Ostholstein gestern - Jürgen Vogler - E-Book

Ostholstein gestern E-Book

Jürgen Vogler

4,8

Beschreibung

Diese „Heimatgeschichte zum Anfassen“ gibt Einheimischen wie Gästen auf anschauliche und unterhaltsame Weise einen Einblick in die bewegte und abwechslungsreiche Geschichte Ostholsteins. 100 in sich abgeschlossene Geschichten erzählen lebendig über die Geschichte vor der Haustür. Immer wieder greift der Autor „Stolpersteine“ auf, um einen Ausflug in die Heimatgeschichte Ostholsteins zu starten. Eine Kirche, ein Denkmal, eine Mühle oder nur ein kleiner Meilenstein am Wegesrand sind jene Zeitzeugen, an denen Geschichte sichtbar wird.

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Ostholstein

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kirchen und Klöster

1 Eine kleine Kapelle mit bewegter Vergangenheit

2 Kloster Cismar – Die allzu weltlichen Mönche

3 Der älteste Flügelaltarschrein

4 Vicelinkirche in Ratekau

5 Hospital zum Heiligen Geist

6 Die Glocken von St. Laurentius

7 Das viel zu große Gotteshaus

8 Bosau – Kleine Kirche mit großer Geschichte

Eutiner Schloss und Herzögliches

9 Ägyptische Gottheit oder doch nur Affen vor dem Schloss?

10 Kanonendonner vor dem Eutiner Schloss

11 Zwischen Gutshaus und Schloss - Aufgaben eines Großherzogs

12 Die Dampfyacht „Lensahn“ und ein Admiral aus dem Hause Oldenburg

13 Bischof Hans und seine Frauen

Residenzstadt Eutin

14 Mord in der Residenzstadt

15 Moderne Fürsorge im 18. Jahrhundert

16 Moral im späten Mittelalter – Ein Dirnenhaus in Eutin?

17 Fluch der großen Feuer

18 „Revolution“ der Landarbeiter

19 Gedenksäule auf dem Marktplatz in Eutin

20 Als der Nachtwächter noch heimleuchtete

21 Irrwege des Eutiner Rolands

22 Eutiner Putten – Tapfere Kleinode

23 Kapitelshöfe in Eutin

Recht, Hinrichtung und Hexen

24 Rechtsprechung im Mittelalter

25 Die letzte Hinrichtung auf der Galgenkoppel

26 Hexenwahn in der aufgeklärten Residenzstadt

27 Von Galgen und Scharfrichtern

28 „Karrenstrafen“ und Zwangsarbeit

29 Aus alten Protokollen – Hexenprozesse in Heiligenhafen

Küste, Häfen und Seebäder

30 Haffkrug: Osteebad, Fischerdorf und „Seehafen“?

31 Als Scharbeutz ein Seebad wurde

32 Als Ahrensbök einmal Kurort werden wollte

33 Fischerei in Schleswig-Holstein

34 Der Niendorfer Hafen im Wandel der Zeit

35 Die vier oldenburgischen Ostseebäder

36 Grömitz und der Fremdenverkehr

37 Katastrophe vor der Küste Fehmarns

38 Badeleben gestern und heute

39 Von Seeräubern, Freibeutern und Piraten

40 Burg auf dem Weg zum Ostseebad

41 Die Sturmflut von 1872

42 Die Leuchtfeuer Fehmarns

43 Fährverkehr Fehmarnsund – Als es noch keine Brücke gab

44 Leuchtturm von Dahmeshöved

45 Ist die Ostsee ein süßes Meer?

Straßen, Wege und Häuser

46 Straßen und Wege der Vergangenheit

47 Dänenchaussee – Eine Straße mit Geschichte

48 Erste Schienenwege in Ostholstein

49 Erste Autos im Fürstentum Lübeck

50 Woher Holsteins Straßennamen kommen

51 Postkutschen auf schlechten Wegen

52 Die unendliche Geschichte einer kleinen Brücke

53 Pagodenspeicher – Vom Kornspeicher zum Wahrzeichen

54 Vogelfluglinie

Pest und Aderlass

55 Der Schwarze Tod in Holstein

56 Vom Aderlass, Schröpfen und Blutegelsetzen

57 Sinnesfreuden im Mittelalter

58 Weise Frauen und Aderlass

Persönlichkeiten

59 Aus dem Tagebuch einer Pfarrerstochter

60 Carl Maria von Weber

61 Ein berühmter, aber vergessener Sohn Eutins

62 Wilhelm Wisser – Märchenforschung im östlichen Holstein

63 Johann Heinrich Voß in Eutin…

64 Polizeidiener in Paradeuniform

65 Bildhauer Paul Peterich

Mühlen, Güter und Landwirtschaft

66 Bauernregeln und Wettersprüche in Ostholstein

67 Bedeutende Mühlen an der Schwartau

68 Großkraftwerk bei Gronenberg geplant

69 Gutshöfe und Herrenhäuser

70 Als Milch und Käse nach Ostholstein kamen

71 Kornernte vergangener Tage

72 Die Schulendorfer Papiermühle

73 Woltersmühlen – Ein kleines Dorf mit großen Mühlen

74 Mühlenbauer Carl Friedrich Trahn

75 Hof Altona – Bauernhof am Rande der Geschichte

Landschaften und Seen

76 „Scharbeutzer Heide“ – welch wundersamer Name für einen Buchenwald

77 Ruppersdorfer See

78 Grenzsteine von damals und heute

79 Bungsberg – Der höchste Berg unseres Landes

80 Ostholstein - Über Namen, Kreise und Landschaften

81 Legende und Wahrheit über ein Gewässer

82 Megalithgräber–Die ältesten Zeugen unseres Landes

83 Fehmarn – Eine ganz ungewöhnliche Insel

84 Schwentine – Ein „heiliger Fluss“ in Holstein

85 Stumme Zeugen der Eiszeit

86 Steilküste – Opfer des Meeres

87 Oldenburger Wall

Land und Leute

88 Franzosen und Russen in Holstein

89 Als Kochen und Heizen noch mühsam war

90 Von Zucht, Ordnung und armen Dorfschullehrern

91 Zwischen Kienspan und Kohlebügeleisen

92 Plattdeutsch – Die Sprache des Herzens

93 Gab es einmal Ritterburgen in Ostholstein?

94 Gilden – Die Versicherungen von damals

95 Bräutigamseiche im Dodauer Forst

96 Anekdoten über Dichter und Denker aus Schleswig-Holstein

97 Vom Bauerndorf zur Kleinstadt – Wohnen und Leben im Mittelalter

98 Die Sage vom Uklei-See

99 Zwischen Wald und See – Freie Geister in Klingberg

100 Anzeigen und Pressetexte von einst

Der Autor

Quellen

Vorwort

Schmunzeln ist erlaubt!

Wer von Ihnen ein klassisches Geschichtsbuch erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Zugegeben, ohne Jahreszahlen geht es auch bei mir nicht. Doch die Geschichten, die Sie in diesem Buch lesen, orientieren sich nicht nur ausschließlich an den Herrschern und ihren Kriegen. Mein Wunsch war und ist es, über die Geschichte vor unserer Haustür anschaulich und lebendig zu erzählen. Dabei möchte ich Sie nicht mit langen theoretischen Abhandlungen ermüden. Es soll Heimatgeschichte zum Anfassen sein. „Stolpersteine“ war ein erster Begriff, der mir in den Sinn kam, als ich mir Gedanken über dieses Buch machte. Eine Kirche, ein Denkmal, eine Mühle oder nur ein kleiner Meilenstein am Wegesrand sind jene Zeitzeugen, an denen wir in unserem hektischen Alltag in den meisten Fällen achtlos vorbeihetzen. Ein kleiner Hinweis, beispielsweise durch ein Foto oder das Geschriebene in diesem Buch, erweckt diese „Stolpersteine“ zum Leben. Nicht nur die Feststellung: „Ist ja interessant!“ „Hab ich gar nicht gewusst!“ „Ist ja gar nicht weit weg!“ führen auf ganz neue Wege, denn beim nächsten Spaziergang erscheint die Kirche, der Affe am Schloss und das Denkmal in einem ganz anderen Licht.

Es geht auch um „Land und Leute“ in diesem Buch. Da mag einem bei den Erzählungen über Henker und Henkersknechte ebenso der kalte Schauer über den Rücken laufen wie bei der Erwähnung des „Schwarzen Tods“, der Pest. Hexen, Dirnen und Scharfrichter gehörten gleichermaßen zum Alltag des Mittelalters in unserer Region wie auch so manche kuriose Begebenheit, die uns heute nur zum Schmunzeln bringt. Oder haben Sie gewusst, dass aufgrund von Ehestreitigkeiten bereits im 17. Jahrhundert herzogliches Porzellan durch das Eutiner Schloss geflogen ist?

„Ostholstein gestern – 100 Geschichten über Land und Leute“ soll dem Gast wie auch dem „Ureinwohner“ unseres Landstriches auf unterhaltsame Weise die Geschichte Ostholsteins ein wenig näher bringen. Schauen Sie mal rein. Sie werden bestimmt etwas Neues entdecken!

Jürgen Vogler

Kirchen und Klöster

Eine kleine Kapelle mit bewegter Vergangenheit

Georgskapelle in Bad Schwartau.

Stattliche und imposante Kirchenbauten finden wir in Ostholstein und im nahe gelegenen Lübeck gleichermaßen. Ob die Feldsteinkirchen auf dem flachen Land oder die alles überragenden Türme der Hansestadt, sie beeindrucken bis heute durch ihre Bauart und beherrschende Erscheinung. Ein ebenso stolzes Gotteshaus sucht man hingegen in Bad Schwartau vergebens. Immerhin ist der Ort, gemessen an der Zahl seiner Einwohner, der größte des Kreises Ostholstein, und man sollte meinen, dass an einem so geschichtlich bedeutenden Punkt nahe des Zusammenflusses von Schwartau und Trave schon in frühen Zeiten der Ruf nach einem beeindruckenden Kirchenbau erhört wurde. Zugegeben, im früheren Nachbardorf Rensefeld stand eine ehrwürdige Kirche und auch Bad Schwartau verfügt heute über die Christuskirche, doch weihte man diese erst 1961. Ganz ohne Gotteshaus mussten die Christen an der Schwartau jedoch auch vor dieser Zeit nicht leben.

Bescheiden, klein und unscheinbar zeigt sich die Georgskapelle in Bad Schwartau. Sie hat weder einen Turm noch eine repräsentative Fassade und liegt mehr oder wenig beachtet an einer lebhaften Straße. Und doch ist sie für den Ort ein wichtiges Gebäude, denn die Georgskapelle oder Siechenkapelle, wie sie auch genannt wird, an der Eutiner Straße ist das älteste Gebäude in Bad Schwartau. Ein kleines Gotteshaus mit einer großen, wechselvollen Vergangenheit. Die Geschichte der Kapelle reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Das Lübecker Domkapitel hatte in den einsam gelegenen Au-Niederungen der Schwartau vor den Toren der Hansestadt ein Hospital für Aussätzige, ein so genanntes Leprosarium errichtet. Kirchliche Unterlagen verraten, dass Bischof Johannes II. von Diest für die Siechenschwestern in Schwartau am 25. Dezember 1260 neue Hausregeln erlassen hatte. Dem Hospital wurde um 1280 eine Kapelle angegliedert. Die Kranken waren durch die Hausregeln zu strengem gottesdienstlichen Leben verpflichtet.

Die erste Kapelle wurde 1508 durch einen Neubau ersetzt, der heutigen Georgskapelle. Vom ersten Bau ist nur noch ein Grabstein erhalten, der in die Nordwand eingemauert wurde und der die Jahreszahl 1302 sowie den Namen „Margarete Marthe Cosvelde“ sowie die Inschrift „orate p. es“ (Betet für sie!) trägt.

In den ersten Jahren war die Kapelle eng mit dem Siechenhaus verbunden. Später, als die Lepra abgeklungen war, zogen in das Hospital nicht nur Kranke, sondern auch Arme und Altersgebrechliche ein. Schon im 18. Jahrhundert wurde die Kapelle durch die ersten angesiedelten Bürger Schwartaus für Gottesdienste genutzt.

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann eine trostlose Zeit für das Gotteshaus. Während der Wirren der napoleonischen Kriege wandelten die Soldaten und biwakierenden Truppen die kleine Kapelle kurzerhand zum Pferdestall um. Als Kirche war sie Jahre später durch den schlechten Bauzustand nicht mehr verwendbar. Nur notdürftig repariert, brachte man später Obdachlose hier unter. Im Hungerjahr 1847 war die Georgskapelle „Suppenanstalt“, danach diente sie als Strohscheune, und wie die alten Dokumente verraten, war sie in dieser Zeit auch immer wieder „Schlupfwinkel für liederliche Streicher“.

1857 kaufte die Fleckengemeinde Schwartau das Gebäude, doch das Aussehen der Georgskapelle änderte sich dadurch nicht. 20 Jahre später erwarb eine irische Sekte das Haus für 7000 Taler und hielt dort ihre Gottesdienste ab. Erst als Schwartau 1888 die Kapelle wieder zurückkaufte, änderte sich auch ihr bedauernswerter Anblick. Sie wurde umfassend renoviert und auch wieder für den Gemeindegottesdienst genutzt. Ein Tauschgeschäft veränderte 1937 noch einmal die Verhältnisse. Die Stadt Bad Schwartau überließ der Kirchengemeinde Rensefeld-Bad Schwartau die Georgskapelle und erhielt dafür das Rensefelder Küsterhaus, um dieses als Schulhaus zu nutzen. Eine gründliche Renovierung erfuhr die Georgskapelle 1951, bei der eine Sakristei und eine Empore eingerichtet wurden.

Zugleich restaurierte man den wertvollen Barockaltar von 1674, der vorher in der Lübecker St.-Lorenz-Kirche stand. Bis 1926 besaß die Georgskapelle den so genannten „Schwartauer Altar“ oder „Altar der Zirkelbrüder“. Dieses kostbare Kunstwerk stand ursprünglich in der St.-Katharinen- Kirche zu Lübeck. In nachmittelalterlicher Zeit kam der Altar in Besitz der Siechenkapelle in Schwartau. Heute ist der „Schwartauer Altar“ im Lübecker St.-Annen-Museum zu bewundern. Seit 1959 erklingt in der Georgskapelle eine Beckerorgel mit 10 Registern, verteilt auf zwei Manuale und Pedal.

Die abwechslungsreiche Geschichte des Gotteshauses hat ihre Spuren hinterlassen. Einen Turm hat die Georgskapelle nie gesehen. An der Giebelwand des schlichten Backsteinbaus sind nur leere Nischen in den breiten Spitzbogenfenstern zu erkennen. Die eingelassenen verwitterten Wappen können als solche kaum mehr bestimmt werden. Lediglich das Bischofswappen zeigt andeutungsweise noch seine ursprünglichen Konturen. Stolz sind die Schwartauer trotzdem auf ihre Georgskapelle. Nicht nur weil sie das älteste Gebäude der Stadt ist, sondern weil das kleine, unscheinbare Gotteshaus trotz seiner bewegten Vergangenheit bis heute seinen Zweck erfüllt.

 

Kloster Cismar – Die allzu weltlichen Mönche

Hinter den dicken Mauern des Klosters Cismar, wo einst die Benediktinermönche wirkten, können heute interessante Kunstausstellungen besichtigt werden.

Das offizielle Gründungsjahr des Klosters Cismar wird mit 1238 angegeben. Das ist jenes Jahr, als Graf Adolf IV. in der Nähe des wendischen Dorfes Sicimerestorpe (Cismar) ein Kloster gründete. Immerhin war der Graf kein Unbedeutender für Schleswig-Holstein, denn er hatte 1227 die Schlacht bei Bornhöved gewonnen und damit die dänische Vorherrschaft im Lande beendet.

Doch genau genommen beginnt die Geschichte des Klosters schon weitaus früher. Denn bereits 1127 gründete man das Johanniskloster in Lübeck. Grundsätzlich wohl eine lobenswerte und gottesfürchtige Tat. Indirekt allerdings legte man mit dieser Gründung schon die Wurzeln für das Kloster in Cismar, doch es waren gleichzeitig auch die Wurzeln allen Übels. Das Kloster wurde nämlich von Mönchen und Nonnen gemeinsam bewohnt. Sehr bald entrüstete man sich in der aufstrebenden Hansestadt über deren Lebenswandel. „Die Mönche treiben sich in der Stadt herum“, warf man den Gottesleuten vor. Man stellte sogar fest, „… es kam zu großen Schändlichkeiten“.

Welchen weltlichen Freuden Mönche und Nonnen in dieser Zeit auch nahegestanden haben, die wahren Gründe der Entrüstung und Querelen lagen auf ganz anderen Ebenen. Bürgertum und Bischof in Lübeck waren sich ohnehin nicht grün. Ausdruck von Machtgerangel und Konkurrenz sind bis heute in den beiden prächtigen Kirchenbauten von Dom (Gotteshaus des Bischofs) und Marienkirche (Kirche der Kaufleute) zu erkennen. Zur selben Zeit stritt man sich über die neue Benediktinerregel, die von vielen Geistlichen als zu modern empfunden wurde und letztlich zur Abspaltung der Zisterzienser führte, die zur strengeren Regel des Heiligen Benedikt zurück kehren wollten. Kurzum, da die Lübecker Bürger um das Seelenheil ihrer Töchter fürchteten, beschwerten sie sich beim Erzbischof von Bremen über den liederlichen Lebenswandel der Lübecker Mönche. 1231 ordnete dieser für den männlichen Teil die Verlegung des Klosters nach Cismar an.

Den Mönchen war diese Weisung gar nicht recht. Auch als Graf Adolf IV. 1238 das Kloster in Cismar offiziell gründete, zogen nur wenige Mönche in die Einöde. Die meisten dachten gar nicht daran, ihr schönes Leben in der Weltstadt Lübeck aufzugeben. Der Konvent weigerte sich weitere acht Jahre, nach Cismar umzuziehen, bis 1246 die Verlegung befohlen wurde. Die Mönche maulten immer noch und übten passiven Widerstand. Sie bauten nur das Notwendigste. Eine kleine Kirche und einige Unterkünfte. Bei den Arbeiten für das Wirtschaftsgebäude stießen sie auf eine Quelle. Um die Gemüter der verbannten Mönche zu beruhigen, reiste der Bischof von Lübeck nach Cismar und weihte die Quelle noch im gleichen Jahr ihrer Entdeckung als „Heilige Johannisquelle“. Doch die Mönche stritten sich weiter. Zeitweise wurde der gesamte Konvent exkommuniziert, bis endlich 1256 der Papst einschritt. Die Mönche in Cismar durften nun nach ihren neuen Benediktinerregeln leben, erhielten ihren gesamten Besitz zurück, mussten aber in Cismar bleiben. Jetzt krempelten die Mönche in Cismar die Ärmel hoch. Eine gewaltige Klosterkirche entstand. Zudem zusätzliche Konventgebäude, die höher waren als die heutigen verbliebenen Teile des Klosters. Als zum Ende des 13. Jahrhunderts die Mönche durch Schenkungen in den Besitz wertvoller Reliquien kamen, waren dem Ruhm des Klosters kaum mehr Grenzen gesetzt. Tausende von Pilgern kamen nach Cismar, um der Heiligen Blutreliquie und dem Stück Leichentuch von Jesus Christus die Ehre zu erweisen oder an der heiligen Quelle Kraft und Gesundheit zu finden. Lahme und Gebrechliche, Reiche und Gläubige machten sich über Land oder Wasser auf den mühseligen Weg nach Cismar, um hier ihr Heil zu finden. Viele Pilger brachen bereits unterwegs erschöpft zusammen, so dass sich sogar die Stadtväter von Neustadt in dieser Zeit entschlossen, ein Hospital (Heiligengeist-Hospital) für die Beladenen zu errichten.

Dem Kloster Cismar gehörten aufgrund des Fleißes seiner Mönche große Besitzungen und Dörfer in Ostholstein. Sie reichten bis kurz vor Oldenburg, Neustadt und Schönwalde. Der Ortsname Mönch-Neversdorf zeugt heute noch davon. Zudem gehörten auch Ländereien im Lauenburgischen und in Mecklenburg dem Kloster in Cismar. Um die zahlreichen Reliquien im Kloster angemessen unterbringen zu können, beauftragten die Mönche kurz nach 1300 eine Lübecker Schnitzwerkstatt mit dem Bau eines Schreins. Dieser Flügelaltarschrein ist der älteste seiner Art und kann bis heute im Kloster Cismar bewundert werden.

Der Niedergang des Klosters in Cismar begann 1461, als man an der Echtheit der Reliquien zweifelte und der Lübecker Bischof ihre heilige Eigenschaft aberkannte. Ein schwerer Schlag für die Mönche. Die Pilger blieben aus und damit auch das dringend benötigte Geld. Die Reformation tat ein Übriges. 1544 wurde der gesamte Landbesitz des Klosters verstaatlicht und ging in den Besitz des dänischen Königs über, der zu dieser Zeit Landesherr in Schleswig-Holstein war. 1561 starb der letzte Abt und man wandelte die Klostergebäude zu einem Gutshof um. Dort, wo früher die Laienbrüder beteten, lag jetzt Heu und Stroh. Wo die Mönche sich einst versammelten, befand sich nun der Pferdestall. Die wertvolle Klosterbibliothek verlud man auf 25 Pferdewagen und schaffte sie nach Kopenhagen. Sie bildete den Grundstock der später weltbekannten „Königlichen Dänischen Bibliothek“. Das Hochkreuz, das über dem Lettner hing, ist heute in der St.-Katharinen-Kirche in Lensahn zu finden. Das Chorgestühl der Mönche befindet sich in Heiligenhafen. Alle anderen Schätze verschwanden unwiederbringlich. Der erste evangelische Pastor, eingesetzt durch den dänischen König, war Johannes Stricker. Doch den Herrschenden war der neue Pastor sehr bald ein Dorn im Auge, denn er schrieb 1570 ein Schauspiel, in dem er Unzucht und Völlerei anprangerte. Gleichzeitig warf er den Mächtigen vor, dass sie sich nach der Reformation das freigewordene Kirchengut widerrechtlich angeeignet hätten. Pastor Stricker musste fliehen und konnte später als Hauptpastor nach Grube zurückkehren. 1584 schrieb er sein Drama „De düdesche Schlömer“, das in der Bearbeitung von Hugo von Hofmannsthal als „Der Jedermann“ bekannt wurde.

Die Laienkirche des Klosters, jener Teil, der heute für Ausstellungen des Landesmuseums genutzt wird und über 200 Jahre als Scheune diente, erfuhr von 1767 bis 1769 einen grundlegenden Wandel. Dieser Bereich des Klosters wurde zum Schloss umgebaut und auch als Amtmannwohnung bekannt. Die Folge war, dass man wenig später die eigentliche Mönchskirche jetzt als Scheune nutzte. Bis 1835 die Bevölkerung dagegen protestierte und die Kirche endlich wieder zur Gemeindekirche wurde. Das „Weiße Haus“ unmittelbar vor den Klostertoren verdankt seine Existenz dem einmal wieder unbewohnbaren Zustand der Amtmannwohnung Mitte des 19. Jahrhunderts. So errichtete man jenes Gebäude als Ersatz im dänisch-klassizistischen Stil.

Kurz nach dem dänisch-preußischen Krieg 1865 war das Kloster bis 1921 der Sitz des Landrates des Kreises Oldenburg. Ein Jugendheim, ein Marinedepot, eine Flüchtlingsunterkunft, eine Oberschule und wieder ein Jugendheim waren die Einrichtungen, für deren Bewohner das Kloster in Cismar in den folgenden Jahren Raum und Bleibe bot. 1982 erinnerte man sich an das Schmuckstück mit verblasstem Glanz in Cismar und restaurierte das Kloster grundlegend.

 

Der älteste Flügelaltarschrein

Auch wenn der Altar in der Klosterkirche in Cismar heute nicht mehr ganz vollständig ist, so lässt er doch an seiner prachtvollen Ausschmückung und seiner Einmaligkeit nicht zweifeln.

Das Kloster in Cismar aus dem 13. Jahrhundert ist Jahr für Jahr ein Magnet für zahllose Besucher. Klosterfest, Ausstellungen des Landesmuseums und Klosterführungen vermitteln stets auch einen Eindruck klösterlichen Lebens vergangener Tage. Innerhalb der Klostermauern befindet sich zudem ein ganz besonderes und wertvolles Schmuckstück: der Flügelaltarschrein in der Klosterkirche. Die Kunstgeschichte kennt keinen älteren geschnitzten Flügelaltarschrein als den im Kloster Cismar. Man geht davon aus, dass der kunstvoll geschnitzte Altar zwischen 1300 und 1320 von einer Schnitzwerkstatt in Lübeck vollendet wurde. Mindestens fünf verschiedene Schnitzmeister, deren Namen nicht überliefert sind, haben an dem Altar gearbeitet. Ihre unterschiedlichen Schnitzarten lassen sich klar unterscheiden. Man erkennt, dass die Figuren in der Mitte des Altars auf großen Eichenbohlen geschnitzt, während die Figuren auf den Flügeln einzeln geschnitzt und dann aufgeklebt wurden.

Im oberen Teil des Altars in den Türmen befinden sich sogar dreieinhalb Figuren, die noch 70 Jahre älter sind. Sie stammen vom Altar im ersten Klosterkirchenteil, der 1238 begonnen wurde. Ihr Alter wird von der Wissenschaft mit dem „Entstehungsdatum vor 1250“ angegeben. Es sind in der Mitte Maria mit dem Christuskind, links der Evangelist Johannes und rechts der Heilige Benedikt. Dreieinhalb Figuren deshalb, weil der Christus keinen Kopf mehr hat. Ohnehin wird der aufmerksame Betrachter feststellen, dass einige Figuren des Flügelaltarschreins fehlen. Wo sie geblieben sind, ist bis heute ungeklärt. Viele Jahre wurde das Kloster zweckentfremdet und sogar als Scheune benutzt. Eine Erklärung wäre, dass in dieser Zeit die Figuren gestohlen wurden. Ein weiterer Verdacht wird ebenfalls in Cismar geäußert. Als 1970 die Figuren etwas gründlicher gereinigt wurden, stellte man fest, dass sich in den Köpfen der Heiligen noch Reliquien befanden. Wahrscheinlich stahl man den Christuskopf, da man in ihm die wertvollste Reliquie vermutete.

Trotz der fehlenden Figuren ist die prachtvolle Gestaltung des Altars mit seinen bildlichen Kompositionen erhalten geblieben. In der Mitte ist Maria mit dem Christuskind zu sehen, darunter elf Bilder aus der Lebensgeschichte Jesu. Der Flügel links zeigt Bilder aus dem Leben des Johannes, während auf dem rechten Flügel das Leben des Heiligen Benedikt dargestellt ist.

Der Altar war ursprünglich als Schrank mit Einlegeböden gearbeitet, um in ihm Reliquien zu verwahren. Die Reliquienliste in Kopenhagen weist aus, dass neben der Reliquie Jesu in der hervorgehobenen Geißelungsszene auch für jeden dargestellten Heiligen und Märtyrer damals eine Reliquie vorhanden gewesen ist.

Bei den sonntäglichen Gottesdiensten in der Klosterkirche in Cismar oder bei den wöchentlichen Klosterführungen kann sich jeder selber einen Eindruck von dem prachtvollen ältesten Flügelaltarschrein in Cismar verschaffen.

 

Vicelinkirche in Ratekau

Weltliche und kirchliche Macht

Die Vicelinkirche in Ratekau gehört zu den wenigen noch erhaltenen Feldsteinkirchen Ostholsteins.

Ohne Frage ist die Kirche in Ratekau die am ursprünglichsten erhaltene unter den Feldsteinkirchen der Vicelin- und Geroldzeit des 12. Jahrhunderts. Trotz wiederholten Streits um ihren Besitz, Plünderungen, Blitzschlag und Missbrauch des Kirchenraums konnten ihre mächtigen Mauern bis heute bestehen. Ein Blick zurück berichtet über die wechselvolle Geschichte der Kirche in Ratekau.

Als Gerold 1155 die Bischofsweihen in Rom empfing und gleich danach sein Bistum in Oldenburg bezog, fand er ein fast entvölkertes Land vor. Die blutigen Streitigkeiten zwischen dem slawischen Wagrierfürsten Blusso und den Fürsten des christlichen Wendenreiches hatten nur noch eine verödete Region hinterlassen. Bischof Gerolds erstes Ziel war die Wiederchristianisierung, und so legte er sogleich den Bau von Kirchen in Süsel, Lütjenburg und Ratekau fest. Dieses christliche Ziel verfolgte auch Graf Adolf II. von Schauenburg, so dass man beide, kirchliche wie weltliche Fürsten, 1156 als Gründer der Ratekauer Kirche bezeichnen kann.

Doch diese Eintracht dauerte nicht sehr lange. Es kam zu wiederholten Auseinandersetzungen aufgrund der strittigen Besitzrechte. Über Jahrhunderte war man sich nicht einig, ob denn der Zehnte des Kirchspiels dem im bischöflichen Besitz stehenden Dorf oder der unter dem landesherrlichen Patronat stehenden Kirche zustand. Erst 1842 trat der Dänenkönig Christian VIII. im Plöner Vertrag das Kirchenpatronat mit allen seinen Rechten an den Großherzog von Oldenburg ab.

Doch neben diesen Streitigkeiten hatte die Kirche in Ratekau noch ganz andere Attacken zu überstehen. 1235 überfielen die Lübecker die bedeutungsvolle Kirche nicht weit vor ihren Toren, brandschatzten und plünderten sie. Auch ein Blitzschlag, der die Kirche 1738 traf, konnte nicht an den festen Mauern rütteln.

Ein eher trauriges Kapitel spielte die Kirche 1806 und rückte damit unerwartet ins Rampenlicht der europäischen Geschichte, als der preußische Generalleutnant von Blücher in Ratekau mit seinen Truppen einzog. Das Pastorat wurde zum Hauptquartier erklärt und der Innenraum der Kirche kurzerhand zum Pferdestall umfunktioniert. Der Protest des Ortspastors Schrödter, dass Kirche und Pastorat der dänischen Krone unterstehen würden, somit exterritorial und neutrales Ausland seien, hielt Blücher und seine Soldaten nicht von der Besetzung des Ortes ab. Am 7. November 1806 unterzeichnete der spätere Generalfeldmarschall die Kapitulation vor den übermächtigen französischen Truppen mit der überlieferten Begründung: „Ich kapithullire, weil ich kein Brot und keine Muhnitsion mehr habe!“ Elisabeth Schrödter, älteste Tochter des Pastors, führte ihrem verwitweten Vater zu dieser Zeit den Haushalt und hat diese bewegten Wochen in einem Tagebuch festgehalten. Sie schrieb über die Tage der Kapitulation: „General Blücher äußerte noch, er habe hauptsächlich zugunsten des Dorfes und des Vaters kapituliert, um unser Leben zu schonen. Unter französischer Begleitung ritt er bewegt davon.“

In den Jahrhunderten ihres Bestehens hat auch der Zahn der Zeit an der Ratekauer Vicelinkirche genagt. Während man noch 1913 eine Sakristei anbaute, wurde die Kirche 1933 grundlegend renoviert. Eine ebenfalls umfangreiche Restauration fand dann noch einmal 1956 statt. Ihr äußeres Erscheinungsbild hat die Kirche in Ratekau trotz aller Streitigkeiten und Stürme der Geschichte bewahrt. Bis heute ist sie ein beherrschendes Zeichen der einstigen wagrischen Missionslandschaft und gleichzeitig das eindrucksvolle Gotteshaus mit bewegter Geschichte, auf das man in Ratekau mit Recht stolz ist.

 

Hospital zum Heiligen Geist

Bürger tragen Verantwortung

Kaufmann Jacob Lienau ließ Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur 21 Wohnungen neu erbauen, auch das Altarbild in der Hospitalkirche in Neustadt ist seiner Großzügigkeit zu verdanken.

Wer Neustadt in Holstein auf der Straße von Westen erreicht, ist eher von der beeindruckenden Stadtansicht, von Fischkuttern, Seglern und dem Pagodenspeicher beeindruckt als von jener kleinen Kirche hinter alten Bäumen kurz vor dem Hafen. Doch das Hospital zum Heiligen Geist und mit ihm die Hospitalkirche verdient weitaus mehr Aufmerksamkeit, gehört es doch zu den ältesten Gebäuden der Stadt und ist ein beeindruckender Beweis bürgernahen Engagements.

Bereits 100 Jahre nach der Stadtgründung errichtete man 1344 außerhalb der Stadtmauern vor dem Brücktor eine Stiftung der Neustädter Bürger: das Hospital zum Heiligen Geist. Der Grund, weshalb Herzog Johann der Milde, ein Enkel des Gründers der Stadt, die Gründungsurkunde für das Hospital unterzeichnete, waren die Mönche im Kloster Cismar. In ihren Mauern befand sich eine große Anzahl von Reliquien. Zudem sprach man der Klosterquelle eine heilende Wirkung zu. Unzählige Gläubige und Pilger suchten diesen Ort Jahr für Jahr auf in Erwartung wundertätiger und heilkräftiger Wirkung. Zusätzlich verteilten die Mönche seit 1309 jeden 6. Dezember (Nikolaustag) und 2. Februar (Marienfest) Kleidung, Schuhe und Geld an die Armen.

Der Weg der armen Pilger führte auch durch Neustadt. In den alten Dokumenten ist verzeichnet, dass sich „aus den verschiedensten Gegenden des Landes, gleichermaßen auch aus nächster Umgebung, eine große Menge von Armen in der Stadt sammelten, um die Almosen frommer Leute zu empfangen. Dabei ereignet es sich oftmals, dass welche von den Armen aus großer Leibesschwäche und weil sie niemand haben, der sie aufnehme in sein Haus, ermattet vor den Kirchentüren und auf offener Straße unter freiem Himmel gefährlich und jammervoll daliegen“.

Erste Sammlungen, die der Rat der Stadt in der Bürgerschaft durchgeführt hatte, bildeten den Grundstock für die Stiftung des Hospitals. Durch die herzogliche Gründungsurkunde wurde außerdem festgelegt, dass „in ewigen Zeiten zu Nutz und Vorteil der vorgenannten Armen“ das Hospital von allen herrschaftlichen Abgaben befreit sein sollte.

In den ersten Jahren des Bestehens wurde jeder Bedürftige – ganz gleich woher er kam – aufgenommen. Bis zu 40 Menschen fanden in jener Zeit hier eine Bleibe, wenn sie „krank, elend oder arm waren“. Doch im Laufe der Jahre entwickelte sich diese Pflegeanstalt für Gebrechliche und Kranke mehr und mehr zu einem Armenhaus für Neustädter Bürger. Finanziert wurde das Hospital schon damals aus Schenkungen, zu denen beispielsweise auch das Dorf und der Hof Rettin oder die Hospitalmühle gehörten. Die Erträge dieser Einrichtungen führten zu einer komfortablen Finanzlage der Stiftung, sodass 1436 die Malzmühle am Mühlenbach und 1476 das Dorf Logeberg vor den Toren Neustadts mit größeren Ländereien gekauft werden konnten.

Während die ersten Hospitalbauten noch aus Lehmwänden bestanden, konnten 1408 die Hospitalkirche und ein großes Herbergshaus bereits gemauert werden. Der 30-jährige Krieg verschonte auch nicht das Hospital zum Heiligen Geist in Neustadt. 1636 renovierte man die Kapelle. Seitdem wurde sie grundlegend nicht verändert. Kaufmann Jacob Lienau hatte sich im 19.

Jahrhundert auf unterschiedlichste Weise um Neustadt verdient gemacht. So ließ er 1853 im Hospital 21 Wohnungen neu erbauen. Auch das Altarbild in der Kapelle ist seiner Großzügigkeit zu verdanken. Die Hospitalordnung wurde 1885 erneuert. „Zweck des Hospitals, hilfsbedürftige und würdige Bürger der Stadt Neustadt in Holstein durch Gewährung preisgünstiger Wohnungen zu unterstützen“, so formulierte man 1965 die gleichbleibende Zweckbestimmung mit modernen Worten neu. Zehn abgeschlossene Wohnbereiche stehen nach mehrfachen Umbau- und Modernisierungsarbeiten den Bürgern Neustadts jetzt im Hospital zum Heiligen Geist zur Verfügung. Eine Einzelwohnung hat man im Zustand von 1853 erhalten. Wohn-, Schlafraum und Küche mit offenem Herd, ausgestattet mit zahlreichen Erinnerungsstücken und Zeugnissen aus der Vergangenheit, präsentieren sich heute als kleines „Hospitalmuseum“.

Soziale Verantwortung und Hilfsbereitschaft sind keine typischen Zeichen unserer modernen Gesellschaft. In Neustadt waren sich die Bürger bereits vor knapp 700 Jahren der Verantwortung ihren Mitmenschen gegenüber bewusst. Das Hospital zum Heiligen Geist beweist es bis heute eindrucksvoll.

 

Die Glocken von St. Laurentius

Ein schicksalshafter Weg

Glockenturm der St.-Laurentius-Kirche in Süsel.

Feldsteinkirchen sind in Ostholstein nichts Besonderes. Sie werden auch Vicelin-Kirchen genannt und haben sich mit diesem Namen längst als Gattungsbegriff etabliert. Bischof Vicelin und sein Nachfolger Gerold ließen diese stattlichen Kirchenhäuser im 12. Jahrhundert während der Christianisierung unseres Landes errichten. Eine von ihnen ist die St.-Laurentius-Kirche in Süsel. Allein über die Baugeschichte des Gotteshauses ließe sich so manches berichten, doch die Glocken der Süseler Kirche erzählen dagegen eine geradezu abenteuerliche Geschichte. Als Baujahr der St.-Laurentius-Kirche in Süsel vermutet man 1156. So genau weiß man es nicht. In diesen rund 850 Jahren hat die alte Feldsteinkirche trotz ihrer trutzigen Mauern so manche geschichtlichen Stürme überstehen müssen. Gebaut wurde sie, um in jener Zeit die heidnischen Slawen vom christlichen Glauben zu überzeugen. Da diese nicht immer mit der Missionierung einverstanden waren, mussten die neuen Gotteshäuser in der „Wildnis“ unseres heutigen Ostholsteins auch gleichzeitig den Zweck wehrhafter Schutzburgen erfüllen, den sie durch ihre meterdicken Mauern auch meistens erfüllten.

Auch die Kirche in Süsel hatte ursprünglich einen Rundturm, ähnlich der Feldsteinkirche in Ratekau. 1735 ersetzte man den Turm durch einen quadratischen Neubau aus Backsteinen, vermutlich da an seinem Vorgänger der Zahn der Zeit zu stark genagt hatte. In dieser Epoche wurden auch zwei neue Glocken angeschafft. Ob man bereits vor dieser Zeit in Süsel geläutet hat, ist nicht bekannt.

Die größere Glocke wog rund 25 Zentner (1250kg), die kleinere 16 Zentner (800kg). Beide trugen sie die Inschrift: „Soli Deo Gloria!“ (Gott allein die Ehre). Zusätzlich waren sie mit reichem Zierrat und dem Wappen von Schleswig-Holstein versehen. Ebenfalls konnte man den Namen „Friedrich Carl“ lesen, dem damaligen Herzog von Plön, zu dessen Herrschaftsbereich das Amt Ahrensbök und das Kirchspiel Süsel gehörten. Auch die Jahreszahl 1732 und die Namen vom Pastor, Organisten und den Kirchengeschworenen hatte man auf den Glocken verewigt.

1890 hielt Pastor Behrens in der Kirchenchronik fest: „Da das Läuten der Glocken, welches durch Treten geschah, eine lebensgefährliche Arbeit war, so wurde im Jahr 1890 ein Läutapparat beschafft und der dazu erforderliche Glockenstuhl hergestellt.“ Mit dem Ersten Weltkrieg näherte sich auch das Ende der Glocken von Süsel. Metall wurde für Kanonen benötigt und dieser Umstand machte auch vor den Glocken nicht halt. Im „Anzeiger für das Fürstenthum Lübeck“ war am 28. Juni 1917 zu lesen: „Zum Glockenabschied ist hier heute abend eine kirchliche Feier veranstaltet worden.“ Wenige Tage später stand in der Zeitung: „… die Süseler Kirchengemeinde hat ihre größte und schönste Glocke dem Vaterland geweiht.“ Eine ganze Stunde läuteten die Glocken, Lehrer Schlichting trug ein eigens zum Glockenabschied verfasstes Gedicht vor, bis die Glocken im Turm zerschlagen und unter großer Anteilnahme der Gemeinde abtransportiert wurden. Der Süseler Kirche blieb lediglich eine kleine, einen Zentner schwere Glocke, die man aber nun nicht mehr benutzen wollte.

Erst 1928 konnte eine neue Glocke eingeweiht werden. Sie erhielt dieselbe Inschrift wie ihre große Vorgängerin und den Hinweis auf deren Schicksal. Ebenfalls verzichtete man auch jetzt nicht auf die Namen der Förderer und Spender. Als Datum goss man den „Sonntag Judika 1928“ ein. Doch auch diese Glocke hatte nur eine kurze Lebensdauer. Lediglich 14 Jahre durfte sie in Süsel erklingen. Bereits 1942 wurde auch sie ein Opfer des Krieges und eingeschmolzen.

Es dauerte bis zum September 1956, bis eine neue Glocke bei einem Festgottesdienst von Landesprobst Kieckbusch geweiht werden konnte. Sie hatte die Inschrift „Lobet ihr Völker unseren Gott, lasset seinen Ruhm weit erschallen“. Durch ein elektrisches Läutwerk konnte man von nun an auch auf die Muskelkraft verzichten. 1975 entschloss sich der Kirchenvorstand, das einstige Te-Deum-Geläut wieder zu vervollständigen. Man schaffte eine dritte Glocke an, die zum Erntedankfest 1975 eingeweiht wurde und die Inschrift „Te Deum Laudamus 1158–1958, 800 Jahre Kirche zu Süsel“ trug.

Seit dieser Zeit erklingen vom Turm der Feldsteinkirche in Süsel wieder drei Glocken. Ordentlich nach Läutordnung festgesetzt: „Bei Taufen die kleine Glocke, bei Trauungen die mittlere dazu und bei Beerdigungen alle drei wie auch bei allen Gottesdiensten.“

 

Das viel zu große Gotteshaus

Rätsel von Altenkrempe

Die stattliche Kirche in Altenkrempe hat so manchem Historiker schon Rätsel aufgegeben. Bei der bescheidenen Größe des kleinen Dorfes vor den Toren Neustadts fällt das imposante Gotteshaus sofort ins Auge.

Kirchen waren und sind für die Menschen stets ein besonderer Anziehungspunkt. Wobei die Zweckbestimmung als Gotteshaus unzweifelhaft im Vordergrund steht. Aber auch für Architekten und Historiker bieten die jahrhunderte alten Gemäuer Möglichkeiten unbegrenzter Studien. Eine dieser alten Kirchen, bei der so manche Frage auch heute noch unbeantwortet bleibt, ist die Kirche von Altenkrempe.

In einer Gegend, in der vielerorts ehrwürdige Gotteshäuser zu finden sind, mag im ersten Augenblick die Kirche in Altenkrempe nur eine von vielen sein. Verständlich. Bei dem täglichen Trott und der Hetze unserer Zeit verlieren wir nur zu oft den Blick für das Besondere. Doch ganz gleich aus welcher Himmelsrichtung man Altenkrempe vor den Toren Neustadts anfährt und das Ortsbild bewusst betrachtet, stellt der Betrachter sofort fest, dass eigentlich die Proportionen nicht stimmen. Eine alles überragende Backsteinkirche mit einem wuchtigen Kirchturm fällt ins Auge, doch zu ihren Füßen lediglich ein paar niedrige Landarbeiter- und Einfamilienhäuser. Jedem kritischen Beobachter wird deutlich, dass es sich hier um mehr als um eine Dorfkirche handeln muss. Doch hierin liegt auch schon das Besondere und selbst für Geschichtsschreiber ein bis heute noch nicht eindeutig geklärtes Rätsel.

Das Gebäude wird 1197 erstmals urkundlich erwähnt, eine Zeit, als man auch noch zum Kirchenbau unbearbeitete Feldsteine mühsam aufeinander schichtete. Die Gotteshäuser in Süsel, Bosau, Neukirchen, Gleschendorf und Ratekau sind bis heute anschauliche Beweise dafür. Beim Bau der Kirche in Altenkrempe setzte man seinerzeit erstmals ein neues Baumaterial ein: rote Backsteine. Jene aus Lehm gebrannten harten Ziegel, die viel leichter zu handhaben und vielfältiger zur Formgestaltung geeignet waren. Obwohl in anderen Städten annähernd zur gleichen Zeit ähnliche Backsteinkirchen entstanden, einschließlich des gewaltigen Baus des Lübecker Doms, gilt die Kirche von Altenkrempe auch heute noch als eine der frühesten reinen Backsteinkirchen Ostholsteins. Sicherlich etwas Besonderes. Doch warum eine so stattliche Kirche für ein so kleines Dorf?

Eine präzise Antwort haben die Geschichtsforscher nicht zur Hand, doch gibt es zwei Versionen, um diese Erscheinung zu erklären. Die Auffassung, hier sollte ursprünglich an geschützter Seite der Lübecker Bucht eine Stadt in Konkurrenz zur aufblühenden Handelsstadt Lübeck entstehen, ist heute nicht mehr haltbar. Die damals schon sumpfigen Niederungen und seichten Fahrwasser hätten den Ausbau zu einer größeren Stadt mit umfassenden Hafenanlagen nicht zugelassen. Eine solche Fehlplanung will und kann man unseren Vorvätern nicht unterstellen.

So vermutet man eher, dass die Kirche von Altenkrempe als „zentrale Missionskirche für den Bereich südlich des Bungsbergs“ gedacht war. Dafür spricht auch die Größe des alten Kirchspiels von Altenkrempe, dem allein 23 Dörfer angehörten. Berücksichtigt man gleichzeitig, dass Kirchenbauten im Mittelalter nicht nur die Einrichtung von Gebäuden zum Gottesdienst, sondern ebenso eine Demonstration politischer Macht bedeuteten, so ist hierin wohl eine zumindest schlüssige Erklärung für die Größe des Gotteshauses in Altenkrempe zu finden.

Kurzum, etwas Besonderes bleibt die Backsteinkirche in Altenkrempe allemal, und seine Bewohner sind mit Recht stolz auf ihr mittelalterliches Gotteshaus. Auch wenn das sakrale Gebäude für eine Dorfkirche ein wenig zu groß erscheint, zeigt es doch dem Betrachter bereits von weitem, dass in Altenkrempe die Kirche mitten im Dorf steht.

 

Bosau

Kleine Kirche mit großer Geschichte

Von jenem Ort aus, wo heute die Bosauer Kirche steht, begann vor mehr als 1000 Jahren die Christianisierung im heidnischen Ostholstein.

Bosau heißt jener kleine und beschauliche Ort am Südostufer des Großen Plöner Sees, der besonders in den Sommermonaten zahlreiche Gäste anlockt. Kunstausstellungen, gemütliche Cafés und Restaurants sorgen für die magnetische Anziehungskraft des beliebten Ferienortes. Auch Bosaus St.-Petri-Kirche ist immer wieder ein begehrtes Ausflugsziel. Doch sind alle Besucher sich auch der geschichtlichen Bedeutung jener Scholle, auf der sie spazieren, und des weißen Gotteshauses bewusst?

Christianisierung und Kolonialisierung sind Begriffe, die mit der Geschichte Ostholsteins bereits vor mehr als 1000 Jahren in Zusammenhang gebracht wurden. Die Wenden, die sich in Holstein Wagrier nannten, hatten Ende des 7. Jahrhunderts Starigrad (das spätere Oldenburg) zu ihrem Fürstensitz erkoren und immer mehr zu einem politischen Machtzentrum ausgebaut. Um diesem heidnischen Volk den wahren Glauben zu überbringen, gründete Otto der Große 948 ein erstes Missionsbistum in Oldenburg. Doch die Wenden waren von einem neuen Gott nicht so schnell zu überzeugen. Sie wehrten sich in blutigen Kriegen. Nach dem zweiten Wendenaufstand 1066, bei dem sie Oldenburg völlig vernichteten, war der Bischofssitz 83 Jahre verwaist. Erst 1149 würde Vicelin als Oldenburger Bischof eingesetzt. Doch da der damalige Bischofssitz immer noch wendisches Rückzugsgebiet war, „siedelte Bischof Vicelin nach der Insel namens Bosau über und lagerte unter einer Buche, bis Hütten errichtet waren, in denen man wohnen konnte. Dort begann er nun eine Kirche zu bauen im Namen des Herren und zum Gedächtnis des Hl.

Petrus, des Apostelführers“. So beschreibt der spätere Pfarrer Helmold in seiner bekannten Slawenchronik den Beginn des Kirchenbaus in Bosau.

Wie die Kirche in der Vicelinzeit tatsächlich ausgesehen hat, das lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Einigermaßen sicher ist man jedoch, dass die Handwerker und auch das Baumaterial vorrangig aus Segeberg kamen. Die Bosauer Kirche wurde aus Feldsteinen errichtet. Anschließend überzog man die Steine mit einem Gipsmörtel. Nach damaligen Chronisten „leuchtete die Kirche wie ein weißer Marmordom über den Plöner See“. Die älteste Abbildung des Gotteshauses aus dem Jahre 1559 zeigt einen runden Turm mit einem spitzen Helmkegel. In einer kleinen Nische an der Nordwestseite des Turms sind noch heute einige Stufen zu sehen, die zum alten Turmaufgang gehörten. Auch eine spätgotische Vicelinfigur rechts vom Altar trägt eine Kirche mit rundem Turm.

Vermutlich wurde die Bosauer Kirche im 30-jährigen Krieg stark beschädigt, der Rundturm gänzlich zerstört. Der neue Turm erhielt beim Wiederaufbau eine quadratische Form mit geschweiftem Barockhelm. Im Laufe der Jahre mussten immer wieder Mauerteile durch Backsteine ersetzt werden. Durch einen Kalkanstrich – außen wie innen – wurde jedoch stets der Eindruck der glänzend weißen Kirche am Seeufer aus den ersten Jahren ihres Bestehens bewahrt.

Das älteste Stück in der Bosauer Kirche ist ohne Frage das Granittaufbecken, das links vor dem Altar steht. Die Experten vermuten, dass dieser Taufstein bereits vor dem 9. Jahrhundert existierte und auch benutzt wurde. Aufmerksamkeit verlangt auch das große Kruzifix vor dem Triumphbogen. Diese Kostbarkeit der alten Feldsteinkirche sprach man aufgrund ihrer großen Aussagekraft und Anschaulichkeit bisher der Werkstatt des Lübecker Meisters Bernt Notke zu und datierte die Entstehung um 1470. Doch immer mehr Fachleute neigen dazu, die Schaffung des Kruzifixes in seiner ursprünglichen Gestalt viel früher anzusiedeln. Eine Sensation erbrachte die erste Renovierung des Kreuzes 1916. Im Christuskopf entdeckte man fünf Reliquien mit beschrifteten Pergamentzetteln. Die Reliquien werden bis heute in der Bosauer Kirche verwahrt.

Neben weiteren Kostbarkeiten im Innenraum der Kirche besaß die Bosauer Kirchengemeinde ein weiteres Schmuckstück. 1697 hatte Detlef Tödtke anlässlich der Beerdigung seines erst 45 Wochen alten Sohnes eine einmalige Sonnenuhr gestiftet. Man zählte sie sehr bald zu den berühmtesten Sonnenuhren nördlich der Mainlinie. Wo sie heute steht, ist ungewiss. Sie wurde 1974 gestohlen.

Im Schatten der Bäume, nicht weit vom See zeigt sich die Bosauer Kirche eingebunden in den kleinen Friedhof bis in unsere Tage als friedvolles und idyllisches Ensemble, das jederzeit einen Besuch wert ist. Kaum zu glauben, dass dieses bescheidene Gotteshaus für das Christentum in Ostholstein eine solch entscheidende Bedeutung hatte.

Eutiner Schloss und Herzögliches

Ägyptische Gottheit oder doch nurAffen vor dem Schloss?

Die Affen vor dem Eutiner Schloss geben bis heute Rätsel auf.

Affen gehören nun einmal nicht zu unseren heimischen Tierarten. Höchstens im Zoo können wir sie bewundern. Umso mehr irritieren auch zwei Skulpturen vor dem Eutiner Schloss Betrachter und Besucher seit Jahren. Beharrlich bewachen sie vor der Brücke den Eingang des Schlosses. Experten haben inzwischen herausgefunden, dass es eigentlich keine Affen sind, doch woher sie einst kamen, das scheint immer noch ein Rätsel zu sein. Bereits im Mai 1949 machte man sich Gedanken über „die zwei merkwürdigen Steingebilde“ am Eingang zum Eutiner Schloss. In der Zeitung konnte man lesen: „… es sollen anscheinend Löwen sein. Sie sehen so phantastisch und altertümlich aus, dass man sie auch für kriegerische Affen halten könnte“. Was denn nun – Löwe oder Affe? Dass der Steinmetz hier seinerzeit die Fantasie hat schweifen lassen, wie denn weiter in dem Artikel unterstellt wird, gehört ohne Frage in die Welt der Fantasie des Autors. Ein wenig Aufhellung verschaffte der Eutiner Heimatkundler Bruno Schönfeldt. Er fand heraus, dass der vorletzte regierende Großherzog Nikolaus Friedrich Peter für die Affen verantwortlich gewesen sein soll. Als er 1895 im Oldenburger Schlossgarten das Elisabeth-Anna-Palais bauen ließ, stieß man bei den Erdarbeiten auf zwei große Findlinge. Zur selben Zeit war im großherzoglichen Schloss auch ein begabter junger Bildhauer, dem der Großherzog diese großen Steine für seine gestaltende Fantasie zur Verfügung stellte. So entstanden die beiden affenähnlichen Figuren, die dem Großherzog gefielen und die er vor dem neu errichteten Elisabeth-Anna-Palais aufstellen ließ. Aufgrund der Besitzveränderungen nach dem Ersten Weltkrieg ließ Großherzog Friedrich August die beiden Skulpturen nach Eutin schaffen, da das Schloss hier weiterhin sein Eigentum blieb.