Mords-Urlaub - Günther Dümler - E-Book

Mords-Urlaub E-Book

Günther Dümler

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Die Rödnbacher machen Urlaub in Ägypten. Alle, bis auf einen. Peter kann es einfach nicht lassen. Er ermittelt schon wieder, in einem Fall, in dem es nach Ansicht der ägyptischen Polizei und seiner Ehefrau Marga nichts zu ermitteln gibt. Ein bedauernswerter Mitreisender ist vom Dach des Hathortempels in Denderah gestürzt oder, wie die Polizei viel lieber glaubt, in selbstmörderischer Absicht gesprungen. Peter, von Natur aus neugierig und skeptisch, hat seine Bedenken. Die Sache erscheint ihm viel zu einfach. Die allgegenwärtigen Spannungen innerhalb der illustren Reisegruppe sind unübersehbar. Sind dies alles nur harmlose Reibereien, bedingt durch die Enge des Busses und die ungewohnten Anstrengungen, die eine Besichtigungstour im backofengleichen ägyptischen Klima den Reisenden abverlangt? Oder steckt hinter all dem die kriminelle Energie eines kaltblütigen Mörders? Bald gibt es ein weiteres Opfer und für Peter keinen Grund noch länger zu zögern. Er ignoriert das Ermittlungsverbot seiner Marga mit dem von vorne herein absehbaren Ergebnis. Alle haben sich geirrt mit Ausnahme unseres Gelegenheitsdetektivs.

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Mords-Urlaub

Die Rödnbacher machen Urlaub in Ägypten. Alle, bis auf einen, denn Peter kann es einfach nicht lassen. Er ermittelt schon wieder, in einem Fall, in dem es nach Ansicht der ägyptischen Polizei und seiner Ehefrau Marga nichts zu ermitteln gibt.

Ein bedauernswerter Mitreisender ist vom Dach des Hathortempels in Denderah gestürzt oder, wie die Polizei viel lieber glaubt, in selbstmörderischer Absicht gesprungen. Peter, von Natur aus neugierig und skeptisch, hat seine Bedenken. Die Sache erscheint ihm viel zu einfach.

Die allgegenwärtigen Spannungen innerhalb der illustren Reisegruppe sind bald unübersehbar. Doch sind dies alles nur harmlose Reibereien, bedingt durch die Enge des Busses und die ungewohnten Anstrengungen, die eine Besichtigungstour im backofengleichen ägyptischen Klima den Reisenden abverlangt? Oder steckt hinter all dem die kriminelle Energie eines kaltblütigen Mörders?

Dann gibt es ein weiteres Opfer und für Peter keinen Grund noch länger zu zögern. Er ignoriert das Ermittlungsverbot seiner Marga mit dem von vorne herein absehbaren Ergebnis. Alle haben sich geirrt mit Ausnahme unseres Gelegenheitsdetektivs.

Inhaltsverzeichnis

Mords-Urlaub

Die Rödnbacher in Ägypten

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe

Vorwort

Handelnde Personen:

Die Vorgeschichte.

Aufbruch

Al Kahira – die Siegreiche

Frühstück im Hotel

Memphis und Sakkara

Umzug nach Luxor

Denderah

Erste Ermittlungen

Luxor

Es wird Tag in Luxor

Theben West, die Totentempel

Karnak

Die Franken in Luxor

Im Jammertal der Könige

Nilaufwärts

Erste Nacht in Assuan

Moderne Zeiten

Die Franken in Röthenbach

Glossar

Die Rödnbacher in Ägypten

Erstfassung Mai 2013

Alle Rechte vorbehalten

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe

Mords-Kerwa (Juli 2012)

Mords-Wut (Dezember 2012)

Vorwort

Die folgende Geschichte ist durchaus nicht frei erfunden, jedenfalls nicht vollständig. Das kann sie auch nicht, denn es gibt immer Erfahrungen, die ein Autor in seinem Leben gemacht hat, die er auf die eine oder andere Weise in seinen Roman einfließen lässt. So auch einige der in diesem Roman geschilderten Szenen, die der Autor so oder so ähnlich tatsächlich erlebt hat, natürlich ohne die nachträglich eingefügte mörderische Handlung. Hauptsächlich die Schilderungen von Land und Leuten basieren auf Erinnerungen, die der Autor vor Jahren auf einer ähnlichen Tour von Kairo nach Assuan gesammelt hat. Einige der zahlreichen, unfreiwillig komischen Begebenheiten im Umfeld der fiktiven Mordgeschichte haben daher einen durchaus realen Hintergrund.

Wer schon einmal zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Busreisegruppe unterwegs war, wird unschwer die Eifersüchteleien, prahlerischen Erlebnisberichte von Mitreisenden oder verschwörerischen Grüppchenbildungen wiedererkennen. Alle im Buch vorkommenden Typen hat der Autor tatsächlich in ähnlicher Weise im Laufe seiner eigenen Ägyptenreisen kennengelernt. Wer kennt ihn nicht, den rundlichen, gemütlichen Typ, der oft nur so lange gemütlich erscheint, wie er in seiner eigenen kleinen Gedankenwelt leben darf, der aber auch heftig poltern kann, wenn er in dieser gestört wird oder den siebengescheiten Besserwisser, der vornehme Zurückhaltung nicht von Einfalt und Dummheit unterscheiden kann. Einige dieser realen Erfahrungen mit diesen kantigen Typen dienten dem Autor als Inspiration für die zugegebenermaßen hoffnungslos übertrieben komödiantische Ausmalung der einen oder anderen Sequenz, die der Leser zu Recht im wahren Leben so nicht erwarten würde.

Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind 100% reine Fiktion und haben niemals stattgefunden. Auch die Namen der handelnden Personen sind frei erfunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

Noch ein Wort zum fränkischen Dialekt. Er ist so vielfältig wie die Landschaft selbst. In jedem Ort wird er anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Personen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen“ oder mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht. Bei Simon Bräunlein hängt die Tiefe seiner Dialektsprache oftmals vom Grad seiner Erregung ab, je ärgerlicher er ist, umso fränkischer wird er und umso weniger legt er Wert auf Verständlichkeit.

Mehr zur Aussprache muss man eigentlich nicht wissen, denn die Rödnbacher gehören allesamt zu der überwiegenden Gruppe der Franken, die beim Balanceakt zwischen dem urwüchsigen Dialekt und dem Hochdeutschen einen Mittelweg bevorzugen. Sie sprechen also mehr oder weniger ein fernsehtaugliches Fränkisch, vergleichbar mit dem Ohnsorg-Platt, dem Millowitsch-Köllsch und dem Komödienstadl-Bayrisch. Es bleibt ihnen schon gar nichts anderes übrig, wenn sie von ihren Mitreisenden verstanden werden wollen.

Handelnde Personen:

Peter Kleinlein

Rödnbacher, kein Detektiv, nur neugierig

Marga Kleinlein

seine Ehefrau, die nicht will, dass er Detektiv spielt

Simon Bräunlein

Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst

Gisela Bräunlein

Seine Ehefrau, die Luxor am Meer vermutet

Patrick Bräunlein

Sohn der beiden, muss zu Hause bleiben

Lothar Schwarm

Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel

Michael Kowalew

Genannt Iwan, fuhr sein Leben lang zur See, lebt jetzt in Rödnbach, dem Ort seiner Kindheit

Maria Cäcilie Leimer

Kosmetikerin aus Schoikirch in der Oberpfalz

Dorothea Wendland

Junggebliebene Reisende aus Köln

Renate Reinhart „Miss World“

Keine rheinische Frohnatur, Streithammel

Johannes Braun„der Fotograf“

Junger Mann, leidenschaftlicher Fotograf

Robert Wohlleben„der Detektiv“

Noch ein junger Mann mit Kamera

Clarissa Blum„Blümchen“

Hübsche junge Frau, keine Laster bekannt

Alfred Wentzlaff„Zwerg Nase“

Kleinwüchsiger, bösartiger Kulturpapst

Elfriede Wentzlaff

Dessen Ehefrau, ohne eigene Meinung

Wilma Hellmann„Minerva“

Ehemalige Lehrerin, sehr fromm

Theresia Hellmann

Schwester von Wilma, nicht weniger fromm

Holger Siebenhaar„Hyazinthara“

Eine schillernde Figur

Holger von Niedeck„Gebrauchwagenhändler“

Aufschneider und Orientexperte

Samira von Niedeck

Dessen libanesische Ehefrau

Waltraud

Vermutlich deren Haushälterin

Walter Steinmann

Mein Gott, Walter

Erika Steinmann

Ehefrau und Punktrichterin

Klaus Wannemaker„der blaue Klaus“

Ein Vorbild

Rainer Stützle

Reiseleiter und Schwabe

Jusuf

Tourist Guide, Kairo

Fuad

Tourist Guide, Luxor

Die Vorgeschichte.

Wie es zu dem ganzen Schlamassel kommen konnte.

Ein erbärmlich quietschendes, nervtötendes Geräusch jagt den Anwesenden ein ums andere Mal beinahe schmerzhafte Schauer über den Rücken. Gänsehaut stellt sich bei dem ein oder anderen Besucher ein. Es fühlt sich an, als würde jemand versuchen einen neu erworbenen Gegenstand gewaltsam aus einer viel zu engen Styroporverpackung herauszuzerren. Tatsächlich ist der über dreißig Jahre alte Super-8-Film, welcher sich mühsam durch die unzähligen Windungen des mindestens ebenso antiken Vorführapparates quält, für die versuchte Körperverletzung verantwortlich. Marga stellten sich bei jeder Umdrehung der Filmspule erneut die Nackenhaare auf. Sie verzieht ihr Gesicht, als ob sie eine unreife Zitrone verschluckt hätte. Über die unweigerlich entstandene Gänsehaut wagte sie sich aber nicht mehr zu beklagen, seit ihr Ehemann Peter sie in einem völlig untauglichen, wenn auch hoffentlich scherzhaft gemeinten Kommentar darüber aufgeklärt hatte, dass Gänsehaut bei Gänschen schließlich der Normalzustand sei. Seine Späße waren auch schon mal besser. Aber ihn dafür zu tadeln kam momentan nicht in Frage. Morgen ist auch noch ein Tag. Marga wusste ja, wie nervös er heute auf Störungen reagieren würde, denn die Filmvorführung war Teil einer durchaus heiklen Mission. Dankbar dafür, dass er endlich ein Publikum für sein Meisterwerk mit dem vielsagenden Titel „Eine Reise in das Land der Pharaonen“ gefunden hatte, war er den ganzen Abend über schon nervös durch das Haus gehetzt. Nun war er vollauf in seinem Element und es wäre der Stimmung äußerst abträglich gewesen, hätte ihn jemand, schon gar nicht seine Verbündete Marga, in seiner Hingabe gestört.

Über neunzig Minuten dauerte die Vorführung des Urlaubsfilms aus dem Jahr 1980 nun schon, zu der Peter heute Abend die Marga dienstverpflichtet und seine Freunde ein- oder besser gesagt, vorgeladen hatte. Der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters bereits verdächtig stark flimmernde Streifen dokumentierte eindrucksvoll den Verlauf der zur damaligen Zeit noch sehr exklusiven Reise durch das Land am Nil, die die beiden jung verheirateten Eheleute sich in einem Anfall von Verwegenheit und Abenteuerlust gegönnt hatten.

Es schien fast, als hätte es während der gesamten Reise geregnet. In Wirklichkeit aber wurden die Blitze, die unaufhörlich durch das Bild zuckten, von den Kratzern verursacht, die der Zelluloidstreifen im Laufe der Jahre erhalten hatte. In einem nur leidlich klimatisierten Bus und mit der auf wackligen, weil auf unsicherem Untergrund verlegten Schienen dahin rumpelnden Eisenbahn hatten sie das Land der Pharaonen, von Kairo bis tief in den Süden nach Abu Simbel, bereist. Peter hatte alle relevanten Ereignisse perfekt und leider auch sehr ausführlich dokumentiert. Das Resultat war ein fast zweistündiger Super-8-Film. Die Kameras waren damals noch viel schwerer als heutige Hi-Tech-Camcorder und das unbelichtete Filmmaterial sehr, sehr teuer. Für drei Minuten Film musste man ganze Einundzwanzig Mark auf den Tisch legen. Daher war es natürlich unerlässlich, dass die Motive sorgfältig ausgesucht, die Belichtung genau eingestellt und die Kamera absolut ruhig gehalten wurde. Ein Verwackler kam daher richtig teuer. Jeder weggeworfene Schnipsel des wertvollen Zelluloidstreifens war schließlich bares Geld. Unbedachte Mitreisende, die sorg-, manchmal aber auch einfach rücksichtslos, in die laufende Szene hineintappten, waren seinerzeit ein ständiges Ärgernis und ausnahmslos Grund für einen bissigen Kommentar des Hobbyfilmers.

„Maulaffn, rücksichtslose!“

Das waren nur die laut geäußerten Ausbrüche. Gedanklich schrammten Peters Reaktionen oft genug nahe an einer Körperverletzung vorbei. Marga hatte damals buchstäblich alle Hände voll zu tun, um einen Zusammenstoß zwischen ihrem begeisterten Kameramann und den lästigen Störenfrieden zu verhindern. Wenn es um seine, sich zweifellos an der Grenze zur Perfektion bewegenden Ambitionen als Schmalfilmer ging, war Peter gnadenlos. Effektivität rangierte in diesen Tagen eindeutig vor friedlichem Miteinander.

Die schwere Kameratasche, die zudem auch noch ein Einbeinstativ und diverse hilfreiche Utensilien enthielt, wie sie für einen echter Orientreisenden auf Kara ben Nemsis Spuren unerlässlich waren, sorgte dafür, dass seine rechte Schulter gegen Nachmittag einem ausgiebig durchgeklopften Kotelett aus der Metzgerei Bräunlein glich und enorm schmerzte. Dabei hatte er wirklich nur das Allernötigste eingepackt, so zum Beispiel ein Original Schweizer Offiziersmesser mit siebenundzwanzig überlebensnotwendigen Funktionen, eine extrem leistungsstarke Taschenlampe, mehrere abwechslungsweise verdauungsfördernde oder durchfallverhütende Medikamente, einen Minikassettenrecorder zur Aufnahme von Originalgeräuschen, mit deren Hilfe man später zuhause beim Filmschnitt und der obligatorischen Nachvertonung ein perfektes Lokalkolorit erzeugen konnte, um nur die wichtigsten Gegenstände zu nennen.

Wir wollen jedoch nicht zu sehr abschweifen. Alles zu seiner Zeit. Zurück zum hier und heute. Peter und Marga waren wie bereits erwähnt in missionarischer Absicht unterwegs. Die Kleinleins haben ihre Freunde, das Metzgerehepaar Bräunlein, das jüngste Mitglied der freitäglichen Kartelrunde Michael Kowalew alias Iwan, sowie den Chef des örtlichen Schönheits- und Friseursalons Lothar Schwarm, welcher schon seit vielen Jahren Witwer ist, zu sich nach Hause eingeladen, um über das Ziel des nächsten gemeinsamen Urlaubs zu beraten. Und das war auch genau der Grund, warum Peter seinen nahezu antiken Filmschatz ausgepackt hatte. Er wollte seinen Vorschlag, das Land am Nil zu besuchen, mit eindrucksvollen Bildern untermauern und bei seinen Freunden zwar nicht die gleiche, das wäre denn doch nicht möglich gewesen, aber doch zumindest eine gewisse Begeisterung für den Orient im Allgemeinen und Ägypten im Besonderen wecken.

Eben flogen endlos weite, saftig grüne, von herrlichen, sonnenbeschienenen Palmen gesäumte Felder am Auge des Betrachters, das heißt am dahin schaukelnden Reisebus vorbei. Armselig gekleidete Fellachen bearbeiteten mit großem Fleiß, ihren bloßen Händen und einfachsten Werkzeugen den fruchtbaren Boden. Unter wildem Gehupe kam auf der Gegenfahrbahn ein mit mindestens 15 Kamelen beladener Lastwagen in Sicht, worauf die ganze Reisegruppe mit gezückten Fotoapparaten und begeisterten Ausrufen von ihren Sitzen aufsprang und zu den links liegenden Fenstern eilte, um die exotischen Eindrücke für die Nachwelt fest zu halten. Ein Wunder, dass der Fahrer die Spur halten konnte.

Die Sonne brannte, obwohl es gerade Mal Anfang März gewesen sein dürfte, mit enormer Kraft auf die Landschaft herab. Aus dem zunächst winzigen gelblichen Punkt am Himmel wurde ein großer, sich rasend schnell über das ganze Bild ausbreitender brennender Fleck. Es schien, als ob sich der ägyptische Sonnengott Re anschicken wollte, persönlich auf die Erde herab zu steigen. Er kam immer näher. Das Licht wurde heller und heller und begann die Augen der Betrachter zu blenden. Dann ein Geruch wie angebrannte Milch.

„Verfluchter Mist, etz iss der Film scho widder hänger bliebn und dee blöde Projekdorlampn hodd mer a Mordsdrumm Loch in meine unersetzbarn Erinnerunger neibrennd“.

Peter war untröstlich. Natürlich konnte er die Stelle wieder mit Filmkitt und Klebepresse zusammenfügen, aber das kostete wieder ein paar Zentimeter seines unter großen Mühen angefertigten unwiederbringlichen Andenkens. Der mühsam eingefangene Originalton, im Zusammenspiel mit seiner meisterlich gestalteten Musikunterlegung, würde eine jähe Unterbrechung erfahren, bei zukünftigen Vorführungen natürlich einen unüberhörbaren Wackler bewirken und dadurch den Gesamtwert des Meisterwerks doch erheblich schmälern. Nicht, dass dieser Umstand auch nur einem der potentiell zukünftigen Betrachter überhaupt auffallen, gescheige denn annähernd so sehr stören würde wie den verzeifelten Kameramann selbst. Es war leider eher anzunehmen, dass dies heute ohnehin die letzte Vorführung für viele Jahre sein würde, wahrscheinlich sogar die letzte überhaupt.

Ganz im Gegensatz zu ihrem Ehemann kam Marga die Unterbrechung sehr gelegen. Sie hatte einen kleinen fränkischen Imbiss vorbereitet und wartete sowieso schon ungeduldig auf das Ende des filmischen Vergnügens. Zudem war ihr im Gegensatz zu ihrem in Erinnerung schwelgenden Ehemann nicht entgangen, dass Simon Bräunlein schon mehrfach für längere Zeit die Augen zugefallen waren, ein Fauxpas, den der Ertappte immer herunterzuspielen versuchte: „Mensch, ihr glabbd ja garnedd wäis heid widder in der Ärberd zouganger is“.

Ursprünglich hatte die Hausherrin überlegt, ob sie nicht sogar einige orientalische Gerichte aus der zwölfbändigen Rezeptsammlung, die die Kleinleins zu ihrer Hochzeit geschenkt bekommen hatten und die sie immer noch gelegentlich benutzte, heraus suchen sollte. Aber es wäre wohl unklug gewesen, ein Risiko einzugehen, wer weiß ob es allen geschmeckt hätte, denn von der anschließenden Abstimmung erhofften sich sie und Peter doch eine Stimmenmehrheit für eine Neuauflage des damaligen Ägyptenabenteuers. Und angesichts der beiden Bräunleins, die die einheimische fränkische Kost über alles schätzten, besonders wenn die Zutaten aus der eigenen, über die Ortsgrenzen weit hinaus beliebten Metzgerei stammten, war Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Kein Risiko!

„Also Beder, ich glaub, des war etz sowieso scho kurz vor Schluss. Den Film konnsd ja morgn früh aa in aller Ruhe widder zsammbabbn. Etz hommer ja alle scho gseeng, wie schäi dass in Ägibbdn is.“

Und mit schwärmerischem Blick fügte sie hinzu.

“Also, ich fahrerd scho aa ganz gern widder amal hie. Obwohl, obs nu so gemüdlich zugäihd wie damals, des glaab i nedd so rechd“.

Marga hatte sich mit ihrem Peter im Vorfeld natürlich über die Vorgehensweise abgesprochen. Die Filmvorführung war nur als Einstieg gedacht, danach sollten ausgiebige Schilderungen der damals erlebten Abenteuer und der Schönheiten des Landes folgen. Peter war ein anerkannt guter Unterhalter und Geschichtenerzähler und die Kleinleins versprachen sich vom Einsatz seines Talents eine zustimmungsfördernde Wirkung. Begleitet von einem erlesenen Essen und reichlich Getränken sollte dies dafür sorgen, dass die Freunde sich zu einer, diesmal gemeinsamen, Neuauflage der Reise in den Orient bewegen lassen würden.

„Glar, es muss ja nedd immer Mallorga sei“, meinte Simon Bräunlein endlich, aber noch ohne echte Überzeugung. Bei seiner Gattin war die Saat aber schon besser aufgegangen.

„Aweng was exodisches däd scho amal nedd schadn, odder? Nadürlich geh ich nedd auf die ganzn Besichdigunger mit, in dee stinkerdn Gräber und so. Iech leech mi hald derweil a wenig an Strand und lass mi von der ägybdischn Sunner braun brenner odder ich fahr mit an Boot a bissla naus auf die Korallnbänk“.

Peter hätte sich fast an seinem frisch eingeschenkten Weizen verschluckt.

„Genau, Gisela, dess machsd! Der Strand von Luxor is nämlich weldberühmd. Zwischn Hodell und Meer sinns ungefähr goude dreihunderd Kilomeder, allerdings kerzngrad durch die arabische Wüsde. Sand homms dordn genuch. Wennsd so willsd, is dess der breidesde Strand, dennsd jemals gseeng hosd. Aber vom Nilufer aus brauchersd zu Fuß hald a paar Wochn bisd äs erschde Mal die Welln siggsd“, hänselte Peter die Metzgersgattin.

„Abber amal im Ernst“, fügte er hinzu, „dess was du meinsd, dess gibbds nadürlich in Ägybdn scho auch, abber hald in die Badeorde am roodn Meer. Des is abber wo ganz wo anders und mit denne Kuldurdenkmäler, die mir seeng wolln, iss dord nedd gar so weid her. Woss des Badn angehd, da mussi di scho enddäuschn, dou konnsd höchsdns amal in an Hotelpool neischbringer.“

Und er schwenkte sofort um und begann die Schönheiten der geplanten Reise in den höchsten Tönen anzupreisen.

„Die Reise gehd immer am Nil entlang, dess hassd, von Kairo aus müss mer nach Luxor, wo dess Dal der Köniche lichd, den Flieger nehmer, wall die Gegend dazwischn fesd in der Hand von Islamisdn iss und die im Momend nedd so gut auf Durisdn zu sprechen sinn. Danach gäihds dann von Luxor aus immer weider nach Südn und immer am Fluss endlang bis nach Assuan.“

Im Prinzip hatte es vor Beginn der Beratungen bereits drei zu drei gestanden, denn die beiden Kleinleins waren sich einig, wohin die gemeinsame Reise dieses Frühjahr gehen sollte und Iwan hatte schon vor längerer Zeit signalisiert, dass er Lust hätte, wieder einmal auf große Fahrt zu gehen. Ägypten käme ihm da gerade recht. Nur einer von den verbleibenden Kandidaten musste sich also auf ihre Seite schlagen um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Lange mussten sich dann auch nicht auf den Erfolg warten, denn Lothar Schwarm, der Dorffigaro, war von den bewegten Bildern in Peters Film so begeistert, dass er trotz seiner sonst so vorsichtigen Art alle Vorbehalte vor einem vermeintlichen Abenteuer bei Seite schob und sich auf die Seite der Befürworter schlug.

„Allein scho die Birramidn, des muss mer einfach amal im Lebn gsehn haben. Dess letzde noch exisdierende Weldwunder! Und die wunderbarn Gräber im Daal der Könige! Ich möchd nedd amal sterbn und sagn müssn, dass ich nix von der Weld gseng hobb als wäi Rödnbach. Ich bin derbei!“

Und augenzwinkernd fügte er hinzu.

„Außerdem hodd des Ganze den gewaldichn Vordeil, dass unser Bäider nedd scho widder irgend a unerwünschde Leich in unsern schäiner Heimadord aufgabln konn. Leichen homms zwar gnouch in Ägybdn, abber dee sinn alle schon zwaa- bis dreidausnd Jahr ald, in Leinenlumbn eigwiggld und zoubabbd und etz liegns im Museum in auf Hochglanz bollierde gläsernere Schaukäsdn.“

Schallendes Gelächter brach allenthalben aus und besiegelte die einstimmige Entscheidung des Freundeskreises. Lothar Schwarm konnte sich gar nicht mehr zurückhalten und hüpfte ausgelassen auf dem Sofa auf und ab, war kaum mehr zu beruhigen. Immer wieder unterbrochen von lauthalsem Prusten brachte er nur mühsam heraus:

„Obwohl, dessmal wärs doch sogar amal sehr angenehm, wenn der Beder su a Leich finderd, a andigge nadürlich. Ich seh scho die Überschrifd in alle Zeidungen auf der ganzn Weld: Röthenbacher Durist entdeckt jahrtausende alte Mumie! Die Chancen, dass mer berühmd wern, dee warn noch nie su grouß. Ägybdn, mir kummer!“

Aufbruch

Von Rödnbach nach Frankfurt/Main

Schon in aller Herrgottsfrühe fanden sich die beiden Ehepaare Kleinlein und Bräunlein, sowie deren Freunde, der Dorffriseur Lothar Schwarm und Michael „Iwan“ Kowalew mit gepackten Koffern auf dem Röthenbacher Bahnhof ein. Es nieselte unangenehm und ein kalter Ostwind machte klar, dass der Winter zwar kalendarisch dem Frühjahr gewichen war, aber auch nicht einmal ansatzweise daran dachte, sich kampflos, das heißt ohne gelegentliche Störmanöver zurückzuziehen. So freuten sich alle auf Ägypten und seine wärmende Sonne.

Die S-Bahn fuhr mit kreischenden Bremsen ein. Die Freunde bestiegen den hintersten Wagen, wo sie es sich in einem überraschenderweise völlig leeren Abteil gemütlich machten. Alle waren in prächtiger Laune und in großer Aufregung. Obwohl alle schon längst die fünfzig, teilweise sogar die sechzig überschritten hatten, benahmen sie sich wie eine Gruppe aufgeregt gackernder Schüler auf Klassenfahrt. Peter, als begeisterter Filmer hatte sowohl seine neue Digitalkamera, als auch den Camcorder eingepackt. Er bat den eben eingestiegenen Zugbegleiter darum, eine Gruppenaufnahme zu machen. Dazu hielt er ihm den Fotoapparat entgegen und gab ihm zudem genaue Anweisungen.

„Sie braung bloß in dess Fensterler hindn schauer. Woss dord seeng, is nachher auf dem Bild drauf. Und abdrücken müssens oben auf dem länglichen Knopf. Ja, genau dou“, ergänzte er, als der Bahnbeamte, der natürlich auch nicht aus dem letzten Jahrhundert stammte, schon längst ein perfektes Foto geschossen hatte.

Die Stimmung war prächtig. Nach einer knappen halben Stunde stiegen die Reisenden in Nürnberg um in den ICE nach Frankfurt am Main, genauer gesagt Frankfurt/Main-Flughafen. Während der folgenden guten zwei Stunden Fahrt tauschten sie Erinnerungen an frühere Erlebnisse und freudige Erwartungen auf die bevorstehenden Abenteuer aus. Iwan trug eine Menge Seemannsgarn aus seiner aktiven Zeit im Dienste der christlichen Seefahrt bei. Die Gruppe konnte auf einen Außenstehenden leicht den Eindruck der berühmten „Unbedarften im Ausland“ aus dem gleichnamigen Roman von Mark Twain machen. Reihum wurde nachgeprüft, ob auch alle benötigten Papiere, Reisegutscheine, Fahrkarten, Ausweise tatsächlich eingepackt waren. Nicht, dass diese Nachkontrollen nicht schon zuhause x-mal durch exerziert worden wären, aber sicher ist eben sicher. Lothar brachte unter schallendem Gelächter und dem Anlass entsprechend, den uralten Sketch von Herbert Hisel, dem Nürnberger Humoristen aus den sechziger Jahren, zu Gehör. Dessen Helden hatten an der Grenze festgestellt, dass sie alles eingepackt hatten, aber leider nur das heimische Küchenbuffet fehlte. Er kam eben zur Pointe der lustigen Geschichte.

„…. wieso nou äs Küchnbüffee, woss soll mer nou mit dem? Ganz einfach, wall dou drauf unsere Bersonaalausweise lieng!“

Schallendes Gelächter auf allen Plätzen. Doch so schlimm würde es bei unseren Röthenbacher Orientreisenden nicht kommen. Alle hatten das Notwendige eingepackt. Es war immer noch früh am Morgen, als der Zug in den Frankfurter Airport-Bahnhof einrollte. Bis zum Einchecken war noch eine gute halbe Stunde Zeit, die sie in der riesigen Abflughalle damit verbrachten, ihr mitgebrachtes zweites Frühstück, Leberkäsweckla aus dem Hause Bräunlein zu verzehren und dabei die anderen Reisenden zu beobachten.

„Hosd du denn dord driem gseeng, denn mit derer hellblauer Jeans und dem gelb-roudn Hemmerd. Mein Lieber, dou kummd Farbe ins Schbill. Der schaud aus wäi a Babbagei ausn Nämbercher Diergardn. Und mit derer Adlernasn konnsd ohne Weideres Nußknackn, wäi mitn Schnabl von an Raubvogl. Hoffentli ghärd der nedd zu uns, sunst gräichi von Ägybdn nedd vill mit, walli blous dauerd über denn lachn mou“, meinte Lothar.

Und Iwan fügte übermütig hinzu.

„Vielleich ist er ja tatsächlich ein Vogelfänger, der in Südamerika auf die Jagd geht und der deshalb schon mal seine Tarnkleidung angezogen hat. Der sieht ja selber wie ein Hyazinthara aus.“

Die Bezeichnung kannte er noch aus den bunten Sammelbildern „Flora und Fauna des Urwaldes“, die er als kleiner Junge so eifrig gesammelt hatte und derentwegen seine Mutter, obwohl klein Michael gar keine Haferflocken mochte, dieselben packungsweise kaufen musste. Der farbenprächtige Herr hatte schon mal seinen Namen weg, ob er nun mit nach Ägypten reiste oder nicht.

Peter war ein sportlicher, wenn auch schon im fortgeschrittenen Alter befindlicher Mann aufgefallen, der von einer hünenhaften blonden Walküre verabschiedet wurde, als ob es keine Wiederkehr gäbe, was dem elegant gekleideten Herrn offenbar eher unangenehm war, zumal sie ihn auch noch mit allerlei Vorsichtsmaßregeln zu überschütten schien. Die beiden standen unmittelbar vor dem Schalter der Egyptair, der gerade in diesem Moment für den Check-in geöffnet wurde. Schnell bildete sich eine lange Schlange vor der Gepäckabgabe. Es ging nur langsam voran. Einer der Passagiere hatte Übergewicht, das heißt natürlich nicht nur er selbst, sondern leider auch sein Gepäck und das war das Entscheidende. Bis endlich der fällige saftige Preisaufschlag geregelt war, verging eine Menge Zeit. Da Peter schon die ganze Zeit aufgefallen war, mit welchem Kraftaufwand Simon seinen stabilen altmodischen Koffer mit sich herum schleppte, begann er sich diesbezüglich Sorgen zu machen.

„Simon, hobbd ihr dran gedachd, dass mer bloß zwanzich Kilo pro Berson als Gebägg mitnehmer derf? Mir scheinds fasd, dass ihr eiern ganzn Haushald eibaggd hobbd, so schlebbsd du dich ab.“

„Brauchsd der kanne Sorgn machn, Beder, mir homm unsere Koffer derhamm nu schnell auf die Fleischwaag naufgstelld und dee gäihd aufs Gramm genau, dou konnsd di drauf verlassn“, gab Gisela dem besorgten Freund Bescheid.

Als die beiden endlich an die Reihe kamen, stellte sich tatsächlich heraus, dass auf das zulässige Höchstgewicht gerade einmal winzige dreiundzwanzig Gramm fehlten. Das war knapp. Doch da nun auch diese Hürde genommen war, konnten sich die Röthenbacher aufmachen, um die Personenkontrolle zu passieren. Alles ging glatt, bis Simon an der Reihe war. Er hatte, den Vorschriften entsprechend und wie er es von seinen Vorgängern abgeschaut hatte, seine kleine Tasche, die er als Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen wollte, ordnungsgemäß in eine dieser Plastikboxen auf das Förderband gelegt und stand jetzt bereit, den Test mit dem Metallscanner zu absolvieren, als ein durchdringend anklagendes Geräusch aus der Richtung seiner Reisetasche ertönte.

„Gehört dieses Gepäckstück ihnen?“, fragte der Abfertigungsbeamte. Als Simon bejahte wurde er an den Bildschirm gebeten, auf dem sich deutlich ein länglicher Zylinder abzeichnete.

„Was ist das hier in ihrem Handgepäck?“, wollte der sichtbar nervös gewordene Sicherheitsexperte wissen.

„Dou is nix anders drin, wäi dess, woss ich bis Kairo brauch und des sinn immerhin über drei Stundn!“, gab Simon patzig zurück. Es passte ihm gar nicht, dass er wie ein ertappter Betrüger dastand, ob wohl er sehr wohl um die Notwendigkeit der Kontrollen wusste.

„Wir machen das hier nicht zum Spaß“, entgegnete der Beamte gereizt, „der Form nach zu urteilen, könnte es sich hier durchaus auch um eine Bombe handeln.“

„Dou liegns gar nedd amol so falsch, Herr Inschbeggder, dess sinn sogar gewaldiche Bombn, Kalorienbombn. Dou drin sinn meine Broudworschdbüxn, wossn sunsd“, konterte Simon mit dem unschuldigsten Gesichtausdruck der Welt. „Eigene Herstellung, verstenners. Eins-A Qualidäd, Bräunleins Fränkische Broudwörschd, Goldmedaille 2012 des Bayerischen Metzgerhandwerks. Woss solln nern na mit denne sei?“

„Sie dürfen keine Lebensmittel nach Ägypten einführen und ins Flugzeug dürfen sie die auch nicht mitnehmen. Die müssen sie leider hier zurück lassen.“

„Von wegen leider, wahrscheinlich freid ihr eich scho die ganze Zeid auf die nächste Brodzeid. Abber von mir aus könnd ers behaldn. Sollt a nedd leben wäi die Hund“, brummte Simon enttäuscht zurück.

In der Folge zog sich die weitere Personenuntersuchung Simons überdurchschnittlich lange hin, bis er endlich doch als unbedenklich, jedoch etwas zurückgeblieben eingestuft und durch gelassen wurde. In der Wartehalle von Gate A324 war dieser peinliche Vorfall noch länger Thema einer angeregten Unterhaltung.

„…. nadürlich hobb ich a weng a Essn von derhamm midgnommer. Mer wass doch nedd, woss in den Ägybdn für a Zeich gibd. Dou brauchd mer villeichd scho ab und zu amol a Nodration, dass mer widder einichermaßn auf die Fäiß kummd“, rechtfertigte sich Simon. „Und außerdem homms ja nedd alles gfundn. Im Koffer hobbi scho nu einiche Boar greicherde Broudwörschd und an klann Schinkn, alles sauber in Folie verschweißd. Dou bassierd garnix!“

Das durfte man getrost wörtlich nehmen. Es passierte längere Zeit wirklich nichts mehr. Der Flug startete trotz des Zwischenfalls pünktlich, verlief ohne weitere Überraschungen und landete fast auf die Minute genau nach Plan in der ägyptischen Hauptstadt.

Al Kahira – die Siegreiche

Alles fürchtet sich vor der Zeit, aber die Zeit fürchtet sich vor den Pyramiden.

Die Reisegruppe hatte ihre erste Nacht in einem der vielen Touristenhotels der riesigen Metropole verbracht. Morgens, gleich nach dem Frühstück, das nicht nur aus starkem Kaffee und pappigen Brötchen mit zuckersüßer Marmelade bestand, wie es die Kleinleins von ihrem ersten Besuch kannten, sondern ein reichhaltiges Buffet einschloss, hatte der Bus der einheimischen Travel Agency MISR-Tours vor dem Eingang auf die unternehmungslustige Gruppe gewartet.

Marga und Peter hatten trotz der Strapazen der Anreise nicht besonders gut geschlafen. Es war bereits sehr heiß für Ende März und der Temperaturunterschied zum heimischen Röthenbach betrug ganz bestimmt mehr als 25 Grad. Simon und seine Gisela hatten damit offenbar kein Problem. Beide kamen soeben gut gelaunt über den staubigen Teppich, der zwischen Hoteleingang und Straße ausgebreitet lag, freudestrahlend auf den Bus zugelaufen. In ihrem Schlepptau Lothar, der offenbar die frühen Morgenstunden bereits mit ausufernder Körperpflege verbracht hatte. Sein Haar und sein kunstvoll gezwirbelter Schnurrbart zeugten von fachmännischer Behandlung. Iwan, der sechste im Bunde hatte bereits im Bus Platz genommen. Der Rest der Gruppe kam nach und nach aus dem muffigen Hoteleingang heraus in die frische Morgenluft. In Kairo können die Nachtstunden gut und gerne um mehr als zwanzig Grad kühler sein als die Temperaturen während der Hitze des Tages.

Im Bus saßen die Kleinleins und die Bräunleins natürlich jeweils zusammen. Lothar und Iwan hätten auch gerne nebeneinander liegende Plätze geteilt, doch das ging einigermaßen schief. Nachdem Iwan zu Beginn des heutigen Ausflugs schon als Erster im Bus Platz genommen hatte, während Lothar geschwind noch gegen eine letzte widerspenstige Locke kämpfte, geschah es, dass eine offenbar Alleinreisende, gut aussehende Dame um die Fünfzig mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen auf Iwan zuschwebte und ihn fragte, ob denn der Platz neben ihm noch frei sei. So oft geschah es nicht, dass man in Iwans Alter noch derart verlockende Angebote erhielt und so entschied er spontan, dass Lothar sicher nichts dagegen hätte, wenn er auch die Chance auf eine neue Bekanntschaft erhalten würde.

Als Lothar dann endlich eingestiegen war und sich neben seinen Freund setzen wollte, wurde er herb enttäuscht. Auf dem Platz neben seinem Freund hatte bereits eine Dame Platz genommen. Als diese sah, dass die beiden Herren miteinander bekannt waren, wollte sie freiwillig ihren Sitz räumen, damit die beiden zusammen sitzen konnten. Lothar winkte höflich ab. Ganz Gentleman entschuldigte er sich für die Störung und schaute sich suchend im Bus um. Leider war er, wie so oft, der Letzte gewesen. Als Folge seiner berufsbedingten Höflichkeit hatte er alle anderen Fahrgäste zuerst einsteigen lassen und jetzt war nur noch ein einziger Sitzplatz frei. Es war natürlich kein Fensterplatz, denn den hatte sich bereits eine extrem blonde Frau in Jeans und blendend weißer Bluse gesichert. Nicht gerade Marylin Monroe, dachte Lothar, aber schon flott und sehr gepflegt. Sie musste etwa Mitte bis Ende Fünfzig gewesen sein, denn die aufkommenden Falten konnten auch von einer gekonnt aufgetragenen Schicht Make-Up nicht ganz weggeleugnet werden.

Lothar machte eine leichte Verbeugung, so als ob er die Dame zum Tanzen auffordern wollte und fragte, ob denn der Platz noch frei sei. Eine rein rhetorische Frage, denn es war der einzige und wenn der Reiseveranstalter keinen schlimmen Fehler gemacht hatte, dann konnte er gar nicht belegt sein. Auf das zustimmende Nicken seiner Nachbarin hin, ließ er sich endlich nieder. Er war sofort etwas beklommen, denn, obwohl er doch tagtäglich mit den Röthenbacher Damen zu tun hatte, war dies schon etwas anderes. In seinem Salon saßen die Frauen immer und er stand hinter ihnen mit Schere und Bürste in der Hand. Da war er der Agierende, der Fachmann. Da war er viel selbstsicherer. Und die Themen waren auch immer klar, eben alles, was in den ausliegenden Frauenzeitschriften und Boulevardmagazinen stand oder der neueste Dorftratsch, den er als Friseur immer als einer der Ersten mitbekam.