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Eine Geschichte aus dem Kuriosen Kochbuch Boone Walton hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er lebt jetzt nur noch für seine Kunstgalerie in New Orleans und seine Freundschaft mit Scott Wren. Alles scheint sich langsam zu normalisieren und wieder in geregelten Bahnen zu verlaufen. Boone könnte nicht glücklicher sein. Scott Wren, ein junger Koch und Restaurantbesitzer, möchte mehr als Freundschaft. Er will eine echte Beziehung zu Boone, doch der hat davor eine Heidenangst. Und das liegt nicht nur an dem Geist, der in Scotts Wohnung herumspukt. Es liegt auch nicht an Scotts Familie. Nein, es liegt daran, dass Boones Vergangenheit ihm einen unerwarteten Besuch abstattet. Es gibt eigentlich nichts, was sich zwischen Boone, Scott und die Mousse au Chocolate drängen kann, deren Rezept Scott in einem kuriosen, alten Kochbuch gefunden hat. Nichts, bis auf das Meer des Leidens, das Boone überqueren musste, um im Big Easy ein neues Leben zu beginnen. Doch das Rezept hat eine geheime Zutat, die in Boone ein Vertrauen und eine Liebe weckt, wie er sie bisher noch nie erfahren hat.
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Inhalt
Zusammenfassung
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Copyright
Von Mary Calmes
Ein Titel der Geschichten eines seltsamen Kochbuchs Serie
Boone Walton hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er lebt jetzt nur noch für seine Kunstgalerie in New Orleans und seine Freundschaft mit Scott Wren. Alles scheint sich langsam zu normalisieren und wieder in geregelten Bahnen zu verlaufen. Boone könnte nicht glücklicher sein.
Scott Wren, ein junger Koch und Restaurantbesitzer, möchte mehr als Freundschaft. Er will eine echte Beziehung zu Boone, doch der hat davor eine Heidenangst. Und das liegt nicht nur an dem Geist, der in Scotts Wohnung herumspukt. Es liegt auch nicht an Scotts Familie. Nein, es liegt daran, dass Boones Vergangenheit ihm einen unerwarteten Besuch abstattet. Es gibt eigentlich nichts, was sich zwischen Boone, Scott und die Mousse au Chocolate drängen kann, deren Rezept Scott in einem kuriosen, alten Kochbuch gefunden hat. Nichts, bis auf das Meer des Leidens, das Boone überqueren musste, um im Big Easy ein neues Leben zu beginnen. Doch das Rezept hat eine geheime Zutat, die in Boone ein Vertrauen und eine Liebe weckt, wie er sie bisher noch nie erfahren hat.
ES DUFTETE nach Jasmin.
Wo immer auch man sich in New Orleans aufhielt, hing der Geruch nach Jasmin in der Luft. Als ich vor fünf Jahren nach NOLA – New Orleans, Louisiana – kam, bin ich schnüffelnd durch die Straßen gewandert und habe die Menschen nach diesem speziellen Geruch gefragt. Ich habe viele Antworten bekommen – Langusten oder Gumbo, Hartriegel oder Geißblatt, der Fluss oder der Regen –, aber zu guter Letzt kam alles auf diesen einen, überall präsenten Geruch zurück. Jasmin. Er lag über dem Garden District oder kam als sanfter Hauch aus der Dumaine. Wenn ich früh am Morgen oder spät in der Nacht über die alten, holprigen Bürgersteige der Altstadt ging, war es dieser Duft, mit dem ich meine Lungen füllten. Meine Freunde hielten mich für verrückt, besonders der Mann, der mein bester Freund wurde, nachdem wir uns vor zwei Jahren kennenlernten. Scott Wren.
Vor zwei Jahren war er in meine Galerie gekommen, um mir einen Prospekt in die Hand zu drücken. Darauf stand, er würde sich im French Quarter niederlassen und seine spanisch beeinflusste Küche mitbringen. Mir fielen als erstes die grauen Augen auf, dann die dichten, dunkelblonden Haare, oben länger als an den Seiten und hinten, die schlanken Künstlerhände, die langen Beine und schließlich der perfekte, knackige Hintern. Ich wollte ihn gerade anbaggern, da riss er den Mund auf und sah sich mit großen Augen im Ausstellungsraum um.
Es war nicht meine Kunst – ich war Innenarchitekt, kein Künstler –, aber über dem Eingang zur Galerie stand mein Name: Boone Walton. Die Bewunderung in seinem Blick ließ mich schweigen und meine ursprüngliche Absicht neu überdenken.
„Verdammte Scheiße“, flüsterte er. „Ich war heute schon in mindestens zehn Kunstgalerien, aber keine war so beeindruckend. Kein Wunder, dass sie mir alle geraten haben, sie zu überspringen.“
Sofort reagierte ich gereizt „Die Leute haben dir gesagt, du sollst nicht zu mir kommen?“
Er nickte und sah sich weiter um, schien mich kaum zu beachten. „Sie haben gesagt, dass du nichts brauchst, weil du für deine Vernissagen einen Caterer aus New York kommen lässt und nie mit lokalen Restaurants zusammenarbeitest.“
Das war richtig.
„Sie haben gesagt, ich würde meine Zeit verschwenden.“
Und das hätte er auch getan, wäre ihm nicht die Kunst aufgefallen und hätte er sie nicht so offensichtlich zu schätzen gewusst. Aber so hatte er mir die Augen für sein Angebot geöffnet.
„Ich nehme an, wir sind beide Zugezogene, ja?“, fragte er und drehte sich endlich zu mir um. „Wahrscheinlich hast du bisher nur noch niemanden gefunden, dem du vertrauen kannst. Es gab niemanden, an den du glauben konntest, der genauso viel zu gewinnen oder verlieren hatte wie du selbst.“
Ja.
„Habe ich recht?“
Das hatte er und sein Augenzwinkern war so süß, dass ich ihm einen finsteren Blick zuwarf. „Was?“
„Würde es dich umbringen, zur Abwechslung zu lächeln?“
Durchaus möglich.
„Ich verspreche dir, dass wir Freunde werden. Du musst nicht so finster dreinschauen.“
Es gab keine Garantien im Leben.
„Funktioniert das sonst immer? Ergreifen die Menschen die Flucht, wenn du sie so finster ansiehst?“
Ja, in der Tat.
Ich konnte so umgänglich sein wie Jedermann, aber auch einfach nur bedrohlich. Meine Größe und eine Kleidung, die meine harten, kräftigen Muskeln betonte, ließ jeden vor mir auf der Hut sein. Wenn meine Kunden von den Tattoos wüssten, die sich unter dieser Kleidung verbargen, würden sie wahrscheinlich umgehend die Flucht ergreifen. Aber so gelang es mir, das Bedrohliche mit gerade genügend Charme auszugleichen, um meinen Geschäften nicht hinderlich zu sein. In diesem Augenblick hätte ich Scott Wren allerdings am liebsten mich selbst verkauft, weil ich dringend wissen wollte, wie er schmeckte. Andererseits wollte ich ihn aber noch dringender wieder loswerden, weil ich erkannte, dass er mir unter die Haut gehen würde. Er hatte nämlich offensichtlich keine Angst vor mir, und das konnte schlimm enden.
„Ich nehme dir nur ungern deine Illusionen“, teilte er mir mit. „Aber mich verjagst du nicht. Ich weiß, dass du mich brauchen kannst.“
„Nein, ich brauche …“ knurrte ich und fing dann von vorne an. „Vielen Dank, aber ich habe bereits mehr als genug Freunde.“
„Freunde kann man nie genug haben.“
Dem konnte ich nicht ernsthaft widersprechen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt genau einen Freund in Kalifornien und einen in New Orleans. Alle meine Freunde aus der Kindheit waren entweder tot oder schlimmeres.
„Was meinst du also? Willst du es mit mir versuchen?“
Wollte ich das? Und – noch wichtiger – konnte ich das? Wenn meine erste Reaktion war, mit ihm schlafen zu wollen … konnten wir dann einfach Freunde werden?
„Ich denke, wir könnten uns gegenseitig unterstützen. Vielleicht willst du Bilder in meinem Restaurant aufhängen. Ich könnte dafür das Catering übernehmen, wenn du wieder eine Vernissage hast. Was meinst du?“
Es war ein Risiko. „Ist es ein schönes Restaurant?“
Ich wurde wider Willen neugierig.
Er sah mich jetzt wieder an. „Ich bin erst am Beginn meines Traumes. Ich habe noch viel Arbeit vor mir. Willst du mitmachen?“
Er dachte offensichtlich an eine Art Partnerschaft. Wenn es um mein Geschäft ging, musste ich vernünftig sein und mich entscheiden – wollte ich eine dauerhafte Freundschaft oder einen One-Night-Stand?
„Ich lade dich zum Essen ein“, schlug er vor und kam näher, so nahe, dass er die Hand auf meinen Arm legen konnte. „Schau es dir an und sage mir dann deine Meinung.“
Ich hatte mich immer noch nicht entschieden, da nahm er meine Hand.
„Bitte. Lass mich für dich kochen.“
Und ich ließ ihn. Ich erlaubte ihm Zutritt in meine Wohnung, die im zweiten Stock über der Galerie lag. Und alles, was er kochte – von den Shrimps Azafrán bis zur Paella Valenciana – war unglaublich gut. Zu meiner nächsten Vernissage servierte er Tapas mit Rotwein. Es wurde ein Hit. Die Besucher waren begeistert und ihre vielen Empfehlungen brachten Scott neue Gäste. Er schwebte im siebten Himmel. Kurz und gut – wir waren ein prima Team. Dadurch fiel er als potenzielle Eroberung endgültig aus und rutschte in die Kollegen-Schublade, aber das war auch besser so. Die Männer, mit denen ich normalerweise ins Bett ging, waren austauschbar und schnell vergessen. Ein guter Geschäftspartner – und späterer Freund – war viel schwerer zu finden.
JETZT SAß mein bester Freund mir gegenüber an einem kleinen Tisch im Café du Monde und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. Wir kamen eigentlich nie hierher, weil es immer zu laut und viel zu voll war. Aber manchmal brauchte man einfach Beignets, und da Scott sich geschworen hatte, sie niemals auf die Speisekarte zu setzen, schleppten wir uns in diese vollgepackte Touristenfalle und bestellten sie hier.
„Du solltest deinen Widerstand aufgeben und sie selbst zubereiten“, meinte ich, steckte mir ein Beignet in den Mund und schob die letzten Krümel mit dem Finger rein.
Er lachte. „Wow.“
Ich schenkte ihm mein breitestes Puderzucker-Lächeln.
„Wie eklig.“
Ich richtete den Zeigefinger auf ihn und drückte ab.
„Oh nein, Babe. Keine Chance. Niemals backe ich Beignets. Ich will gar nicht erst das Risiko eingehen, mit dem Original verglichen zu werden.“
„Chib becher’r“, sagte ich durch das Beignet in meinem Mund.
„Ich weiß, dass es bessere gibt. Es gibt auch schlechtere“, stimmte er mir zu. „Aber warum sollte ich mir die Mühe machen? Ich brauche etwas anderes, brauche ein wirklich einmaliges, unverwechselbares Dessert. Es muss so speziell und so gut sein, dass es niemand wieder vergisst.“
Ich zog fragend eine Augenbraue hoch.
„Du weißt schon, was ich meine. Das Dessert muss eine Art Markenzeichen für mein Restaurant werden.“
Er hatte schon viele Rezepte ausprobiert auf seiner Suche nach dem ganz besonderen Dessert, das jeder bestellte, der in sein Restaurant kam. Bisher allerdings erfolglos.
„Der Kaffee hier ist eine Wissenschaft für sich“, sagte er, als wir aufstanden und ein lächerlich hohes Trinkgeld hinterließen, wie wir es immer machten. „Das musst du zugeben.“
Es war ein Café au Lait, und ja, er war gut. Aber Scotts Café con Leche war um Klassen besser, weil er die Zichorie – die ich noch nie gemocht hatte – durch Zimt ersetzte. Ich dachte erst, das wäre viel zu süß, aber nach dem ersten Schluck wurde ich eines Besseren belehrt. Der Kaffee hatte eine wunderbar beruhigende Wirkung. So ähnlich wie eine Tasse Kamillentee vorm Schlafengehen. „Deiner schmeckt mir besser.“
Scott lachte prustend. „Du musst mich nicht besänftigen, ich halte es schon aus.“
„Mach nur weiter so und nimm mich nicht ernst. Er ist perfekt.“
Er lächelte so strahlend, dass selbst einige Passanten auf dem Bürgersteig ihm nachschauten. Wenn Scott Wren lächelte, wurde aus dem ganz normalen Mann ein Filmstar. Er war gut zehn Zentimeter kleiner als meine Einsfünfundachtzig, schlank und drahtig mit goldener Haut. Seine Augen glänzten wunderschön grau mit silbernen Flecken, seine Lippen waren sündhaft geschürzt, seine Grübchen blitzten und er rümpfte die Nase. Kurz und gut – er war nicht nur attraktiv, er war auch atemberaubend schön. Und diese Schönheit wurde noch übertroffen durch sein heiseres Lachen. Jeder, der es hörte, lag ihm sofort zu Füßen und wollte mit ihm gehen.
Normalerweise war Scott so hundemüde, dass er es nicht bemerkte. Er arbeitete sehr hart, sechs Tage die Woche. Oft, wenn er nach dem sechsten Tag erschöpft das Restaurant hinter sich abschloss, bekam ich einen nächtlichen Anruf und er bat mich, ihn abzuholen, ihm etwas zu essen zu besorgen und ihn ins Bett zu stecken. Manchmal kam er aber auch direkt zu mir. Das Restaurant war in der St. Peter, und meine Galerie lag in der Nähe des Hotels Monteleone, drei Häuser von der Ecke Bienville/Royal entfernt.
Heute war Sonntag, sein letzter Tag für diese Woche, und er war mit der Arbeit fertig. Sein Restaurant, the bungalow – Kleinbuchstaben, dunkelbraun auf goldbraunem Grund –, blieb montags geschlossen.
Auch heute rief er an und bat mich, ihn beim Restaurant zu treffen. Ich warnte ihn scherzhaft, dass ich vermutlich im Gumbo Shop einen Zwischenstopp einlegen würde, weil the bungalow schon geschlossen war.
„Ich koche bei dir zuhause“, versprach Scott. „Shrimps, wie du sie am liebsten isst.“
Er ließ die Shrimps am Stück, so dass ich sie auseinandernehmen musste, um den Saft aus dem Kopf zu saugen. Sie schwammen in einer Art Brühe und man musste sie einzeln herausfischen. Himmlisch.
„Ja, gut“, erwiderte ich und das Wasser lief mir im Munde zusammen.
Er lachte. „Hol mich jetzt ab. Ich brauche Kaffee und Beignets, sonst schlafe ich im Stehen ein. Und ich will auf dem Heimweg über den Jackson Square gehen. Vielleicht ist dieser Kerl da.“
Es gab immer irgendeinen Kerl.
Niemand vertraute so schnell, verliebte sich so schnell und bedingungslos wie Scott. Er trug das Herz auf der Zunge und verschenkte es freizügig. Mich machte es immer wahnsinnig, wenn er schon wieder einmal den ‚Richtigen‘ gefunden hatte, nur um dann enttäuscht zu werden. Ich konnte es nicht ertragen, wenn Scott verletzt wurde. Immer wieder verschwanden Männer aus seinem Leben, als hätte es sie nie gegeben. Manche von ihnen ließen mehr als nur einen emotionalen Scherbenhaufen zurück. Der letzte, Jason Daly, hatte sogar Scotts Bankkonto geplündert. Glücklicherweise hatte Scott vor einigen Monaten meinen Namen auf sein Geschäftskonto eintragen lassen, so dass niemand an das Geld kam. Selbst Scott konnte ohne meine Unterschrift nur die Lieferantenrechnungen bezahlen. Deshalb musste sich Jason mit den zweihundertnochwas Dollar auf Scotts Privatkonto zufriedengeben, während die neunzehntausend, die am Monatsende – nachdem Scott alle Lieferanten und Mitarbeiter, vom Kellner bis zum Webmaster, bezahlt hatte – noch auf dem Geschäftskonto lagen, vor ihm sicher waren. Scott hatte den Diebstahl nicht anzeigen wollen, weil es ihm peinlich war. Ich musste ihn lange überreden, bis er endlich doch zur Polizei ging. Es stellte sich heraus, dass Jason keine eigene Wohnung hatte, sondern bei einem weiteren ‚Freund‘ untergeschlüpft war. Als die Polizei endlich vor der Tür stand, war der Vogel schon ausgeflogen. Wenigsten konnte ich ihn jetzt verhaften lassen, wenn er sich noch ein einziges Mal blicken ließ. Aber erst, nachdem ich ihn grün und blau geschlagen hatte.
„Ich schwöre allen Männern ab“, hatte Scott mir nach diesem Desaster versprochen.
Und doch waren wir jetzt schon wieder auf dem Weg zu so einem Kerl. Es war mir ein Rätsel, wieso Scott immer wieder aufs Neue das Interesse und die Energie aufbrachte.
Vor dem Café du Monde überquerten wir die Straße und gingen über die St. Ann zum Jackson Square, direkt auf die St.-Louis-Kathedrale zu.
„Bekomme ich heute nichts zu essen, wenn dein Tarot-Kartenleger nicht da ist?“, fragte ich.
„Nein“, sagte er schnell. „Ich will ihn für einen anderen Tag einladen, um Gottes Willen. Er ist jetzt am Arbeiten.“
Ich nickte bedächtig und runzelte die Stirn.
„Sei kein Idiot.“
„Ich habe doch gar nichts gesagt.“
Wir gingen an einer ganzen Reihe von Kartenlegern vorbei, aber für die interessierte er sich nicht. Er suchte nach einem bestimmten, zu dem er angeblich gleich eine besondere Verbindung gespürt hätte. Mir war das alles ziemlich egal. Die warme Frühlingsluft blies sanft über den Platz. Sie war noch nicht zu heiß und stickig, und machte unseren Spaziergang zu einem Genuss.
„Gott, er hätte sich fast umgebracht.“
„Wie bitte?“, fragte ich, als ich merkte, dass er mit mir sprach.
Scott grinste übermütig. „Ist dir der Kerl nicht aufgefallen, der beinahe die Säule umgerannt hätte, weil er die Augen nicht von dir lassen konnte?“
„Nein. Wo?“
Scott schüttelte den Kopf. „Mann, wenn ich auch so aussehen würde wie du, würde ich gewaltig abräumen.“
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Du weißt, dass ich recht habe. Du legst Wert auf einen fitten Körper – läufst jeden Morgen, machst Krafttraining und hast kein Auto, weil du immer zu Fuß gehst.“
„Ich habe ein Motorrad“, korrigierte ich ihn. „Und das habe ich nicht, weil es gut für die Kondition ist, sondern weil ich damit leichter einen Parkplatz finde. Die Gasse an der Galerie ist zu eng für ein Auto, sei es auch noch so klein.“
„Fang jetzt nicht mit der komischen Rennmaschine an, die …“
„Es ist ein Norton Commando 961 Cafe Racer. Ich habe jahrelang dafür gespart“, sagte ich trocken. „Und stell mich nicht wie einen Deppen hin, der nur Motorrad fährt, um Männer aufzureißen.“
„Habe ich doch gar nicht“, sagte er lachend. „Ich wollte nur andeuten, dass du ein reicher Depp bist, der versucht, Männer aufzureißen.“
„Leck mich doch.“
„Dir gehört ein Haus im 300er Block der Royal Street, Boone.“
„Das ich mit den Ersparnissen meiner Mutter und meinem eigenen Geld gekauft habe“, erinnerte ich in. „Ich habe nicht viel geerbt und mir ist auch nichts in den Schoß gefallen.“
Er hatte keine Ahnung, wie ich an das Geld gekommen war, das es mir ermöglichte, Japan zu verlassen. Nach Harus Tod hatte ich es genommen und die Flucht ergriffen.
„Ja. Aber du hast es nicht nur gekauft, du hast es auch renoviert. Die Kosten müssen astronomisch hoch gewesen sein.“
Das war richtig. „Und worauf willst du damit hinaus?“
„Das habe ich glatt vergessen“, scherzte er.
„Und du weißt genau, dass niemand das Haus kaufen wollte. Es hat jahrelang leer gestanden.“
„Weil es so teuer war“, erwiderte er. „Was mich wieder auf den Punkt mit dem Geld zurückbringt.“
„Ja und nein“, sagte ich, ohne auf den zweiten Teil seiner Bemerkung einzugehen. „Es zu kaufen, war nicht das Problem. Das Haus war eine Ruine. Ich musste es komplett renovieren.“
„Und es spukt dort“, sagte er.
„Es gibt in New Orleans keine Häuser, in denen es nicht spukt.“
Er grunzte.
„Wolltest du etwas sagen?“
„Ich wollte nur darauf hinweisen, dass du genügend Geld hattest, um dir deinen Traum zu erfüllen.“
Diesen neuen Traum hatte ich auch dringend nötig, nachdem der alte gestorben war, zusammen mit dem Mann, der mir die Welt bedeutete. „Wenn man sich etwas so sehr wünscht, dass man alle Kraft aufwendet, um sein Ziel zu erreichen – dann ist alles möglich.“
„Das glaube ich auch.“
„Außerdem habe ich viel Geld gespart, weil ich die Renovierungen selbst erledigt habe. Ich musste keine Handwerker bezahlen.“
„Ich weiß“, sagte er und stieß mich mit der Schulter an. „Es hat drei Jahre gedauert, bis alles so war, wie du es dir vorgestellt hast. Du hast fast alle Arbeiten selbst gemacht. Deshalb ist es so wunderbar geworden. Alles, was du machst, wird wunderbar. Schau dir nur mein Restaurant an.“
Ich hatte die kompletten Innenrenovierungen seines Restaurants übernommen – vom Eingangsbereich mit seinen Kacheln im spanischen Kolonialstil bis zu den türkischen Lampen. Die Toilettenräume bekamen mexikanische Kacheln und Talavera-Waschbecken. Die abgehängten Decken waren entfernt und die alten Holzbalken freigelegt worden, die sich darunter verborgen hatten, genauso wie die alten Backsteinwände. Eingerichtet war der Speiseraum mit alten Holztischen. Die Wand hinter der Bar war von oben bis unten mit Regalen für die Spirituosen und den Wein bedeckt, vor denen eine alte Rollleiter aufgehängt war, wie man sie in Büchereien benutzte. Die Regale wurden von hinten beleuchtet und das sanfte, blaue Licht tauchte die ganze Bar in seinen träumerischen Glanz. Der Betonfußboden wirkte wie toskanischer Schiefer und gab dem Raum zusätzlich Wärme und Weite.
Es war gemütlich, aber nicht einengend. Hier konnte man frei atmen und sich sofort wohlfühlen. Die Restaurantkritiker sahen das genauso und nannten the bungalow ein einfaches, ehrliches Restaurant, das man immer wieder besuchen wollte. Die Menschen kamen gerne hierher, zumal das Essen noch besser war als die Einrichtung.
„Das Restaurant war keine große Herausforderung“, sagte ich gähnend.
„Oh. Und warum nicht?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe es einfach nur so gemacht, dass es zu dir passt.“
Er trat vor mich und ich musste stehenbleiben, um ihn nicht umzulaufen.
„Was ist denn?“, fragte ich überrascht.
„Dass es zu mir passt? Was meinst du damit?“
„Hell, fröhlich und warm“, erklärte ich ihm. „Wie du eben.“
Er lächelte strahlend. „Du sagst immer so nette Dinge, Boone.“
Ich stöhnte und ging um ihn herum.
„Und damit du es weißt … wenn ich deine Grübchen hätte und dein lächerlich männliches Kinn oder deine breiten Schultern, würde ich alle hübschen Jungs abkriegen.“
