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Kommissar Schindler geht in den Ruhestand. Ein neues, dynamisches Team übernimmt seine Aufgaben und die seines Assistenten, der intern versetzt wird. Somit entfällt auch der Grund für die Einmischungen des Hobbydetektivs Peter Kleinlein. Auch er plant, sich zur Ruhe zu setzen. Ausgerechnet jetzt droht ein Erpresser dem Röthenbacher BIGMA-Supermarkt mit ernsten Konsequenzen für den Fall, dass seine Forderungen nicht erfüllt werden. Die Marktleitung versucht die Angelegenheit zunächst geheim zu halten und spielt auf Zeit. Sie setzt darauf, dass es sich nur um einen aus dem Ruder gelaufenen Streich woker Schüler handelt, mit dem Ziel, die Ausbeutung asiatischer Billiglohnarbeiter zu verhindern. Doch schon bald gibt es Anzeichen, dass der oder die Erpresser es wirklich ernst meinen. Bereits in ihrer ersten Nachricht haben sie unmissverständlich klar gemacht, dass, bei Einschaltung der Polizei oder Verweigerung der Forderung, die Folgen unabsehbar wären. Und die lassen nicht lange auf sich warten Zwei Kunden sterben nach dem Genuss eines vergifteten Apfelsafts aus dem Supermarkt. Die Polizei glaubt, den vermeintlichen Täter auf frischer Tat ertappt zu haben, doch der streitet alles konsequent ab. Er gibt zu, Protestplakate im Markt platziert zu haben, aber Mord? Niemals! Sein Vater bittet Peter inständig, sich der Sache anzunehmen. Nun ist Peters Spürnase doch noch einmal gefragt.
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Seitenzahl: 260
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Mords-Abgang
Der fünfzehnte und letzte Fall
für Peter Kleinlein
Von Günther Dümler
Impressum
Texte:
© 2024 Copyright by Günther Dümler
Umschlag:
© 2024 Copyright by Günther Dümler
Verantwortlich
für den Inhalt:
Günther Dümler, Nürnberg
Druck:
epubli – ein Service der
Neopubli GmbH, Berlin
Kommissar Schindler geht in den Ruhestand. Ein neues, dynamisches Team übernimmt seine Aufgaben und die seines Assistenten, der intern versetzt wird. Somit entfällt auch der Grund für die Einmischungen des Hobbydetektivs Peter Kleinlein. Auch er plant, sich zur Ruhe zu setzen.
Ausgerechnet jetzt droht ein Erpresser dem Röthenbacher BIGMA-Supermarkt mit ernsten Konsequenzen für den Fall, dass seine Forderungen nicht erfüllt werden. Die Marktleitung versucht die Angelegenheit zunächst geheim zu halten und spielt auf Zeit. Sie setzt darauf, dass es sich nur um einen aus dem Ruder gelaufenen Streich woker Schüler handelt, mit dem Ziel, die Ausbeutung asiatischer Billiglohnarbeiter zu verhindern. Doch schon bald gibt es Anzeichen, dass der oder die Erpresser es wirklich ernst meinen. Bereits in ihrer ersten Nachricht haben sie unmissverständlich klar gemacht, dass, bei Einschaltung der Polizei oder Verweigerung der Forderung, die Folgen unabsehbar wären. Und die lassen nicht lange auf sich warten
Zwei Kunden sterben nach dem Genuss eines vergifteten Apfelsafts aus dem Supermarkt. Die Polizei glaubt, den vermeintlichen Täter auf frischer Tat ertappt zu haben, doch der streitet alles konsequent ab. Er gibt zu, Protestplakate im Markt platziert zu haben, aber Mord? Niemals! Sein Vater bittet Peter inständig, sich der Sache anzunehmen.
Nun ist Peters Spürnase doch noch einmal gefragt.
Mords-Abgang
Inhaltsverzeichnis
Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe
Vorwort
Handelnde Personen
Eine Bombe schlägt ein
Eine Bombe kommt selten allein
Everything for Future
Ein Abschied und ein Neuanfang
Noch eine explosive Nachricht
Eine beunruhigende Entdeckung
Schafkopf
Gift und Galle
Eine ernste Angelegenheit
Kennen sie Frau Hassler?
Leere Regale
Giftalarm
Brauerei OPF in der Opf.
Gebrauchtwagenhandel Ammon
Einsam und hilflos
Noch eine Leiche
Die Miele A830
Polizeiarbeit
Eine sportliche Meisterleistung
Gschelld hodds
Peter ermittelt
Insiderwissen
Outsiderwissen
Florian und Annika
Ein Abend im Adler
Rauchen ist tödlich
Gespräch unter Fachleuten
Annikas Verhaftung
Die dritte Packung Apfelsaft
Am Ende kriegen wir sie alle
Mit einem Hauch von Wehmut im Abgang
Eine kleine fränkische Nachhilfestunde
Mords-Kerwa (Juli 2012)
Mords-Wut(Dez. 2012)
Mords-Urlaub (Mai 2013)
Mords-Schuss(August 2013)
Mords-Kerle (Nov. 2013)
Mords-Krach (März 2014)
Mords-Brand(August 2014)
Mords-Fasching(Febr. 2015)
Mords-Therapie(Januar 2016)
Mords- Zirkus(Febr. 2017)
Mords-Zinken(Mai 2018)
Mords-Brocken(Juni 2020)
Mords-Schuld(Mai 2021)
Mords-Theater (Mai 2023)
Mords-Abgang
Erstfassung Dezember 2024
Alle Rechte vorbehalten
Dies ist die fünfzehnte und voraussichtlich letzte Folge der Dorfkrimireihe um den unfreiwilligen Hobbydetektiv Peter Kleinlein.
Die unter den einheimischen Röthenbachern geführten Dialoge werden, wie in allen Bänden zuvor auch, im fränkischen Dialekt niedergeschrieben. Um jedoch Nicht-Franken nicht vom Verständnis einiger ausgefallener Dialektausdrücke auszuschließen, sind diese in einem am Romanende angefügten Glossar ins Deutsche übersetzt. Im Text sind diese Wörter oder Redewendungen jeweils in kursiver Schrift dargestellt.
Schon während und nach der Coronapandemie hatte Peter gespürt, dass sein Antrieb nachgelassen hatte. Der Biss, der ihn zuvor bei seinen Nachforschungen stets ausgezeichnet hatte, war fast ganz zum Erliegen gekommen. Sein vorerst letzter Fall, ein Brudermord, hatte ihn an seine Belastungsgrenze gebracht, seelisch wie körperlich. Er hatte sich seinerzeit auch nur eingemischt, weil eines der Opfer ein sehr guter Bekannter war. Alois Betz, der silberne Alois, so genannt wegen seines markanten silbrig-grauen Schnurrbarts, hatte ihm sogar bei einem seiner früheren Fälle als Zeuge wertvolle Dienste geleistet. Und Peter Kleinlein war ein dankbarer Zeitgenosse. Menschen mit einem freigebigeren Umgang mit diesem Begriff, hätten das damalige Opfer sogar als einen Freund bezeichnet. Er fand, dass er dem Mann etwas schuldig war. Zudem hatte sich der amtlich zuständige Kriminalbeamte Erwin Schindler, mit dem Peter seit vielen Jahren in einem ständigen Konkurrenzkampf bei der Aufklärung seiner „Fälle“ stand, wieder einmal als zu träge und fantasielos erwiesen.
Doch wenn Peter ehrlich mit sich selbst war, dann musste er sich eingestehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Irgendwann musste einfach endgültig Schluss sein mit dem heimlichen kriminalisieren. Das fand nicht nur seine dauerbesorgte Ehefrau, die Marga, die während jedem seiner Abenteuer tausend Ängste um ihren Peter ausgestanden hatte. Nein, mittlerweile war auch in ihm selbst die nötige Einsicht gereift und diese hatte die Lust auf den Wettlauf mit der Polizei auf einen kleinen Rest schrumpfen lassen, der sich jedoch hartnäckig hielt und einfach nicht weichen wollte.
Ganz so schlimm wie die Beschreibung unseres Helden klingen mag, ist die Realität glücklicherweise nicht. Es zwickt und zwackt natürlich hier und da, was bei einem über Siebzigjährigen kaum verwundern sollte, doch im Großen und Ganzen ist er noch fit genug, um seinen Ruhestand endlich ohne Mordgeschichten zu genießen. Doch wie immer, kommt es auch heute noch einmal ganz anders als er sich das gedacht hatte.
Die folgende Geschichte ist natürlich wie immer völlig frei erfunden. Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind zu 100% reine Fiktion und haben niemals so oder auch nur so ähnlich stattgefunden. Übereinstimmungen oder auch nur Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind daher rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.
Die Rödnbacher Freunde
Peter Kleinlein
Rentner und Hobbydetektiv
Marga Kleinlein
seine stets besorgte Ehefrau
Simon Bräunlein
Metzgermeister aus Rödnbach,Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst
Gisela Bräunlein
seine (im Sinne des Geschäfts)bessere Hälfte, das Gehirn des Betriebes
Lothar Schwarm
Friseurmeister aus Rödnbach,sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung
Maria Cäcilie Schwarm
Kosmetikerin mit oberpfälzischem Migrationshintergrund, Lothars Ehefrau
Die Ermittler
Erwin Schindler
Kriminalhauptkommissar a.D.
Heinz Havranek
Kriminalkommissar
Felix Gerstner
Kriminalhauptkommissar
Julia Billmann
Kriminaloberkommissarin
Roland Preißler
Dezernatsleiter
Die Rödnbacher Hundsweiber
Margarethe Beck genannt Beggn Gredl
führendes Mitglied der Hundsweiber und unerschöpfliche Gerüchtequelle
Felizitas Krausgenannt „die Grausi“
eine Frau mit fundierten Ansichten
Eva Lämmermann„die Lämmermänni“
Mitglied der Landwirtsfamiliegleichen Namens
Gertraud Rosskopfgenannt Traudl (Draudl)
Besitzerin eines gut erzogenen Beagles
Weitere Personen
Frau Zängerlein
ältere Dame, etwas langsam
Karl Bernreuther
Wirt des Goldenen Adler
Teresia Wimmer
Bedienung im Goldenen Adler
Erika Schnapp
Peters Schwester
Albert Schnapp
Erikas tot geglaubter Mann
Sonja Hassler
ihr Durst war ihr Verhängnis
Frau Häberlein
Nachbarin des Opfers
Frau Krämer
Noch eine Nachbarin
Bertram Wollner
aufmerksamer Beobachter
Michaela Fichtner
Milas Mutter, Kundin im BIGMA
Mila Fichtner
ihre aufgeweckte Tochter
Claudia Schwarz
Filialleiterin imBIGMA-Markt
Gertrud Buchner
eine alleinstehende alte Dame, Besitzerin der Röthenbacher Villa
Ramona Ammon
Tochter von Gertrud Buchner
Dieter Ammon
Schwiegersohn von G.Buchner
Leo Pickelmann
Alteingesessener Gärtner
Daniela Eschenbacher
Reinigungs- und Haushaltshilfe in der Villa
Hanna Kreiselmeyer
Schwester von Gertrud Buchner
Florian (Flo) Felsner
Umweltaktivist, Mann mit sozialem Gewissen
Reinhard Felsner
ein besorgter Vater
Annika Kalb
Umweltaktivistin mit einer Vorliebe für Flo
Kevin Dengler
Karatemeister
Dr. Claus W. Sebald
Rechtsanwalt
Irmgard Mörtel
Eine drahtige alte Dame
Es war mittlerweile Herbst geworden und die Zeit der großen Sommerhitze vorbei. Bald würde Peter den Apfelbaum von seiner zentnerschweren Last befreien und die prächtigen Früchte in großen Kisten im Keller einlagern. Aber das hatte noch Zeit. Die Weintrauben hingegen, die an der hölzernen Rankhilfe auf der Terrasse der Kleinleins wuchsen, waren schon erntereif. Ihr Anblick erfreute ihren Besitzer mit unverhohlenem Stolz. Mindestens einmal täglich begutachtete er erwartungsvoll lächelnd die herrlichen Trauben, die prall und dunkelblau schimmernd in großer Zahl von den Reben herabhingen. Ganz anders seine Ehefrau Marga, die eine eher skeptische Miene an den Tag legte, die unmissverständlich ein gehöriges Maß an Zweifeln und Sorge verriet. Doch davon später mehr.
Die diesjährige Ernte versprach zweifellos ein Rekordergebnis. Nach den vergangenen Jahren mit glühender Hitze und schier endlos langen Dürreperioden hatte es heuer endlich wieder ausreichend Regen gegeben, zusätzlich zu der in Zeiten der Klimaveränderung mittlerweile obligatorisch hohen Anzahl an intensiven Sonnenstunden.
Die beiden Kleinleins saßen in ihrer praktisch und doch gemütlich eingerichteten Wohnküche und gingen schweigend ihren jeweiligen Tätigkeiten nach. Die Marga wollte für das bevorstehende Wochenende einen ganz besonderen Kuchen backen. Die erfahrene Bäckerin wälzte ihre Rezeptsammlung nun schon zum zweiten Mal von vorne nach hinten durch, ohne zu einer Entscheidung gekommen zu sein. Sie unterbrach ihr Studium von Zeit zu Zeit nur für einen an Niemanden im Besonderen gerichteten Stoßseufzer: „Wenni ner scho wüssd, wossi baggnsoll. Mir fälld heid abber aa scho gornix ei. Mensch Meier!“
Sie erwartete nicht wirklich eine Antwort auf ihre ohnehin rein rhetorische Frage und sie bekam auch keine, denn ihr Ehemann, der ortsbekannte Hobbydetektiv Peter Kleinlein, war zwar körperlich vorhanden, geistig jedoch in völlig anderen Sphären unterwegs. Er hörte ihr Murmeln vermutlich nicht einmal, denn er war völlig in das intensive Studium eines Faltblattes vertieft. Es handelte sich um die reichlich kryptische Bedienungsanleitung für seinen neuen Dampfentsafter, den er sich in froher Erwartung seiner zu erwartenden Traubenschwemme angeschafft hatte.
Seit die Kinder vor vielen Jahren ihrer Wege gegangen und - teils aus beruflichen Gründen, teils der Liebe wegen – dem heimatlichen Dorf den Rücken kehren mussten, waren die Kleinleins nur noch zu zweit. Trotzdem gab es am Wochenende immer mindestens einen, manchmal zu Peters Leidwesen gleich zwei köstliche Kuchen, denen man trotz guter Vorsätze einfach nicht widerstehen konnte. Zumindest Peter konnte dies nicht und die Sache mit dem Leidwesen bezog sich nicht auf den Genuss, den er zweifellos beim Verzehr hatte, sondern auf seine Figur, die darunter verständlicherweise erheblich litt. Er trug mittlerweile einen unübersehbaren, wenig schmeichelhaften Bauchansatz vor sich her, der selbst durch einen vollständigen Verzicht auf alkoholische Getränke während des Alltags, nicht wieder verschwinden wollte. Sein Verzicht hatte sich bisher leider noch nicht in Kilo und Gramm messbar ausgezahlt.
Früher hatte er täglich zum Abendessen seine Halbe Bier getrunken. Heute gestattete er sich nur zu besonderen Anlässen eine Ausnahme von dieser selbst gewählten Abstinenz, etwa wenn man eingeladen war oder selbst Gäste zu Besuch bekam. Eine weitere Ausnahme von dieser Regel hatte ausschließlich medizinische Gründe. Diese traten regelmäßig ein, wenn er ein Meisterschaftsspiel seines Lieblingsvereins, des ehemals ruhmreichen 1. FCN, am Fernseher verfolgte. Aufgrund der dargebotenen Leistungen wurde sein Nervenkostüm oft genug auf das Äußerste strapaziert, ein Umstand, dem er nur mit einer ausreichenden Zufuhr von diesem altbewährten, flüssigen Stärkungsmittel wieder einigermaßen entgegen wirken konnte.
Dass Peter weder einem guten Kuchen, noch den meisten anderen Leckereien dauerhaft aus dem Weg gehen konnte, war nicht seine Schuld. Es lag seiner eigenen Ansicht nach vielmehr daran, dass er in einem Haushalt aufgewachsen war, in dem Mehlspeisen und andere Süßigkeiten absoluten Vorrang vor Fleisch und Wurst hatten. Daran wiederum trug hauptsächlich seine Mutter schuld, die selbst eine Schwäche für das Süße hatte und die aufgrund dieser Vorliebe zeitlebens auch mehr Geduld und Sorgfalt in die Zubereitung ihrer Leibspeisen investiert hatte. Und woran man Freude hat, das gelingt in der Regel auch viel besser. Peters Mutter hätte den Begriff Vegetarierin nicht einmal gekannt, geschweige denn definieren können und doch war sie aufgrund ihrer Vorlieben nahe daran eine zu sein. Fleisch gab es im Hause Kleinlein Senior nur, weil der Vater eher traditionell eingestellt war und zumindest am Sonntag nicht auf den gewohnten Schweinebraten mit rohen Klößen verzichten wollte. „Die Klöß sinn veredlde Kardoffel“, pflegte der Vater zu sagen und lag damit auf einer Linie mit der überwiegenden Mehrheit der Franken.
Endlich legte Peter das mehrseitige Faltblatt weg und brummte, ebenfalls ohne eine Antwort zu erwarten, vor sich hin „etz glaubi hobb ichs kabbierd“, um dann aber doch die Marga direkt anzusprechen.
„Wie lang brauchsdn du heid nu den Herd? Weil, ich wollerd dann die Weindraubn ableern und danach glei mein Draumsafd machen.“
An dieser Stelle ist es angeraten, sich etwas tiefer auf den fränkischen Dialekt und den der Röthenbacher oder Rödnbacher, wie sie sich selbst nennen, einzulassen. Nur das weiche D durch ein hartes T zu ersetzen hilft zwar oft, in diesem speziellen Fall jedoch nicht wirklich weiter. Peter sprach nicht von einem Traumsaft, was nur dann einen Sinn ergeben würde, wenn man als Besucher der Hogwarts Schule für angehende Zauberer und Hexen lernte mächtige Elixiere zusammenzubrauen, auch solche für jegliche Art von Träumen. Doch Peter war ganz sicher kein Zauberlehrling. Und daher war in seinem speziellen Fall lediglich von einem ganz normalen Traubensaft die Rede, aber auch das sorgte bei Marga für Unbehagen.
„Ach naa, woss hosdn etz scho widder vor. Mach mer fei blouß nedd widder a so a Sauerei wir letzdes Mal.“
Im Vorjahr war eine seiner Traubensaftflaschen überraschend explodiert und die dunkelrote Brühe wurde gleich der glühenden Lava eines Vulkanausbruchs an Wand und Decke geschleudert. Die Flecken, die diese gewaltige Eruption hinterlassen hatte, konnten trotz heftiger Bemühungen Peters kaum mehr beseitigen werden.
Angesichts dieser schrecklichen Erinnerungen legte die Marga auch gleich los:
„Horch amal, Beder, ich warne dich. Ich brauch nedd scho widder a weinrood gfärbde Zimmerdeggn und dazu noch den bennedranndn Geschdank, den dei Gebräu jeds mal im ganzn Haus verbreided.“
„Dou bassierd garnix“, beeilte sich Peter seiner aufgebrachten besseren Hälfte daher schnell zu versichern. „Nicht zuletzt desweeng hobb ich ja etz den neuer Dambfendsafder kaufd und im Indernedd hobbi aa in alle Dedails nachglesn, wie die Flaschn vorab bräbarierd sei müssn, dass nix mehr bassiern konn. Dess wird vill einfacher und sicherer als in die vorign Jahre.“
„Gnade dir Godd, wenn nedd. Dou konnsd di scho amal drauf eirichdn. Du wassd ja hoffndli noch, wie die Deggn vo der Küchn ausgschaud hodd, nachdem dei Mollodoff-Koggdäil in die Lufd ganger iss“, gab ihm die Marga zu verstehen. Sie war zwar kein Vulkan in eigentlichen Sinn, doch sie war durchaus in der Lage feurige Blitze auszusenden, die zweifelsfrei mit einer Naturkatastrophe mithalten konnten. Die taten das Ihrige, um ihren Standpunkt unmissverständlich klar zu machen. Im Bezug auf Verschmutzung kannte sie überhaupt keinen Spaß.
„Also, ich geh dann amal in Gardn naus und dou die Weindraubn runder“, verkündete Peter in der Hoffnung einem weiteren präventiven Donnerwetter zu entgehen, erhob sich eilig und wollte durch die Terrassentür ins Freie verschwinden.
„Spinnsd du? Abber wergli nedd mid dem weißn Hemmerd“, hörte er seine Frau entsetzt hinterherrufen. „Schald doch erschd amal dei Hirn ei, bevor dassd einfach blind los rennsd. Wenn dou a Fleggn von dene Weindraubn draufkommd, dann könner mer dess Hemd wegschmeißn!“
Das musste natürlich auch Peter einsehen. Doch kampflos wollte er das Feld nicht räumen und so erwiderte er, schon halb auf der Treppe hinauf ins Schafzimmer, wo er sich der Aufgabe angemessen umziehen wollte.
„Dou siggsd amal, dass dess alles reine Nadur iss. So a Farb iss jeder künsdlichn haushoch überlegn.“
„Dassd ner du immer dess letzde Word hobn mussd“, schimpfte sie, allerdings schon gegen die geschlossene Schlafzimmertür, hinter der Peter bereits verschwunden war, um in ein altes Hemd und eine abgetragene Jeanshose zu schlüpfen
Die Weinlese ging dann auch relativ problemlos vonstatten. Lediglich ein paar nahezu artistische Einlagen waren nötig, um an die äußersten Reben heranzureichen. Es sollte schließlich nichts verloren gehen. Glücklicherweise ging alles gut.
Er zupfte alle Beeren einzeln von den Reben und wusch sie gut ab. Das kostete einige Zeit und verursachte ihm bald wegen der gebückten Haltung unangenehme Rückenschmerzen. Er war halt schon Rentner und kein Akkordarbeiter, als IT-Mann auch zu seinen aktiven Zeiten nie gewesen. Er kippte noch die Abfälle in den Gartenkomposter und begab sich danach wieder ins Haus, wo er die Marga beim Schokolieren ihres Meisterwerks antraf. Anscheinend hatte sie sich letztendlich doch für ein Rezept entscheiden können und soweit Peter es beurteilen konnte, war es ein Eierlikörschatt geworden, sehr zu seiner Freude. Den hatte er schon immer gemocht. Die einfachen, alten Rezepte waren halt schon immer die Besten.
„Wie lang brauchsdn du nu, bis ich amal an den Herd ran konn?“, säuselte er so freundlich er nur konnte, denn er wusste, dass die Marga sich nicht gern bei der Arbeit unterbrechen ließ.
„Du wersd ers scho derwardn könner!“, erhielt er auch prompt Bescheid. Das konnte er tatsächlich, denn kurz darauf war die Marga mit ihrem Werk fertig und gab, wenn auch nicht ohne eine eindringliche Warnung an den Hobbywinzer, die Küche frei.
„Bass fei auf, dassd mer nedd widder alles versaust, dou herin iss scho butzd.“
Peter versprach es hoch und heilig. Dann ging es los. Die Flaschen wurden im Backofen bei 130 Grad sterilisiert, der neue Dampfentsafter zusammengebaut und auf den Herd gestellt.
Jetzt begann der spannende Teil des Experiments. Er füllte, getreu der Bedienungsanleitung Trauben und Wasser ein und stellte die Herdplatte auf volle Kraft. Der Auslaufschlauch war mit einer Klemme verschlossen und jetzt musste er nur noch warten. So stand es wenigstens in der Anleitung. Und tatsächlich, schon nach einer knappen Viertelstunde füllte sich der Schlauch mit einer dunkelroten Flüssigkeit. Jetzt musste er nur noch den Schlauch in die Flaschenöffnung stecken und die Auslaufsperre lösen. Heureka! Es klappte wunderbar. Der Traubensaft lief zu seinem großen Vergnügen kontinuierlich in die bereitgestellten Flaschen. Dieses Jahr würde es einfach gut werden, da war er sich ganz sicher.
Nach einer gewissen Zeit und etlichen vollen Flaschen waren seine Finger samt und sonders lila gefärbt. Ein paar Mal waren eben einige Tropfen übergelaufen und seine Fingerkuppen mit dem köstlichen Gebräu in Berührung gekommen. Hoffentlich bekam er diese auffällige Färbung wieder weg. Wenigstens die Küche hatte nichts davon abbekommen.
In dem Moment klapperte es am Briefschlitz und gleich darauf fiel etwas auf den Boden im Flur. Er war neugierig, was da gekommen sein konnte und machte sich auf, den Brief zu holen. Er staunte nicht schlecht als er den Absender sah. Denn der Brief stammte von seiner Kusine Erika, mit der er seit etwa 10 Jahren, genau gesagt seit deren 60. Geburtstag keinen Kontakt mehr hatte. Hätte er eine Bombe im Briefkasten gefunden, hätte er nicht mehr überrascht sein können.
Sie befanden sich zwar nicht gerade im Kriegszustand, doch die Verwandtschaftsbeziehung war seit einem Malheur, das Peters anlässlich ihres letzten Zusammentreffens unterlief, doch merklich abgekühlt, sogar bis nahe an den Gefrierpunkt, um bei der Wahrheit zu bleiben. So war es auch nicht verwunderlich, dass ihm ein lauter Ausruf der Überraschung entfuhr.
„Ja, woss iss denn etz los? Damid hobbi ja überhaubds nedd grechned!“
Die Marga, die sich nach getaner Arbeit auf dem Wohnzimmersofa gemütlich gemacht hatte, hörte dies natürlich, hegte sofort die schlimmsten Befürchtungen.
„Hosd widder a rechde Sauerei gmachd odder woss iss los?“, rief sie ihrem Mann zu und kam mit besorgter Miene in den Flur, um noch zu retten, was zu retten war. Sie war völlig erstaunt, als sie ihn unverletzt mit dem noch verschlossenen Brief in der Hand sah.
„Mid woss hosd du nedd grechned, Beder? Und woss hosd denn dou für an Brief in der Hand. Zeich amal her!“
Peter reichte das Schreiben wortlos weiter.
„Sach amal, woss hosd denn du für dreggerde Finger? Und dou dermid fassd du den Brief an. Männer! Wenn da etz woss Wichdigs drin iss, a amdliches Schreiben vielleichd sogar.“
„Reech di ab“, erwiderte Peter, „Dess iss nix amdliches, schau der amal den Absender an“.
„Allmächd!“, staunte nun auch die Marga. „Dess iss ja a Brief von der Erika. Woss ner die will. Die reded doch scho ganze zehn Jahr nimmer mid uns. Hoffentlich iss nix bassierd. Aufd letzdiss der Albert gschdorbn. Der hodd ja damals scho sein Namen alle Ehre gmachd.“
„Wie maansdn etz dess widder, sein Namen alle Ehre gmachd. Der hassd doch Alberd, woss hodd denn dess mid sterbn zu dou? Odder maansd du, er hodd rechd rumgealberd odder wie sollin dess etz verstäih?“
Frauen und die seine im Besonderen, konnten manchmal schon ganz gewaltige Gedankensprünge vollführen, denen ein Mann nicht gleich folgen konnte.
„Wer reded denn von dem sein Vornamen. Mid Familiennamen hassd der doch Schnapp, Albert Schnapp. Und ich seh dess heut noch wie damals vor mir, wie der im wahrsdn Sinn des Wordes die dodaale Schnabbatmung ghabd hodd. Ich hobb seinerzeit scho denkd, dass nern etz wahrscheinli glei vom Stängler haud. Und schuld warsd du, mid dein beinlichn Gschmarri. Abber dess iss etz wurschd, mach des Kuvert hald endlich amal auf!“
Peter wollte ihrer Aufforderung gerade nachkommen, da rief die Marga entsetzt aus:
„Um Godds Willn, nedd mid denne Finger. Gib her, dess machi selber.“
„Ja, dess gibds doch nedd“, stammelte sie endlich. „Mir sinn zu der Erika ihrn Siebzigsdn eigladen. Na dou binni etz abber baff.“
Damit konnte man nach zehn Jahren Funkstille nun wirklich nicht rechnen. Die Tochter seines Onkel Max, eben jene damalige Lieblings-Cousine Erika, hatte es ihm extrem übel genommen, dass er vor einer ganzen Reihe geneigter Zuhörer eine höchst peinliche Begebenheit aus der gemeinsamen Kindheit zum Besten gegeben hatte, peinlich für die Erika, wohlgemerkt. Dass Peter dabei in erheblich alkoholisiertem Zustand war, mochte den Fauxpas vielleicht erklären, machte die Sache aber unter dem Strich auch nicht besser.
Er hatte damals natürlich sofort ihre entsetzte Miene bemerkt und er hätte noch leicht die Kurve bekommen können, immerhin galt er als ziemlich wortgewandt, wenn ihm doch nur im Entferntesten klar gewesen wäre, auf welch bedrohlichen Eisberg sein zerbrechlicher Kahn gerade ungebremst zusteuerte. Doch nach ein paar Gläsern von dem guten Frankenwein und einem Grappa zur Verdauung drangen solcherart Feinheiten nicht mehr zu ihm durch. Auch die Metamorphose, die Erikas Teint durchmachte, ging komplett unbemerkt an ihm vorbei.. Von dem gepflegten hellen Bronzeton, den die Packungsbeilage ihres sündheidenteuren Kosmetikprodukt versprach, war so gut wie nichts mehr zu sehen. In Rekordzeit hatte ihr Gesicht einen deutlich tieferen Farbton angenommen, einen, den man ohne die Gefahr der Übertreibung bezichtigt zu werden, nur als puterrot bezeichnen konnte.
Das in so freudiger Feierstimmung mit vollen Sektgläsern und einem gemeinsamen „Happy Birthday to you, liebe Erika“ gestartete Fest endete seinerzeit mit einem deutlichen Missklang zwischen den beiden Kindheitsfreunden, der sich bis heute nicht gelegt hatte. Von der „lieben Erika“ hatten die Kleinleins seither gar nichts mehr gehört, geschweige denn gesehen. Peter hatte sich gescheut, den ersten Schritt zu einer Versöhnung zu machen. Als er tags drauf wieder nüchtern war, schämte er sich, angeheizt durch Margas Vorhaltungen, für das, was er angerichtet hatte, aber er hatte keine Idee, wie er seinen Fehltritt wieder gut machen konnte und unternahm daher lieber gar nichts in diese Richtung, bevor er es noch schlimmer machte. Umso überraschender kam die Einladung zum Siebzigsten, der schon in einer Woche gefeiert werden sollte. Das wollte erst einmal verdaut werden.
Peter musste wieder in seinen Saftladen zurück und Marga brauchte Zeit, den Besuch bei Erika zu planen. Friseurtermin, Kleid, Schuhe, Schmuck auswählen, Geschenk besorgen und dergleichen. Eine Woche war eigentlich viel zu kurz für eine solch komplexe Aufgabenstellung. Und dann musste sie noch überlegen, ob man den Vorfall von vor 10 Jahren versuchen sollte zu erklären oder ihn lieber ganz totschweigen sollte, jetzt, wo der Friedensprozess anscheinend wieder in Gang zu kommen schien.
Peter machte sich keine derartigen Gedanken. Er war mit seiner Saftproduktion vollauf beschäftigt. Ganze drei Stunden später, es war draußen schon dunkel und die letzte Flasche abgefüllt, da waren noch genug Trauben im Entsafter für mindestens einen weiteren Liter Saft. Im Keller fand sich keine passende leere Flasche mehr, das wusste er und so griff Peter, der noch nie um eine pfiffige Idee verlegen war, kurzerhand zu einer Sofortmaßnahme. Er nahm 2 Flaschen Kellerbier aus dem Kühlschrank, die mit dem praktischen Bügelverschluss und schenkte sich eine kühle Maß ein und schon war das Problem vermeintlich gelöst, denn jetzt konnte das Abfüllen weiter gehen.
In dem Moment kam die Marga wieder in die Küche und ertappte ihn bei einem genüsslichen Schluck aus seinem steinernen Maßkrug.
„Sauber, saach i, so kommers aushaldn. Wie lang brauchsdn nu. Dess sinn ja middlerweil scho an die zwanzg Flaschn, wos du dou hosd“, kommentierte sie.
„Ja, abber dess Jahr iss sovill Safd worn, dass die Flaschn vom Vorjahr nedd ganz glangd homm. Aber ich bin ja nedd bläid. Dou hobbi etzerdla schnell nu zwaa Halbe Bier aufgmachd, damid ich den Resd nu abfülln konn“, erklärte Peter stolz.
„Um a guude Ausred warsd du noch nie verlegn. Hoffndlich hosd dee Flaschn a sterilisierd odder brichd heud Nachd widder der Vesuv aus?“
„Allmächd! Dou hobbi etz echd nedd drandenkd. Ich hobbs hald ausgwaschn. Woss machi denn etz?“
„Dess iss mir wurschd. Abber dee Flaschn bleim auf jedn Fall nedd im Haus. Ich hobb ka Lusd auf a Dodaalrenovierung. Am besdn stellsd ers solang in Gardn naus und dann drinksd ers hald so schnell wie möglich wech“ entschied die Marga. „Dou wemmer seine Augn nedd überall hädd. Glabbsd ers aa!“
Der Tag war gekommen, an dem die lange aus ihrem Leben ausgeblendete Kusine Erika ihren siebzigsten Geburtstag feierte. Die Marga hatte sich eigens für diesen Anlass ein schickes Outfit besorgt und auch gleich für Peter ein neues Hemd mitgebracht. Seine Hose und eine dunkelblaue Jacke hatte sie ihm bereits auf seinem Bett bereitgelegt, zusammen mit dem neuen, farblich abgestimmten Hemd. Dass er die passenden Strümpfe finden würde, traute sie ihm offenbar gerade noch zu. Er wollte schon eine entsprechende Bemerkung machen, ließ es dann aber aus guten Gründen bleiben. Die Stimmung vor dem Wiedersehen mit der wiedergewonnenen Verwandtschaft musste nicht unbedingt unnötig aufgeheizt werden. Die Beiden waren ohnehin schon nervös genug und hofften inständig, dass diesmal alles gut gehen würde.
Da man in solchen komplizierten Angelegenheiten nichts dem Zufall überlassen durfte, gab die Marga ihrem Mann noch ein paar gut gemeinte Verhaltensregeln mit.
„Horch Beder, am besdn, mir haldn uns erschd amal zurügg. Keine Anspielungen auf den Aufdridd von damals, aa ka Endschuldigsversuche oder sowos. Einfach aso, als ob nie woss gwesn wär. Mid die junger Pflänzla brauchd mer vill Geduld.“
Wenn sie meinte, sie müssten sich zurückhalten, dann meinte sie damit natürlich ausschließlich ihren Mann, immerhin war er es, der damals so unglaublich tapsig ins Fettnäpfchen getreten war wie ein alter Tanzbär mit 5 Promille. Peter durchschaute ihre kaum versteckte Absicht sofort. Er antwortete daher auch ziemlich eingeschnappt.
„Du häldsd mich abber hoffndlich nedd für ganz und gar debberd. Ich bin durchaus in der Lage, mich zu benehmer.“
Glücklicherweise war die Zeit schon ziemlich knapp geworden und sie mussten sich beeilen, um nicht zu spät zu kommen, weshalb Marga auf eine unmittelbare Replik verzichtete. Dazu wäre auch später noch Zeit, falls es, je nach Verlauf des Abends, noch nötig werden würde. Sie überprüften vorsichtshalber noch einmal, ob sie auch nichts vergessen hatten, Blumen, Geschenk, das Einladungsschreiben mit der genauen Adresse der Gastwirtschaft, in der die Feier stattfinden sollte. Alles da, also konnte es ohne weitere Verzögerungen los gehen. Wenn sie über den Autobahnzubringer fahren würden statt die enge Landstraße zu nehmen, dann könnte die Zeit noch reichen, um pünktlich zu erscheinen.
Sie kamen auch rechtzeitig an, fanden schnell einen Parkplatz und betraten gleich darauf mit einem leicht nervösen Gefühl das geräumige Nebenzimmer des Lokals. Die Stimmung schien bereits ziemlich fröhlich zu sein. Warum auch nicht, die anderen Gäste hatten sicher auch keine peinliche Vorgeschichte zu verarbeiten. Das half, die Spannung bei den Kleinleins gleich zu Beginn etwas abzubauen. Sie steuerten direkt auf die Erika zu, die mitten im Raum stand, von einem Kranz von Gratulanten umgeben.
„Ach, wie schee. Da kommen ja mein lang vermissder Kusseng Beder und die liebe Marga.“
Die Erika schien es auch genau so zu meinen, wie es klang. Sie löste sich aus der Gruppe ihrer Belagerer und kam mit entgegen gestreckten Händen auf die beiden zu.
„Lassd euch begrüßn, meine Liebn. Mir homm uns ja scho so lang nimmer gsehn“, sprach sie und umarmte die Marga überschwänglich und küsste sie sogar auf die Wange, offenbar ein neuer Brauch, der in den vergangenen zehn Jahren der Entfremdung in Erikas Kreisen Einzug gehalten hatte. Die Kleinleins hatten es nicht so mit der öffentlichen Küsserei, machten aber tapfer lächelnd mit, um das zarte Pflänzchen der Wiederannäherung nicht zu gefährden. Nachdem auch Peter der gleichen Behandlung unterzogen war, gratulierten die beiden erleichtert und übergaben den mitgebrachten Blumenstrauß und das Geschenk.
„Etz derf mer abber nimmer so lang wardn“, sagte die Marga, nachdem sie sich von der Überraschung einigermaßen erholt hatte. „Ihr müssd bald amal aa widder zu uns kommer. Es gibd wahrscheinlich an ganzn Haufn zu erzähln. Wie gehds euch denn überhaubd, Erika? Guud schausd aus, ma konn ja garnedd glauben, dass du etz aa scho sibbzich bisd.“
Offenbar hatte die Erika tatsächlich vor, das alberne Kriegsbeil zu begraben und auch die Kleinleins sahen keinerlei Anlass, sich dem zu verschließen, ganz im Gegenteil. Spannungen unter Freunden und gar der Verwandtschaft waren ihnen generell zuwider. Gut, dass diese Phase jetzt endlich vorbei zu sein schien und sie dieses Kapitel endgültig der Vergangenheit zuordnen konnten, wo es am besten für immer verschollen bleiben durfte.
So verlief der Abend sehr harmonisch und in gelockerter Stimmung. Lediglich für einen ganz kurzen Moment gab es ein Missverständnis, das aber relativ schnell wieder ausgeräumt war. Peter hatte am Rande der Tanzfläche mit hochrotem Kopf, der dem seiner Kusine Erika vor 10 Jahren in nichts nachstand, auf eine gut aussehende Frau zwischen fünfzig und sechzig Jahren eingeredet. Der Marga, die dies beobachtete, gefiel das ganz und gar nicht. Ein vor Verlegenheit roter Kopf, das hatte sie bei ihrem Mann zuletzt gesehen, als er sie, damals noch ein junger Mann, zum ersten Mal angesprochen hatte. Was wollte er nur von der Unbekannten. Fast schämte sie sich ob ihrer Einbildung, konnte aber das ungute Gefühl, war es etwa gar Eifersucht, einfach nicht loswerden. Also sprach sie ihn auch sofort an, sobald er wieder am Tisch Platz nahm.
„Dee hodd der wohl bsonders gfalln, dee Rausbutzde mid dem gifdgrüner Abndgleid?“, schoss sie zielsicher den ersten Pfeil ab.
„Wie, woss?“, konnte Peter nur verwundert stammeln, da legte sie auch schon nach.
„Na, dee Dame, mid ders di du so eingehend underhaldn hosd. Auf der Danzfläche“, schob sie noch nach, damit es auch keinen Zweifel geben konnte, wovon sie sprach.
„Ach, dee“, lachte er. „Na, du wersd doch nedd etwa gar eifersüchdich sei. Dess war doch bloß a neie Freundin von der Erika, dee uns noch nedd kennd hodd. Sie hodd gfrachd, ob mir die Gleinleins sinn, von dene die Erika scho so vill erzähld hodd. Wahrscheinlich hodd dee die Skandalgschichd von der letzdn Feier in alle Dedails kennd und dess war mer nadürlich dodaal beinlich Sie hodd sich am Anfang mid ihrn Namen vorgschdelld, aber ich war glei aweng überraschd und hobb nedd gscheid hinghorchd und dann hobbin nimmer gwussd. Sie hodd immer, Herr Gleinlein zu mir gsachd, aber ich hobb mi hald nedd ums Verreggn an ihrn Namen erinnern könner. Dess war mir villeichd unangenehm. Hoffndlich hodds dess nedd gmerkd. Ich glaub, ich hobb die ganze Zeid an gnallroodn Kobf ghabd.“
Die Marga kannte ihren Mann durch und durch und konnte sich daher die Situation, die ihm so zu schaffen machte, bestens vorstellen. Sie lachte daher auch befreit und geradeheraus los. So verlief die Wiedervereinigungsfeier mit der Erika in großer Harmonie und äußerst vergnüglich ab. Peter hatte sogar ein paar Gläser Wein mehr getrunken, als es seiner sonstigen Gewohnheit entsprach, so sehr war er erleichtert über das Ende der Eiszeit. Da auch die Marga nicht abstinent geblieben war und Peter glaubte viel mehr zu vertragen als seine Frau, die nur alle heilige Zeit einmal zum Alkohol griff, übernahm er auch die Heimfahrt, ganz entgegen der ursprünglichen Planung. Er fühlte sich leicht und beschwingt, aber keineswegs fahruntüchtig.