Mords-Therapie - Günther Dümler - E-Book

Mords-Therapie E-Book

Günther Dümler

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Beschreibung

Inmitten der alljährlichen Adventsvorbereitungen, also zum denkbar falschesten Zeitpunkt trifft es Peter Kleinlein wie ein Stich mitten ins Herz. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel ereilt ihn ein Herzinfarkt. Ein leichter zwar, aber ein Infarkt ist ein Infarkt, wird der Stationsarzt nicht müde zu erklären und es bliebe immer ein gewisses Defizit zurück an dem es zu arbeiten gelte. Um seine körperliche Leistungsfähigkeit zurück zu gewinnen, tritt der Röthenbacher Hobbydetektiv eine dreiwöchige Rehamaßnahme an, im ZFARM, dem Zentrum für ambulante Rehabilitationsmaßnahmen in Nürnberg. Er trifft auf eine bunt gemischte Gesellschaft von Leidensgenossen und -genossinnen, mit denen er bald eine illustre Zweckgemeinschaft auf dem Weg zurück in die Normalität bildet. Doch dann stolpert er unerwartet über eine strangulierte Leiche und die Zeit der friedlichen Rekonvaleszenz und der aktiven Erholung ist schlagartig vorbei. Anstelle von komplizierten Krankengeschichten rücken die abenteuerlichsten Theorien über Tathergang und Täter in den Mittelpunkt der bisher so harmlosen Patientengespräche. Der Tote ist ganz sicher kein Opfer eines bedauerlichen gesundheitlichen Rückfalls geworden, wie ein kurzer Blick auf den blutunterlaufenen Hals des Toten beweist. Peters Spürnase nimmt unweigerlich Witterung auf. Und was ihm seine geschärften Sinne unzweifelhaft vermitteln ist der Geruch von Lüge und Täuschung. Selbstverständlich kann Peter gar nicht anders als sich einzumischen, denn wie nicht anders zu erwarten, können die kruden Theorien von Hauptkommissar Erwin Schindler und seinem Assistenten Heinz Havranek den Hobbydetektiv keinesfalls überzeugen.

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Seitenzahl: 231

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Mords-Therapie

Inmitten der alljährlichen Adventsvorbereitungen, also zum denkbar falschesten Zeitpunkt, als ob es dafür überhaupt jemals den richtigen geben könnte, trifft es Peter Kleinlein wie ein Stich mitten ins Herz. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel ereilt ihn ein Herzinfarkt. Ein leichter zwar, wie ihm die Ärzte im Nürnberger Klinikum versichern, aber immerhin. Ein Infarkt ist ein Infarkt, wird der Stationsarzt nicht müde zu erklären und es bliebe immer ein gewisses Defizit zurück an dem es zu arbeiten gelte.

Noch schwerer als der körperliche Schaden wiegt für ihn allerdings der Knacks, den vor allem seine empfindliche Seele erhält. Die Angst, dass der nächste, dann vielleicht sogar tödliche Treffer bereits auf ihn warten könnte, nimmt einen immer größeren Teil seiner Gedanken in Anspruch. In der Hoffnung, Antworten auf die drängenden Fragen zu bekommen, die sich ihm jetzt stellen und in dem Bestreben das verlorene Vertrauen in seine körperliche Leistungsfähigkeit zurück zu gewinnen, tritt der Röthenbacher Hobbydetektiv eine dreiwöchige Reha-Maßnahme an, im ZFARM, dem Zentrum für ambulante Rehabilitations-maßnahmen in Nürnberg.

Er trifft auf eine bunt gemischte Gesellschaft von Leidensgenossen und -genossinnen, mit denen er bald eine illustre Zweckgemeinschaft auf dem Weg zurück in die Normalität bildet. Die Therapien sind anscheinend erfolgreich. Vorsichtig beginnt er wieder nach vorne zu schauen.

Doch dann stolpert er unerwartet über eine strangulierte Leiche und die Zeit der friedlichen Rekonvaleszenz und der aktiven Erholung ist schlagartig vorbei. Anstelle von komplizierten Krankengeschichten rücken die abenteuerlichsten Theorien über Tathergang und Täter in den Mittelpunkt der bisher so harmlosen Patientengespräche. Der Tote ist ganz sicher kein Opfer eines bedauerlichen gesundheitlichen Rückfalls geworden, wie ein kurzer Blick auf den blutunterlaufenen Hals des Toten beweist.

Peters Spürnase nimmt unweigerlich Witterung auf. Und was ihm seine geschärften Sinne unzweifelhaft vermitteln ist der Geruch von Lüge und Täuschung. Selbstverständlich kann Peter gar nicht anders als sich einzumischen, denn wie nicht anders zu erwarten, können die kruden Theorien von Hauptkommissar Erwin Schindler und seinem Assistenten Heinz Havranek den Hobbydetektiv keinesfalls überzeugen.

Inhaltsverzeichnis

Mords-Therapie

Vorwort des Autors

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe:

Handelnde Personen:

Der Schock

Der arabische Patient

Tag 1 : In der Beschränkung zeigt sich der Meister

Tag 2 : Jetzt geht’s los!

Tag 3 : Schon wieder ein Schock

Tag 4 : Die Gerüchteküche

Tag 5 : Die Schattenfrau

Tag 5 : Überstunden

Tag 6 : Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln

Tag 7 : Die Nebel lichten sich

Wochenende : Küchenschlacht in der Gerüchteküche

Glossar

Vorwort des Autors

Die folgende Geschichte ist durchaus nicht frei erfunden, jedenfalls nicht soweit sie den Herzinfarkt betrifft, in dessen Folge der Hobbydetektiv Peter Kleinlein einen dreiwöchigen Reha-Aufenthalt antritt. Allerdings ist nicht die Romanfigur Opfer des Infarkts geworden, sondern der Autor selbst. Einige der zahlreichen, meist unfreiwillig komischen Begebenheiten im Umfeld der fiktiven Mordgeschichte haben sich zwar nicht ganz genau so, aber in ähnlicher Weise tatsächlich abgespielt und dienten dem Autor als Inspiration für die zugegebenermaßen hoffnungslos übertrieben komödiantische Ausmalung der einen oder anderen Sequenz, die viel eher an eine Slapstickaufführung als an eine ernsthafte gesundheitsfördernde Maßnahme denken lässt. Die Gespräche auf den Gängen, die Angebereien, die verzweifelten Kämpfe gegen Auswirkungen des Nikotinentzuges, das alles lieferte die Ideen für die im Nachfolgenden geschilderten humorvollen Dialoge. Als Beispiel mögen die häufig auftauchenden Diskussionen, den ruhmreichen 1. Fußballclub Nürnberg betreffend, dienen, dessen Geschick ein beliebtes Thema auf den Gängen und Fluren bildete. Aber seien sie beruhigt: Eine echte Reha verläuft in jedem Fall seriöser.

Insbesondere die kriminellen Aspekte des Geschehens sind reine Fiktion und haben niemals stattgefunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

Der Erholungsaufenthalt und die dabei gemachten Erfahrungen dienten lediglich als Anregung, Peter Kleinleins nächsten Fall in der Umgebung einer ambulanten Reha-Station spielen zu lassen. Die handelnden Personen sind samt und sonders frei erfunden und haben keinerlei Ähnlichkeit mit den realen Mitpatienten, Ärzten oder Therapeuten, die den Autor auf seinem Weg zur Genesung begleitet haben.

Alle im Roman verwendeten Namen sind ausschließlich seiner Fantasie entsprungen und haben nichts mit lebenden Personen gemein. Als Quelle dienten alle einigermaßen fränkisch klingenden Namen, die ihm während der Entstehung der Geschichte begegneten. Tatsächlich sind sie vornehmlich von Grabsteininschriften, Namensschildern von Busfahrern und Kaufhausmitarbeitern oder von Todesanzeigen in der örtlichen Tageszeitung entnommen, kurzum sie stammen allesamt direkt aus dem fränkischen Alltag.

Noch ein Wort zum fränkischen Dialekt. Er ist so vielfältig wie die Landschaft selbst. In jedem Ort wird er anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Solchen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen“ oder wie im Buch häufiger vorkommend, mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht.

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe:

Mords-Kerwa (Juli 2012)

Mords-Wut(Dezember 2012)

Mords-Urlaub (Mai 2013)

Mords-Schuss(August 2013)

Mords-Kerle (November 2013)

Mords-Krach (März 2014)

Mords-Brand(August 2014)

Mords-Fasching(Februar 2015)

Erstfassung Dezember 2015

Alle Rechte vorbehalten

Handelnde Personen:

Die Rödnbacher

Peter Kleinlein

Rödnbacher, Hobbydetektiv und neuerdings Herzpatient

Marga Kleinlein

seine stets besorgte Ehefrau

Simon Bräunlein

Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst

Gisela Bräunlein

seine Ehefrau, das Gehirn des Familienbetriebes

Lothar Schwarm

Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung

Maria Cäcilie Leimer

Kosmetikerin aus der Oberpfalz und Lebensgefährtin von Lothar Schwarm

Die Ermittler

Erwin Schindler

Kriminalhauptkommissar

Heinz Havranek

Kriminalobermeister

Das ZFARM-Personal

Dr. Beatrix Freitag

Ltd. Ärztin im Rehazentrum ZFARM

Sybille Thalheimer

Physiotherapeutin, die Naturburschige

Nikita (Nick) Stiller

Physiotherapeut, der Philosoph

Rosanna Ruffo

Physiotherapeutin, die italienische Sirene

Elena Stavros

Physiotherapeutin, eine Zypriotin

Ellen Wanner

Diplompsychologin

Ulla Körner

Krankenschwester

Carla Hanke

Krankenschwester mit LoBo-Frisur

Corinna Schwab

Ernährungsberaterin

Die freundlichen Damen vom Empfang, die zahlreichen stets hilfreichen Physios

Die Patienten

Anwar al-Hamadi

Der Mann mit dem traurigen Gesicht

Jörg Rohrbach

Der Neue

Olli Weiler

Kardiopatient mit einer langen glorreichen Vorgeschichte

Rigobert Purrucker

Der Mann mit den 8 Stents

Bernhard Semmler

Der Mann, der noch keen Lasder ausgelossen hat, Sachse

Wolfgang Tanner, Wotan

Der Optimist, der alle anderen aufbauen möchte

Richard Vogel

Eine sportlich aussehender, abgeklärter Zeitgenosse

Erkan Danoglou

Ein Mann der den Eingang zum Keller sucht (zum Lachen), ihn aber nicht findet, Schulterbruch

Demetrios Papastathopoulos, alias Sokratis

Der Strahlemann, ein Mann mit perfekten Manieren, aber miserablem Blutdruck

Theresia Neumann

die mit dem künstlichem Kniegelenk

Edgar Schüler

Kardiopatient mit Burnout, Freund blutrünstiger Thriller

Patrick Schlegel

Glubb-Fan mit einer Schleimförderanlage anstelle einer Lunge

Sylvia Zimmermann, alias Bella

professionelle Altenpflegerin mit allen Voraussetzungen für einen veritablen Kurschatten, trotz Rückenproblemen

Lieselotte Schaller

etwas verwirrte alte Dame im Rollstuhl

Andy Reichart

Ewig nörgelnder Patient mit einer Abneigung gegen fast alle Therapien

Farid al-Shukri

Verdächtiger arabischer Patient mit ungewöhnlichen Vorlieben, Fan der SpVgg Greuther Fürth

Werner Bäumler

Peters Ex-Kollege und kongenialer Partner zu beider aktiven Zeit

Weitere Beteiligte

Dr. Mohammed al-Saadi

Internist, Freund und Hausarzt von al-Hamadi

Jehan al-Hamadi

Die Ehefrau des Opfers

Fatima al-Hamadi

Beider Tochter

Der Schock

Es ist jetzt fast schon wieder drei Wochen her, dass Peter Kleinlein auf der Geburtstagsfeier seiner Schwägerin Elli, der jüngeren Schwester seiner Ehefrau Marga, mit einer plötzlich auftretenden, seltsamen Mattigkeit zu kämpfen hatte. Ein ungewohntes Gefühl hatte sich unmittelbar nach dem letzten Tanz in ihm breit gemacht, das er nicht recht zu deuten vermochte. Er hatte urplötzlich enorme Mühe Luft zu holen. Es fühlte sich an, als ob ein zentnerschwerer Mühlstein auf seinen Schultern liegen, seine Lungenflügel zusammendrücken und mit Macht jeglichen Atem herauspressen würde. Peter war jedoch noch nie in seinem mittlerweile fast siebzigjährigem Leben Müller, noch pflegt er für gewöhnlich solch schwere Lasten auf seinen Schultern spazieren zu tragen. Er war sein Lebtag lang ein IT-Spezialist, ein Schreibtischtäter und befindet sich nun im Ruhestand, seit sieben Jahren schon. Der Stress des täglichen Funktionierenmüssens liegt weit in der Vergangenheit und ist bereits komplett vergessen. Druck verspürt er seitdem nicht mehr. Weder seelisch, noch körperlich. Daher war ihm mit einem Schlag klar, dass hier etwas überhaupt nicht stimmte. Die ungeheuere Enge, die er verspürte und die jeden Atemzug zur Qual machte, war von einer Art und ungeheuren Intensität, die er so nicht kannte. Müde zu sein fühlte sich entschieden anders an. Die Atemlosigkeit hatte ihre Ursache aber auch nicht in dem wilden Tanz, zu dem ihn die meist jüngeren Festgäste animiert und mit auf die Tanzfläche geschleift hatten. Auch dieses Gefühl hätte er sicher erkannt. Es war einfach anders. Es fühlte sich so seltsam fremd an, dass er es sich nicht erklären konnte. Auch seiner Marga nicht, die ihn aufgrund seines überraschten Gesichtsausdruck fragend ansah.

„Woss issn Beder? Du schausd richdi kabudd aus. Ich maan, etzerdler werds langsam Zeid, dass mer hamm gänger. Du gfällsd mer im Momend garnedd.“

Dass er ihr nicht gefiel stimmte so nicht ganz. Er gefiel ihr im Allgemeinen sogar ausnehmend gut und heute ganz besonders. Schick sah er aus in seinem Festtagsanzug und der silbergrauen Krawatte, die inzwischen, auch infolge der heftigen Verrenkungen und der damit unmittelbar verbundenen Hitzewallungen, schon lange auf Halbmast hing. Die meisten anderen Gäste hatten die ihren schon lange abgenommen oder von vorne herein auf den als altmodisch verrufenen Kulturstrick verzichtet. Was Marga vielmehr meinte war, dass Peter nicht gesund aussah und ihr sein Zustand nicht gefiel. Die anderen Gäste hatten allesamt noch nichts bemerkt, seine bessere Hälfte kannte ihn jedoch in und auswendig und wusste genau wie er selbst augenblicklich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

„Etz iss ja aa scho glei vierer in der Fräih, dou iss schließli nimmer grad zu bald, wemmer hamm gäihd. Kumm, mir soong ade zu der Elli und zum Manfred und dann fahr mer. Drink dei Zeich aus und dann bagg mers. Iss sowieso nu a weider Weech bis hamm nach Rödnbach.“

Wenn es eines weiteren Indiz‘ für Peters Zustand bedurfte hätte, dann hätte die Marga es aus der Tatsache erhalten, dass ihr Mann sofort aufstand und sein halb volles Glas einfach unbeachtet stehen ließ.

Im Auto wurde es nicht besser. Peter hing leicht nach vorne gebeugt in einer reichlich unnatürlichen Haltung auf dem Beifahrersitz. Sein Atem ging schwer. Nach wenigen Kilometern war beiden klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Es war Sonntag früh, ein Arzt wäre im jedem Fall nur über einen Notdienst erreichbar. Da kann man es getrost als Glück im Unglück bezeichnen, dass die Kleinleins auf ihren Nachhauseweg von Schwabach, wo die Feier zu Ellis sechzigstem Geburtstag stattgefunden hatte, über die Autobahn mussten und dass gerade in diesem Augenblick das blaue Schild mit dem Hinweis auf die Abfahrt Nürnberg-Langwasser aus dem Dunkel auftauchte, mit der Zusatzinformation Klinikum Nürnberg-Süd. Kurz entschlossen setzte Marga, die auch ohne Peters aktuelles Problem, allein schon aus alkoholtechnischen Gründen als Fahrerin eingeplant gewesen wäre, den Blinker und nahm zügig die Ausfahrt. Weitere zehn Minuten später standen die beiden bereits vor dem spärlich beleuchteten Haupteingang des Klinikums. Einen Parkplatz hatten sie, was um diese Zeit nicht verwunderte, unmittelbar vor dem dorthin führenden, überdachten Weg gefunden. Ein Umstand, der tagsüber gut und gerne einem Sechser im Lotto gleichgekommen wäre. Es war inzwischen kurz vor fünf Uhr morgens und es regnete leicht.

Der Haupteingang ist ab 21.00 Uhr geschlossen. Bitte benützen sie den Eingang über die Notaufnahme.

So stand es auf dem Schild zu lesen, das an der gläsernen Eingangstür angebracht war. Soweit, so gut, aber wohin musste man sich nun wenden? Die Kleinleins waren nun mal keine Nürnberger, sondern stammten aus dem kleinen Örtchen Röthenbach, das etwas mehr als eine halbe Fahrstunde von der Großstadt entfernt liegt und sie hatten daher auch noch nie das Nürnberger Klinikum besucht, weder als Patient, noch als Besucher. Peter fiel das Atmen von Minute zu Minute schwerer. Zu allem Überfluss stellte sich auch noch ein beängstigendes Stechen in der linken Lungenhälfte ein. Dennoch schafften sie es, im Dunklen den Fußweg zu finden, der zu dem ein Stockwerk tiefer gelegenen Eingang der Notaufnahme führt.

Sofort wurden sie von einer jungen Dame, welche eine warme Strickweste über der Schwesternkleidung trug, an der Rezeption in Empfang genommen. Sie wirkte müde und erschöpft. Ihre Schicht hatte wohl schon viele Stunden gedauert und neigte sich hoffentlich bald dem Ende zu. Peters Personalien wurden aufgenommen. Er hatte aufgrund der Atemnot und der mittlerweile immer stärker werdenden Schmerzen große Mühe zu sprechen. Die Daten seines Versichertenkärtchens, das er glücklicherweise immer in seinem Geldbeutel mit sich führte, wurden erfasst. Danach ging alles ganz schnell. Er wurde in einen Raum geführt, wo er sich auf einer Liege lang austrecken sollte. Seine Schuhe und seine warme Jacke wurden in einen großen Plastikbeutel gepackt und am Fußende der Liege deponiert. In seine linke Ellenbogenbeuge wurde eine Nadel gestochen und befestigt. Das geschah alles ganz unaufgeregt und nach einem tausendfach erprobten Ritual.

Die Marga musste derweil in sichtlicher Sorge zurück bleiben. Von nun ab überschlugen sich die Ereignisse. Kurze Zeit nach einer Blutentnahme betrat ein grün gewandeter Arzt den Raum, Peter tippte auf eine Herkunft irgendwo aus Asien. Indien oder Pakistan vielleicht. Er teilte Peter mit, dass es sich wohl um einen, wenn auch leichten Herzinfarkt handeln würde. Diese Nachricht traf den Patienten wie ein heimtückischer Überfall aus dem Hinterhalt, wie ein Hieb den man nicht kommen sah und gegen den man keinerlei Abwehrmöglichkeit hatte. Als notorischer Optimist hatte er sich auf der Fahrt ins Krankenhaus die beruhigende Theorie zurechtgelegt, der zufolge sich wohl infolge der wilden Tanzerei ein Wirbel verklemmt hätte, ein Problem, das der Doktor mit einer harmlosen Spritze schnell und problemlos erledigen könnte. An einen Herzinfarkt hatte er nicht im Entferntesten gedacht.

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Die Marga saß derweil im Warteraum der Notaufnahme und rutschte unruhig und nervös auf der unbequemen Bank hin und her. Jetzt war ihr Ehemann schon seit weit mehr als einer Stunde in den Behandlungsräumen verschwunden und sie hatte noch immer keine Nachricht darüber, wie es ihm ging und was eigentlich Sache war. Eine ganze Stunde! War denn kein Arzt verfügbar? Oder war es am Ende sogar so ernst, dass die Behandlung aufgrund der Schwere des Falls so lange dauern musste? Die Ungewissheit machte ihr sehr zu schaffen. Alle möglichen und mit zunehmender Wartezeit auch unmöglichen Vorstellungen schossen durch ihr Gehirn. Er wird doch nicht … Um Gottes Willen! Nein, dann hätte sie doch erst recht schon Bescheid bekommen. Nein, es würde sicherlich nichts Schlimmes sein. Das durfte es auch gar nicht. Sie brauchte ihren Peter doch noch länger.

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Der wurde inzwischen mit Medikamenten versorgt. Zu allererst hatte man ihm etwas gegen seine Schmerzen gegeben und nach gesicherter Diagnose auch blutverdünnende Mittel. Nachdem die akute Gefahr offenbar beseitigt war und nach Abschluss der Notfallmaßnahmen wurde er auf ein Zimmer gebracht, wo er erstmals wieder mit seiner Marga sprechen konnte. Sie hatte sich natürlich immense Sorgen gemacht, die mit jeder Minute, die sie ohne Information im Wartezimmer der Notaufnahme verbracht hatte, noch an Stärke zugenommen hatten. Auch noch jetzt war sie völlig aus dem Häuschen, ganz im Gegensatz zu Peter, der erstaunlich ruhig wirkte. Er befand sich offenbar in einem gewissen Schockzustand. Ein Schutzmechanismus des Unterbewusstseins verhinderte anscheinend, dass er die volle Tragweite der niederschmetternden Nachricht erkannte und sorgte dafür, dass er sich in seinen Gedanken ausschließlich mit den organisatorischen Konsequenzen seines Zustandes beschäftigte. Was würde die Marga jetzt ohne ihn anfangen? Seltsamerweise machte er sich Sorgen um den Weihnachtsschmuck, die Dekoration des Hauses, die noch nicht einmal halbwegs fertiggestellt war. Und dabei war das Kleinleinsche Anwesen doch immer eines der am schönsten geschmückten im ganzen Ort. Wer sollte jetzt den schweren Nikolaus mitsamt seinem Rentierschlitten auf das Vordach stemmen und befestigen? Wusste die Marga eigentlich wie man, wie man … Über all diesen Nebensächlichkeiten fielen ihm die Augen zu und er dämmerte kurzzeitig weg.

Als er wieder erwachte, hatte sich die Marga erstaunlich verändert. Erst nach einigen Sekunden, die er brauchte um richtig wach zu werden, erkannte er, dass anstelle Margas jetzt eine Ärztin an seinem Bett stand, die ihm verkündete, dass in den nächsten Stunden der Herr Professor eine Herzkatheteruntersuchung bei ihm durchführen würde. Danach würde man weitersehen. Er musste eine ganze Menge Informationsmaterial lesen, von dessen Inhalt er das meiste schon wieder vergessen hatte, als er sein Einverständnis zu dem Eingriff und seinen möglichen Konsequenzen am Ende per Unterschrift auf dem Formblatt erklärte. Ging ja auch gar nicht anders.

Eine Schwester holte ihn samt seinem fahrbaren Bett ab und schob ihn durch ein Labyrinth von Gängen, deren Flügeltüren sich wie von Geisterhand vor ihm öffneten. Schon bald hatte er die Übersicht verloren. Am Ende landete er in einem Operationsraum, der ihn eher an einen Kinosaal als ein Krankenhaus erinnerte und ihm wurde mit einem Schlag klar, warum die Engländer in diesem Fall von einem „Operating Theatre“ sprechen. Monitore überall, eine ganze Wand war vollgepackt damit, über ihm an der Decke hing ein riesiger Apparat, gleich einer metallenen Krake, mit an den Enden der Fangarme befestigten hochkomplizierten medizinischen Geräten, die sich, sobald der Professor mit der Katheteruntersuchung begonnen hatte, im Wechsel von ihn weg und dann erneut auf seine Brust zubewegten. Auf einem der Monitore konnte man nun Peters Brustkorb erkennen, das heißt er konnte es erst, als ihm der Professor die Abbildungen erklärte. Da gab es einen dunklen Fleck, der sein Herz darstellte und in unmittelbarer Umgebung zwei dicke, ebenfalls dunkle Linien von etwa einem halben Zentimeter Durchmesser, dazwischen ein dünner Strich der in etwa die Stärke einer Paketschnur aufwies.

„Sehen sie, Herr Kleinlein“, erklärte der offenbar gut aufgelegte Professor, „das sind die Arterien, die ihr Herz mit Blut versorgen und das da in der Mitte, das ist unser Problem, das ihnen aktuell so zu schaffen macht. Die sollte genauso dick dargestellt werden wie die beiden anderen, ist sie aber nicht, weil sie nahezu völlig verstopft ist. Ich werde ihnen jetzt einen sogenannten Stent einsetzen, der die Ader wieder aufdehnt und voll funktionsfähig macht. Danach sind sie wieder fast wie neu.“

Die sympathische und vor allen völlig entspannte Stimme des Arztes verfehlte ihre Wirkung auf Peter nicht. Er war sich in diesem Moment völlig sicher, dass nun alles wieder ins Lot kommen und er bald wieder ganz hergestellt sein würde. Dass er als Kassenpatient vom Professor persönlich operiert wurde oder war das technisch gesehen gar keine richtige Operation, er wurde ja nicht einmal aufgeschnitten, das verwunderte ihn schon. Später erfuhr er, dass der Professor ohnehin zur Sonntagsvisite im Hause war und man die Gelegenheit genutzt hatte, ihn, Peter Kleinlein, so schnell wie möglich zu versorgen. Der ganze Vorgang dauerte nicht sehr lange, obwohl Peter beim besten Willen keine verlässliche Angabe über die Dauer des Eingriffs hätte machen können. Irgendwie hatte ihn der ganze Vorfall so sehr aus seiner Routine gerissen, dass sein Zeitgefühl doch sehr gelitten hatte. Als der dünne Schlauch, den man ihm auf Hüfthöhe in die Arterie geschoben hatte, wieder entfernt war, zeigte ihm der Professor gut gelaunt ein neues Bild seines „reparierten“ Herzens auf dem Monitor.

„So, jetzt haben wir es geschafft. Schauen sie, da in der Mitte, diese Arterie ist jetzt mindestens genauso durchlässig wie die beiden anderen. Ich würde sagen, der Eingriff ist bestens gelungen. Das Gefäß sieht wieder aus wie eine eins, ach was, eine eins plus.“

Genauso fühlte sich Peter auch. Keine große Operation und anscheinend auch kein großer bleibender Schaden am Herzen. Er war einfach nur froh und glücklich. In diesem Jahr hatte er sein Weihnachtsgeschenk schon etwas früher bekommen. Die Nacht musste er trotz des guten Verlaufs auf der Intensivstation verbringen. Aus dem Weg dorthin hörte er dumpf die beiden Krankenschwestern miteinander sprechen, wie sie über das geeignete Zimmer berieten, während sie sein Bett durch die Gänge schoben.

„Fahr mern am besdn auf die Viererzwanzich. Die Fümferzwanzich hald mer uns in Reserve, falls villeichd doch noch a ernsder Fall reikummd.“

Falls ein ernster Fall hereinkommt. Das relativierte die Vorstellung, die Peter mit dem Begriff Intensivstation bisher verbunden hatte und die, so lange er zurückdenken konnte, immer so etwas wie höchste Alarmstufe vermittelte, zumindest ein wenig. In der jetzigen Situation war alles, was zu seiner Beruhigung beitragen konnte natürlich herzlich willkommen. So auch diese so leicht dahin gesagte Bemerkung, die seinen Fall, zumindest in den Augen der Profis, als weniger kritisch einstufte als er selbst es getan hatte. Der Grad seiner Entspannung erreichte ein neues Niveau. Anscheinend war er noch einmal davon gekommen. Er war dankbar und zufrieden.

Die Nacht verlief ruhig, wenngleich er es als sehr unangenehm empfand, dass er wegen des Druckverbandes, den man zum Verschließen der Einschnittstelle an der Leiste anlegen musste, gezwungen war still zu liegen und man ihm deshalb eine Urinflasche zur Benutzung im Bedarfsfalle an sein Bett gehängt hatte. Ihm war das alles extrem peinlich, auch wenn dies für die Pflegerinnen und Pfleger eine selbstverständliche und alltägliche Routine darstellte. Und nichts trinken, wie er sich das anfangs gedachte hatte, das kam überhaupt nicht in Frage, darauf achtete das Krankenhauspersonal peinlichst genau. Alle halbe Stunde weckte ihn, sofern er doch einmal ein bisschen eingenickt war, ein Brummen zur Linken und das daraufhin folgende Aufpumpen der Blutdruckmanschette. Die Werte, die er auf dem über seinem Bett angebrachten Monitor verfolgen konnte, trugen zu seiner weiteren Beruhigung bei. Alles gut!

Der arabische Patient

Am frühen Morgen, für die anderen Patienten gab es gerade Frühstück, durfte er bereits zurück auf sein „altes“ Zimmer. Er hatte in der Zwischenzeit einen Zimmergenossen bekommen. Auf dem Bett gegenüber saß, auf der Bettkante balancierend ein älterer Herr mit unheimlich traurigen Augen, schneeweißem, sauber gestutzten Dreitagebart und einem Haarschnitt, der ihn zusammen mit seiner markanten, fleischigen Nase und den typischen Gesichtszügen in Peters Augen eindeutig als Orientalen auswies. Er tippte auf den Nahen Osten oder eventuell Nordafrika. Der Mann verzog sein leidendes Gesicht zu einem freundlichen Grinsen, wandte sich dann aber gleich wieder ab. Er schien etwas scheu zu sein. Vielleicht hatte er ja auch Schwierigkeiten, sich in Deutsch auszudrücken. Das war wenigstens Peters erster Eindruck.

Im Moment war ihm dies ganz recht, denn er war verständlicherweise rechtschaffen müde. Immerhin hatte er seit Samstagfrüh keine Minute mehr geschlafen. Den Tag über hatte es zuhause genug zu tun gegeben, am Abend waren sie dann zur Geburtstagfeier aufgebrochen, hatten die ganze Nacht durchgefeiert und dann kam die aufregende Zeit in der Notaufnahme, gefolgt vom Eingriff mit dem Herzkatheter, und einer weiteren durchwachten Nacht auf der Intensivstation. Peter war daher gänzlich ermattet und fiel, obwohl völlig überdreht, in einen unruhigen Schlaf. Als er wieder aufwachte, wurde gerade das Mittagessen gebracht. Die Pflegerin fragte ihn, ob er am Tisch oder auf seinem Bett sitzend essen wolle. Er entschied sich für den Tisch. Es ging ihm gut genug und er wollte so bald wie möglich zur Normalität zurückkehren. So kam es, dass er seinem Zimmerpartner, Anwar al-Hamadi, wie er später mittels eines interessierten Blicks auf das Namenschild an gegenüberliegenden Bett feststellte, erstmals aus nächster Nähe in die auffällig traurigen Augen blickte. Sie verständigten sich mit Gesten und den wenigen deutschen Worten, die al-Hamadi beherrschte, wobei das Wort beherrschte bereits eine Übertreibung darstellte. Wahrscheinlich war er noch ganz neu in Deutschland, vielleicht sogar einer der vielen hunderttausenden von Flüchtlingen, die gegenwärtig Deutschland auf der Flucht vor Terror und Krieg in ihren Heimatländern buchstäblich überfluteten. Dass er gläubiger Moslem war, wurde sehr schnell klar, als er, mit dem Finger auf sein Fleisch deutend das Wort „Schwein?“ radebrechte. Peter war sich eigentlich ganz sicher, dass es sich um ein Putenschnitzel handelte, denn er hatte das gleiche Menu auf seinem Teller liegen, wollte aber sicher gehen, dass er sein Gegenüber nicht in einen Gewissenskonflikt stürzte und stand auf, um sich vorsichtshalber bei den Schwestern zu erkundigen. Auf seine entsprechende Frage antwortete die Schwester freundlicher, als Peter aufgrund der unwillkommenen Störung erwartet hätte:

„Der Herr al-Hamadi? Der hat, so viel ich weiß, Putenfleisch bestellt. Dann ist es sicher auch Pute.“

Peter dankte und machte sich auf den kurzen Weg zurück. Die Schwester schaute verwundert hinterher. Was das wohl für einer war, der gleich, kaum dass er sich wieder einigermaßen auf den Beinen halten konnte, den Dolmetscher und Betreuer seines Mitpatienten spielte? Zurück im Zimmer gab Peter dem Leidensgefährten die gewünschte Auskunft. In Englisch zunächst. Turkey. Wobei er bei der bewährten Kommunikationsmethode blieb und mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das inzwischen kalte Schnitzel deutete, damit es kein sprachliches Missverständnis gab, denn Turkey bedeutet im Englischen auch Türkei. Nicht dass der Mann glaubte er wolle wissen, ob er aus der Türkei stamme und noch dazu, dass Peter ein neugieriger Mensch wäre. Wieder dieses bemühte, aufgesetzte Lächeln. Gegessen hat er das Fleisch dann doch nicht. Vielleicht hatte er Angst, dass zwar das Fleisch von der Pute stammte, die Soße aber doch aus Schwein hergestellt wurde oder dass sie wenigstens mit Speck angereichert war. Ein Problem, das Peter aus seiner früheren Firma sehr gut kannte, wo es regelmäßig mit dem Kantinenkoch Krach gab, nur weil das vermeintlich moslemisch unbedenkliche Essen in einem Behälter erwärmt wurde, der irgendwann schon einmal das verbotene Schweinefleisch enthalten hatte. Tatsächlich aß der Mann lediglich den trockenen Reis. Wie konnte er nur damit auskommen, wo Peter selbst nachdem er alles aufgegessen hatte, immer noch einen heftig nagenden Hunger verspürte. Doch in dieser Hinsicht sollte es bald Aufklärung geben.

Kurz nach dem Essen erschien eine mit Ausnahme des obligatorischen Kopftuchs durchaus europäisch gekleidete Frau um die Fünfzig, offenbar die Ehefrau des Mannes und brachte in einem blank polierten Kochgeschirr eine hausgemachte Mahlzeit, über die sich der Hungrige dann auch sofort eifrig hermachte. Mit seiner ausgestreckten Handfläche deutete er auf den Topf und lud Peter auf diese Weise offensichtlich ein, mitzuessen, was dieser jedoch dankend ablehnte. Zumal er nicht sicher war, ob die Geste nicht nur der im Orient häufig anzutreffenden Gastfreundschaft geschuldet war, einer traditionellen Formalie, die vielleicht gar nicht wortwörtlich genommen werden durfte. Wie wenig er eigentlich über diese Dinge wusste, ob wohl ihn dieser Teil der Welt schon immer fasziniert hatte. Allein Ägypten hatten er und seine Marga immerhin schon drei Mal und zuletzt noch einmal mit den Röthenbacher Freunden im Rahmen einer Bildungsreise besucht. Die paar Brocken, die er sich damals angeeignet hatte, um etwa ein Essen bestellen und um zudringliche Bakschischjäger abweisen zu können, reichten natürlich nicht aus, um dem Gespräch folgen zu können, waren jedoch gut genug um zu erkennen, dass die Eheleute miteinander arabisch sprachen. Ein krächzender Kehllaut jagte den anderen. Einige Worte erkannte er sogar ganz deutlich, so dass er sicher sein konnte. Aiwa, aiwa. Ja, ja. Die Ehefrau schien genaue Anweisungen zu bekommen, was daheim im Sinne des Hausherrn erledigt werden musste. Immerhin kam von ihm zwischendurch auch einmal ein kehliges Schukran, wenn auch bedeutend seltener, was danke bedeutete und zu Peters touristischem Minimalwortschatz gehörte.

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Nachmittags erschien erneut Besuch. Vier Männer auf einmal, alle viel jünger als al-Hamadi, durch die Bank bärtig und der arabischen Sprache mächtig. Mächtig vor allem in Bezug auf die Lautstärke, mit der sie ihre Unterhaltung führten, aber auch die ausladende Gestik betreffend, die Peter mehr an das Feilschen in einem orientalischen Souk erinnerte als an einen Krankenbesuch. Alle Neuankömmlinge begrüßten den Patienten mit mehreren Küssen auf beide stachligen Wangen, einer drückte sogar seine Lippen auf dessen Hände. Peter fühlte sich an eine Audienz beim Papst oder einem exotischen Würdenträger erinnert. Anscheinend nahm sein Mitpatient in den Augen seiner Besucher eine besondere Stellung ein. Ob es sich wohl um seine Söhne handelte? Ihm selbst war die Lautstärke egal, fast schon willkommen nach der Funkstille, die durch die mangelnden Deutschkenntnisse seines Gegenübers bedingt, die meiste Zeit herrschte. Er schloss seine Augen und versuchte ein wenig zu entspannen. Der Schlafmangel der letzten Tage war lange noch nicht kompensiert.