geld bekam, obwohl man in der Ausbildung war, ich habe diesen Schritt aber bis in die heutige Zeit nicht bereut.

Mittlerweile war ich Kriminalhauptkommissar am Polizeipräsidium in der Zweigertstraße in Essen, ich hatte die Stationen der Kommissarslaufbahn absolviert, war in Hiltrup auf der Polizeischule gewesen und war nach der Beförderung zum Kommissar auf verschiedenen Wachen eingesetzt, wo ich den regulären Dienst verrichtete und auf Streife fuhr, was sich meistens in Essener Vororten vollzog und ich bekam dort einiges mit, was zu meiner Lebensreife beitrug.

Das Abgeschmackteste waren Wirtshausschlägereien in den Stadtteilen, die bevorzugt von bildungsferneren Schichten bewohnt wurden, die lagen im Essener Norden und ich erinnerte mich an einen Einsatz, bei dem es sehr brenzlig zuging Mein Kollege und ich sind zu einer schäbigen Kneipe in Essen-Katernberg gerufen worden, es war schon später Abend und es schwante uns nichts Gutes. Wir haben noch überlegt, gleich Verstärkung mitzunehmen, waren aber doch allein losgefahren. Im Regelfall lösten sich solche Schlägereien sofort auf, wenn die Polizei die Szene betrat, oftmals waren ja Nichtigkeiten der Anlass, aus dem man sich schlug. Bei dem Einsatz in der „Schwämme“, so der abstoßende Name der Kneipe, war aber alles anders, wir betraten den Gastraum und niemand nahm Notiz von uns. Es prügelten sich auch nicht nur einige Gäste, sondern der gesamte Kneipenbesuch war in eine Schlägerei verwickelt, bei der es mächtig zur Sache ging. Mein Kollege und ich merken auf Anhieb, dass dort etwas anderes, Brutaleres im Gange war, als das sonst bei Kneipenschlägereien der Fall war, man ging mit Stühlen und abgeschlagenen Gläsern aufeinander los, es floss auch schon viel Blut. Gerade als ich mein Funkgerät zückte, um den Notarzt anzurufen, sah ich, wie jemand mit einem Stuhl auf mich losging und wäre ich seinem Schlag mit dem Stuhl nicht ausgewichen, wer wusste schon, was mit mir passiert wäre, so traf er mich an der Schulter und ich trug schlimme Schmerzen davon.

Eine spätere eingehende Untersuchung durch den Polizeiarzt ergab aber nur eine Prellung, die ich auskurieren müsste, wozu er mir die Schulter drei Tage lang ruhigstellte, indem er meinen Arm in einen engen Verband um den Oberkörper zwang. Mein Kollege legte dem Angreifer Handschellen an und ich hatte meine Waffe gezogen, als die Tür aufging und Verstärkung die Kneipe betrat, die der Wirt herbeigerufen hatte und die der Schlägerei im Nu ein Ende bereitete. Es waren drei Notärzte mitgekommen, die sich um die Verletzten kümmerten und sie in die Ambulanz brachten. Ich hatte es meinem Kollegen und meiner schnellen Reaktion zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert war, das war der übelste Einsatz, den ich in der Frühphase meines Polizeidienstes hinter mich gebracht hatte. Ich wurde nach der harten Bewährungszeit im Dienst vor Ort befördert, bis ich das wurde, was ich war, Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei. Ich fühlte mich sehr wohl in meinem Job, das Polizeipräsidium in der Zweigertstraße war ein großer heller Bau, der in seiner Architektur viel mit einem alten Gymnasium gemein hatte.

Ich kam in meiner Leitungsfunktion kaum noch vor die Tür und hatte mit der Delegation von Ermittlungsaufgaben zu tun, was auch Spaß machte, aber die Tuchfühlung mit der Basis vermissen ließ. Ich hatte mich gerne mit den Menschen im Essener Norden unterhalten, sie waren absolut authentisch und herzensgut, wenn man sie halbwegs kannte, konnte man von ihnen haben, was man wollte. Die Szene, die sich damals in der „Schwämme“ abgespielt hatte, passte überhaupt nicht in den Essener Norden, es hatte sich später auch herausgestellt, dass die Rädelsführer aus Bottrop gestammt hatten. Ich hatte es mir in letzter Zeit zur Angewohnheit gemacht, von meinem Wohnort in Essen-Bergerhausen aus nach Katernberg zu fahren und mich dort zu Leuten an die Trinkhalle zu stellen, um mich mit ihnen zu unterhalten, ich trank eine Flasche Bier mit ihnen und sprach über alles Mögliche, angefangen mit Politik, über Rot-Weiß-Essen bis hin zu Brieftauben, denn Taubenvater war jeder zweite. Solche Gespräche waren für mich Seelenbalsam, ich saugte aus ihnen viel menschliche Wärme und zehrte mehrere Tage davon. Meine Kollegen zeigten mir einen Vogel, wenn ich ihnen von meinen Gesprächen an der Bude erzählte, es ging nicht in ihre Köpfe, dass ich mich als reifer Mann auf so ein Niveau herablassen konnte. Leider versiegte dieser Gesprächskult mehr und mehr, die Leute blieben zu Hause vor dem Fernseher und tranken ihr Bier dort, anstatt sich zu ihren Kumpels an die Bude zu stellen. Im Freundeskreis zu Hause vermisste ich in den Gesprächen, die wir führten, immer die menschliche Nähe, jeder redete abgehoben und gab so wenig wie möglich von sich selbst preis, ich machte es genauso wie die anderen auch.

Am vorvorigen Tag ging ein Anruf aus Amsterdam im Präsidium ein, man bat die Essener Polizei um Amtshilfe bei der Aufklärung eines Mordes an einer Frau, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Essen stammte und mexikanischer Herkunft war. Ihr Name war Conchita Gutierrez, sie hatte im „t´Cafe“ am Leidseplein gearbeitet und dort Bier gezapft. Nachforschungen der Kollegen in Essen ergaben, dass sie Studentin der Soziologie im dritten Semester an der Essener Uni war. Sie hätte am Viehofer Platz in einer Wohngemeinschaft mit zwei Vietnamesinnen und einer weiteren Mexikanerin gelebt, bevor sie sich nach Amsterdam aufgemacht hätte, um dort zu arbeiten. Rückfragen an der Uni hätten ergeben, dass sie immer noch eingeschrieben und nicht exmatrikuliert worden war. Ich wurde beauftragt, mit meinem Kollegen Werner, der ebenfalls Hauptkommissar war, nach Amsterdam zu reisen, um den holländischen Kollegen Amtshilfe zu leisten, schließlich hatte das Mordopfer in Essen gelebt.

Werner und ich nahmen einen neutralen Dienstwagen und fuhren über Emmerich und Utrecht nach Amsterdam. Es kamen alte Erinnerungen auf, als wir am „Paradiso“ vorbei zum Leidseplein fuhren, aber es stellte sich nicht die Stimmung ein, die einen damals befallen hatte.

Werner und ich stellten den Wagen ab und wurden von einem Kollegen der holländischen Rijkspolitie empfangen, der uns freundschaftlich die Hände schüttelte und uns in seinem Revier willkommen hieß.„t´Cafe“ war für zwei Tage geschlossen, um der Spurensicherung die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit zu machen und zu verhindern, dass wichtige Spuren verwischt wurden. Unser holländischer Kollege ging mit uns in die Kneipe und mich überkam ein Gefühl, das nur schwer zu beschreiben war, eine Mischung aus Nostalgie und einer Art Neugier, dienstbedingter Neugier, die die Gedanken an früher zu überdecken im Stande war. Unser Kollege, sein Name war Wim, führte uns hinter die Theke, wo Conchita gelegen hatte, er zeigte uns Fotos, die von der KTU unmittelbar nach deren Eintreffen am Tatort gemacht worden waren. Solche Fotos hatten immer etwas sehr Bedrückendes, Trauriges, sie gaben die ungeschönte Wahrheit der Verbrechen wieder, die begangen worden waren und Werner und ich sahen auf den Bildern eine schwarzhaarige junge Frau, die in ihrem Blut lag. Das Blut stammte aus einer großen Wunde im Brustbereich, ihr Kopf war halb abgetrennt und wies entstellt zur Seite, sie war nur halb bekleidet und trug BH und Slip, ihr Slip war heruntergezogen, es sah so aus, als wäre sie vergewaltigt worden, an der Innenseite ihrer Oberschenkel gab es Spermaspuren, der Täter musste mit äußerster Brutalität vorgegangen sein, von ihm fehlte jede Spur, mit Ausnahme derer am Tatort.

Natürlich hatte die Polizei diese alle gesichert und aus dem Sperma die Täter-DNA bestimmen lassen, es käme danach darauf an, von vielen in Frage kommenden Männern Speichelproben zu nehmen und die daraus gewonnene DNA mit der des Täters zu vergleichen, ein Unterfangen, das an Aussichtslosigkeit grenzte, bei dem Publikumsverkehr, der im „t´Cafe“ herrschte. Wim sagte:

„Die Rijkspolitie hat deshalb um Amtshilfe gebeten, weil der Täterkreis bis nach Essen und darüber hinaus reichen kann und ihr Euch in der entsprechenden Szene umhören sollt.“ Werner und ich entgegneten:

„Wir verstehen schon und geben zu Hause unser Bestes, wenn sich der Täter in Essen aufhält, werden wir ihn wohl bald verhaften können, wenn er sich aber abgesetzt hat, sieht die Sache schlecht aus.“ Wim fuhr mit uns in die Forensische Medizin und zeigte uns die Leiche von Conchita, Werner und wir mussten uns beim Anblick der Toten sehr beherrschen, in so einem Moment schien alles Grauen der Welt sichtbar zu werden. Man hatte an Conchitas Körper den üblichen Y-Schnitt vorgenommen, um mögliche weitere Todesursachen ermitteln zu können, man fand heraus, was sie zuletzt gegessen hatte, Kroketten und Pommes Frites mit Majonäse, der Vergewaltigungsbefund wurde bestätigt und es wurden Spuren von Marihuana in ihrem Körper gefunden, was aber nichts Besonderes war, wenn man im „t´Cafe“ arbeitete. Bei aller Schrecknis, die der Anblick der Leiche vermittelte, konnte man aber sagen, dass Conchita einmal ein sehr gut aussehendes Mädchen gewesen sein musste.

Sicher stammte sie aus einem reichen mexikanischen Elternhaus, denn ein Studienaufenthalt in Deutschland kostete einen Mexikaner ein Vermögen, viele hätte sich das bestimmt nicht leisten können. Conchita war vierundzwanzig Jahre alt, wie aus ihren Unterlagen hervorging und nach Aussage mehrerer befragter Gäste war sie lustig und immer gut aufgelegt, sie hatte ein immer währendes Lächeln im Gesicht und zeigte dabei ihre makellos weißen Zähne, was sie sehr attraktiv machte. Ich saß mit Werner und Wim zusammen auf der Wache bei einer Tasse Kaffee, Wim rauchte Van Nelle´s, er drehte.

„Ich drehe seit ich mit dem Rauchen angefangen habe“, wie er sagte und wir kamen über alte Zeiten in Amsterdam ins Gespräch. Wim erklärte sich bereit, mit uns am nächsten Tag einen Rundgang durch die Stadt zu machen. Werner und ich verabschiedeten uns von Wim und gingen etwas essen, wir besprachen beim Essen den Fall und stellten fest, dass wir noch nicht sehr weit gekommen waren, was wir hatten war ein Mordopfer mexikanischer Nationalität, das eine Zeit lang als Studentin in Essen gelebt hatte und danach nach Amsterdam gegangen war, wir hatten das Sperma des Mörders und dessen DNA, es war davon auszugehen, dass es sich um einen äußerst brutalen Vergewaltiger handelte, nach der Schwere und der Art der Verletzungen zu urteilen, die er seinem Opfer beigebracht hatte.

Werner und ich waren bei einem Chinesen gelandet, die Chinesen gehörten in Holland mit zu dem Besten, was kulinarisch geboten wurde, das lag an Hollands kolonialer Vergangenheit, die Chinesen waren Indonesier und verstanden als Köche ihr Handwerk ausgezeichnet, es schmeckte dort einen Tick besser als bei einem Chinesen in Deutschland. Früher hatten wir für den Chinesen in Amsterdam kein Geld, es reichte gerade, um sich an einem der vielen Automaten zwei Kroketten zu ziehen, geschlafen wurde sehr beengt im VW-Käfer meines Freundes, entsprechend schnell war die Nacht vorüber und man streckte sich früh vor dem Wagen, nachdem man die ganze Nacht in verbogener Haltung mehr gedöst als geschlafen hatte. Werner und ich hatten ein Hotel der mittleren Preisklasse in der Nähe des Leidseplein, was früher ebenfalls undenkbar gewesen wäre, für ein Hotel hatte niemand von uns Geld, wir standen mit offenen Mündern am Dam-Denkmal, wenn wir sahen, wie die Reichen im „Krasnapolsky“ abstiegen, Chauffeure hielten ihnen die Wagentür auf und sie verschwanden in der Halle. Aber wir waren rundum glücklich, auch ohne Hotel, später war John Lennon mit seiner Yoko Ono im „Krasnapolsky“ abgestiegen.

Werner und ich tranken noch ein paar Bier und zwei, drei Jonges, das war Genever-Schnaps. Werner meckerte am Bier herum, er war Stauder-Trinker und konnte dem Heineken nichts abgewinnen, ich sagte ihm:

„Du fährst am besten, wenn du immer das Bier trinkst, das es gerade gibt, Dein Stauder kannst Du ohnehin nur in Essen bekommen!“ Werner ließ das Gemeckere, nachdem er zwei Heineken getrunken hatte und bestellte gleich noch zwei, den Jonge mochte er aber, wenngleich er mit dem Korn, den er schon mal in Essen trank, nicht zu vergleichen war. Wir gingen nicht zu spät ins Bett und schliefen sehr gut in unserem Doppelbett, hätte ich aber vorher gewusst, dass Werner so schnarchte, hätte ich zwei Einzelzimmer genommen, ich schlief aber ein und hörte ihn dann nicht mehr. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen brachten wir unser Gepäck zum Wagen und fuhren mit der Straßenbahn zum Bahnhof, wo wir mit Wim verabredet waren. Der kam in Zivil und begrüßte uns beide, er fragte uns:

„Wie habt ihr geschlafen, ist euer Hotel zu eurer Zufriedenheit gewesen?“ und Werner und ich sagten, dass wir geschlafen hätten wie in Abrahams Schoß. Wir liefen langsam den Dam entlang und passierten das Sex-Museum, das es früher nicht gegeben hatte, ich spürte beinahe an jedem Haus die früheren Zeiten, es gab aber die typische Stimmung nicht mehr, wie sie sich früher eingestellt hatte, wenn wir am Dam waren, wir setzten uns einen Moment an das Denkmal und Wim drehte sich eine Zigarette. Ich sagte Wim:

„Ich saß vor fünfunddreißig Jahren exakt an dieser Stelle und habe mir auch eine gedreht, der Tabak hat einen Gulden und fünfzig Cent gekostet und die Blättchen zehn Cents.“

„Wie lange rauchst du denn schon nicht mehr?“, fragte Wim und ich antwortete:

„Das sind mittlerweile schon siebzehn Jahre, ich habe damals von heute auf morgen aufgehört und nie wieder geraucht., auch nicht einmal gezogen, das Thema Rauchen ist für mich erledigt!“ Wim sagte:

„Ich habe schon mehrere Male versucht aufzuhören, bin aber immer gescheitert, ich habe von Akupunktur über Nikotinpflaster alles versucht, ohne Erfolg.“ Ich versuchte erst gar nicht, Wim Tipps zu geben, ich dachte, dass er, wenn er wollte, schon stark genug wäre, aber er wollte in Wirklichkeit gar nicht mit dem Rauchen aufhören, weil es ihm zu sehr schmeckte und große Diskussionen über die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens wollte ich auch nicht mit ihm führen. Wim war ein großer schlacksiger Kerl mit einem für meine Begriffe typisch holländischen Äußeren, er war hager und ging leicht nach vorne gebeugt, an ihm war kein Gramm Fett zu viel. Wim hatte große Füße und sehr lange Beine, seine Hose schlabberte an ihm herum, seine Arme hatten eine beträchtliche Länge und baumelten scheinbar unkontrolliert an seinem Körper, fast war man geneigt zu glauben, dass es für solche Auslagen keine passenden Jacken- oder Hemdsärmel gäbe, seine Hose hatte, auch das typisch holländisch, Hochwasser.

Wims Gesicht war markant unter dem inzwischen lichten Haar, er hatte eine große, aber nicht knubbelige Nase, die sein Gesicht beherrschte, dazu eingefallene Wangen, die wie sein gesamtes Gesicht glatt rasiert waren. Seine Augen wurde von mächtigen Augenbrauenbüscheln überwölbt, sein Mund war fein und wenn er lachte, legte er eine Reihe gerader Zähne frei, die nicht ganz weiß, aber auch nicht gelb waren. Wim hatte einen sehr dünnen langen Hals, der war so dünn, dass sein Hemdkragen viel zu groß schien, sein ehemals schwarzes, inzwischen aber graues Haar zeigte auf dem Kopf eine kahle Stelle, Wim hatte, wie wir zwei anderen auch, ein Kränzchen. Meine Güte, wie hatten wir uns doch verändert, ich fragte Wim nach seinem früheren Aussehen und er zeigte mit einer Hand, bis wohin ihm sein Haar gereicht hatte, er sagte:

„Ich habe einen Vollbart getragen“, und ich konnte ihn mir gut vorstellen. Werner war da von ganz anderer Statur, er war nicht so groß wie Wim und korpulent, um nicht zu sagen dick, aber sein Körperumfang hielt sich noch in Grenzen. Werner hatte relativ kurze stämmige Beine und einen nicht zu übersehenden Bauch, neben dem fleischige Arme hingen, auf einem kurzen speckigen Hals saß sein voluminöser Kopf mit klugen Augen und einer unauffälligen Nase. Werner hatte, genau wie auch ich, kaum noch Haare, wenn man ihn nach früher fragte, zeigte auch er, bis wohin ihm sein Haar gereicht hatte, einen Bart hätte er in seinem ganzen Leben noch nicht getragen.

Meine Figur war im Laufe der vergangenen Jahre auch etwas rundlicher geworden, Werner und ich hatten bei Weitem nicht Wims Körpergröße, der gut und gerne 1.90 m maß, ich hatte bei meiner letzten Körpergrößenmessung 1.83 m, was auch nicht klein war. Ich glaubte, nicht dick zu sein, wenngleich sich meine Hosengröße schon nach oben bewegt hatte, ich hatte, wie auch Werner, eine leichte Wohlstandsplauze bekommen, aber mit Anfang fünfzig war das fast normal, ich war aber noch ganz gut bei Kräften und nahm regelmäßig am Polizeisport teil. Ich zeigte den beiden, bis wohin früher meine Haare reichten und sagte:

„Ich habe auch einen Vollbart getragen.“ Unsere Kleidung waren Jenas, auch Jeansjacken, das war die Uniform, die fast jeder angehabt hatte, Mädchen wie Jungen. Auch die obligatorischen Boots hatte jeder, das waren hohe Wildlederschuhe von „Clarks“, die in ihrer ursprünglichen Ausstattung eine Naturkautschuksohle hatten und mit der Zeit speckig wurden, denn gepflegt hatte seine „Clarks“ eigentlich niemand. In der oberen linken Außentasche der Jeansjacke steckte immer das Van-Nelle´s-Päckchen. Man lief mit großen wiegenden Schritten, damit das Haar in Bewegung kam und wenn wir am Dam-Denkmal saßen, rauchten wir Joints und lachten uns kaputt, denn das Marihuana und auch Haschisch brachten einen zum Lachen, es bedurfte beim Joint-Rauchen nur eines geringen Anlasses und man lachte los, als würde man permanent gekitzelt, das bestätigten Werner und Wim.

Wir standen wieder auf und verließen den Denkmalsplatz, wir kamen an Madame Tussauds vorbei zur Keizersgracht und zur Westerkerk an der Prinsengracht, hundert Meter weiter hoch lag das Anne-Frank-Haus, das wir früher aber nie besucht hatten. In uns gekehrt liefen wir anschließend die Prinsengracht entlang, bis wir auf die Leidsegracht stießen, wir liefen hundert Meter weiter die Lijnbaansgracht entlang und kamen zum Leidseplein, wo wir uns auf einen Kaffee vor „t´Cafe“ setzten. Am Leidseplein war unsere Stadtführung beendet und nach dem Kaffee verabschiedeten Werner und ich uns von Wim, wir fuhren nach Essen zurück, wir hatten eine Kopie des forensischen Befundes vom Opfer und der DNA des Täters dabei. Auf der Rückfahrt waren Werner und ich in Gedanken vertieft, Gedanken an unsere Freiheit in Amsterdam, die es so nie mehr geben würde, bestenfalls als Erinnerung, warum hatte man damals bloß keine Fotos geschossen? Im Präsidium in der Zweigertstraße wurden wir schon erwartet und wir mussten über den Mord am Leidseplein Bericht erstatten. Noch ganz angetan von unserem Amsterdamerlebnis, übergaben wir unserem Chef den forensischen Befund und die Täter-DNA, wir sagten:

„Die Rijkspolitie in Amsterdam will jede Menge Speichelproben nehmen, um den Täter anhand seiner DNA zu überführen.“ Werner und ich sollten zum Viehofer Platz fahren und uns bei Conchitas Mitbewohnern in der Wohngemeinschaft umhören, um auf diese Weise etwas herauszubekommen. Also machten Werner und ich uns auf den Weg zum Viehofer Platz, der früher ein Problemviertel in Essen war und nach der Universitätseröffnung ein ganz normales städtisches Aussehen angenommen hatte. Die Wohnung Conchitas und ihrer Mitbewohnerinnen lag im Haus des „Cafe Nord“, die Adresse war Viehofer Platz 1. Ich erinnerte mich wie früher unweit des Kino 7, wo Schmuddelfilme gezeigt wurden, immer lichtscheues Gesindel anzutreffen war und man froh war, wenn man an der Bushaltestelle wartete, dass endlich der Bus gekommen war und einen aus der bedrohlichen Situation befreite. Oftmals stieg man früher am Nordrand der Innenstadt, am Viehofer Platz eben, aus und lief von dort die Viehofer Straße entlang, bis sie in die Kettwiger Straße überging und man mitten in der City war. Ich war im Essener Norden, in Bergeborbeck groß geworden, für uns erschloss die Buslinie Sechsundsechzig, später die Fünfundvierzig, den Weg in die Stadt. Werner stammte aus Frintrop, er hatte es noch weiter in die Stadt und nahm immer die Straßenbahnlinie Drei. Wir waren in etwa gleich alt, hatten früher aber einen jeweils anderen Erlebnishorizont, während ich mich immer Richtung Innenstadt orientiert hatte, war Werners Hauptbetätigungsfeld Borbeck, was mir zu wenig geboten hatte, Werner aber offensichtlich reichte. Die heißeste Disco in der Innenstadt war das Pop-Inn, in der natürlich auch gekifft wurde.

Das Neueste damals waren Dias, bei denen zwischen zwei Glasflächen Farben gebracht wurden, die unter der Hitzeeinwirkung zu zerlaufen begannen, was die skurrilsten Muster hervorbrachte. Wenn man das Pop-Inn betrat, war die Musik oft so laut, dass sich einem die Bässe auf die Bauchdecke übertrugen und sie zum Vibrieren brachten. An Unterhaltung war natürlich kein Denken, es bestand dazu aber auch kein Bedürfnis, man stand einfach herum oder machte verzückte Bewegungen zu der Musik. Das Pop-Inn lag in der 1. Dellbrügge, wenn man an der Lichtburg vorbeigelaufen war, links rein. Man ging nicht so oft dorthin, weil der Besuch natürlich Eintritt kostete und man nicht so viel auf der Tasche hatte. Eine zweite Anlaufadresse war das Bistro am Anfang der Rellinghauser Straße, das war bedeutend kleiner als das Pop-Inn und mit ihm nicht zu vergleichen, die Musik, die dort gespielt wurde, war bei Weitem nicht so laut und man konnte sich gut unterhalten, ab und zu tanzten Mädchen auf den Tischen, was niemanden störte. Als Werner und ich unseren Wagen auf dem Parkplatz des City Hotels abgestellt hatten, liefen wir über die Fußgängerampeln zum Viehofer Platz hinüber.

Vor dem „Cafe Nord“ waren Tische aufgebaut und es war dort eine Menge los, wir gingen zum Hauseingang und suchten nach der Wohnungsklingel, aber das richtige Schild unter dem Wust vom Klingelschildern zu finden, war nicht so einfach, es gab kein Klingelschild, auf dem der Name Gutierrez gestanden hätte. Also schellten wir an der erstbesten Schelle und wollten an der dazu gehörigen Wohnung fragen, wo denn die Wohngemeinschaft zu finden wäre, in der Conchita Gutierrez gelebt hätte. Der Türdrücker wurde betätigt und eine junge Frau, wahrscheinlich eine Studentin, stand vor uns, wir zeigten gleich unsere Dienstausweise und stellten unsere Frage:

„Das ist im ersten Stock gleich links“, sagte uns die Studentin und wir stiegen die Treppen hinauf. Nachdem wir auf die Wohnungsklingel gedrückt hatten, wurde geöffnet und eine asiatisch anmutende junge Frau stand vor uns und fragte, was wir wollten, wir zeigten unsere Dienstausweise und sie ließ uns herein. Wir kamen in eine Diele, von der vier Zimmer abgingen, die jeweils einer Mieterin gehörten, zwei Vietnamesinnen und zwei Mexikanerinnen, wie wir erfuhren, von denen eine allerdings im Moment verreist wäre, wie uns Bian Nguyen, wie unser Gegenüber hieß, erzählte. Sie führte uns in die Gemeinschaftsküche und bat uns, Platz zu nehmen, sie fragte:

„Wollen Sie vielleicht einen Tee haben?“ und wir waren nicht abgeneigt. Bian kochte uns einen Jasmin-Tee, als ihre Zimmernachbarin, Thao Nguyen, die Küche betrat und uns begrüßte. Bian sagte:

„Die Herren sind Polizisten“ und Thao fragte:

„In welcher Angelegenheit sind Sie gekommen?“, eine Frage, die Bian uns noch gar nicht gestellt hatte. Ich sagte:

„Wir sind wegen Conchita Gutierrez gekommen, dürfen wir einmal in ihr Zimmer?“ Bian lief vor und öffnete Conchitas Zimmertür, sie fragte:

„Was ist mit Conchita?“, und als ich gerade zu einer Antwort anhob, öffnete sich die Wohnungstür und Lupita Gonzales kam herein, eine sehr gut aussehende Mexikanerin, die die Freundin von Conchita gewesen war. Als sie uns erstaunt musterte, klärte Bian sie über uns auf und ich sagte:

„Ich habe eine sehr schlechte Nachrichten zu überbringen, Conchita ist in Amsterdam ermordet worden.“ Lupita riss die Auen auf, Bian und Thao schauten entsetzt, niemand sagte etwas und ich bat alle drei in die Gemeinschaftsküche und sorgte dafür, dass sich jede von ihnen setzte. Lupita schaute verstört zu Boden, sie hatte Tränen in den Augen, Bian und Thao stierten vor sich hin, und bevor irgendwelche Nachfragen kamen, sagte ich:

„Mein Kollege und ich wurden von der Rijkspolitie in Amsterdam angerufen und um Hilfe gebeten, weil, wie sie dort herausgefunden haben, Conchita in Essen gewohnt hat.“

„Wie ist sie denn ermordet worden?“, fragte Lupita mit tränenerstickter Stimme und ich antwortete:

„Ihr Mörder hat sie erstochen“ und ich ging mit keinem Wort auf die näheren Umstände der Vergewaltigung und den halb abgetrennten Kopf ein. Lupita fragte weiter:

„Gibt es denn schon irgendwelche Anhaltspunkte von dem Mörder?“ und ich antwortete:

„Wir tappen noch völlig im Dunkeln und es liegen keinerlei Fahndungsergebnisse vor, weshalb wir zum Viehofer Platz gekommen sind, um vielleicht von Conchitas Mitbewohnerinnen ein paar brauchbare Hinweise zu bekommen.“ Bian und Thao sagten:

„Wir haben kaum Kontakt zu Conchita gehabt und können deshalb auch nichts sagen, was Ihnen weiterhilft.“ Lupita erzählte:

„Ich bin seinerzeit mit Conchita aus Mexiko gekommen, wir sind in unserer Heimatstadt Oaxaca schon Freundinnen gewesen und dort gemeinsam zur Schule gegangen, unsere Familien kennen sich gut und sind miteinander befreundet. Ich weiß gar nicht, wie ich ihrer Familie die schlimme Nachricht überbringen soll“, und Lupita fiel in einen Weinkrampf. Ich nahm Lupita in den Arm und tröstete sie, wohl wissend, dass Conchita durch meine Worte auch nicht wieder lebendig werden würde. Lupita war völlig aufgelöst und weinte ununterbrochen, Werner und ich sahen, dass wir mit unserer Befragung an diesem Tag nicht weiterkommen würden, wir nippten an dem Jasmin-Tee, den Bian uns gekocht hatte und warteten, bis sich Lupita etwas beruhigt hatte, ich gab Lupita eine Tasse und schüttete ihr ein wenig von dem Tee ein. Lupita schluchzte nur noch und warf ihren Kopf dabei immer zur Seite, Werner und ich schauten uns an und hatten keine Erklärung für diese Geste. Lupita kam ganz allmählich zur Ruhe und bekam auch wieder einige Worte heraus, sie sagte:

„Conchita und ich haben wie Pech und Schwefel zusammengehalten, das ist immer schon so gewesen, auch drüben in Mexiko. Der Verlust meiner besten Freundin wiegt unglaublich schwer für mich, ich kann es noch gar nicht richtig fassen.“ Lupita strich über ihr langes glattes Haar, während sie mit uns sprach und verlor sich dabei in Gedanken. Werner und ich begannen, mit ihr zu reden und wollten etwas über ihre Bekanntschaften in Erfahrung bringen, um so möglicherweise auf die Täterschaft eines männlichen Bekannten von Conchita zu stoßen. Lupita entgegnete aber:

„Es hat unter Conchitas Kommilitonen kaum jemanden gegeben, zu dem Conchita ein enges Verhältnis gehabt hat“, sie überlegte kurz und ergänzte:

„Conchita hat einmal mit einem Dieter Welbers im „Cafe Nord“ gesessen, aber das ist nur einmal vorgekommen und ich kann gar nicht sagen, ob sich aus der oberflächlichen Beziehung etwas ergeben hat.“ Werner und ich ließen uns diesen Dieter beschreiben und fragten Lupita, wie wir Kontakt zu ihm aufnehmen könnten, aber sie konnte uns nicht dessen Adresse geben, sie sagte:

„Gehen Sie am nächsten Tag in der Mittagspause mit mir in die Mensa, ich will Ihnen Dieter dort zeigen.“ Anschließend gingen wir mit Lupita in Conchitas Zimmer und sahen uns dort genau um, das Zimmer war so spärlich eingerichtet, wie es Studentenzimmer nun einmal waren, es gab ein Bett, einen Schreibtisch mit Stuhl und einen Schrank, daneben waren aber viele Kleinigkeiten in dem Zimmer vorhanden, die unsere Aufmerksamkeit erregten. Wir betrachteten zunächst die unzähligen Fotos an der Wand und fragten Lupita, ob sie uns jeweils etwas zu den Bildern sagen könnte. Es gab eine ganze Reihe Fotos, auf denen sie auch zu sehen war, viele von denen waren offensichtlich in Mexiko aufgenommen worden, es gab ferner Fotos von Kommilitoninnen, die vom Campus stammten und da waren zwei, drei Bilder, auf denen Conchita mit einem jungen Mann zu sehen war und wir fragten Lupita nach ihm. Sie sagte:

„Conchita ist einmal mit einem Kommilitonen an den Baldeneysee gefahren, völlig harmlos, sie hat ihn danach nie wieder getroffen“, und sofort fragten Werner und ich nach dessen Adresse, aber da musste Lupita passen.

„Vielleicht finden Sie etwas in Conchitas Unterlagen“, meinte sie, „Sie müssen dazu nur ihren Schreibtisch durchsuchen“, und das taten wir danach auch ausgiebig. Ich hatte mich längst auf Conchitas Schreibtischstuhl gesetzt und Werner hatte sich auf ihrem Bett niedergelassen. Den Schrank hatten wir schon durchsucht, aber in ihm nichts Auffälliges gefunden, es gab ein wenig Wäsche und ein Paar Hosen, sonst befand sich nichts in dem Schrank, ich hatte auch oben drauf nachgesehen und wir hatten ihn auch abgerückt, um darunter zu schauen, aber nichts entdeckt. Beim Schreibtisch sah die Sache schon anders aus, und ich sagte Lupita:

„Wir müssen den gesamten Schreibtischinhalt konfiszieren“, wogegen sie nichts einzuwenden hatte.

Ich fragte Lupita nach Plastiktüten und sie versorgte uns damit aus der Küche. Werner und ich stopften alle Sachen, die uns halbwegs interessant erschienen, in die Tüten und nahmen sie mit.

„Wie lange ist Conchita denn schon in Amsterdam gewesen ?“ und Luptia antwortete:

„Sie ist zum Ende des letzten Semesters gefahren, das ist vier Monate her, sie wollte ein Semester aussetzen und in Amsterdam arbeiten.“ Als Werner und ich fast den gesamten Schreibtischinhalt in die Tüten verfrachtet hatten, brachten wir die Sachen zum Präsidium, wo wir sie zu sichten begannen, wir hatten Lupita gesagt, dass wir wegen eventueller Rückfragen noch einmal wiederkommen würden, sie aber zunächst am nächsten Tag in der Mensa treffen wollten. Werner und ich machten Feierabend und mussten beide an Dieter Welbers und den Unbekannten vom Baldeneysee denken, den wir mit Lupitas Hilfe noch ausfindig machen mussten. Wir setzten am nächsten Morgen die Untersuchung von Conchitas Schreibtischunterlagen fort und stießen auf eine Menge Studienmaterial, das sie wohl in den Seminaren mitgeschrieben und gesammelt hatte.

Werner und ich unterhielten uns über Lupita, der der Tod von Conchita sehr nahegegangen war, sie tat uns leid, Lupita war eine sehr sympathische junge Dame, vieles von ihrer Fröhlichkeit und Lebensfreude war verschwunden, nachdem sie gehört hatte, dass ihre beste Freundin ermordet worden war, sie war fast in sich zusammengesunken, als wir ihr die schreckliche Nachricht überbracht hatten. Lupita war ausgesprochen attraktiv, groß gewachsen und schlank, ihre Körpergröße war für eine Mexikanerin geradezu untypisch, sie hatte dieses lange glänzende schwarze Haar, das ihr Markenzeichen war, meistens trug sie es offen. Ihre Figur war makellos, wenn sie ging, ging sie aufrecht und brachte ihre Proportionen zur Geltung, sie wusste zweifellos um ihre Schönheit, Conchita musste eine ähnliche Ausstrahlung gehabt haben. Werner und ich fuhren am Mittag zur Uni und hatten Schwierigkeiten, auf dem Parkplatz am Reckhammerweg noch eine freie Fläche zu finden, offensichtlich hatten heute viele Studenten einen eigenen Wagen. Die gesamte Uni-Anlage machte einen freundlichen Eindruck auf Werner und mich, die Gebäude waren farbig gehalten und hatten viele Fensterflächen, durch die das Licht hineingelangen konnte. Wir fragten auf dem Parkplatz jemanden nach der Mensa, er war Student und musterte uns beide, als wenn er sich fragte:

„Was machen denn diese Methusalems an der Uni?“ Er sagte, dass wir ihm folgen sollten, er ginge an der Mensa vorbei, „sind Sie Seniorenstudenten?“, wollte er von uns wissen und wir antworteten:

„Wir sind in der Mensa mit jemandem verabredet.“ Er hatte etwas von den vergangenen Zeiten an sich, dachte ich bei mir, er trug Jeans und Jeansjacke, allerdings Turnschuhe statt Boots, hatte die Haare zwar nicht so lang, wie das früher üblich war, aber länger als normal, auch diesen wiegenden Gang hatte er an sich, der Gang, der reinem Narzissmus entsprang und die eigene Person wichtig erscheinen lassen sollte. Wir kamen zur Mensa und bedankten uns bei unserem Helfer, er verschwand in einem anderen Gebäude und wir fanden uns unter hunderten von Studenten und wurden gemustert, als wären wir das siebte Weltwunder. Plötzlich sprach uns jemand an und wir waren erleichtert, Lupita zu sehen, sie lief mit uns zur Essensausgabe und wir reihten uns in eine Warteschlange an der Kasse ein. Werner und ich mussten den Tarif für Angestellte zahlen, der aber immer noch weit unter den Preisen in einem Restaurant lag. Wir suchten uns unter den fünf Wahlmenüs einen Eintopf aus, Lupita begnügte sich mit einem Salatteller, Werner holte für jeden ein Getränk und Lupita suchte einen Platz für uns. Sie hielt angestrengt Ausschau nach Dieter Welbers, konnte ihn aber nirgendwo entdecken, stattdessen sah sie mit einem Mal einen alten Bekannten von Conchita und zeigte ihn uns. Werner und ich ließen unser Essen stehen und liefen quer durch die überfüllte Mensa zu dessen Tisch, stellten uns unauffällig vor und baten ihn, uns an einen ruhigeren Ort zu folgen, es würde nicht lange dauern.

Unser Gegenüber stellte sich als Klaus Mertens vor und war von seinem Alter her wohl schon ein fortgeschrittener Student, wir gingen mit ihm nach draußen auf den Hof zwischen den Uni-Gebäuden, und wir setzten uns dort auf eine Bank. Als wir Klaus erzählten, dass Conchita in Amsterdam ermordet worden wäre und wir wüssten, dass er mit ihr am Baldeneysee gewesen wäre, war er sehr betroffen und fragte gleich:

„Haben Sie denn schon einen Verdacht?“ Werner antwortete:

„Wir stehen erst ganz am Anfang unserer Untersuchungen und müssen deshalb auch Dich befragen, auch müssen wir eine Speichelprobe von Dir nehmen, um Deine DNA mit der des Täters zu vergleichen.“ Werner zückte das Speichelröhrchen und fuhr Klaus mit dem Wattestäbchen durch den Mund, um es anschließend wieder in das Röhrchen zu stecken. Niemand konnte uns sehen, unsere Bank stand hinter einem Gebüsch, das alle Blicke von uns fernhielt, sodass Klaus keine Befürchtungen haben musste, bei der Speichelprobe beobachtet zu werden. Wir fragten ihn hinterher:

„Bist du in der letzten Woche in Amsterdam gewesen?“, und er wies das weit von sich, „ich stehe schließlich mitten im Semester und kann deshalb nicht einfach wegfahren. Gehöre ich denn zu dem in Frage kommenden Verdächtigtenkreis?“, und Werner und ich antworteten, ohne direkt auf seine Frage einzugehen:

„Wir nehmen jeden Verdächtigen in Augenschein und überprüfen ihn, wir werden Dir nach dem DNA-Abgleich eine Nachricht zukommen lassen“, und Klaus gab uns seine Anschrift. Anschließend gingen Werner und ich zu Lupita zurück in die Mensa, unser Eintopf war inzwischen kalt geworden und wir stocherten mit unseren Löffeln in ihm herum. Lupita sah das und fragte:

„Wollen Sie Ihr Essen nicht noch einmal aufwärmen lassen, Sie müssen nur zur Essensausgabe gehen und das Personal bitten, Ihr Essen kurz noch einmal in die Mikrowelle zu stellen.“ Das taten wir gleich, dankten Lupita für den Tipp und genossen anschließend unseren schmackhaften Eintopf.

„Sind Sie denn mit meinem Kommilitonen weitergekommen?“, fragte sie uns und wir antworteten:

„Wir haben eine Speichelrobe von ihm genommen.“ Lupita erwähnte, dass sie von Dieter Welbers bislang noch nichts gesehen hätte, wir müssten ihn wohl bei ihm zu Hause besuchen, seinen Namen hätten wir ja, seine Adresse könnte sie uns aber nicht geben. Die wüssten wir schon herauszubekommen, sagte ich, wir würden einfach beim Studentensekretariat nachfragen und uns dort seine Adresse geben lassen.

Wir standen auf und verabschiedeten uns von Lupita, die uns mit einem verhaltenen Lächeln Tschüss sagte.

Wir warteten vor dem Studentensekretariat, bis um 13.00 h die Mittagspause vorbei war und gingen zusammen mit einigen Studenten hinein, es gab drei Damen, die sich um die Besucher kümmerten. Wir warteten kurz, bis wir dran waren und sagten, was wir wollten. Unsere Dienstausweise wurden sehr genau in Augenschein genommen, denn so ohne Weiteres gäbe man keine Adresse heraus, sagte uns die Dame, aber in diesem Falle wollte sie eine Ausnahme machen. Dieter Welbers wohnte in Altenessen im Palmbuschweg, und Werner und ich stiegen gleich in unseren Wagen, um dorthin zu fahren. Wir fuhren die Altenessener Straße entlang, am Arabischen Markt und der Sparkasse vorbei, bis wir nach rechts in den Palmbuschweg abbogen. Als wir an Dieter Welbers Wohnung geschellt hatten. öffnete niemand, was uns nicht weiter verwunderte, er wäre sicher noch in der Uni, dachten wir. Ich schrieb einen Zettel, auf dem ich Dieter bat, mich auf dem Polizeipräsidium anzurufen, ich heftete meine Karte an den Zettel und steckte beides in Dieters Briefkasten. Werner und ich fuhren zum Präsidium zurück, wo wir uns weiter um Conchitas Schreibtischunterlagen kümmerten. Conchita hatte Tagebuch geschrieben, jedenfalls bis vor vier Monaten, allerdings auf Spanisch, ich konnte zwar ein wenig Spanisch, das reichte aber nicht, um das Tagebuch lesen zu können.

Es war ein geblümtes kladdenartiges Heft, das sie offensichtlich noch in Mexiko begonnen und in Deutschland fortgeführt hatte. Ich schlug die erste Seite auf und las das Datum: 30.06.2008.

Das Heft wurde also seit zwei Jahren geführt und war schon ziemlich vollgeschrieben, ich müsste es übersetzen lassen und gab es zu einer Spanisch sprechenden Kollegin, die eine Woche damit zu tun hätte. Weiteres Material von Interesse war in Conchitas Unterlagen nicht zu finden, wenn man einmal von einigen Briefen absah, die sie von Zuhause erhalten hatte, auch die gab ich zur Übersetzung weiter. Am Spätnachmittag ging mein Telefon und Dieter Welbers meldete sich, ich schilderte ihm den Sachverhalt und bat ihn zur Speichelprobe aufs Präsidium. Als das Telefon noch einmal schellte, war Wim aus Amsterdam am anderen Ende der Leitung, er teilte mir mit:

„Conchitas Eltern wollen rüberkommen und auch euch in Essen aufsuchen, besonders Conchitas Vater ist erschüttert und völlig am Boden zerstört. Wie weit seid Ihr denn mit Euren Ermittlungen?“, fragte Wim und ich antwortete:

„Wir sind in Conchitas Wohnung gewesen und haben mit ihren Mitbewohnerinnen gesprochen, eine hat uns die Namen von zwei von Conchitas Bekannten gegeben, von denen wir Speichelproben genommen haben bzw. noch nehmen werden.“

„Bei meinen Ermittlungen gibt es nichts Neues“, sagte Wim, „ich will Euch auf dem Laufenden halten“ und er legte auf. Am nächsten Morgen erschien Dieter Welbers auf dem Präsidium und zeigte sich sehr betroffen, als er von der Ermordung Conchitas hörte. Dieter sah gut aus, er hatte den typischen Habitus eines Studenten, von dem er in unserem Dienstzimmer aber einiges ablegte. Werner nahm ein Speichelröhrchen und fuhr mit dem Wattestab durch Dieters Mund, der das widerspruchslos mit sich machen ließ. Wir sagten ihm:

„Wir wollen Deine DNA mit der DNA des Täters vergleichen, die wir in Amsterdam erhalten haben.“ Dieter fragte:

„Wie ist Conchita denn ermordet worden?“ und wir sagten ihm:

„Sie hat in einer Kneipe am Leidseplein gearbeitet und ist dort nach Feierabend in der Nacht von ihrem Mörder erstochen worden“, wir erwähnten die Vergewaltigung nicht. Dieter entgegnete, dass er in seinem ganzen Leben noch nicht in Amsterdam gewesen wäre und deshalb wohl als möglicher Täter ausschiede, ich erwiderte, dass er Näheres erführe, wenn der DNA-Abgleich vorläge. Werner und ich nahmen Dieter noch ein wenig in die Mangel und zogen dessen Aussage, noch nie in Amsterdam gewesen zu sein, in Zweifel. Dieter tat entsetzt:

„Wie können Sie sich erdreisten, an meinen Worten zu zweifeln?“ Ich sagte ihm, dass es unser Job wäre, Aussagen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen und wir deshalb erst einmal alles in Zweifel zögen, was uns gesagt würde und Dieter nickte scheinbar verständnisvoll. Wir entließen ihn wieder und trugen ihm auf:

„Halte Dich in der Folgezeit zu unserer Verfügung und unternimm keine größeren Reisen!“ Dieter stand leicht verwirrt auf, wie es jeder getan hätte, der erstmalig einer polizeilichen Vernehmung unterzogen worden worden war, aber das war ja noch keine richtige Vernehmung, sondern bestenfalls eine vorsichtige Befragung. Der geänderte Tonfall reichte aber, um eine Distanz zu schaffen und leichte Bestürzung hervorzurufen. Dieter verließ das Dienstzimmer wieder und fuhr geradewegs zur Uni, Werner und ich unterhielten uns über ihn und schlossen ihn, genauso wie Klaus Mertens, als Verdächtigen aus. Genaue Anhaltspunkte hätten wir aber erst, nachdem wir den schriftlichen DNA-Abgleich vor der Nase liegen hätten und das würde noch bis zum nächsten Tag dauern. Werner und ich waren in unseren Ermittlungen bis dahin noch keinen Schritt weitergekommen, wir waren aber auch erst seit ein paar Tagen mit dem Fall befasst. Wir waren gespannt darauf, mit Conchitas Eltern in Kontakt zu treten, wenngleich die Verständigung schwer werden würde, wir müssten uns mit unserer Spanisch sprechenden Kollegin kurzschließen, die müsste uns als Dolmetscherin zur Seite stehen und das, was wir zusammen besprachen, für uns übersetzen. Werner und ich gingen das, was wir bis dahin hatten, noch einmal durch, aber das war nicht viel, wir sprachen noch einmal über Lupita und ihre Wohngemeinschaft, als Täter schied jede Einzelne aus, weil wegen der Vergewaltigung nur ein Mann in Frage kam, aber vielleicht brächten sie uns auf eine Spur, wir mussten jedenfalls jedem auch noch so unwichtig erscheinenden Hinweis nachgehen.

Wir hatten Bian und Thao noch gar nicht befragt und nahmen uns vor, noch einmal zum Viehofer Platz zu fahren und das nachzuholen. Wir erledigten das noch am Nachmittag, wenn wir sicher sein konnten, die beiden in der Wohnung anzutreffen. Wir parkten wieder am City Hotel und liefen über die Fußgängerampeln Richtung „Cafe Nord“, vor dem an diesem Nachmittag viele Gäste saßen, vornehmlich Studenten, wie Werner und ich vermuteten. Wir schellten bei Lupita und liefen gleich in den ersten Stock, wo uns die Tür geöffnet wurde und wir auf Bian und Thao trafen. Sie baten uns in der für asiatische Menschen typischen verschüchterten Art in die Gemeinschaftsküche und boten uns Jasmin-Tee an, den wir gerne annahmen. Bian und Thao waren beide sehr hübsch, gingen aber nicht so aus sich heraus, wie das zum Beispiel Lupita tat, sie strahlten beide eine Vertrauen erweckende Wärme aus, die Besitz von einem ergriff. Sobald aber zu viel Nähe zu entstehen drohte, zogen sie sich zurück und wahrten Distanz, was Werner und ich akzeptierten. Wir fragten Bian und Thao genauer nach ihrer Beziehung zu Conchita und die beiden sahen sich an, Werner und ich bemerkten, dass sie beide etwas für sich behielten und überlegten, wie wir es aus ihnen herauskitzeln könnten.

Wir waren ein eingespieltes Team und hatten schon oft solche Situationen mitgemacht, wo jemand mit Dingen, die uns interessierten, hinter dem Berg hielt.

Wir wählten in solchen Fällen immer den Weg der „Umwegbefragung“, wie wir das nannten, das hieß, dass wir über den Umweg über Dinge, die gar nichts mit dem näheren Sachverhalt zu tun hatten, uns an den Befragungskern heranschlichen. Wir kamen auf die Uni zu sprechen und erwähnten, dass wir am Vortag in der Mensa gewesen wären, was sie von dem Essen hielten, das dort angeboten würden, und Bian und Thao lobten die Mensakost über alles:

„Es wird immer auch etwas für Asiaten geboten, die die deftige deutsche Küche nicht mögen, so haben wir am Vortag Glasnudeln mit Rindfleisch gegessen, auch kann man immer Tee bekommen, und wenn uns einmal nichts zusagt, lassen wir das Mensaessen ausfallen und essen am Abend zu Hause.“

„Esst ihr öfter mit Lupita?“, fragte ich sie hinterher und Bian und Thao taten verlegen und antworteten:

„Das kommt nicht so häufig vor, weil Lupita schon mal ihren Freund auf dem Zimmer hat und wir sie nicht stören wollen.“ Das war es also, was sie am Anfang verbargen und womit sie nicht herauswollten.

Werner und ich taten desinteressiert und fragten wie beiläufig, ob Lupita schon lange mit ihrem Freund zusammen wäre. Bian und Thao antworteten:

„Der Junge ist zuerst mit Conchita befreundet gewesen und hat sich, als sie nach Holland gegangen ist, an Lupita herangemacht.“

Ich fragte Bian und Thao, ob sie nicht auch Freunde hätten und sie schauten daraufhin so, als wäre eine Welt über ihnen zusammengebrochen, ich merkte gleich, dass ich das Thema wechseln sollte, aber Bian ging auf meine Frage ein und sagte:

„Zu Hause in Vietnam haben wir gelernt, mit Männerbekanntschaften bis zur Hochzeit zu warten und vorher keusch zu bleiben.“ Werner und mir war klar, dass die beiden mit dem Mord nichts zu tun haben konnten, wir tranken unseren Jasmin-Tee und führten ein unverfängliches Gespräch mit den beiden über ihr Studium. Sie studierten Pädagogik und wollten später in ihrer Heimatstadt Hue als Pädagoginnen tätig werden, sie waren dreiundzwanzig Jahre alt und würden noch zwei Jahre mit dem Studium brauchen. Werner und ich standen wieder auf und verabschiedeten uns von den beiden, die so unschuldig wie nur irgendwas wirkten. Wir machten für diesen Tag Feierabend und fuhren nach Hause, ich nahm Werner mit zu uns und lud ihn zum Abendessen ein, was ich hin und wieder tat und meine Frau Gaby freute sich immer, wenn sie Werner sah, sie konnte Werner sehr gut leiden und mochte auch dessen Frau Elke, gelegentlich gingen wir alle zusammen ins Kino oder in die Kneipe, eigentlich waren wir längst einmal wieder dran und Gaby merkte das auch prompt an. Sie und ich kannten Elke und Werner schon sehr lange, und seit sie nach Huttrop, also quasi in die Nachbarschaft gezogen waren, sahen wir uns öfter als vorher, als sie noch im Hause von Werners Eltern in Frintrop gewohnt hatten. Gaby bot Werner ein Bier an und bat ihn:

„Setz dich doch an den Tisch“, sie sagte, dass sie sich ja lange nicht gesehen hätten und wir einmal wieder etwas gemeinsam unternehmen sollten.

Unsere Kinder waren bei Freunden in der Nachbarschaft, sodass wir beim Essen allein waren, es gab die üblichen Sachen, wie man sie eben zu Abend isst, also Wurst, Käse, Fleischsalat, Brot. Werner trank sein Bier und sagte:

„Dein Mann und ich haben gerade einen schwierigen Fall zu bearbeiten, und wir sind deshalb etwas knapp in unserer Zeit, aber sobald wir ein wenig Licht bei unseren Ermittlungen sehen, komme ich mit Elke, und dann können wir in die Stadt gehen.“ Werner war ein wenig in Eile, er wollte nach Hause und sich nicht so lange bei uns aufhalten.

Am nächsten Morgen gingen wir auf dem Präsidium zum wiederholten Male Conchitas Unterlagen durch, die Spanisch sprechende Kollegin hatte in einer unglaublichen Fleißarbeit das Tagebuch übersetzt und es mir auf den Schreibtisch gelegt. Ich rief sie gleich an und bedankte mich überschwänglich bei ihr, ich sagte ihr:

„Vielleicht bekommen wir schon am nächsten Tag Besuch aus Mexiko, da musst Du uns als Dolmetscherin zur Verfügung stehen!“

„Das mache ich sehr gerne“, sagte Camilla, wie ihr Name war, ich hatte in einem früheren Fall schon einmal mit ihr zu tun und erinnerte mich, dass das ein sehr harmonisches Arbeiten mit ihr war, Camilla war eine sympathische Mitvierzigerin und sah sehr gut aus. Ich dankte ihr noch einmal für ihre Bereitschaft, als Dolmetscherin zu fungieren und legte auf. Werner war inzwischen schon bei der Tagebuchlektüre, Camilla hatte zwanzig DIN-A-4-Seiten ausgedruckt, Werner und ich lasen sie abwechselnd und machten uns Notizen zu Auffälligkeiten. So saßen wir zwei Stunden im Dienstzimmer und waren mit der Lektüre beschäftigt, ab und zu klingelte das Telefon, aber ich wimmelte die Anrufer immer mit der Bemerkung ab, zu tun zu haben und nicht gestört werden zu wollen. Einmal erschien unser Chef und wollte sich nach dem Stand unserer Ermittlungen im Fall Gutierrez erkundigen. Ich sagte ihm:

„Mein Kollege und ich sind gerade mittendrin und lesen das Tagebuch des Mordopfers.“ Danach zog der Chef wieder ab, wir sollten ihn informieren, wenn wir Fortschritte machten. Das Tagebuch enthielt eigentlich nur sehr profane Dinge, wie man sie eben als Mädchen vermerkte, es gab für meine Begriffe nichts Auffälliges, mit einer Ausnahme und die hatte auch Werner notiert: am 07.12.2008 - „schöner Abend mit Robert“ und am 14.12.2008 - „mit Robert am Baldeneysee gewesen, es war sehr schön“.

Wer mochte dieser Robert sein, fragten wir uns, es würde uns nichts anders übrig bleiben, als wieder zu Lupita zu fahren und sie nach Robert zu fragen, eine andere Möglichkeit gäbe es nicht, außer, wir würden beim Studentensekretariat alle Studenten mit dem Vornamen Robert erfragen, ohne aber zu wissen, ob unser Robert Student war. Wir fuhren also am Nachmittag wieder zum Viehofer Platz und gingen in das Haus des „Cafe Nord“ und dort in den ersten Stock, wir hatten Glück, denn gerade, als wir die Treppe hinaufgelaufen waren, kam Lupita und lächelte uns an. Wir sagten ihr:

„Wir sind gekommen, um Dir ein paar Fragen zu stellen“ und Lupita bat uns, ihr zu folgen und lief mit uns in die Wohnung zurück, wo sie uns in der Küche Platz anbot. Wir drucksten nicht lange herum und fragten Lupita gleich:

„Kennst Du einen Robert?“, was sie verlegen machte wie unschwer zu erkennen war, aber wir blieben bei unserer Frage.

„Also glauben Sie bitte nicht, dass ich Ihnen etwas verheimlichen will, aber ich habe die Erwähnung Roberts nicht für so wichtig gehalten, wie sind Sie überhaupt auf Robert gekommen?“ Wir erzählten Lupita, dass wir in Conchitas Tagebuch gelesen hätten und dort auf diesen Namen gestoßen wären, uns wurde in diesem Moment klar, dass Robert derjenige war, von dem Bian und Thao erzählt hatten, mit dem Lupita manchmal in ihrem Zimmer verschwand und der vorher der Freund von Conchita gewesen war. Lupita war ein wenig rot geworden und wir sagten ihr:

„Es tut uns leid, wenn wir Dich in Verlegenheit gebracht haben, aber Du musst uns sagen, wer dieser Robert ist und uns dessen Adresse geben!“.

„Glauben Sie denn, dass Robert etwas mit dem Mord an Conchita zu tun hat“, fragte sie uns und ich sagte, dass wir das noch nicht sagen könnten, wir müssten ihn erst vernehmen. Lupita holte aus der obersten Küchenschublade einen Zettel und einen Kugelschreiber, der aber nicht schrieb, sodass ich ihr meinen gab, und Lupita notierte Roberts Namen, seine Adresse und seine Telefonnummer, sie reichte mir danach den Zettel. Die Röte war aus ihrem Gesicht gewichen und Lupita lächelte, wie wir das von ihr kannten, sie fragte uns, ob wir etwas trinken wollten, aber Werner und ich standen auf, bedankten uns und gingen wieder. Wir riefen Robert vom Präsidium aus an und luden ihn für den nächsten Tag vor. Am Vormittag des Folgetages klopfte es gegen 9.30 h an die Tür des Dienstzimmers und ein junger Mann trat ein, der sich als Robert Schindler vorstellte, er wäre bestellt worden. Ich ging zu ihm und gab ihm die Hand, stellte ihm Werner vor und sagte ihm:

„Wir haben einige Fragen an Dich, wir sind auf Dich gestoßen, als wir in Conchitas Tagebuch gelesen haben“, klärte ich ihn auf. Mir fiel in diesem Moment ein, dass Robert vielleicht noch gar nichts von dem schrecklichen Geschehen wusste, ich bat ihn, sich zu setzen. Ich sagte Robert, dass Conchita in Amsterdam ermordet worden wären, woraufhin sich seine Augen weiteten und sich sein Gesichtsausdruck verzog.

„Bist Du in der letzten Woche in Amsterdam gewesen?“, fragte ich Robert direkt ins Gesicht und er verneinte meine Frage vehement, er wäre noch nie in Amsterdam gewesen, ob wir ihn verdächtigten? Ich antwortete:

„Wir verdächtigen jeden, der mit Conchita in Kontakt gestanden hat, und in dieser Sache haben wir schon einige Personen verhört.“ Robert legte seine Entrüstung schnell wieder ab und wurde wieder ruhig.

„Wie ist Conchita denn ermordet worden?“, wollte er wissen und wir sagten, dass jemand sie erstochen hätte, nachdem sie ihre Arbeit in einer Kneipe am Leidseplein beendet hätte. Robert beugte sich nach vorn und legte seinen Kopf in seine Hände, „das ist ja furchtbar“ sagte er, „ich war kurze Zeit mit Conchita zusammen, wir sind einmal zusammen zum Baldeneysee gefahren, bevor sie nach Holland abgereist ist und unsere Beziehung abgebrochen hat.

Vielleicht ist es nicht richtig gewesen, danach eine Beziehung mit Lupita einzugehen, aber darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, Lupita hat mir eben gefallen.“ Werner kam mit seinem Speichelröhrchen und sagte, dass er eine Speichelprobe nehmen müsste, um seine DNA mit der des Täters zu vergleichen, Robert war einverstanden und ließ sich von Werner mit dem Wattestab durch den Mund fahren. Wir entließen Robert wieder, nachdem wir uns rückversichert hatten, dass seine Adresse stimmte und dass das die Telefonnummer wäre, unter der wir ihn immer erreichen könnten, er gab uns noch seine Handynummer.

Robert war groß und schlank, er sah gut aus und hatte das Schlacksige, das alle Studenten zu haben schienen, er sagte Tschüss und ging. Ich merkte an:

„Ich glaube nicht, dass Robert etwas mit dem Mord zu tun hat, wir haben aber unsere Pflicht getan und ihn verhört.“ Werner sah das so wie ich und beschriftete den Aufkleber auf dem Speichelröhrchen mit Roberts Namen, gab das Röhrchen mit der hausinternen Post an das Labor und bat um schnellstmögliche Bearbeitung. Wir machten Mittagspause und gingen in die Kantine, die im Präsidium nicht schlecht war, gegen die Uni-Mensa aber nicht anstinken konnte. Am Nachmittag rief Wim aus Amsterdam an und teilte uns mit:

„Conchitas Eltern sind aus Mexiko gekommen, um in tiefer Trauer Abschied von ihrer Tochter zu nehmen, sie wollen Euch am nächsten Tag in Essen besuchen kommen, sie sind beide sehr nett und bescheiden, trotz des Reichtums, der sie umgibt, sie sind im „Krasnapolsky“ abgestiegen.“ Ich dankte Wim für seinen Anruf:

„Wann kommen sie denn ungefähr in Essen an?“, wollte ich noch von ihm wissen und Wim teilte uns die Abfahrtszeit ihres Zuges von der Centraal Station mit, der Zug wäre nach zwei Stunden Fahrt in Essen, „vielleicht könnt ihr sie am Bahnhof abholen!“, schlug Wim vor und Werner und ich gaben unser Okay. Am Abend setzten Gaby und ich unser lange gehegtes Vorhaben, mit Elke und Werner etwas Gemeinsames zu unternehmen, in die Tat um und fuhren mit ihnen nach Borbeck zum Jugoslawen in der Rechtstraße.

Das war ein Restaurant, das wir schon früher immer aufgesucht hatten und wo wir immer gut bedient worden waren, man kannte uns dort und begrüßte uns herzlich, als wir das Lokal betraten. Die Besitzer hatten sich bemüht, ihrem Lokal im Innern etwas vom Hauch eines mediterranen Ambientes zu geben und die Wände mit Sichelputz verziert, künstliche Weintrauben als Dekoration aufgehängt, Karrenräder und Mistgabeln an die Wände gebracht und sie mit Bildern mit Sonnenuntergängen versehen. Ich wusste aber dennoch, dass wir im Herzen Borbecks waren und auch der dritte Slivowitz konnte mich nicht dazu bringen, mich in Jugolsawien zu wähnen, das im Übrigen längst nicht mehr existierte. Wir fühlten uns aber immer sehr gut im „Zadar“ aufgehoben und die Besitzer taten ihr Bestes, um uns in diesem Gefühl zu belassen. Jossip und Branca, wir duzten uns längst und waren wohl auch in etwa im gleichen Alter, setzten sich mit an unseren Tisch und wir tranken alle einen Slivovitz, anschließend winkte Jossip den Kellner herbei und wir suchten uns etwas aus der Speisekarte aus. Wir nahmen in den letzten Jahren immer das Gleiche und brauchten deshalb überhaupt keine Speisekarte, überflogen aber dennoch das Angebot. Am Ende bestellte ich Balkanleber, das war gegrillte Leber mit Pommes Frites, Djuwetsch-Reis und Krautsalat.

Zu Hause gab es bei uns nie Leber, weil weder Gaby noch die Kinder Leber aßen. Wir saßen lange im „Zadar“ und ich sagte:

„Wir treffen am nächsten Tag die Eltern des Mordopfers aus Amsterdam, ich will sie zu uns einladen und ihnen den Aufenthalt in Essen so angenehm wie möglich gestalten. Ich schlage vor, dass wir alle zusammen mit ihnen einen Ausflug zum Baldeneysee unternehmen“ und Elke und Gaby waren einverstanden. Im Laufe des Abends kam unser Gespräch noch auf unsere Kinder und Elke sagte, dass ihr ihr Älterer ein wenig Sorgen bereitete, weil er in der Schule so stark nachgelassen hätte, das Gleiche berichtete Gaby von unserem Älteren, bei dem es in der Schule ähnlich aussah.

„Man kann nicht alles auf die Pubertät abschieben“, sagte Elke, „aber die Pubertät trägt wohl einen Großteil der Schuld am Versagen unserer Kinder“ und Gaby gab ihr Recht. Werner und ich meinten, dass man aber nicht machtlos davorzustehen brauchte, sondern den Kindern Hilfestellung geben müsste, auch wenn sie herumzickten und ein großes Maul hätten, man dürfte sie nicht hängenlassen und müsste sie auffangen. Am späten Abend verabschiedeten wir uns von Jossip und Branca per Handschlag bis zum nächsten Mal, zahlten und verließen das „Zadar“ wieder. Nachdem Werner und ich ordentlich getankt hatten, hatte Gaby sich bereiterklärt, zu fahren, sie hatte nur Wasser getrunken und sich beim Slivovitz zurückgehalten.

Vor Elkes und Werners Haustür verabschiedeten wir uns voneinander und verblieben so, dass wir uns melden wollten, wenn wir zum Baldeneysee führen. Am nächsten Morgen verabredeten Werner und ich unsere weitere Vorgehensweise, wir schlossen nicht aus, dass wir auch einmal nach Mexiko fliegen würden, wir wollten aber das Gespräch mit Conchitas Eltern abwarten. In uns beiden verfestigte sich die Überzeugung, dass der Mörder in irgendeiner Weise mit Conchitas Bekanntenkreis in Kontakt gestanden haben musste, ohne dass wir sagen konnten, worauf diese Überzeugung fußte, vielleicht täte sich ja in Mexiko eine Spur auf? In der Mittagspause saßen wir mutlos in der Kantine und erwiderten missmutig die Grüße vorbeilaufender Kollegen, die sich verwundert umdrehten. Gegen 15.15 h mussten wir am Hauptbahnhof sein, um Conchitas Eltern in Empfang zu nehmen, wir würden Camilla mitnehmen und hatten vorher dafür gesorgt, dass sie für die Zeit, in der sie Conchitas Eltern betreute, frei bekäme. Gleich nach der Mittagspause liefen wir zu ihr hin und bereiteten sie auf den Empfang von Senora und Senor Gutierrez vor. Wir fuhren um 14.30 h zum Hauptbahnhof und parkten im Parkhaus auf der Südseite, anschließend liefen wir ins Bahnhofsgebäude und hatten noch zwanzig Minuten Zeit, die wir vor vor dem Bistro an den Bahnsteigaufgängen bei einem Cappuccino verbrachten. Der Hauptbahnhof machte inzwischen einen gepflegten Eindruck, nachdem er wegen des Kulturhauptstadtjahres von Grund auf renoviert worden war. Um 15.05 h liefen wir auf den Bahnsteig und beobachteten das hektische Treiben, ich erinnerte mich, wie ich als Kind mit Eltern und Bruder von dort in den Schwarzwald gefahren war, mit dem Dampfzug!

Um 15.15 h kam die Durchsage, dass sich der ICE aus Amsterdam um fünfzehn Minuten verspäten würde. Die dauernden Zugverspätungen hatte es früher nicht gegeben und ich hatte auch keine Erklärung dafür parat, auf dem Bahnsteig machte sich Unmut breit, und es wurde laut geschimpft. Um 15.30 h traf aber der Zug ein, und wir schauten uns gespannt die aussteigenden Fahrgäste an.

Conchitas Eltern in Essen

Die beiden älteren Fahrgäste aus Mexiko waren nicht zu übersehen, Senor Gutierrez zog zwei Trolleys hinter sich her und Senora Gutierrez hatte etwas Handgepäck. Camilla, Werner und ich liefen auf sie zu, stellten uns vor und hießen die beiden herzlich in Essen willkommen, wir gaben ihnen die Hand und kondolierten ihnen zum Tod ihrer Tochter. Sie sahen uns mit leeren Augen an, freuten sich aber, dass wir sie abholten. Werner und ich kümmerten uns um die Koffer und Camilla fragte gleich, ob sie eine angenehme Zugfahrt gehabt hätten. Conchitas Eltern antworteten, dass sie in Mexiko nie mit dem Zug führen, sie würden immer fliegen, wenn sie weitere Strecken zurücklegen müssten, aber dieser Zug wäre unglaublich komfortabel und schnell gewesen.