Mords-Kerwa - Günther Dümler - E-Book

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Günther Dümler

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Beschreibung

Die meisten der handelnden Personen sind Einwohner des imaginären Dörfleins Rödnbach, wie es die Einheimischen liebevoll nennen. Ein kleiner Ort, wie viele andere irgendwo in Mittelfranken. Die Bevölkerung spricht meist den heimischen Dialekt, gerade so wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Der Charakter der Bewohner ist noch weitgehend unverfälscht und nur wenig beeinflusst vom Zeitgeist. Sie pflegen ihre geliebten Traditionen und das Wirtshaus hat noch immer eine gemeinschaftsfördernde Funktion. Man lässt den Feierabend ausklingen, spielt Karten. Am Stammtisch wird politisiert und man bespricht die neuesten Nachrichten aus der großen und kleinen Welt. So auch an jenem Tag, der die Idylle nachhaltig stören und an dem das Böse die fragile Oberfläche aus Sicherheit und beschaulicher Ruhe durchbrechen und sich gewaltsam Raum verschaffen sollte. Die im Goldenen Adler versammelte Schafkopfrunde wartet vergeblich auf den vierten Mann. Doch Georg Schiffermüller kommt nicht, denn er liegt mausetot im Wohnzimmer seines schmucken Eigenheims. Für die Kripo ist die Indizienlage eindeutig: Selbstmord mittels einer Überdosis Schlaftabletten aufgrund wirtschaftlicher Probleme. Ein Abschiedsbrief an seine "geliebte Liesl" liegt unübersehbar neben der leeren Tablettenschachtel. Peter Kleinlein, Kartelbruder und Freund Georgs aus gemeinsamen Schultagen hat seine Zweifel am Selbstmord, die im Laufe seiner Ermittlungen immer stärker zu Tage treten und ermittelt auf seine Weise. Er kennt Georg nur als lebenslustigen, tatkräftigen Mann, für den ein Selbstmord keinesfalls in Frage käme. Eifrige Helfer sind seine Frau Marga, der Metzgermeister Simon Bräunlein, dessen gewiefte Gattin Gisela und der eher schüchterne Dorffigaro Lothar Schwarm, in deren Geschäftsräumen die örtliche Gerüchtebörse ihren Hauptsitz hat. Im Umfeld der "Rödnbacher Kerwa" ermittelt das schrullige Team mit oftmals unorthodoxen Methoden und verblüfft schließlich alle mit seinen erstaunlichen Schlussfolgerungen.

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Seitenzahl: 237

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Mords-Kerwa

Das Dörflein Röthenbach oder Rödnbach, wie es die Einheimischen liebevoll nennen, ist ein kleiner, imaginärer Ort, irgendwo in Franken. Der Charakter seiner Bewohner ist noch weitgehend unverfälscht und nur wenig beeinflusst vom Zeitgeist. Sie pflegen ihre geliebten Traditionen und das Wirtshaus hat noch immer eine stark gemeinschaftsfördernde Funktion. Man lässt den Feierabend ausklingen, spielt Karten. Am Stammtisch wird politisiert und man bespricht die neuesten Nachrichten aus der großen und kleinen Welt und das alles in urig heimischem Dialekt. So auch an diesem Freitag, dem Tag, der die Idylle nachhaltig stören sollte und an dem das Böse die zerbrechliche Oberfläche aus Sicherheit und beschaulicher Ruhe durchbrechen und sich gewaltsam Raum verschaffen sollte.

Die versammelte Schafkopfrunde wartet vergeblich auf den vierten Mann, der bis jetzt noch nicht erschienen ist. Er wird auch nie mehr erscheinen, denn Georg Schiffermüller liegt mausetot im Wohnzimmer seines schmucken Eigenheims. Nach Ansicht der Polizei ist die Indizienlage eindeutig: Selbstmord aufgrund wirtschaftlicher Probleme!

Peter Kleinlein, einer der Kartelbrüder und Freund aus gemeinsamen Schultagen hat seine Zweifel, die im Laufe seiner Ermittlungen immer stärker zu Tage treten. Am Ende verblüfft er alle, Polizei und Mitbürger gleichermaßen, mit seinen erstaunlichen Schlussfolgerungen.

Inhaltsverzeichnis

Mords-Kerwa

Inhaltsverzeichnis

Bisher erschienene Bücher der Rödnbach-Reihe

Vorwort

Handelnde Personen:

Rödnbach

Entdeckungen

Der Goldene Adler

Das traurige Ende des Georg Schiffermüller

Eine schwerer Tag

Tiefgründige Gedanken

Erste Zweifel

Geheimwaffe Donauwelle

Peter hat (wenig) Skrupel

Fleischliche Gelüste

Die Bombe

Gisela hat einen Verdacht

Ein erfolgreicher Ausflug in die Stadt

Bittere Selbstvorwürfe

Nicht nur der Glubb iss a Debb

Ein feierlicher Beschluss

Schon wieder eine Beerdigung

Der Braten in der Röhre

Ein früher Gast

Die Inspektion der Rostlaube

Kommissar Schindler weiß Bescheid

Wilma Hauenstein

Der Kampf mit dem Zerberus

Kerwa-Samsdooch

Das Geheimnis der verschwundenen Flasche

Finale furioso

Betzentanz

Fredi Leipold und die ewige Treue

Glossar

Bisher erschienene Bücher der Rödnbach-Reihe

Erstfassung Juli 2012

Alle Rechte vorbehalten

Vorwort

Die folgende Geschichte ist durchaus nicht frei erfunden, jedenfalls nicht vollständig. Das kann sie auch nicht. Es gibt immer Erfahrungen, die ein Autor in seinem Leben gemacht hat, die auf die eine oder andere Weise in einen Roman einfließen. In die Sprech- und Handlungsweisen seiner handelnden Personen etwa. Einige der zahlreichen, unfreiwillig komischen Begebenheiten im Umfeld der fiktiven Mordgeschichte haben daher einen durchaus handfesten Hintergrund. Es handelt sich um Szenen, wie sie tagtäglich im fränkischen Alltag vorkommen. Wer kennt ihn nicht, den rundlichen, gemütlichen Typ, der oft nur so lange ausgeglichen erscheint, wie er in seiner eigenen kleinen Gedankenwelt leben darf, der aber auch heftig poltern kann, wenn er gestört wird oder den siebengescheiten Besserwisser, der alle, die zurückhaltend agieren für dumm und einfältig hält. Einige dieser realen Erfahrungen mit diesen kantigen Typen dienten dem Autor als Inspiration für die zugegebenermaßen hoffnungslos übertrieben komödiantische Ausmalung der einen oder anderen Sequenz, die sich Leser zu Recht im wahren Leben so nicht erwarten würde.

Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind jedoch 100% reine Fiktion und haben niemals stattgefunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

Als Quelle für die Namensgebung dienten alle einigermaßen fränkisch klingenden Namen, die dem Schreiberling während der Entstehung der Geschichte begegneten. Tatsächlich sind sie vornehmlich von Grabsteininschriften, Namensschildern von Busfahrern, Kaufhausmitarbeitern oder von Todesanzeigen in der örtlichen Tageszeitung entnommen, kurzum sie stammen allesamt direkt aus dem fränkischen Alltag.

Noch ein Wort zum fränkischen Dialekt. Er ist so vielfältig wie die Landschaft selbst. In jedem Ort wird er anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Personen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen“ oder mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht. Bei Simon Bräunlein hängt die Tiefe seiner Dialektsprache oftmals vom Grad seiner Erregung ab, je ärgerlicher er ist, umso fränkischer wird er und umso weniger legt er Wert auf Verständlichkeit.

Wie man sehr schnell erkennen kann ist das Fränkische eine sehr weiche Sprache. Damit entspricht sie ganz der Seele der Einheimischen, die sich oft durch einen schier undurchdringlichen Mantel auszeichnet, der aber nur dazu dient, einen unendlich gutmütigen, samtweichen Kern zu schützen. Ein K kommt als G daher, man unterscheidet zwischen einem harten und einem weichen B, wobei das harte eigentlich ein P wäre. Ebenso hält er es mit den Buchstaben T und D. Den Namen Theodor schreibt man also mit einem harddn D.

Den „ou“-Laut im Wort Bou darf man sich übrigens sehr ähnlich dem englischen „ow“ in „I know“ vorstellen. Für viele Laute gibt es gar keine tauglichen Buchstaben. Als Beispiel mögen die berühmten „3 im Weckla“ dienen. Ein echter Franke würde es wohl am ehesten als „3 im Weggler oder Weggläh“ aussprechen. Daher gibt es auch in diesem Buch keine einheitliche Schreibweise für manche Begriffe. Vieles hängt eben auch von dem jeweiligen Sprecher ab.

Mehr zur Aussprache muss man eigentlich nicht wissen, denn die Rödnbacher gehören allesamt zu der überwiegenden Gruppe der Franken, die beim Balanceakt zwischen dem urwüchsigen Dialekt und dem Hochdeutschen einen Mittelweg bevorzugen. Sie sprechen also mehr oder weniger ein fernsehtaugliches Fränkisch, vergleichbar mit dem Ohnsorg-Platt, dem Millowitsch-Köllsch und dem Komödienstadl-Bayrisch. Es bleibt ihnen schon gar nichts anderes übrig, wenn sie von Außenstehenden verstanden werden wollen.

Handelnde Personen:

Peter Kleinlein

Rödnbacher, kein Detektiv, nur neugierig

Marga Kleinlein

seine Ehefrau, die nicht will, dass er Detektiv spielt

Simon Bräunlein

Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst

Gisela Bräunlein

Seine Ehefrau, das Gehirn des Familienbetriebes

Patrick Bräunlein

Sohn der beiden, Lehrling

Lothar Schwarm

Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung

Fredi Leipold

Vorsitzender des FCN-Fanclubs Röthenbach „ewige Treue“, Brunzkartler

Georg Schiffermüller

Mitglied der Kartelrunde, Malermeister, leider bereits von uns gegangen

Elisabeth Schiffermüller

Die trauernde Witwe

Bettina Schiffermüller

Tochter der beiden

„Rostlaube“

Freund von Bettina und von zahlreichen Piercings

Margarethe Beck

Die „Beggn Gredl“, Ratschkartl, eine der Hundsweiber und Unglücksbotin

Willibald Stiegler

Dorfpfarrer

Anneliese Lohmaier

Pfarrhaushälterin und anständiges „Moidl“ aus der Oberpfalz

Helmut Holzapfel

Bürgermeister

Rudolf Weidinger

Gemeinderat

Elke Maderer

Sprechstundenhilfe bei Dr. Eichberger

Doktor Eichberger

Hausarzt mit Prinzipien

Frau Zängerlein

Ältere Dame mit festen Moralvorstellungen

Frau Sebald

Grüne Witwe, Rechtsanwaltsgattin

Frieda Meier

Dorfratsche Nummer 1

Adalbert Stechert

Apotheker und Frauenschwarm

Hanne Schmitt

Schandmaul, aber gut informiert

Wilma Hauenstein

Ehemalige Dorflehrerin, sieht alles, hört nix, weiß trotzdem alles

Erwin Schindler

Kriminalhauptkommissar

Heinz Havranek

Kriminalobermeister

Rödnbach

Wer in Franken in den beschaulichen Ort Röthenbach oder nach Röttenbach reisen möchte, der sollte sich tunlichst vorab nach der Postleitzahl erkundigen. Der Versuch, nur den Ortsnamen in eines der modernen Navigationswunder einzugeben, wäre mit absoluter Sicherheit zum Scheitern verurteilt. Die elektronische Wunderwaffe der Ortsunkundigen dieser Welt würde ihm nur eine schier endlose Liste möglicher Kandidaten ausspucken. Denn Röthenbach oder Rödnbach, wie der Mittelfranke sagt, besser gesagt, butterweich aus seinem Mund heraus gleiten lässt, das gibt es dortzulande hundertfach. In unserem Fall würde sogar die Postleitzahl nichts nützen, denn unser Rödnbach ist frei erfunden, ein imaginäres Dorf, irgendwo in Mittelfranken. Der Name Rödnbach passt ganz gut, denn er ist praktisch kein Ortsname im üblichen Sinn, sondern gleichsam ein Sammelbegriff für alle Ansiedlungen, die im finsteren Mittelalter, manche sogar noch davor, an einer Rodung in unmittelbarer Nähe eines munter dahin fließenden Baches gegründet wurden. Und Bächlein gibt es im Frankenland sehr viele. Andere Quellen bestehen darauf, dass das Rot vor dem Wort Bach gar nichts mit einer Rodung, sondern mit der roten Farbe des Baches selbst zu tun hätte, was wohl vom Eisengehalt des Wassers herrühre oder dass das Rot im Name bedeute, dass es sich um eine Siedlung auf des Königs Land handelte, dessen Farbe eben Rot war. Welche Deutung auch immer der Wahrheit entsprechen mag, dasselbe gilt dann auch für Röttenbach, welches der Einheimische logischerweise als Röddnbach herausbellt. Noch ein weiteres haben diese Orte gemeinsam: Sie befinden sich samt und sonders im Einzugsgebiet der Frankenmetropole, der ehemaligen freien Reichsstadt Nürnberg.

Frei? Frei ist Nürnberg schon lange nicht mehr. Vor mehr als 200 Jahren haben die ungeliebten Bajuwaren die Stadt in Besitz genommen, ein Geschenk seitens des ersten Napoleon für besondere Verdienste, die ihm die verbündeten Bayern in seinen Eroberungskriegen geleistet haben. Wahrlich kein Ruhmesblatt für die schenkelklopfenden Weißwurstesser und Gamsbartträger. Seit einigen Jahren weht sogar an allen gesetzlich vorgeschriebenen Feiertagen auf der Kaiserburg die weiß-blaue bayerische Staatsflagge, sehr zum Ärger der rot-weißen Franken. Angeordnet hat dies der Innenminister, der zwar in Erlangen wohnt, aber in München geboren wurde. Einem waschechten Franken wäre diese typische Demonstration altbayerischer Großmannssucht nicht im Traum eingefallen. Sensibel sind sie ja nicht gerade, die „Mia san mia Bayern“. Nein, es müsste eher heißen: „Ihr seids ihr“. Mir sinn Franggn.

Die Sache mit dem Napoleon interessiert Peter Kleinlein, den sie in Rödnbach in ihrem weichen Dialekt, den Gleinleins Beder nennen, nicht so brennend. Er ist schließlich kein Nürnberger, er hat lediglich sein ganzes Arbeitsleben dort verbracht.

Wie schon im Vorwort erwähnt gibt es in Franken ein Hartes und ein weiches B, wie es auch im Namen Peter Verwendung findet. Der Beder, wie wir ihn also ab sofort nennen wollen, hat mit der Aussprache keinerlei Probleme, denn er ist ein waschechter Einheimischer. Schon als kleiner Bub oder wie man hierzulande sagt, als Lausbou, hat er in den Wiesen und Wäldern um Rödnbach herum mit den Nachbarskindern gespielt. Hier, in der romantischen Landschaft mit ihren steil aufragenden Felsen, unheimlich anmutenden Höhlen und kühlen Grotten wurde er zu Winnetou und Old Shatterhand und manch anderem verwegenen Held aus seinen Lieblingsbüchern.

Auch Kleinlein ist ein typischer Name, der wunderbar in die fränkische Landschaft passt. Die einheimischen Friedhöfe sind voll davon. Man neigt hierzulande gerne zur Verniedlichung, wobei man nicht einmal vor der eigenen Person halt macht. Noch viele Ältere sprechen von sich selbst als von meiner Wenigkeit. Das entspringt den Zeiten, wo einfache Bürger noch zu kuschen hatten und hat heute keinen wirklichen Grund mehr. Man hat es sich halt einfach angewöhnt, ohne viel darüber nachzudenken. In Wirklichkeit ist man schon recht selbstbewusst und man macht sich nur deshalb selber kleiner als man eigentlich ist, um nachher, wenn die Anderen ihr Pulver längst verschossen haben, umso größer herauszukommen. Wenn der Franke also niedlicher erscheinen will, dann hängt er gern ein –lein hinten an, ähnlich wie die Schweizer es mit ihrem –li und die Schwaben mit ihrem –le halten. Somit hieße Kleinlein auf gut Deutsch wohl „ziemlich kleiner Kleiner“, was im Fall des Peter Kleinlein mit seinen etwas über 190 Zentimetern Länge absolut irreführend ist.

Nun, das konnten seine Eltern bei seiner Geburt vor fast sechzig Jahren nicht ahnen und wenn auch, den Familiennamen hätten sie weder ändern können, noch wollen. Doch bei der Wahl seines Vornamens hatten sie sehr wohl die Wahl. Sie nannten ihren Buben Peter und damit lagen sie goldrichtig. Als Nicht-Einheimischer mag man sich jetzt fragen, was der Vorname Peter wohl über einen Menschen aussagen könnte. Natürlich nichts. Aber die kleinen Buben, die auf den Namen Peter getauft wurden, ruft man zärtlich Bederle oder in etwas breiterem Fränkisch Bäiderla. Und da haben wir auch schon unsere Verbindung, denn Bäiderla oder Bederle heißt hier auch die Petersilie. Nun, in Rödnbach benutzt man noch oft den Begriff „Bederle auf alle Suppn“, auf gut Hochdeutsch also „Petersilie auf allen Suppen“. Damit bezeichnet man Menschen, hauptsächlich solche männlichen Geschlechts, die sich, wohlwollend ausgedrückt, einer jeglichen Herausforderung gewachsen fühlen und sowohl mit allen alltäglichen, als auch den überraschenden Aufgaben des Lebens prima zurechtkommen. Sie schwimmen im Strom des Lebens meist oben, wie die Petersilie auf der legendären fränkischen Hochzeitssuppe. Das ist aber nicht negativ gemeint. Auf Neudeutsch würde man den Peter Kleinlein sogar als clever, aufgeweckt und lebenstüchtig bezeichnen.

Mit seiner Frau, der Marga, ist der Peter schon seit fast vierzig Jahren verheiratet. Eigentlich heißt sie ja Margaretha. Ein schöner Name zwar, für den Alltagsgebrauch aber war er schon ihren Eltern zu lang. Das erste und letzte Mal wurde der vollständige Name anlässlich der Taufe und beim Eintrag ins Familienstammbuch benutzt, als ein Rufname war er viel zu umständlich. Im Fränkischen ist man in jeder Hinsicht sparsam, auch mit den Buchstaben. Man kürzt gerne ab. Man hätte sie deshalb Marcharedd, was keine große Einsparung bedeutet hätte, oder Reddl oder ganz einfach Gredl nennen können, wie viele es taten oder eben Marga, wie in ihrem Fall geschehen.

Sie ist eher eine Stille. Das bedeutet keineswegs, dass sie nichts zu sagen hätte, aber sie behält das Meiste für sich und gehört mit Sicherheit nicht zu den unvermeidlichen Dorfratschen, die es natürlich auch in Rödnbach zu Genüge gibt. Sie kümmert sich liebevoll um ihren Haushalt und ihren Ehemann. Die beiden Kinder, Heidi und Markus, sind mittlerweile erwachsen und schon lange aus dem Haus. Sie wohnen auch nicht mehr im Dorf, denn beide haben in ihren Berufen Karriere gemacht und deshalb von Rödnbach notgedrungen wegziehen müssen. Man hat ein gutes Verhältnis miteinander, auch mit den jeweiligen Partnern der Kinder, aber man sieht sich gerade mal ein- bis zwei Mal im Jahr.

Alles in Allem sind sie eine unspektakuläre, aber glückliche Familie, mit kleinen, aber liebenswerten Macken.

Entdeckungen

Die Aane, dee butzd blouß, bei der Andern gäihds zou

Die Dridde dee fraachd sich, ja woss hommer denn dou?

Holla diria, holla dio

„Wemmer ka Ärberd1 nedd hodd, na machd mer si anne.“

Eine uralte Binsenweisheit, die niemals mehr zutraf als gerade heute. Die adrette Frau in der hellblauen Bluse und der stramm sitzenden Designerjeans steht einem Haushalt vor, der sauberer und gepflegter nicht sein könnte. Und doch, sie findet immerzu etwas, das ihr Missfallen erregt und eine sofortige Gegenmaßnahme erfordert. Ein übersehenes Stäubchen hier, ein zusammengedrücktes Paradekissen dort, beides Unbotmäßigkeiten, die auf der Stelle beseitigt beziehungsweise wieder in Form gebracht werden müssen. Im Moment erregte eine unter Missachtung jeglicher völkerrechtlich gebotener Zurückhaltung illegal eingedrungene Steckmücke ihr Missfallen. Nichts hasst die Hausherrin mehr, als Mückenstiche, elendiglich juckende Stellen, die diese nutzlosesten aller nutzlosen Biester hinterlassen können. Eile war geboten. „Beeder! Bee-der!“ Ihr stets hilfsbereiter, geduldiger Ehemann war gefragt, denn das Vieh war schnell und äußerst hinterhältig, nicht zu erwischen, trotz High-Tech-Fliegenklatsche und dem ungehemmten Einsatz von pappigem Haarspray. Der Peter, wie er in Wirklichkeit hieß und von Nichtfranken auch genannt wurde, war augenblicklich zur Stelle. Ein gezielter Schlag genügte und das Ungeheuer zuckte hilflos auf der blank gewienerten Arbeitsplatte, ein zweiter, ebenso gut getimter Hieb brachte das finale Ende. Friede kehrte wieder ein im Hause Kleinlein.

Auch in der Kirchgasse 2 herrscht im Moment das Chaos, obwohl normalerweise der Haushalt zu den gepflegtesten im Ort zählt. Darüber führt zwar niemand Buch, es gibt keine regelmäßigen Besuche einer wie auch immer gearteten Schiedskommission, aber man kann getrost auch ohne all dies davon ausgehen, dass es an nichts fehlt. Es gibt nur einen ältlichen, sehr freundlichen Hausherrn mit tadellosen Manieren und mit einer ihm in langen Jahren von der schmucken, jüngeren Haushälterin beigebrachten elementaren Grundeinstellung bezüglich der Erfordernisse eines ordentlich geführten Haushalts. Alles ist an seinem Platz. Alles ist sauber und gepflegt. Es gibt keine Tabakkrümel auf dem Boden und keine Rotweinflecken auf dem glänzenden Tisch. Papiere sind in säuberlich beschrifteten Ordnern abgelegt nach Namen und Datum geordnet, je nachdem.

Trotzdem konnten beide das gesuchte Dokument nicht finden. „Zum Dunnerwetta noch amol, dess konn doch niad einfach sua ohne waideres verschwindn.“ Man merkte, die Sprecherin hatte auch nach fast zwanzig Jahren Dienst im fränkischen Röthenbach immer noch einen leichten heimatlichen oberpfälzer Einschlag in ihrer Ausdrucksweise. „Herr…“ Weiter kam die Frau nicht, denn ihr Arbeitsgeber hatte bereits die Hand mahnend erhoben und milde lächelnd eingewendet: „Nicht fluchen, denk an das zweites Gebot, du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen!“

Dabei hatte sie gar nicht vor zu fluchen, „Herrschaftszeiten!“ wollte sie nur sagen, doch der Pfarrer Stiegler war schneller eingeschritten, als sie schimpfen konnte. Sie durchsuchten alle Ordner, die nicht von vorne herein aus dem Raster fielen, einen nach dem anderen. Nichts! Da fiel der Blick der Haushälterin auf eines der handgestickten Kissen auf dem reichlich antiquierten, von einem altmodischen Blümchenmuster beherrschten Sofa. Tatsächlich lugte darunter eine Ecke eines mittlerweile ziemlich zerknitterten Blatt Papiers hervor. Sie zog es heraus und sah ihren Arbeitgeber milde tadelnd an:

„Hommers hald scho wieder vergessn, Herr Pfohrer. Göll, sie hobns scho längsd aussergsuchd und dann einfach liegn lassn. Naja, iatz hommer ja olles baianand, woss ma an Bewaise brauchd. Iatz stäihd dem Vollzug ja nix mäier im Weg. Ende gud, olles gud!“

Auch an anderer Stelle wurde gesucht. Die sichtlich abgekämpfte Wasserstoffblondine wurde langsam ungeduldig. Irgendwo musste doch das Rezept für die Waldbeerschnitten mit Keksmantel, Scholadenüberzug und gehackten Haselnüssen abgeblieben sein. Wo hatte sie es zuletzt hingelegt? Auf die Arbeitsplatte, genau. Dann war es aber im Weg, weil es bei der ganzen Buttercremeschmiererei sonst eingesaut worden wäre und darum hatte sie es in Sicherheit gebracht. Aber wohin? Donnerwetter! So groß war die Küche doch auch wieder nicht. Eins nach dem anderen. Also, danach hatte sie die fertigen Schnitten eingepackt und das darunter liegende Küchenpapier zusammengeschoben und in die Papiertonne geworfen. Verdammt! Wahrscheinlich war das Rezept dabei mit entsorgt worden. Jetzt konnte sie auch noch in die riesige blaue Tonne hinuntertauchen. Wenn man den Ehemann einmal zu etwas gebrauchen könnte, dann ist er natürlich nicht da. So ein Mist!

Aber es half nichts. Das Rezept hatte sie nur von einer Freundin ausgeliehen, weil ihr selbst die Schnitten seinerzeit so herrlich geschmeckt hatten. Sie musste es also auf jeden Fall wieder haben. Also ab in die Tonne!

Sie wühlte sich durch die obersten Schichten. Ohne Erfolg. Dummerweise hatte sie inzwischen auch die Werbezettel, Verpackungen und die Tageszeitungen der letzten Woche eingeworfen, so dass das Gesuchte nicht gleich zu finden war, von der ekeligen Suche im Abfall, wenn es auch nur Papier war, einmal ganz abgesehen. Abfall ist Abfall und per se unhygienisch.

Endlich! Nein, doch nicht. Was ist denn das? Ein Kuvert ohne Briefmarke? Sie zog es heraus, öffnete es und las. „Verdammt! Verdammt!“

Sie hatte ein Rezept gesucht und etwas völlig anderes und weit weniger appetitliches gefunden.

Der Goldene Adler

Zum Schafkopfn brauchd mer drei Leut oder vier,

a Hirn und a Kleingeld und a fränkisches Bier

Holla diria, holla dio

Wirtshäuser gibt es in Rödnbach mehrere, auch noch traditionelle, alteingesessene. Für einen Italiener, Griechen oder am Ende gar einen türkischen Dönerstand ist die Ortschaft wohl zu klein. Die vielen Kopftücher, die man hier täglich sehen kann, gehören ganz einfach zur Alltagstracht der älteren Landfrauen und ihr Einsatz hat eher praktische Gründe. Mit muselmanischen Bekleidungsvorschriften hat das nichts zu tun. Der Orient mit all seinen Facetten ist noch nicht in dem fränkischen Tausend-Seelenörtchen Röthenbach angekommen. Es ist aber auch nicht so, dass man noch nie mit anderen Kulturen in Berührung gekommen wäre, arbeiten doch die meisten der Jüngeren in den größeren Gemeinden der Umgebung oder in der nahen Industriestadt Nürnberg. Dort soll es in der Tat Viertel geben, die mehr orientalisch als fränkisch geprägt sind und in denen eine Frau eher Aufmerksamkeit erregt, wenn sie keine Burka trägt. Und die jungen Dorfbewohner kennen sich ohnehin in der ganzen Welt besser aus als im Rest Deutschlands. Sie verbringen ihren Jahresurlaub schon lange lieber an den angesagten Stränden Südeuropas, fliegen nach Asien und Amerika, anstatt sich im Schwarzwald oder im Gebirge, also im eigenen Lande redlich zu nähren, wie es Psalm 37 der Lutherbibel vorschreibt. Darin unterscheiden sie sich in keinster Weise von den anderen jungen Menschen in ganz Deutschland.

Das älteste Rödnbacher Wirtshaus, der Goldene Adler stammt aus dem 18. Jahrhundert. Massive Sandsteinblöcke bilden bis auf den heutigen Tag die Außenmauern. Zusammen mit den üppigen Geranienkästen und farbig gestrichenen Fensterläden verleihen sie ihm den Charme des Gediegenen, Bodenständigen. Rechts über dem Eingang prangt ein kunstvoll geschmiedetes Wirthausschild. Es hängt an einem massiven, mit blumigen Rosetten verzierten, eisernen Bogen und stellt, wie sollte es anders sein, einen grimmig dreinschauenden, mit goldener Farbe bemalten, Adler dar. Die ebenfalls aus dem einheimischen Sandstein gehauenen Eingangsstufen wurden in ihrer Mitte im Laufe der Jahrhunderte so stark abgenutzt, dass sich in jedem der Blöcke bereits eine kleine Mulde gebildet hat. Der interessierte Betrachter kann sich gut vorstellen, wie einst so mancher grobe Bauernstiefel oder eisenbeschlagene Reitstiefel des Postkutschers seine Spuren hinterlassen hat. Das hat eindeutig etwas Historisches an sich, vermittelt Authentizität. Auch im Inneren des Hauses wurde bewusst auf eine oberflächliche Modernisierung verzichtet, im Gegensatz zu vielen Gaststätten, die leider nur mehr oder weniger aufwendig nachgemachten Landhausstil vorweisen können. Im Adler sind noch die ursprünglichen mächtigen Holzbalken zu sehen. Alles atmet Geschichte, einfühlsame Gemüter fühlen sich hier sofort mitten in die gute alte Zeit hinein versetzt.

Die Liebe zum Althergebrachten ist natürlich lobenswert, geht aber nicht so weit, dass man auf dem Gebiet der Hygiene Abstriche machen müsste. Diesbezüglich ist alles auf dem neuesten Stand. Die Küche ist nicht nur komplett modernisiert, sondern auch, was die Güte der angebotenen Speisen angeht, vorzüglich. Die Schäuferle mit Kloß sind die besten im ganzen Landkreis, sagen die Rödnbacher. Kein Wunder, denn der Wirt verwendet nur auserlesene Ware aus der einheimischen Metzgerei Bräunlein, die im Folgenden eine gewichtige Rolle einnehmen wird. Doch alles zu seiner Zeit. Dass dies auch so bleibt, darüber wachen mit Argusaugen die Altvorderen, deren Schwarz-Weiß-Fotografien von der großen Gedenktafel für die Opfer des ersten Weltkriegs und dem um die Jahrhundertwende aufgenommenen Gruppenbild der freiwilligen Feuerwehr mit gesetzter Miene auf die Wirtshausbesucher herabschauen. Andernorts mögen solche Relikte der Vergangenheit längst entsorgt und auf den Müll geworfen worden sein. In Rödnbach aber werden die Helden noch gebührend gewürdigt.

Davon zeugt auch die Urkunde, die über dem wuchtigen Stammtisch hängt. Sie zeigt ein aufgeblättertes Schafkopfspiel mit acht Laufenden, das der Aufschrift zur Folge, ein gewisser Johann Hassler vor mehr als zehn Jahren genau an diesem Platz in seinen Händen gehalten hatte. Acht Laufende, also die acht höchsten Trumpfkarten des Schafkopfblatts auf einmal in der Hand zu halten, das kommt erstens höchst selten vor und zweitens auch sehr teuer. Zunächst natürlich den Verlierern der Partie, danach allerdings auch dem Gewinner, der für dieses unverdiente Glück selbstredend kräftig in die Spendierhosen greifen muss.

Der Goldene Adler ist mittlerweile gut besucht. Es ist Freitagabend und am Stammtisch wird Schafkopf gespielt. Normalerweise. Heute allerdings scheint es ein ernstes Problem zu geben. Der Gleinleins Beder und zwei seiner Kartelbrüder sitzen ungeduldig auf ihren Stammplätzen und nippen nervös an ihrem Bier. Nur nichts überhasten, das Kartenspiel erfordert einen klaren Kopf. Ungeduldig trommelt der Beder mit den Fingernägeln auf den schweren Holztisch. Der Metzger Simon Bräunlein und der Inhaber des dörflichen Friseurladens, Lothar Schwarm, sind auch schon seit einer halben Stunde da. Wer ihnen so sehr fehlt ist der vierte Mann, ohne den ein langer Schafkopf eben einfach nicht geht. Alle miteinander schauen sie schon reichlich grantig drein.

„Wo ner blous der Gerch heid su lang bleibd“, schimpft der Simon. „Menschenskind, der wass doch, wann mer anfanger!“

Man wartet vorläufig noch, die Karten liegen derweil unberührt auf dem Tisch, zusammen mit den flachen Münzschälchen in denen das Kartelgeld bereit liegt. Auf einen kurzen Schafkopf, den man auch zu Dritt spielen könnte, wollen die drei ungeduldig Wartenden aber noch immer nicht umsteigen. Und den Leipold Fredi, den Brunzkartler, der, wie die Bezeichnung schon verrät, sonst immer nur einspringen darf, wenn einer der vier Stammspieler einem dringenden, dem Bierkonsum geschuldeten Bedürfnis Tribut zollen muss, den wollen sie heute auch nicht mitmachen lassen. Der passt ohnehin nicht so recht zu dem Quartett aus alteingesessenen Handwerksmeistern und dem Peter, der als Sohn eines früheren Finanzoberinspektors durchaus standesgemäß ist. Man lässt den Kiebitz halt ab und zu mitmachen, wenn Not am Mann ist, mehr aber auch nicht. Für ein vollwertiges Mitglied der Kartelrunde redet der Ersatzmann viel zu viel, was beim Schafkopfen nicht allen in den Kram passt. Seine immer wieder eingeworfenen Floskeln haben allesamt schon einen Bart, wie zum Beispiel sein abgedroschenes „Schellinski war ein Pole“, „A Herz hodd a jeder“ oder „Blau, blau, blau blüht der Enzian!“, wenn er die Schellnsau, die Herzsau oder die Blaue ausspielt, die in Wirklichkeit selbstverständlich grün ist und nur die Blaue heißt, wie jeder geübte Schafkopfer weiß.

Oder er lamentiert stundenlang über die jüngste Benachteiligung, die dem ruhmreichen Glubb, also dem 1. FC Nürnberg, seitens des Schiedsrichters widerfahren ist oder immer wieder auch durch schauspielernde gegnerische Spieler oder in manchen Fällen sogar durch unmittelbare Einflussnahme des Fußballgottes selbst.Weniger gut mit den Eigenheiten des FCN Vertraute oder neutrale Beobachter, denen es an der rechten Hingabe fehlt, würden hier wahrscheinlich einfach von Pech sprechen oder gar eigene Fehler in Betracht ziehen. Für den Fredi kommt ein derartiger Mangel an wahrer, sprich blinder Vereinstreue nicht in Frage, im Gegenteil. Er würde in solchen Fällen ernsthaft über Landesverrat nachdenken. Der Club ist nicht nur sein Lieblingsthema, es ist sein einziges. Das muss nicht weiter verwundern, wenn man weiß, dass er Vorsitzender des örtlichen FCN-Fanclubs ist und somit mehr oder weniger vom Amts wegen verpflichtet, den Glubb in jeder Lebenslage bedingungslos zu unterstützen, sei es verbal am Stammtisch, finanziell oder lautstark im Stadion als Sabborder.

Man braucht sich nicht zu wundern, sollte man dieses Wort noch nie gehört haben, denn es handelt sich bei diesem sprachlichen Ungetüm um eine fränkische Ableitung aus dem englischen Terminus Support. Wer schon einmal von seinem Vorgesetzten darüber belehrt wurde, dass Deutschland eine unglaubliche Servicewüste sei, weil hierzulande niemand bereit wäre echten Support zu leisten, der kann sich in etwa eine Vorstellung davon machen, was ein Supporter leisten muss. Er muss weit mehr tun als nur seine Pflicht, im Falle des FCN viel mehr sein als ein simpler Fan, der Samstag für Samstag auf dem Sofa und vor dem Radio mitfiebert, wenn seine Mannschaft in der Bundesliga antreten muss und inständig hofft, dass der Club endlich einmal souverän aufspielt und die nötigen Punkte gegen den permanent drohenden Abstieg einfährt.

Nein, ein Sabborder unterstützt seinen Verein mit allem was ihm zu Verfügung steht. Allem. Er ist dem Club gegenüber ein hingebungsvoller Dienstleistender, der durch Hintanstellung seiner eigenen Bedürfnisse inklusive derer seiner Ehefrau, die Wüste zum Erblühen bringt. Notfalls bis zur Selbstaufgabe. Es mag eine Servicewüste Deutschland geben, eine Servicewüste Glubb gibt es sicher nicht, nicht solange es einen Leipold Fredi gibt. Dafür benötigt ein Mensch bestimmte charakterliche Eigenschaften, wie sie ganz bestimmt nicht jeder besitzt und es ist auch sehr zu bezweifeln, ob diese erlernbar sind. Es ist nicht so, dass die einfachen, normalen, falls es das überhaupt gibt, fränkischen Fußballanhänger dem Club nicht auch das Beste wünschen würden, aber irgendwo setzt die Selbstachtung eben eine Grenze, die nur der Fredi und seine treuesten Kameraden zu überschreiten im Stande sind.

Aus all diesen Gründen ist es natürlich klar, dass eine Einwechslung Fredis als Ersatzspieler für einen ganzen Kartelabend so lange wie irgend möglich aufgeschoben werden muss, auch wenn er noch so mit den Füßen scharrt und auf einen Einsatz wartet. Er ist halt höchstens eine Notlösung.

Doch Georg Schiffermüller, der sich nur so schreibt, für alle Rödnbacher jedoch der Schiffermüller Gerch ist, kommt auch in der nächsten Stunde nicht. Er wird nie mehr kommen, aber das wissen seine ungeduldigen Freunde zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Der Schiffermüllers Gerch liegt mit dem Kopf auf der massiven Tischplatte des heimischen Wohnzimmers. Auf dem bunt leuchtenden Display seines nagelneuen Flachbild-Fernsehers läuft gerade ein Werbespot, welcher ein todsicher wirkendes Baldrianpräparat für Schlafprobleme aller Art empfiehlt. Ein- und Durchschlafschwierigkeiten. Doch die hat der Georg nicht. Nicht mehr. Der schläft für immer. Er ist mausetot.